Ihr Rechtsanwalt im Wettbewerbsrecht
Dr. Hermann-Josef Omsels*

Eine Darstellung des Gesetzes gegen den unlauteren Wettbewerb und wettbewerbsrechtlicher Nebengesetze



 


 

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b) örtlich

1. Gesetzestext

2. Gesetzesbegründung zu § 14 Abs. 2, 3 UWG

3. Kommentierung

a. Allgemeiner Gerichtsstand

b. Ort der unerlaubten Handlung

Ausnahme: Elektronischer Geschäftsverkehr und Telemedien

c. Ausschließlicher Gerichtsstand

d. Konzentrationsvorschriften

4. Schadenersatzanspruch des Verbrauchers

5. Zuständigkeit in der Berufungsinstanz

Literatur: Kefferpütz, Martin/Wagner, Kristina, Wo landet der ' fliegende Gerichtsstand' im Wettbewerbsrecht?, GRUR 2023, 449

Gesetzestext

§ 14 Abs. 2 - Abs. 4 UWG

(2) Für alle bürgerlichen Rechtsstreitigkeiten, mit denen ein Anspruch auf Grund dieses Gesetzes geltend gemacht wird, ist das Gericht zuständig, in dessen Bezirk der Beklagte seinen allgemeinen Gerichtsstand hat. Für alle bürgerlichen Rechtsstreitigkeiten, mit denen ein Anspruch auf Grund dieses Gesetzes geltend gemacht wird, ist außerdem das Gericht zuständig, in dessen Bezirk die Zuwiderhandlung begangen wurde. Satz 2 gilt nicht für

1. Rechtsstreitigkeiten wegen Zuwiderhandlungen im elektronischen Geschäftsverkehr oder in Telemedien oder

2. Rechtsstreitigkeiten, die von den nach § 8 Absatz 3 Nummer 2 bis 4 zur Geltendmachung eines Unterlassungsanspruchs Berechtigten geltend gemacht werden,

es sei denn, der Beklagte hat im Inland keinen allgemeinen Gerichtsstand.

1. Rechtsstreitigkeiten wegen Zuwiderhandlungen im elektronischen Geschäftsverkehr oder in Telemedien oder

2. Rechtsstreitigkeiten, die von den nach § 8 Absatz 3 Nummer 2 bis 4 zur Geltendmachung eines Unterlassungsanspruchs Berechtigten geltend gemacht werden,

es sei denn, der Beklagte hat im Inland keinen allgemeinen Gerichtsstand.

(3) Die Landesregierungen werden ermächtigt, durch Rechtsverordnung für die Bezirke mehrerer Landgerichte eines von ihnen als Gericht für Wettbewerbsstreitsachen zu bestimmen, wenn dies der Rechtspflege in Wettbewerbsstreitsachen dienlich ist. Die Landesregierungen können die Ermächtigung durch Rechtsverordnung auf die Landesjustizverwaltungen übertragen. Die Länder können außerdem durch Vereinbarung die den Gerichten eines Landes obliegenden Klagen nach Absatz 1 insgesamt oder teilweise dem zuständigen Gericht eines anderen Landes übertragen.

(4) Abweichend von den Absätzen 1 bis 3 richtet sich die Zuständigkeit für bürgerliche Rechtsstreitigkeiten, mit denen ein Anspruch nach § 9 Absatz 2 Satz 1 geltend gemacht wird, nach den allgemeinen Vorschriften.

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Gesetzesbegründung zu § 14 Abs. 2, 3 UWG

Gesetzesbegründung in BT-Drcks. 19/12084, Seite 36

Der fliegende Gerichtsstand ist für die Durchsetzung des Lauterkeitsrechts nicht zwingend erforderlich. Auch nach bisheriger Rechtslage galt er lediglich für Mitbewerber. Für Wirtschaftsverbände, qualifizierte Einrichtungen sowie die Industrie- und Handelskammern und Handwerkskammern galt dagegen grundsätzlich der allgemeine Gerichtsstand des Beklagten.

… Soweit mitunter darauf hingewiesen wird, dass die freie Gerichtswahl es ermögliche, im Bereich des UWG besonders qualifizierte und sachkundige Gerichte anzurufen, vermag dies den „fliegenden Gerichtsstand“ nicht zu rechtfertigen. Es ist nicht Sinn und Zweck des Gerichtsstands des Begehungsortes, die Spezialisierung einzelner Gerichte auf bestimmte Rechtsmaterien zu fördern. …

Für den Fall, dass dennoch eine Spezialisierung einzelner Gerichte für sinnvoll gehalten wird, enthält Absatz 3 die Möglichkeit einer Zuständigkeitskonzentration von UWG-Verfahren durch die Landesjustizverwaltungen sowie für länderübergreifende Konzentrationen.

Die Einschränkung des fliegenden Gerichtsstands begegnet auch keinen europarechtlichen Bedenken: Artikel 7 Nummer 2 der Verordnung (EU) Nr. 1215/2012 … über die gerichtliche Zuständigkeit und die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen (ABl. L 351 vom 20.12.2012, S. 1) legt zwar als Gerichtsstand für unerlaubte Handlungen den Begehungsort fest. Artikel 7 der Verordnung (EU) Nr. 1215/2012 ist aber nur anwendbar, wenn das angerufene Gericht, um dessen Zuständigkeit es geht, in einem anderen Staat als dem Sitzstaat des Beklagten liegt. Die Regelung ist daher nicht anwendbar, wenn es wie in Satz 1 um einen in Deutschland ansässigen Beklagten geht.

Der Rechtsausschuss hat die ursprünglich geplante weitgehende Abschaffung des fliegenden Gerichtsstands etwas eingeschränkt. Er wurde aber für Verstöße in Telemedien und im elektronischen Geschäftsverkehr gestrichen. Organisationen, die nach § 8 Abs. 3 Nr. 2 – 4 UWG aktiv legitimiert sind, mussten auch vor der Reform ihr Begehren schon am allgemeinen Gerichtsstand des Schuldners vorgehen.

Die Einschränkung des Gerichtsstands der unerlaubten Handlung wird auf die in diesem Zusammenhang besonders missbrauchsanfälligen Verstöße beschränkt, die auf Telemedien oder im elektronischen Geschäftsverkehr begangen werden. Da der Gerichtsstand der unerlaubten Handlung grundsätzlich besteht, kann die im Regierungsentwurf enthaltene Eröffnung für Handlungen, die sich an einen örtlich begrenzten Kreis von Teilnehmern richten, entfallen. Aus diesem Grund wird die im Regierungsentwurf entfallene Beschränkung des § 14 Absatz 2 Satz 2 UWG wieder vorgesehen.

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Kommentierung

Die örtliche Zuständigkeit entscheidet darüber, an welchem Ort das Gericht sitzt, das für die Entscheidung eines Rechtsstreits aus dem Wettbewerbsrecht zuständig ist.

Maßgeblich für die Beurteilung der örtlichen Zuständigkeit ist der Vortrag des Klägers/Antragstellers.

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Allgemeiner Gerichtsstand

Alle nach § 8 Abs. 3 Nr. 2 – 4 UWG aktivlegitimierten juristischen Personen und Organisationen müssen den Unternehmer bei dem Landgericht in Anspruch nehmen, bei dem der Schuldner seinen allgemeinen Gerichtsstand hat. Nach § 13 ZPO ist das bei natürlichen Personen der Ort, wo die Person ihren Wohnsitz hat. Bei juristischen Personen liegt der allgemeine Gerichtsstand an ihrem Sitz. Als Sitz gilt nach § 17 ZPO der Ort, wo die Verwaltung geführt wird. Damit weicht § 14 Abs. 2 UWG 2020 von der Vorgängervorschrift ab, die in § 14 Abs. 1 UWG für alle Schuldner primär auf die gewerbliche oder selbständige berufliche Niederlassung, hilfsweise den Wohnsitz abstellte.

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Ort der unerlaubten Handlung

§ 14 Abs. 2 Satz 2 UWG enthält zu dem Gerichtsstand nach § 14 Abs. 2 Satz 1 UWG eine Ergänzung und Alternative, auf die sich aber nur Mitbewerber gemäß § 8 Abs. 3 Nr. 1 UWG berufen können. Es handelt sich um den Gerichtsstand der unerlaubten Handlung. Danach ist örtlich jedes Gericht zuständig, in dessen Zuständigkeitsbereich die unlautere geschäftliche Handlung oder eine Teilhandlung der gesamten unlauteren geschäftlichen Handlung begangen wurde. Man spricht vom "fliegenden Gerichtsstand", weil der Mitbewerber sich in vielen Fällen das Gericht aussuchen kann, bei dem er seinen Anspruch geltend macht. Das bundesweite Angebot einer Ware in einer Zeitung beispielsweise gilt eben bundesweit, so dass die unlautere geschäftliche Handlung an jedem Ort in Deutschland erfolgt.

OLG Köln, Urt. v. 30.9.2011, 6 U 54/11, Tz. 26, 28 - 30, Tz. 48 f

Der Ort der unerlaubten Handlung (Begehungsort) ist sowohl der Handlungsort (,wo die geschäftliche Handlung begangen wurde), als auch der Ort, an dem der Erfolg der Handlung eintritt. ...

Im Falle der Wiederholungsgefahr ist Begehungsort der Ort, an dem die behauptete Verletzungshandlung begangen worden bzw. ihr Erfolg eingetreten ist (vgl. Köhler a.a.O.; Fezer-Büscher, UWG, 2. Aufl. § 14 Rz 27; Piper/Ohly/Sosnitza, UWG, 5. Aufl. § 14 Rz 10).

Das gilt auch dann, wenn der Verletzer bundesweit tätig ist und die Verletzungshandlung, auf die sich der Kläger stützt, möglicherweise nur zufällig gerade an dem Ort der Verletzungshandlung vorgenommen hat. Ebenso ändert es nichts, dass die Wiederholungsgefahr sich nicht auf solche erneuten Verletzungshandlungen beschränkt, die gerade in demselben Gerichtsbezirk erfolgen, in dem auch der erste (bekannt gewordene) Verletzungsfall geschehen ist. Die unterstellten Verletzungsfälle begründen zwar die Gefahr der Wiederholung im ganzen Bundesgebiet. ... Gleichwohl beschränkt sich die örtliche Zuständigkeit nach dem klaren Wortlaut des § 14 Abs. 2 S. 1 UWG auf die Gerichte, in deren Bezirk die schon erfolgten Verletzungshandlungen begangen worden sind.

Eine Ausweitung der örtlichen Zuständigkeit auch auf solche Gerichte, in deren Bezirk weder die beanstandete Verletzungshandlung begangen noch ihr Erfolg eingetreten ist, sondern nur „ernsthaft droht“, kommt nur bei Vorliegen einer dort bestehenden Erstbegehungsgefahr in Betracht. ...

Besteht Erstbegehungsgefahr, so sind sämtliche Gerichte zuständig, in deren Bezirk die Verletzungshandlung ernsthaft droht. ...

Es muss tatsächlich eine Erstbegehungsgefahr bestehen und nicht nur behauptet werden, weil sonst mit jeder dahingehenden Behauptung, ein (bundesweiter) Gerichtsstand begründet werden könnte.

OLG Düsseldorf, Urt. v. 12.9.2019, I-15 U 48/19, Tz. 15 ff

Bei Wettbewerbsverstößen in Druckschriften (Zeitungen, Zeitschriften, Katalogen, Prospekten usw.) ist Begehungsort nicht nur der Ort des Erscheinens, sondern grundsätzlich auch jeder Ort ihrer Verbreitung (sog. fliegender Gerichtsstand). Verbreitung setzt voraus, dass die Druckschrift dritten Personen bestimmungsgemäß und nicht bloß zufällig zur Kenntnis gebracht wird (BGH GRUR 1978, 194 (195) – profil). Maßgebend ist insoweit das regelmäßige Verbreitungsgebiet, also das Gebiet, das der Verleger oder Herausgeber mit der Druckschrift erreichen will oder in dem er mit einer Verbreitung rechnen muss (BGH GRUR 1978, 194 (195) – profil; FBO/Büscher Rn. 28). Bei Herabsetzung fremder Ware liegt wettbewerbliche Relevanz überall vor, wo diese Ware angeboten wird (OLG Frankfurt GRUR 1989, 136); bei Anpreisung eigener Ware kommt es darauf an, ob das Angebot am Verbreitungsort noch Interesse finden kann, so dass auch die räumliche Entfernung zwischen Angebotsort und Verbreitungsort eine Rolle spielen kann (OLG Köln GRUR 1988, 148 (149); OLG München WRP 1986, 357 (358)).

Der Gerichtsstand der unerlaubten Handlung ist auch bei der negativen Feststellungsklage zuständig. Dieser Grundsatz gilt auch bei grenzüberschreitenden Vorgängen innerhalb der Europäischen Union.

EuGH, Urt. v. 25.10.2012, C- 133/11, Tz. 56

Art. 5 Nr. 3 der Verordnung (EG) Nr. 44/2001 über die gerichtliche Zuständigkeit und die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Zivil‑ und Handelssachen ist dahin auszulegen, dass eine negative Feststellungsklage mit dem Antrag, festzustellen, dass keine Haftung aus einer unerlaubten Handlung oder einer Handlung, die einer unerlaubten Handlung gleichgestellt ist, besteht, unter diese Bestimmung fällt.

Elektronischer Geschäftsverkehr und Telemedien

Allerdings wurde im Rahmen der UWG-Reform 2020 eine erhebliche Einschränkung des fliegenden Gerichtsstands vorgenommen, die für alle geschäftlichen Handlungen gilt, die im elektronischen Geschäftsverkehr oder in Telemedien begangen werden. Sie dient dem Ziel, besonders missbrauchsanfällige Sachverhalte zu erfassen, die im Internet leicht festzustellen sind wie Verstöße gegen Informationspflichten, Impressumspflichten, Widerrufsbelehrungen etc.. Es ist sehr umstritten, ob alle UWG-Verstöße im elektronischen Geschäftsverkehr und in Telemedien am allgemeinen Gerichtsstand des Schuldners verfolgt werden müssen oder ob die Vorschrift eingeschränkt ausgelegt werden muss.

OLG Düsseldorf, Beschl. v. 16.2.2021, 20 W 11/21, Tz. 30 ff

Der Wortlaut enthält die vom Landgericht vorgenommene Einschränkung nicht. Diese lässt sich auch nicht mit Sinn und Zweck der Regelung rechtfertigen. Hintergrund der Änderung der Vorschrift über die örtliche Zuständigkeit waren vom Gesetzgeber angenommene  Unzuträglichkeiten. Der Entwurf sah diese vor allem bei der Verfolgung lauterkeitsrechtlicher Verstöße im Internet (BT-Drs. 19/12094 S. 35), die eine Vielzahl von Gerichtsständen zur Folge habe. Die Bemerkung des Rechtsausschusses (BT-Drs. 19/19/22238 S. 18) bezieht sich hierauf. Der Missstand wurde bei der Verfolgung im Internet begangener Verstöße gesehen; Einschränkungen auf bestimmte im Internet begangene Verstöße ergeben sich hieraus dagegen nicht.

Hinzu kommt der Vergleich mit  der engeren Formulierung in § 13 Abs. 4 Nr. 1 UWG n.F. Dort findet sich die – in § 14 Abs. 2 S. 3 Nr. 1 UWG n.F. fehlende – Einschränkung „gegen gesetzliche Informations- und Kennzeichnungspflichten“. Der Gesetzgeber hat dazu ausgeführt (BT-Drs. 19/12084 S. 32): „Es muss sich nicht  um spezifische Informations- und Kennzeichnungspflichten im Online-Handel oder auf Webseiten handeln, sondern es ist ausreichend, dass die Verstöße in diesem Bereich auftreten.“ Als Beispiel nennt  der Gesetzgeber Verstöße gegen die – nicht  internetspezifische - Preisangabenverordnung. Bereits von daher lässt sich die vom Gesetzgeber für eine Bestimmung, die sogar eine ausdrückliche Einschränkung (Informations- und Kennzeichnungspflichten im Internet) enthält, abgelehnte weitere Einschränkung erst recht nicht auf eine Bestimmung übertragen, die  eine solche Einschränkung nicht einmal ansatzweise enthält.

Ebenso LG Stuttgart, Beschl. v. 27.10.2021, 11 O 486/21

Dagegen weiterhin das Landgericht Düsseldorf (Das OLG hat es nach § 513 Abs. 2 ZPO hinzunehmen, wenn das Landgericht seine Zuständigkeit annimmt - und dabei nicht willkürlich handelt)

LG Düsseldorf, Beschl. v. 26.2.2021, 38 O 19/21

Die teleologische Reduktion von § 14 Abs. 2 S. 3 Nr. 1 UWG überschreitet nicht die sich aus der von dem Oberlandesgericht Düsseldorf angesprochenen Entscheidung „Erfolgshonorar für Versicherungsberater“ ergebenden Grenzen zulässiger Gesetzesauslegung. ... Jedenfalls ist anhand der in der Entscheidung „Erfolgshonorar für Versicherungsberater“ aufgezeigten Grenze zulässiger Gesetzesauslegung (vgl. BGH, Urt. v. 6.6.2019, I ZR 67/18 – Erfolgshonorar für Versicherungsberater) nicht festzustellen, dass die von der Kammer vorgenommene (und von Teilen der Literatur für zutreffend gehaltene) Auslegung von § 14 Abs. 2 S. 2 und S. 3 Nr. 1 UWG als krasse Missdeutung und damit als objektiv willkürlich im Sinne von unter keinem denkbaren Aspekt rechtlich vertretbar und naheliegend als auf sachfremden Erwägungen beruhend (vgl. BVerfG, Beschl. v. 28.7.2014, 1 BvR 1925/13; BGH, Beschl. v. 15.10.2020, IX ZB 55/19) anzusehen sein könnte. Die Wortlautinterpretation ist nicht Grenze, sondern Ausgangspunkt der Auslegung (vgl. BGH, Urt. v. 8.11.2017, IV ZR 551/15) und bei der Gesetzesauslegung ist zu berücksichtigen, ob eine strikt am Wortlaut orientierte Gesetzesanwendung zu sachgerechten Ergebnissen führt (vgl. BGH, Urt. v. 5.5.2010, III ZR 209/09).

Die Unterschiede in den Formulierungen von § 13 Abs. 4 Nr. 1 UWG einerseits und § 14 Abs. 2 S. 3 Nr. 1 UWG andererseits stehen der an (in dem Beschluss der Kammer vom 15. Januar 2021 herausgearbeiteten) Sinn und Zweck der Regelung orientierten Auslegung von § 14 Abs. 2 S. 3 Nr. 1 UWG nicht entgegen, zumal es sich bei dieser Vorschrift – was das Oberlandesgericht Düsseldorf unberücksichtigt lässt – um einen Ausnahmetatbestand handelt dessen Zweck es ist, den in § 14 Abs. 2 S. 2 UWG grundsätzlich eröffneten fliegenden Gerichtsstand für bestimmte Fälle auszuschließen. Näher als die Annahme eines (möglicherweise vom Oberlandesgericht Düsseldorf im Gesetz erkannten) „Zweistufensystems“ (im Sinne einer bewusst zwischen verschiedenen Fallgruppen differenzierenden Lösung für die Regelung des Abmahnkostenersatzes einerseits und der örtlichen Zuständigkeit andererseits) liegt die Annahme eines Redaktionsversehens des Gesetzgebers (vgl. Lerach, jurisPR-WettbR 2/2021 Anm. 5), was aus den in dem Beschluss der Kammer vom 15. Januar 2021 angeführten Gesichtspunkten eine teleologische Reduktion des in § 14 Abs. 2 S. 3 Nr. 1 UWG enthaltenen Ausnahmetatbestandes angezeigt erscheinen lässt. Die für eine solche Auslegung sprechenden Argumente sind – jedenfalls durch die bisherige Diskussion – nicht widerlegt.

Diese Auffassung teilen mittlerweile das OLG Frankfurt und das OLG Hamburg:

OLG Frankfurt, Urt. v. 8.10.2021, 6 W 83/21, II.1

Die Annahme des Landgerichts, die Einschränkung des „fliegenden“ Gerichtsstandes in § 14 Abs. 2 S. 3 UWG n.F. sei einschränkend auszulegen, ist eine in Literatur und Rechtsprechung stark vertretene, wenn nicht sogar die herrschende Meinung, der auch der Senat folgt. Die Einschränkung des Gerichtsstands der unerlaubten Handlung in § 14 Abs. 2 S. 3 Nr. 1 UWG nimmt Rechtsstreitigkeiten wegen Zuwiderhandlungen im elektronischen Geschäftsverkehr und in Telemedien aus. Dies liegt auf einer Linie mit dem Ausschluss des Aufwendungsersatzanspruchs nach § 13 Abs. 4 Nr. 1 UWG und dem Vertragsstrafenausschluss nach § 13a Abs. 2 UWG. Genau aus diesem Grunde muss § 14 Abs. 2 S. 3 Nr. 1 UWG auch in Übereinstimmung mit § 13 Abs. 4 Nr. 1 UWG in dem Sinne gelesen werden, dass die Einschränkung des Tatortgerichtsstands nur bei Verstößen gegen gesetzliche Informations- und Kennzeichnungspflichten gilt. Dies entspricht nicht nur dem erklärten Willen des Gesetzgebers, sondern folgt auch aus dem systematischen Zusammenhang mit §§ 13 Abs. 4 Nr. 1, 13a Abs. 2 UWG. Schließlich entspricht auch nur diese Auslegung dem Sinn und Zweck der genannten Regelungen, die allein Missbrauchsfälle erfassen sollen. Anderenfalls wäre der Tatortgerichtsstand auch in zahllosen „Normalfällen“ beseitigt, zumal heute Vertrieb und Werbung in den meisten Branchen nebeneinander analog und digital erfolgen.

Die Auffassung vertritt mittlerweile auch das OLG Hamburg:

OLG Hamburg, Urt. v. 12.9.2023, 5 U 65/22

Von der Beschränkung des Wahlrechts aus § 14 Abs. 2 S. 2 UWG sind im elektronischen Geschäftsverkehr und in Telemedien jedenfalls diejenigen Fälle ausgenommen, in denen nicht von einer besonderen Gefahr des Missbrauchs in Form eines massenhaften Vorgehens auszugehen ist.

Zwar Iässt der Wortlaut des § 14 Abs. 2 S. 3 Nr. 1 UWG bei isolierter Betrachtung eine solche Beschränkung der Ausnahme vom fliegenden Gerichtsstand nicht erkennen. Auch ist bei einer systematischen Betrachtung festzustellen, dass der Wortlaut des § 14 Abs. 2 S. 3 Nr. 1 UWG vom Wortlaut des § 13 Abs. 4 Nr. 1 UWG abweicht, wonach der Anspruch auf Ersatz der für eine Abmahnung erforderlichen Aufwendungen ausgeschlossen ist bei im elektronischen Geschäftsverkehr oder in Telemedien begangenen Verstößen gegen gesetzliche Informations- und Kennzeichnungspflichten.

Allerdings ergibt sich aus der Historie der Gesetzesentstehung und dem Sinn und Zweck der Vorschrift eine Auslegung, wonach jedenfalls solche Falle von Zuwiderhandlungen im elektronischen Geschäftsverkehr oder in Telemedien vom Anwendungsbereich ausgenommen sind, in denen nicht von einer besonderen Gefahr des Missbrauchs in Form eines massenhaften Vorgehens auszugehen ist.

Das OLG Düsseldorf bleibt zwar bei seiner Auffassung, akzeptiert aber gemäß § 513 ZPO, wenn das LG sich für zuständig hält: OLG Düsseldorf, Urt. v. 16.12.2021, 20 U 83/21, Tz. 67 ff (mwN). Die Versendung von E-Mails fällt auch nach Ansicht des OLG Düsseldorf aber nicht unter die Bestimmung:

OLG Düsseldorf, Urt. v. 27.1.2011, I-20 U 105/21

Anders als beispielsweise bei Online-Angeboten, die von jedermann und damit auch von überall abgerufen werden können, richten sich E-Mails regelmäßig nur an einen bestimmten Kreis von Empfängern und können durch den jeweiligen Empfänger ... jeweils nur an einem Ort empfangen werden. Regelmäßig erkennen ein Empfänger einer Werbe-Mail und/oder ein Mitbewerber auch nicht ohne Weiteres, an welche anderen Empfänger sich diese richtete. Demnach steht einem potenziellen Antragsteller von vornherein auch nicht eine Vielzahl an Gerichtsständen offen. Dies rechtfertigt eine teleologische Reduktion dahingehend, dass Zuwiderhandlungen in oder mittels E-Mail nicht unter den Begriff des „Telemediums“ iSv § 14 Abs. 2 S. 3 UWG fallen.

Der Begriff elektronischer Geschäftsverkehr bezieht sich auf die Definition in § 312f BGB. Elektronischer Geschäftsverkehr liegt danach vor, wenn sich ein Unternehmer zum Zwecke des Abschlusses eines Vertrags über die Lieferung von Waren oder über die Erbringung von Dienstleistungen der Telemedien bedient. Telemedien sind nach § 1 TMG alle elektronischen Informations- und Kommunikationsdienste, soweit sie nicht Telekommunikationsdienste nach § 3 Nr. 24 des Telekommunikationsgesetzes, die ganz in der Übertragung von Signalen über Telekommunikationsnetze bestehen, telekommunikationsgestützte Dienste nach § 3 Nr. 25 des Telekommunikationsgesetzes oder Rundfunk nach § 2 des Rundfunkstaatsvertrages sind. Näheres siehe hier.

Einen anderen Sachverhalt  hatte das LG München zu beurteilen. Dort ging es darum, dass die beanstandete geschäftliche Handlung in einer Kündigung bestand, die über das Internet ausgesprochen wurde. Dazu lehnte das LG München eine Anwendung des § 14 Abs. 2 S. 3 UWG ab:

LG München, Urt. v. 8.11.2021, 33 O 480/21, 52 ff

Der Gesetzgeber bezweckte ... keinen „pauschalen“ Ausschluss des Gerichtsstandes des Begehungsortes in sämtlichen Fällen, in denen das Internet in irgendeiner Weise Verwendung gefunden hat. Vielmehr sollte der wegen der Vervielfältigung potenzieller Gerichtsorte als problematisch angesehene „fliegende Gerichtsstand“ (nur) in „besonders missbrauchsanfällig“ angesehenen Konstellationen ausgeschlossen werden.

Der Anwendungsbereich des § 14 Abs. 2 S. 3 Nr. 1 UWG ist aus diesem Grund auf Fälle zu reduzieren, in denen die vom Gesetzgeber gesehene „besondere Missbrauchsanfälligkeit“ aufgrund der unkalkulierbaren Vielzahl potenzieller Gerichtsorte gegeben ist.

Diese Gefahr besteht im vorliegenden Fall nicht. Es liegt kein „fliegender Gerichtsstand“ in diesem Sinne vor. Die streitgegenständlichen Verstöße wurden im Rahmen der Kommunikation zwischen Klägerin und Beklagter begangen. Auch wenn die Nachrichten auf elektronischem Wege übermittelt wurden, richteten sie sich ausschließlich und gezielt an die Beklagte. Der Begehungsort der Handlung war - trotz Internet - nicht „überall“, sondern von vornherein - vergleichbar einer Kommunikation außerhalb des Internets - örtlich begrenzt. Ein Ausschluss des Gerichtsstandes des Begehungsortes nach § 14 Abs. 2 S. 3 Nr. 1 UWG ist deshalb in teleologischer Reduktion der Vorschrift für die vorliegende Konstellation zu verneinen.

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Ausschließlicher Gerichtsstand

Die Gerichtsstände des § 14 Abs. 2 UWG sind im Unterschied zur Rechtslage vor der UWG-Reform 2020 nicht ausschließlicher Natur, so dass die Parteien abweichende Regelung zum Gerichtsstand treffen können (Rüther WRP 2021, 726; a.A. Feddersen, WRP 2021, 713; zur früheren Rechtslage KG, Beschl. v. 23.6.2020, 5 W 1031/20, Tz. 5).

Gesetzesbegründung in BT-Drcks. 19/12084, Seite 35 f

Zuständig ist das Gericht, in dessen Bezirk der Beklagte seinen allgemeinen Gerichtsstand hat. Es handelt sich nicht um eine ausschließliche Zuständigkeitszuweisung, die Begründung einer anderen Zuständigkeit durch Gerichtsstandvereinbarungen oder rügeloses Verhandeln ist daher möglich.

OLG Düsseldorf, Beschl. v. 16.2.2021, 20 W 11/21, Tz. 35

Die Gerichtsstände des § 14 Abs. 2 UWG n.F. sind nicht ausschließlich sind. Die Ausschließlichkeit der Gerichtsstände des § 14 UWG a.F. wurde aus den Worten „außerdem nur“ hergeleitet. Das Wort „nur“ fehlt bewusst in der Neufassung; der Gesetzgeber wollte damit ausdrücklich erreichen, dass die in Abs. 2 genannten Gerichtsstände nicht mehr ausschließlich und damit nunmehr einer Vereinbarung oder einer rügelosen Einlassung zugänglich sind (BT-Drs. 19/12084 S. 35); daran hat sich durch die von dem Regierungsentwurf abweichende Formulierung des Rechtsausschusses des Deutschen Bundestages nichts geändert.

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Konzentrationsvorschriften

Nach § 14 Abs. 3 UWG sind die Landesregierungen ermächtigt, durch Rechtsverordnung für die Bezirke mehrerer Landgerichte eines von ihnen als Gericht für Wettbewerbsstreitsachen zu bestimmen, wenn dies der Rechtspflege in Wettbewerbsstreitsachen dienlich ist. Davon hat Nordrhein-Westfalen durch eine Konzentrationsverordnung Gebrauch gemacht und bestimmt, das das das LG Düsseldorf für alle UWG-Streitigkeit im Zuständigkeitsbereich des OLG Düsseldorf, das LG Köln für alle UWG-Streitigkeit im Zuständigkeitsbereich des OLG Köln und das LG Bochum für alle UWG-Streitigkeit im Zuständigkeitsbereich des OLG Hamm ist. In Sachsen ist das Landgericht Leipzig zuständig für alle Wettbewerbsstreitigkeiten aus den  Landgerichtsbezirken Chemnitz, Leipzig und Zwickau und das Landgericht Dresden für alle Wettbewerbsstreitigkeiten aus den Landgerichtsbezirke Bautzen, Dresden und Görlitz. In Mecklenburg-Vorpommern ist das Landgericht Rostock für alle Wettbewerbsstreitigkeiten im Zuständigkeitsbereich des OLG Rostock zuständig; in Sachsen das LG Leipzig.

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Schadenersatzanspruch des Verbrauchers

§ 14 Abs. 4 UWG enthält eine eigene Zuständigkeitsregelung für den Verbraucherschadenersatzanspruch aus § 9 Abs. 2 UWG. Es gelten die allgemeinen Vorschriften, das sind diejenigen aus der Zivilprozessordnung. Dadurch wird ein Rückgriff auf § 32 ZPO und den Gerichtsstand der unerlaubten Handlung möglich, da eine unlautere geschäftliche Handlung gleichzeitig eine unerlaubte Handlung im Sinne des § 32 ZPO ist. Der Verbraucher kann den Schadenersatzanspruch mithin bei dem Gericht geltend machen, in dessen Zuständigkeitsbereich er Opfer der unlauteren geschäftlichen Handlung geworden ist. 

Zur sachlichen Zuständigkeit siehe hier.

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Zuständigkeit in der Berufungsinstanz

OLG Frankfurt, Urt. v. 27.10.2016, 6 U 105/16

Die Berufung kann gemäß § 513 Abs. 2 ZPO nicht darauf gestützt werden, dass das Landgericht seine örtliche Zuständigkeit zu Unrecht angenommen habe. Entgegen der Auffassung der Antragsgegnerin, die - für die vergleichbare Vorschrift des § 571 Abs. 2 S. 1 ZPO - vom OLG Naumburg geteilt wird (Beschl. v. 19.1.2015, 12 W 95/14), ist die Vorschrift des § 513 Abs. 2 ZPO auch im Eilverfahren anwendbar; insbesondere wird sie dort nicht durch § 937 Abs. 1 ZPO verdrängt. Die Regelung des § 937 Abs. 1 ZPO bestimmt lediglich, dass für ein Eilverfahren, zu dem ein Hauptsacheverfahren bereits anhängig ist, das Gericht der Hauptsache auch für das Eilverfahren ausschließlich zuständig ist. Verkennt in einem solchen Fall ein angerufenes anderes Gericht diese Regelung und nimmt seine örtliche Zuständigkeit zu Unrecht an, lassen sich dem Gesetz keine ausreichenden Anhaltspunkte dafür entnehmen, warum gerade dann die Regelung des § 513 ZPO, mit der eine - für das Eilverfahren besonders bedeutsame - Verfahrensbeschleunigung erzielt werden soll, keine Anwendung finden sollte. Dies gilt erst recht, wenn - wie hier - ein Fall des § 937 Abs. 1 ZPO nicht einmal gegeben ist.

Anders verhält es sich aber, wenn es um die internationale Zuständigkeit der deutschen Gerichte geht. Dazu siehe hier.

OLG Düsseldorf, Urt. v. 12.9.2019, I-15 U 48/19, Tz. 9

Die internationale Zuständigkeit ist eine selbstständige Prozessvoraussetzung, die in jeder Lage des Verfahrens, auch noch in der Berufungs- und Revisionsinstanz, von Amts wegen zu prüfen ist (BGHZ 162, 246 (249) = GRUR 2005, 519 – Vitamin-Zell-Komplex).

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