Ihr Rechtsanwalt im Wettbewerbsrecht
Dr. Hermann-Josef Omsels*

Eine Darstellung des Gesetzes gegen den unlauteren Wettbewerb und wettbewerbsrechtlicher Nebengesetze



 


 

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3. Anwendung ausländischen Rechts

Die ROM-II- Verordnung regelt nur die Frage, welches (materielle) Recht zur Beurteilung einer geschäftlichen Handlung anzuwenden ist. Sie regelt nicht die Frage, welches Gericht für die Beurteilung zuständig ist.

Für ein gerichtliches Verfahren gegen einen Unternehmer mit Hauptsitz in Deutschland ist immer jedenfalls auch das deutsche Gericht zuständig, in dessen örtlichen Zuständigkeitsbereich das Unternehmen seinen Hauptsitz hat. Dies kann dazu führen, dass ein deutsches Gericht für die Beurteilung einer geschäftlichen Handlung das Recht eines ausländischen Staates anwenden muss.

1. Ausländisches Recht für ausländische Sachverhalte

2. Ausländisches Recht in der Europäischen Union

3. Anwendbares Recht für Handlungen ausländischer Unternehmen in Deutschland

Ausländisches Recht für ausländische Sachverhalte

In solchen Fällen ist es die Aufgabe des Gerichts, den Inhalt des ausländischen Rechts festzustellen und auf den Sachverhalt anzuwenden.

BGH, Urt. v. 11.2.2010, I ZR 85/08, Tz. 22 – Ausschreibung in Bulgarien

Die Ermittlung des anwendbaren, gegebenenfalls ausländischen Rechts obliegt dem Gericht von Amts wegen (vgl. § 293 ZPO). Die Parteien trifft insofern keine (prozessuale) Beweisführungslast.

Ebenso OLG Frankfurt, Beschl. v. 30.1.2020, 6 W 9/20, II.5

KG Berlin, Urt. v. 26.9.2011, 24 U 111/10 (= WRP 2012, 102)

Den Inhalt des maßgeblichen ausländischen Rechts hat der Tatrichter gemäß § 293 ZPO von Amts wegen zu ermitteln. In welcher Weise er sich die notwendigen Kenntnisse verschafft, liegt in seinem pflichtgemäßen Ermessen. … An die Ermittlungspflicht sind dabei umso höhere Anforderungen zu stellen, je komplexer und je fremder im Vergleich zum deutschen das anzuwendende Recht ist. Bei Anwendung einer dem deutschen Recht verwandten Rechtsordnung und klaren Rechtsnormen sind die Anforderungen geringer (BGH, NJW 2006,762; Geimer in Zöller, ZPO, 28. Aufl., 2010, § 293 Rdnr. 15). Die Ermittlung des fremden Rechts ist nicht auf die Heranziehung der Rechtsquellen zu beschränken, sondern muss auch die konkrete Ausgestaltung des Rechts in der ausländischen Rechtspraxis, insbesondere die ausländische Rechtsprechung, berücksichtigen. Der Tatrichter ist gehalten, das Recht als Ganzes zu ermitteln, wie es sich in Lehre und Rechtsprechung entwickelt hat, er muss dabei die ihm zugänglichen Erkenntnisquellen ausschöpfen (BGH, MDR 2003, 1128).

OLG Brandenburg, Beschl. v. 31.1.2019, 6 W 9/19, Tz. 29 f

Gelangt das Gericht zu der Erkenntnis, dass ausländisches Recht anzuwenden ist, ist der Inhalt des vom Internationalen Privatrecht berufenen ausländischen Rechts von Amts wegen festzustellen (§ 293 ZPO), gegebenenfalls unter Heranziehung von Experten (Zöller/Geimer, ZPO, 32. Aufl., § 293 Rn 14).

Es gelten allerdings Besonderheiten in Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes, § 293 ZPO ist nicht uneingeschränkt anwendbar. Im Verfahren der einstweiligen Verfügung ist die Pflicht des Richters bezüglich der Ermittlung fremden Rechts auf die Verwendung der präsenten Erkenntnisquellen beschränkt; die Mitwirkungspflicht der Partei gewinnt verstärkte Bedeutung (OLG Hamburg, Urteil vom 08.06.1989 - 6 U 135/88, VersR 1989, 1164). Das ausländische Recht ist wie andere Voraussetzungen des Arrest-/Verfügungsanspruches nach §§ 920, 936, 294 ZPO glaubhaft zu machen (Nagel/Gottwald, Internationales Zivilprozessrecht, 7. Aufl. 2013, § 11 Abschn. II 7 „Die Behandlung ausländischen Rechts und einstweiliger Rechtsschutz“; Halfmeier/E., Internationales Wettbewerbsverfahrensrecht/XXI. Einstweiliger Rechtsschutz in: Teplitzky/Pfeifer/Leistner, UWG, 2. Aufl. 2013, E. Internationales Wettbewerbsverfahrensrecht, Rn 272). Dies folgt letztlich aus § 920 ZPO. Dort wird die Glaubhaftmachung des Arrest-/Verfügungsanspruches gefordert, ohne dass zwischen Rechts- und Tatsachenfragen unterschieden wird.

OLG Düsseldorf, Urt. v. 12.9.2019, I-15 U 48/19, Tz. 71

Ein Gericht hat anerkanntermaßen auch im Anwendungsbereich des § 293 ZPO das anzuwendende Recht von Amts wegen zu ermitteln (BGH NZG 2017, 546 Rn. 7). Diese Pflicht zur Ermittlung des anwendbaren Rechts gilt auch im einstweiligen Rechtsschutz; lässt sich der Inhalt des einschlägigen ausländischen Rechts aufgrund der Eilbedürftigkeit im Einzelfall (ausnahmsweise) nicht einmal summarisch ermitteln, ist hilfsweise deutsches Recht anzuwenden.

Dagegen

OLG Frankfurt, Beschl. v. 30.1.2020, 6 W 9/20, II.5.c

Teilweise wird die Ansicht vertreten, in allen Fällen, in denen das ausländische Recht nicht sofort ermittelt werden kann, auf dem Weg der lex fori generell auf das deutsche Recht zurückzugreifen (...). Diese Lösung ist problematisch, weil sie die kollisionsrechtlichen Regelungen ohne rechtliche Grundlage außer Kraft setzt und somit zur Anwendung eines eigentlich nicht anwendbaren Rechts führt. Zudem hat der Gesetzgeber - in Kenntnis entsprechender gesetzlicher Regelungen in der Schweiz und Österreich von der Einführung einer vergleichbaren Regelung in Deutschland abgesehen. De lege ferenda ist nicht zu bezweifeln, dass eine Norm, wie sie das österreichische und das schweizerische Recht kennen, eine praktikable Lösung wäre. Sie bedürfte freilich auch im deutschen Recht einer eindeutigen Normierung, an der es fehlt (...).

Teilweise wird die Ansicht vertreten, dass in derartigen Fällen die Antragstellerin als „beweisfällig“ anzusehen ist (...), was der Senat indes ablehnt. Für den Inhalt ausländischen Rechts gibt es keine Beweislast im eigentlichen Sinn (...). Diejenige Partei, die sich auf das Bestehen eines ausländischen Rechtssatzes beruft, muss die Existenz und den Inhalt eines bestimmten ausländischen Rechtssatzes im Bestreitensfall nicht beweisen und trägt daher grundsätzlich auch nicht das Risiko, im Falle der Nichtbeweisbarkeit mit dem Anspruch abgewiesen zu werden. Vielmehr sollte die Rechtspflicht des Gerichts, das ausländische Recht zu ermitteln, durch ein Misslingen der von der Partei angebotenen Nachweise unberührt bleiben.

Eine dritte Auffassung (...), der der Senat folgt, sucht die Lösung des Problems darin, dass die Rechtsprüfung im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes in Form einer summarischen Schlüssigkeitsprüfung durchgeführt wird, die die wahre materielle Rechtslage weitgehend offenlässt. Da in einem solchen Fall die Richtigkeitsgewähr der Entscheidung erheblich reduziert ist, soll eine Abwägung der Interessen von Antragsteller und Antragsgegner hinzutreten. Unter Zugrundelegung der oben dargestellten Probleme des Senats bei einer auch nur summarischen Prüfung der Rechtslage sind daher die Interessen von Antragstellerin und Antragsgegnerin hier abzuwägen.

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Ausländisches Recht in der Europäischen Union

Bei der Auslegung ausländischen Rechts eines Mitgliedstaats der Europäischen Union sind die einschlägigen europarechtlichen Vorgaben zu berücksichtigen. Im Anwendungsbereich der Richtlinie 2005/29/EG über unlautere Geschäftspraktiken, die eine Vollharmonisierung in ganz Europa bezweckt, kann das ausländische Recht vom inländischen Recht nicht abweichen.

KG Berlin, Urt. v. 26.9.2011, 24 U 111/10 (= WRP 2012, 102)

Vorliegend besteht allerdings die Besonderheit, dass mit den §§ 3 Abs. 1, 12a Abs. 1 Nr. 6, Abs. 2 des dänischen Gesetzes über Marktverhalten die eine Vollharmonisierung der Regeln über unlautere Geschäftspraktiken von Unternehmern gegenüber Verbrauchern auf europäischer Ebene bezweckende Richtlinie 2005/29/EG umgesetzt worden ist und die genannten dänischen Rechtsvorschriften richtlinienkonform in Bezug auf diese Richtlinie ausgelegt werden müssen. Bei §§ 3 Abs. 1, 12a Abs. 1 Nr. 6, Abs. 2 des dänischen Gesetzes über Marktverhalten handelt es sich also nicht nur um dem deutschen Recht, hier § 5a UWG, verwandte und klare Rechtsnormen, sondern darüber hinaus um solche, welche anhand europarechtlicher Vorgaben, die auch bei der Auslegung des deutschen Rechts zu beachten wären, auszulegen sind.

Zu einem Fall irreführender Werbung eines deutschen Unternehmens in Frankreich siehe OLG Düsseldorf, Urt. v. 2.3.2017, I-.15 U 48/17, Tz. 196

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Anwendbares Recht für Handlungen ausländischer Unternehmen in Deutschland

Es gilt deutsches Recht. Die deutschen Gerichte sind zuständig für alle geschäftlichen Handlungen, die in ihrem Zuständigkeitsbereich begangen wurden. Dabei ist es unerheblich, ob die geschäftliche Handlung von einem deutschen oder einem ausländischen Unternehmen vorgenommen wurde. In diesen Fällen ist das deutsche UWG immer das einschlägige und anzuwendende Recht.

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