Ihr Rechtsanwalt im Wettbewerbsrecht
Dr. Hermann-Josef Omsels*

Eine Darstellung des Gesetzes gegen den unlauteren Wettbewerb und wettbewerbsrechtlicher Nebengesetze



 


 

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§ 3 (Irreführende Werbung)

1. Gesetzestext

2. Marktverhaltensregelung

3. Anwendungsbereich

4. Ermittlung des Verkehrsverständnisses

5. Irreführungsmaßstab

6. Beispiele

a. Empfehlungen

b. Studien

c. Preiswerbung

i. ABDA-Bezugnahme

ii. Verschreibungsbudget

d. Fachinformationen nach § 11a AMG

e. Einzelfälle von A - Z

Gesetzestext

§ 3 HWG

Unzulässig ist eine irreführende Werbung. Eine Irreführung liegt insbesondere dann vor,

1. wenn Arzneimitteln, Medizinprodukten, Verfahren, Behandlungen, Gegenständen oder anderen Mitteln eine therapeutische Wirksamkeit oder Wirkungen beigelegt werden, die sie nicht haben,

2. wenn fälschlich der Eindruck erweckt wird, daß

a) ein Erfolg mit Sicherheit erwartet werden kann,

b) bei bestimmungsgemäßem oder längerem Gebrauch keine schädlichen Wirkungen eintreten,

c) die Werbung nicht zu Zwecken des Wettbewerbs veranstaltet wird,

3. wenn unwahre oder zur Täuschung geeignete Angaben

a) über die Zusammensetzung oder Beschaffenheit von Arzneimitteln, Medizinprodukten, Gegenständen oder anderen Mitteln oder über die Art und Weise der Verfahren oder Behandlungen oder

b) über die Person, Vorbildung, Befähigung oder Erfolge des Herstellers, Erfinders oder der für sie tätigen oder tätig gewesenen Personen

gemacht werden.

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Marktverhaltensregelung

BGH, Urt. v. 7.5.2015, I ZR 29/14, Tz. 13 - Äquipotenzangabe in Fachinformation

Bei § 3 Abs. 1 und 2 Nr. 1 HWG handelt es sich um Marktverhaltensregelungen, da diese Bestimmungen den Schutz der menschlichen Gesundheit und damit den Verbraucherschutz bezwecken.

Allgemeine Rechtsprechung; z.B. OLG Hamm, Urt. v. 20.5.2014, 4 U 57/13, Tz. 93; OLG Brandenburg, Urt. v. 28.4.2015, 6 U 6/1, Tz. 77; OLG Celle, Urt. v. 26.5.2016, 13 U 147/15, II.2.a; OLG München, Urt. v. 4.5.2017, 29 U 335/17; OLG Stuttgart, Urt. v. 8. Juni 2017, 2 U 154/16, Tz.56; OLG Saarbrücken, Urt. v. 19.12.2018, 1 U 41/18, II.2.a; OLG Hamburg, Urt. v. 12.12.2019, 3 U 14/19, Tz. 57; OLG Hamm, Beschl. v. 2.9.2021, 4 W 59/21, Tz. 25OLG Karlsruhe, Urt. v. 22.6.2022, 6 U 259/21, Tz. 66

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Anwendungsbereich

§ 3 HWG erfasst jede irreführende Werbung mit Arzneimitteln. § 3 S. 2 HWG enthält nicht abschließende Beispielstatbestände.

OLG Oldenburg, Urt. v. 1.9.2005, 1 U 51/05

§ 3 S. 1 HWG erfasst allgemein jede irreführende Werbung hinsichtlich der unter das HWG fallenden Arzneimittel und Verfahren. Eine darauf bezogene, in den Anwendungsbereich des HWG fallende Werbung ist dann irreführend, wenn sie in den angesprochenen Verkehrskreisen bei einem durchschnittlich informierten, aufmerksamen und verständigen Durchschnittsverbraucher zu unzutreffenden, von der Wirklichkeit abweichenden Vorstellungen führt oder zumindest führen kann. … Wenn sich Werbung sowohl an ein Fach- als auch an ein Laienpublikum wendet, so ist der Tatbestand des § 3 S. 1 HWG bereits dann erfüllt, wenn die Möglichkeit der Täuschung innerhalb nur einer Adressatengruppe besteht.

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Ermittlung des Verkehrsverständnisses

BGH, Urt. v. 5.11.2020, I ZR 204/19, Tz. 11 - Sinupret

Im Heilmittelwerberecht ist für die Bestimmung des Inhalts einer Werbeaussage das Verständnis des durchschnittlich informierten, aufmerksamen und verständigen Werbeadressaten (vgl. zu diesem Maßstab nur BGH, Urt. v. 2.10.2003, I ZR 150/01, Tz. 13 - Marktführerschaft) maßgeblich.

Ebenso OLG Hamm, Urt. v. 21.4.2022, 4 U 39/22, Tz. 46

Zur Ermittlung des Verkehrsverständnisses zu einer heilmittelbezogenen Angabe siehe hier. Darüber hinaus:

OLG Hamm, Urt. v. 21.4.2022, 4 U 39/22, Tz. 47

Gehören die Adressaten der Werbeaussage verschiedenen Kreisen an, so reicht die Irreführung in einem dieser Kreise aus (vgl. BGH, Beschl. v. 11.2.2010, I ZR 154/08, Tz. 11 mwN. – Bundesdruckerei; Urt. v. 2.10.2003, I ZR 150/01, Tz. 23 – Marktführerschaft).

OLG Karlsruhe, Urt. v. 22.6.2022, 6 U 259/21, Tz. 67

Die beanstandeten Angaben richten sich an das allgemeine Publikum. Dessen Verkehrsauffassung kann der Senat aufgrund eigener Sachkunde beurteilen, ohne dass es hierfür besonderer Erkenntnisse oder Erfahrungen bedürfte, weil hier jedermann – auch die im Übrigen ständig mit Wettbewerbssachen befassten Senatsmitglieder – zu den angesprochenen Verkehrskreisen zählen (vgl. Köhler/Bornkann/Feddersen, UWG, 40. Aufl., § 5 Rn. 1.66, 1.233).

OLG Hamburg, Urt. v. 4.7.2013, 3 U 161/11, II.3.a

Es trifft zwar zu, dass in medizinisch-wissenschaftlichen Kreisen das Vorhandensein oder Fehlen bestimmter Umstände typischerweise an bestimmten Grenzwerten gemessen wird und der anhand von Studien lege artis geführte wissenschaftliche Nachweis stets mit der aus der Zugrundelegung eines anerkannten Signifikanzmaßstabs folgenden Restunsicherheit belastet ist. Allerdings belegt diese medizinisch-wissenschaftliche Konvention für die Einordnung von Studienergebnissen auf der Ebene des Verkehrsverständnisses noch nicht den Umkehrschluss, dass Ärzte die uneingeschränkt daherkommende tatsächliche Behauptung der Abwesenheit eines Effekts gleichsam automatisch dahingehend relativierten, der Effekt sei allenfalls in einem nicht signifikanten Ausmaß vorhanden. Gleiches gilt für ein auf die klinische Relevanz bezogenes, eingeschränktes Verständnis der Angabe. Im Bereich der gesundheitsbezogenen Werbung, in dem wegen des hohen Schutzgutes der Gesundheit des Einzelnen und der Bevölkerung an die Richtigkeit, Eindeutigkeit und Klarheit der Aussagen besonders strenge Anforderungen zu stellen sind („Strengeprinzip“), ist für die Annahme, der Adressat einer Mitteilung werde diese in einer anderen als durch den Wortlaut nahegelegten Weise verstehen, noch weniger Raum als im Bereich des allgemeinen lauterkeitsrechtlichen Irreführungsverbots, wo ein solches „korrigierendes Verständnis“ kaum je in Betracht kommt.

OLG Hamburg, Urt. v. 11.3.2021, 3 U 33/19, Tz. 42

Der angesprochene Fachverkehr … erwartet regelmäßig bzgl. konkreter Wirkaussagen eines Arzneimittels eine durch entsprechende Studien fundierte wissenschaftliche Absicherung. Vorliegend wird jedoch keine bestimmte Wirkweise oder eine konkrete Eigenschaft des Arzneimittels in Bezug genommen, sondern allein, dass resistente Bakterien gegen das darin enthaltene Antibiotikum T. (bislang) nicht bekannt seien. Konkrete Vorstellungen dazu, welche Anstrengungen genau unternommen werden, um solche Resistenzen zu identifizieren, werden von der Aussage dagegen nicht hervorgerufen.

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Irreführungsmaßstab

Im Rahmen des § 3 HWG ist zu beachten, dass die Anforderungen an die Annahme einer Irreführungsgefahr noch weniger streng sind als bei § 5 UWG. Dies gilt insbesondere auch für den wissenschaftlichen Nachweis der Richtigkeit einer Angabe in der Werbung. Zur Darlegungs- und Beweislast siehe hier.

OLG Köln, Urt. v. 20.8.2021, 6 U 47/21, Tz. 60

Im Bereich gesundheitsbezogener Angaben gehen unklare Angaben, die unklare Vorstellungen auslösen können, zu Lasten des Werbenden (Fezer/Büscher/Obergfell, UWG, 3. Aufl. 2016, § 5 Rn. 313c).

OLG Hamburg, Urt. v. 18.4.2013, 3 U 142/11

Die Werbung für Arzneimittel unterliegt den strengen Voraussetzungen der gesundheitsbezogenen Werbung, wonach wegen des hohen Schutzgutes der Gesundheit des Einzelnen und der Bevölkerung an die Richtigkeit, Eindeutigkeit und Klarheit der Aussagen besonders strenge Anforderungen zu stellen sind. Daher sind werbende Anpreisungen auf diesem Gebiet nur zulässig, wenn sie gesicherter wissenschaftlicher Erkenntnis entsprechen.

Ebenso OLG Frankfurt, Beschl. v. 19.12.2018, 6 W 97/18, II.2.b; OLG Saarbrücken, Urt. v. 19.12.2018, 1 U 41/18, II.2.d.aa.1

OLG Düsseldorf, Urt. v. 12.2.2015, 15 U 70/14, Tz. 100

§ 3 HWG setzt nicht voraus, dass tatsächlich eine Irreführung bzw. Täuschung eintritt; vielmehr genügt das Vorliegen einer Irreführungs- bzw. Täuschungsgefahr. Diese Gefahr muss sich nicht bei der Gesamtheit des Verkehrs realisieren. Ausreichende, aber zugleich notwendige Voraussetzung ist lediglich der Eintritt der Gefahr der Irreführung bzw. Täuschung bei einem erheblichen Teil der von der Werbeaussage angesprochenen Verkehrskreise. Erforderlich ist somit eine Prognoseentscheidung, wie der Verkehr die Werbeaussage verstehen wird. Ob und wann ein erheblicher Teil des angesprochenen Verkehrs einer solchen Irreführung unterliegt, hängt von den konkreten Umständen des Einzelfalls ab, die normativ zu bewerten sind. Feste Prozentsätze gelten insoweit nicht, weshalb es auch stets eine Frage des Einzelfalls ist, ob und wenn ja welche Irreführungsquote mit welchen Mitteln festzustellen ist. Im Rahmen der normativen Bewertung können Art und Besonderheit der Ware oder Leistung, Art und Ausmaß der Werbung, die Intensität der Irreführung, deren Gefährlichkeit für die Allgemeinheit und der Grad der Betroffenheit der Mitbewerber und Verbraucher von Bedeutung sein.

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Beispiele

Empfehlungen

Ein Beispiel für eine Werbung, die § 3 S. 1 HWG und keiner Fallgruppe des § 3 S. 2 HWG unterfällt, ist die Werbung mit einer wissenschaftlichen Untersuchung, aus der sich laut Werbung ergeben soll, dass ein bestimmtes Präparat empfohlen werde, obwohl sich die Studie nur mit dem Wirkstoff befasst.

OLG Hamburg, Urt. v. 18.4.2013, 3 U 142/11

Die angegriffene Angabe ist irreführend, denn die in Bezug genommene Literaturstelle enthält eine Anwendungsempfehlung gerade für das Produkt der Beklagten nicht. Vielmehr enthält die Arbeit von Lichtenstern et al. an der hier relevanten Stelle eine auf die gesamte Stoffgruppe der Echinokandine bezogene Anwendungsempfehlung (Patienten […] sollen […] mit einem Echinocandin behandelt werden), die auf den allgemein, d.h. nicht produkt- oder wirkstoffbezogen beschriebenen Vorzügen dieser Stoffgruppe basiert (aufgrund der breiten Wirksamkeit und der minimalen Toxizität“), ohne dass die unterschiedlichen Indikations- und Nebenwirkungsspektren einzelner Wirkstoffe in den Blick genommen würden. Lichtenstern et al. heben also gerade nicht einen bestimmten Wirkstoff oder ein bestimmtes Produkt hervor. Die Beklagte hat zwar Recht mit dem Hinweis, dass das beworbene Produkt C. auch ein Echinocandin sei, das zu der Gruppe von Stoffen gehöre, die in der Arbeit von Lichtenstern et al. durch ausführliche Darstellung einer Therapieleitlinie positiv erwähnt würden.

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Studien

OLG Köln, Urt. v. 6.2.2015, 6 U 110/14, Tz.31

Die Werbung für Arzneimittel oder Medizinprodukte mit einer unveröffentlichten Studie, ohne auf den Umstand der fehlenden Veröffentlichung hinzuweisen, ist grundsätzlich irreführend und wettbewerblich unzulässig (§§ 3, 4 Nr. 11, 5 Abs. 1 S. 2 Nr. 1 UWG, 3 S. 1 HWG; Gröning, Heilmittelwerberecht, Stand: Juni 2011, § 6 HWG Rn. 8, 21; Ring, in: Bülow u. a., HWG, § 6 Rn. 14; vgl. BGH, GRUR 2013, 649 Tz. 17 - Basisinsulin mit Gewichtsvorteil). Eine Studie, die in einer Fachzeitschrift veröffentlicht worden ist, hat im Regelfall nicht nur vor der Veröffentlichung einen Peer-Review-Prozess durchlaufen, sondern stellt sich durch die Veröffentlichung auch der wissenschaftlichen Diskussion. Sie hat daher ein höheres Maß an fachlicher Überzeugungskraft als eine Studie, die nicht veröffentlicht worden ist, selbst wenn sie in Einzelfällen an Interessierte herausgegeben wird.

OLG Köln, Urt. v. 6.2.2015, 6 U 110/14, Tz.32

Die Bezugnahme auf die Studie wäre nur dann zulässig gewesen, wenn der Hinweis auf ihre fehlende Veröffentlichung so unmissverständlich und eindeutig erfolgt wäre, dass er von den Adressaten der Werbung ohne weiteres wahrnehmbar gewesen wäre. ...

Auch wenn die Antragstellerin für die eine Irreführung begründenden Umstände grundsätzlich darlegungs- und beweisbelastet ist, trifft die Antragsgegnerin in der vorliegenden Konstellation, in der sie sich darauf beruft, dass eine an sich gegebene Irreführungsgefahr durch einen aufklärenden Hinweis in der nur ihr in Einzelheiten bekannten Werbung beseitigt worden sei, eine sekundäre Darlegungslast hinsichtlich der Ausgestaltung dieses Hinweises.

OLG Nürnberg, Hinweisbeschl. v. 22.5.2018, 3 U 1138/18, Tz. 68

Eine Werbung für ein Arzneimittel kann daher irreführend sein, wenn sie auf Studien gestützt wird, die diese Aussage nicht tragen. Ein solcher Verstoß gegen den Grundsatz der Zitatwahrheit kommt zum einen in Betracht, wenn die als Beleg angeführte Studie den Anforderungen an einen hinreichenden wissenschaftlichen Beleg nicht entspricht. Eine Irreführung liegt zum anderen regelmäßig dann vor, wenn die Studie selbst abweichende Studienergebnisse nennt, die in der Werbung behaupteten Ergebnisse nicht für bewiesen hält oder lediglich eine vorsichtige Bewertung der Ergebnisse vornimmt und die Werbung diese Einschränkungen der Studienaussage nicht mitteilt. Studienergebnisse entsprechen grundsätzlich nur dann den Anforderungen an einen hinreichenden wissenschaftlichen Beleg, wenn sie nach den anerkannten Regeln und Grundsätzen wissenschaftlicher Forschung durchgeführt und ausgewertet wurden. Dafür ist im Regelfall erforderlich, dass eine randomisierte, placebokontrollierte Doppelblindstudie mit einer adäquaten statistischen Auswertung vorliegt, die durch die Veröffentlichung in den Diskussionsprozess der Fachwelt einbezogen worden ist.

Ebenso OLG Hamburg, Urt. v. 29. März 2018, 3 U 95/188, Tz. 57

Tz. 69

In all diesen Fällen geht es nicht darum, ob die Studie selbst lege artis durchgeführt wurde oder ob die Werbung inhaltlich jedenfalls auf andere Studien gestützt werden kann. Die Irreführung ergibt sich vielmehr bereits daraus, dass die durch die uneingeschränkt aufgestellte werbliche Auslobung in Bezug genommene Studie selbst die Werbeaussage nicht oder nicht uneingeschränkt trägt. Ein Verbot derartiger Werbung rechtfertigt sich unabhängig davon, ob die Aussage inhaltlich richtig ist, sich etwa auf andere, in der konkreten Werbung aber nicht als Beleg angeführte Studien stützen ließe. Das Strengeprinzip im Heilmittelwerberecht erfordert es nämlich, dass eine Werbung, die sich auf Studien stützt und damit eine wissenschaftliche Absicherung suggeriert, sich auf die richtigen Studien stützt. Der Arzt muss in der Lage sein, die durch eine Studie angeblich wissenschaftlich belegte Aussage unmittelbar durch diese Studie zu überprüfen, ohne gegenwärtigen zu müssen, dass die als Beleg aufgeführte Studie nur teilweise, über „3 Ecken“ oder nur im Zusammenhang mit anderen, nicht genannten Studien (möglicherweise) valide ist und die Werbebehauptung stützen kann. Anderenfalls wäre die ärztliche Therapieentscheidung auf der Grundlage von mit wissenschaftlichen Studien belegten Werbeaussagen mit Unsicherheiten belegt und wären deshalb Gefahren für das hohe Schutzgut der Gesundheit des Einzelnen sowie der Bevölkerung nicht auszuschließen

Zur Bewerbung einer Studie unter Bezugnahme auf eine bestimmte Norm (hier Messgenauigkeit von Blutzuckermessgeräten)

OLG Hamburg, Urt. v. 26.2.2015, 3 U 104/13

Die ISO 15197:2003 macht in Ziff. 7.3.1.2. Vorgaben dazu, wie die Messgenauigkeit von Blutzuckermessgeräten zu testen ist. Wenn nun Angaben dazu gemacht werden sollen, ob ein bestimmtes Gerät die ISO-Vorgaben einhält oder nicht, kann dies - uneingeschränkt – nur auf der Basis von Untersuchungen geschehen, bei denen die Vorgaben der ISO 15197:2003 zum Prüfungsaufbau vollumfänglich eingehalten wurden. Werden – wie hier – in einer wissenschaftlichen Studie Angaben dazu gemacht, welche Blutzuckermessgeräte die Messgenauigkeitsanforderungen der ISO 15197:2003 erfüllen und welche nicht, geht der Verkehr davon aus, dass diese Geräte im Rahmen der Studie nach den von der ISO 15197:2003 vorgegebenen Maßgaben getestet worden sind.

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Preiswerbung

ABDA-Bezugnahme

OLG Stuttgart, Urt. v. 14.11.2013, 2 U 182/12, Tz. 57, 59 f

Die Werbung mit einem Preisnachlass von 40% gegenüber dem „bisherigen Preis nach ABDA“ war irreführend, da unklar und gemäß §§ 3, 5 Abs. 1 Nr. 2 UWG unlauter. Bei einer solchen Preisgegenüberstellung oder -bezugnahme muss sich aus der Werbung klar und deutlich ergeben, worum es sich bei dem Vergleichspreis handelt (vgl. BGH, Urt. v. 17.3.2011, I ZR 81/09, Tz. 22 – Original Kanchipur; OLG Hamm, Urt. v. 24.1.2013, I-4 U 186/12, Tz. 55 ff. – Q-Börse).

Die angegriffene Rabatt-Werbung erweckt beim Verbraucher den unzutreffenden Eindruck, es habe für das beworbene Produkt bislang einen festen Preis gegeben, gegenüber dem der nunmehr angebotene um 40% niedriger liege. Die Werbung spricht nicht von einer Preisempfehlung, sondern von einem „bisherigen Preis“. Das Wort „Preis“ suggeriert in deutlich stärkerem Maße als das Wort „Preisempfehlung“, dass der genannte Betrag vom Kunden auch tatsächlich und durchgängig zu bezahlen gewesen wäre. Zwar mag, was der Senat nicht zu entscheiden braucht, von dem maßgebenden durchschnittlich informierten, situationsadäquat aufmerksamen Verbraucher bei einer Werbung für andere als pharmazeutische Produkte ein Bezug zum Verkaufspreis nur dieses werbenden Händlers gezogen werden. Im pharmazeutischen Bereich ist das Denken vieler Verbraucher aber nach wie vor auch im preisbindungsfreien Segment unterschwellig geprägt von der Vorstellung eines einheitlichen Apothekenabgabepreises. Außerdem weiß der Verbraucher regelmäßig nicht, welche Arzneimittel der Preisbindung unterliegen und welche nicht.

Wird in dieses Vorverständnis noch durch die Worte „Preis nach ABDA“ unterstützend hineingewirkt, so legt dies auch für den ganz überwiegenden Teil der Verbraucher, der mit dem Kürzel „ABDA“ nichts anfangen kann, die Annahme nahe, es handele sich bei dem Bezugspreis um einen bisherigen Fest- oder verbindlichen Listenpreis, den er am Markt bislang habe bezahlen müssen.

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Verschreibungsbudget

Eine Werbung, die den Eindruck erweckt, die Verschreibung eines bestimmtes Arzneimittels schone das Verschreibungsbudget des Arztes, ist irrreführend, wenn die Aussage nicht für alle relevanten Krankenkassen gilt (OLG Hamburg, Urt. v. 20.3.2014, 3 U 96/13).

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Fachinformationen nach § 11a AMG

Angaben in den Fachinformationen, die Fachleuten zu einem Arzneimottel zur Verfügung gestellt werden, können irreführend sein.

BGH, Urt. v. 7.5.2015, I ZR 29/14, Tz. 17 - Äquipotenzangabe in Fachinformation

Auch Angaben in einer Fachinformation können irreführend sein, wenn sie auf Studien gestützt sind, die diese Aussagen nicht tragen. Nach § 11a Abs. 1 Satz 1 AMG handelt es sich bei der Fachinformation um eine zwingend vorgeschriebene Gebrauchsinformation für die Fachkreise. Mit ihr wird den Ärzten für deren Therapieentscheidung eine weitere, über die Packungsbeilage hinausgehende Informationsquelle über das Arzneimittel zur Verfügung gestellt, die sie insbesondere in der öffentlichen Arzneimittel-Datenbank abrufen können (vgl. § 34 Abs. 1a Nr. 1 AMG). Damit stellen die in der Fachinformation enthaltenen Angaben im Sinne von § 2 Abs. 1 Nr. 1 UWG geschäftliche Handlungen des Herstellers zur Förderung des Absatzes seiner Arzneimittel dar. … Kann die Therapieentscheidung eines Arztes durch eine wissenschaftlich nicht gesicherte Angabe in einer Fachinformation beeinflusst werden, ist die Gesundheit der Bevölkerung jedenfalls nicht weniger gefährdet als bei einer unmittelbar an Verbraucher oder Fachkreise gerichteten gesundheitsbezogenen Werbung.

Die Fachinformation ist zwar Gegenstand der Zulassungsprüfung für das jeweilige Arzneimittel. Damit wird der Inhalt der Fachinformation infolge der Zulassung der wettbewerbsrechtlichen Prüfung jedoch nicht entzogen.

Allerdings sind die Fachinformationen Gegenstand der Prüfung im Arznmeimittelzulassungsverfahren und wird mit der Zulassung mit genehmigt. Die wettbewerbsrechtliche Prüfung ist daher eingeschränkt.

BGH, Urt. v. 7.5.2015, I ZR 29/14, Tz. 35 - Äquipotenzangabe in Fachinformation

Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs ist regelmäßig davon auszugehen, dass die Angaben in einer Fachinformation, die dem Zulassungsantrag eines Arzneimittels beigefügt war, zum Zeitpunkt der Zulassung des Arzneimittels dem gesicherten Stand der Wissenschaft entsprochen haben (vgl. BGH, GRUR 2013, 649 Rn. 34 bis 36 - Basisinsulin mit Gewichtsvorteil). … Ein Werbender kann sich zum wissenschaftlichen Nachweis der Richtigkeit seiner werblichen Behauptungen in Bezug auf Eigenschaften eines Arzneimittels daher grundsätzlich auf die Angaben in der Fachinformation berufen (BGH, GRUR 2013, 649 Rn. 34 bis 36 - Basisinsulin mit Gewichtsvorteil). Ebenso kann sich der Inhaber einer Arzneimittelzulassung darauf berufen, dass die Angaben in der Fachinformation zum Zeitpunkt der Zulassung des Arzneimittels dem gesicherten Stand der Wissenschaft entsprochen haben.

BGH, Urt. v. 7.5.2015, I ZR 29/14, Tz. 36 - Äquipotenzangabe in Fachinformation

Der Kläger kann die indizielle Bedeutung der Zulassung für die hinreichende wissenschaftliche Absicherung der in einer Fachinformation enthaltenen Angaben allerdings erschüttern, indem er darlegt und erforderlichenfalls beweist, dass neuere, erst nach dem Zulassungszeitpunkt bekanntgewordene oder der Zulassungsbehörde bei der Zulassungsentscheidung sonst nicht zugängliche wissenschaftliche Erkenntnisse vorliegen, die gegen die wissenschaftliche Tragfähigkeit der durch die Zulassung belegten Aussagen sprechen (vgl. BGH, GRUR 2013, 649 Rn. 42 f. - Basisinsulin mit Gewichtsvorteil).

BGH, Urt. v. 7.5.2015, I ZR 29/14, Tz. 38 - Äquipotenzangabe in Fachinformation

Die indizielle Bedeutung der Zulassung für die hinreichende wissenschaftliche Absicherung der Angaben in einer Fachinformation kann allerdings nicht durch Angriffe auf Studien erschüttert werden, die dem Zulassungsantrag beigefügt waren (vgl. BGH, GRUR 2013, 649 Rn. 45 - Basisinsulin mit Gewichtsvorteil). Stellt sich nach der Zulassung des Arzneimittels heraus, dass die der Zulassungsentscheidung zugrunde liegenden Gutachten unzutreffend sind oder von der Zulassungsbehörde unzutreffend bewertet wurden, handelt es sich daher nicht um neuere wissenschaftliche Erkenntnisse, die die indizielle Bedeutung der Zulassung für die hinreichende wissenschaftliche Absicherung der in der Fachinformation enthaltenen Angaben erschüttern könnten.

Zur Kompetenzverteilung zwischen Zulassungsbehörde und Zivilgerichten:

BGH, Urt. v. 7.5.2015, I ZR 29/14, Tz. 45 - Äquipotenzangabe in Fachinformation

Es ist nicht geboten, einem Wettbewerber zu ermöglichen, die Beurteilung der mit besonderer Fachkompetenz ausgestatteten Arzneimittelzulassungsbehörde ohne neue oder dieser bei ihrer Entscheidung unbekannte wissenschaftliche Erkenntnisse in einem wettbewerbsrechtlichen Verfahren anzugreifen und damit das Zivilgericht zu zwingen, seine Beurteilung - mit oder ohne sachverständige Unterstützung - an die Stelle derjenigen der Fachbehörde zu setzen, die der Gesetzgeber dafür eingesetzt hat. Die Arzneimittelhersteller haben ein berechtigtes Interesse daran, durch die Zulassung eines Arzneimittels Rechtssicherheit hinsichtlich von Werbeaussagen zu gewinnen, die der von der Zulassungsbehörde geprüften Fachinformation entnommen sind. Die Wettbewerber haben es daher hinzunehmen, dass sie Einwände gegen die Fachinformation in einem wettbewerbsrechtlichen Verfahren nur aufgrund neuer oder der Zulassungsbehörde unbekannt gebliebener wissenschaftlicher Erkenntnisse erheben können. Etwaige Fehler bei der Beurteilung der Fachinformation im Zulassungsverfahren gefährden in erster Linie die Interessen der Allgemeinheit und der Arzneimittelnutzer an der Arzneimittelsicherheit, die die zuständige Behörde bei der Entscheidung über Auflagen oder die Rücknahme der Zulassung zu schützen hat.

Zur Bedeutung der Fachinformation als Darlegungs- und Beweismittel siehe hier.

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Einzelfälle

"Natürlich"

OLG München, Urt. v. 4.5.2017, 29 U 335/17, II.2.a.bb

Der Bezeichnung „natürlich“ steht im Streitfall zwar nicht entgegen, dass homöopathische Arzneimittel einen technischen Fertigungsprozess durchlaufen, insbesondere eine Verdünnung stattfindet und das Endprodukt verblistert wird. Denn dem verständigen Durchschnittsverbraucher ist bekannt, dass Tabletten in einem Verarbeitungsprozess hergestellt werden.

Die durch die beanstandeten Angaben begründete Vorstellung ist indes unzutreffend, weil der Bestandteil Magnesiumstearat mittels eines chemischen Verfahrens hergestellt wird. Dabei handelt es sich um einen für die Tablettenherstellung als Schmier-, Gleit- und Formtrennmittel eingesetzten Hilfsstoff, der aus pflanzlichen oder tierischen Fetten gewonnen und mit Hilfe eines chemischen Verfahrens unter Spaltung ihrer Glyceride mittels Magnesium, Seifen und Glycerin hergestellt wird (vgl. Anlagen ASt 8, ASt 9). Auch wenn pflanzliche und tierische Fette als Ausgangsstoffe für die Gewinnung von Magnesiumstearat natürlichen Ursprungs sind, verstehen die angesprochenen Verkehrskreise den daraus gewonnenen Hilfsstoff nicht mehr als natürlich, wenn er mittels einer chemischen Reaktion im Labor hergestellt wird.

von Anfang an

OLG Hamburg, Urt. v. 18.5.2017, 3 U 211/16, B.I.3.c.cc

Schon der Wortlaut bzw. das allgemeine Sprachverständnis der Aussage „Mehr Luft von Anfang an“ legen ein Verständnis nahe, nach dem die Wirkung des Arzneimittels unmittelbar beziehungsweise sogleich nach der Gabe eintritt. Dabei muss nicht entschieden werden, ob es gleich einem Notfallspray binnen Sekunden, einer Minute oder binnen drei bis fünf Minuten wirkt. Eine in der referenzierten Fußnote belegte Wirkung im Laufe des ersten Tages beziehungsweise nach 19 Minuten wird jedenfalls nicht dem Verständnis der angesprochenen Ärzte gerecht. Denn diese berücksichtigen das besondere Krankheitsbild, für das O. indiziert ist. Danach kommt es für den Eintritt der Wirkung auf jeden Atemzug an. Dieses Verständnis gilt auch unter Berücksichtigung der Tatsache, dass die angesprochenen Allgemein- und Fachärzte zwischen kurz- und langwirksamen Medikamenten in Form von Relievern und Controllern unterscheiden.

"kausale Therapie"

OLG Hamburg, Urt. v. 29.3.2018, 3 U 96/17, B.II.1.b.aa – Kausale Therapie

Die Antragstellerin hat vorgetragen und glaubhaft gemacht, dass der angesprochene Fachverkehr unter dem Begriff einer „kausalen Therapie“ eine medizinische Behandlung versteht, die die Ursachen einer Erkrankung angeht bzw. beseitigt. Dabei wird die Kausaltherapie von der lediglich symptomatischen Therapie abgegrenzt.

Aufgrund dieses glaubhaft gemachten Vortrags der Antragstellerin ist davon auszugehen, dass ein relevanter Anteil der angesprochenen Ärzte den Begriff der Kausaltherapie im Sinne einer Beseitigung der Krankheitsursache versteht.

"hohe Therapiesicherheit"

OLG Hamburg, Urt. v. 29.3.2018, 3 U 96/17,  B.II.2.b.bb– Kausale Therapie

Der angesprochene Fachverkehr geht aufgrund der Angabe „hohe Therapiesicherheit“ davon aus, dass bei Anwendung des beworbenen Arzneimittels Nebenwirkungen nur in geringer Schwere und in geringer Häufigkeit auftreten. Für die Annahme dieses Verkehrsverständnises spricht der Wortlaut der Angabe. So verstanden ist die Angabe falsch und damit irreführend, denn aus der Fachinformation ergibt sich, dass bei Anwendung des Arzneimittels Nebenwirkungen in erheblichem Umfang und in erheblicher Häufigkeit auftreten können.

"verhindern" / " zuverlässige Schutzbarriere"

OLG Hamburg, Urt. v. 14.9.2017, 3 U 246/16, B.II.3.a – Vaginaler Selbsttest

Die Formulierung unter Verwendung des Wortes „verhindern“ und „zuverlässige Schutzbarriere“ verstehen die angesprochenen Anwenderinnen zwanglos im Sinne eines einschränkungslosen Wirkversprechens.

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Zitiervorschlag zur aktuellen Seite

Omsels, Online-Kommentar zum UWG:

http://www.webcitation.org/6tbwWmcwm