Ihr Rechtsanwalt im Wettbewerbsrecht
Dr. Hermann-Josef Omsels*

Eine Darstellung des Gesetzes gegen den unlauteren Wettbewerb und wettbewerbsrechtlicher Nebengesetze



 


 

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Schneeballsysteme

Literatur: Keller, Anja, Progressive Systeme zur Verkaufsförderung im Recht des unlauteren Wettbewerbs, WRP 2017, 262

Schneeballsysteme bestehen darin, dass ein Teilnehmer am System einen Vorteil dafür erhält, dass er dem System weitere Teilnehmer zuführt.

In Nr. 14 des Anhangs zu § 3 Abs. 3 UWG ist die "die Einführung, der Betrieb oder die Förderung eines Systems zur Verkaufsförderung, das den Eindruck vermittelt, allein oder hauptsächlich durch die Einführung weiterer Teilnehmer in das System könne eine Vergütung erlangt werden (Schneeball- oder Pyramidensystem)" strikt verboten. Der Wortlaut des Verbotstatbestands lässt allerdings nicht erkennen, dass weitere Voraussetzung ist, dass der neue Teilnehmer einen finanziellen Beitrag leisten muss, um teilnehmen zu können, und dass das System durch diese finanziellen Beiträge finanziert wird.

EuGH, Urt. v. 3.4.2014, C‑515/12, Tz. 20ff - 4finance

Das Verbot der Schneeballsysteme in Anhangs I Nr. 14 der Verordnung 2005/29 beruht auf drei gemeinsamen Voraussetzungen. Zunächst basiert eine solche Absatzförderung auf der Zusage, dass der Verbraucher die Möglichkeit haben wird, einen wirtschaftlichen Vorteil zu erlangen. Sodann hängt die Einhaltung dieser Zusage von der Einführung weiterer Verbraucher in dieses System ab. Schließlich stammt der Großteil der Einkünfte, mit denen die den Verbrauchern zugesagte Vergütung finanziert werden kann, nicht aus einer tatsächlichen wirtschaftlichen Tätigkeit.

Es steht nämlich fest, dass ein solches Absatzförderungssystem mangels tatsächlicher wirtschaftlicher Tätigkeit, die das Erzielen ausreichender Einkünfte ermöglicht, um die den Verbrauchern zugesagte Vergütung zu finanzieren, zwangsläufig auf dem wirtschaftlichen Beitrag seiner Teilnehmer beruht, da die Möglichkeit eines Teilnehmers an diesem System, eine Gegenleistung zu erhalten, im Wesentlichen von den Kosten abhängt, die zusätzliche Teilnehmer zahlen.

Ein solches System kann nur dann ein „Schneeballsystem“ sein, wenn für sein Fortbestehen der Beitritt einer immer größeren Zahl von neuen Teilnehmern erforderlich ist, um die Vergütungen zu finanzieren, die den bereits vorhandenen Mitgliedern ausgezahlt werden. Es impliziert auch, dass die Wahrscheinlichkeit, eine Vergütung für ihren Beitrag zu erhalten, für die zuletzt beigetretenen Teilnehmer am geringsten ist. Dieses System bricht zusammen, wenn der Anstieg der Zahl der neu beitretenden Teilnehmer, die für den Fortbestand des Systems theoretisch ins Unendliche steigen müsste, nicht mehr ausreicht, um die allen Teilnehmern zugesagten Vergütungen zu zahlen.

Demnach setzt die Qualifizierung als „Schneeballsystem“ im Sinne von Anhang I Nr. 14 der Richtlinie 2005/29 in erster Linie voraus, dass die Teilnehmer an einem solchen System einen finanziellen Beitrag entrichten.

Ebenso EuGH, Urt. v. 15.12.2016, C-667/15, Tz. 19, 25 f – Loterie Nationale

EuGH, Urt. v. 3.4.2014, C‑515/12, Tz. 26f - 4finance

Der Begriff des Beitrags des Verbrauchers umfasst jeglichen finanziellen Beitrag seitens des Verbrauchers, unabhängig von seiner Höhe.

Ein Absatzförderungssystem kann nur dann als „Schneeballsystem“ im Sinne von Anhang I Nr. 14 der Richtlinie 2005/29 qualifiziert werden, wenn ein Zusammenhang zwischen den von neuen Teilnehmern gezahlten Beiträgen und den von den bereits vorhandenen Teilnehmern bezogenen Vergütungen besteht.

Ebenso EuGH, Urt. v. 15.12.2016, C-667/15, Tz. 28 – Loterie Nationale

EuGH, Urt. v. 15.12.2016, C-667/15, Tz. 29 f – Loterie Nationale

Hinsichtlich der Art dieses Zusammenhangs geht aus dem Wortlaut der meisten Sprachfassungen von Anhang I Nr. 14 der Richtlinie 2005/29 hervor, dass die Finanzierung der Vergütung, die ein Verbraucher beziehen kann, „hauptsächlich“ oder „grundsätzlich“ von den später von neuen Teilnehmern an dem System gezahlten Beiträgen abhängt (vgl. Urteil vom 3. April 2014, 4finance, C‑515/12, EU:C:2014:211, Rn. 28).

Dem Wortlaut dieser Bestimmung lässt sich hingegen nicht entnehmen, dass der geforderte finanzielle Zusammenhang zwingend unmittelbar sein muss. Maßgeblich ist, dass die von neuen Teilnehmern an einem solchen System gezahlten Beiträge als „hauptsächlich“ oder „grundsätzlich“ zu qualifizieren sind. Anhang I Nr. 14 der Richtlinie 2005/29 kann daher auf ein System Anwendung finden, in dem zwischen den von neuen Teilnehmern gezahlten Beiträgen und den von den bereits vorhandenen Teilnehmern bezogenen Vergütungen ein mittelbarer Zusammenhang besteht.

Der EuGH macht in der 4-finance-Entscheidung klar, dass andere Schneeballsysteme nicht etwa grundsätzlich erlaubt seien. Ein Verbot könnte sich aus den Verboten irreführender oder aggressiver Geschäftspraktiken ergeben.

Der Anwendungsbereich der Nr. 14 des Anhangs zu § 3 Abs. 3 UWG ist deckungsgleich mit § 16 Abs. 2 UWG. Dazu siehe hier.