Ihr Rechtsanwalt im Wettbewerbsrecht
Dr. Hermann-Josef Omsels*

Eine Darstellung des Gesetzes gegen den unlauteren Wettbewerb und wettbewerbsrechtlicher Nebengesetze



 


 

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c) Schutzzweck der Norm

OLG Frankfurt, Urt. v. 20.5.2021, 6 U 39/20, II.1.c

Die Lehre vom „Schutzzweck der Norm“ besagt zweierlei: Erstens muss der konkret Geschädigte vom persönlichen Schutzbereich der Norm erfasst sein, er muss also zum Kreis der Personen gehören, deren Schutz das Gesetz bezweckt. Zweitens muss der entstandene Schaden in den sachlichen Schutzbereich der Norm fallen, d.h. zu den Schäden gehören, vor denen die Norm schützen soll (vgl. Palandt/Sprau BGB, § 823 Rn 59; BGH NJW 2015, 1174 Rn 10; BGH GRUR 2016, 526 Rn 31 - Irreführende Lieferantenangabe; BGH WRP 2016, 866 Rn 15 - Lebens-Kost). Bezogen auf § 9 S. 1 UWG gehören daher Mitbewerber kraft gesetzlicher Anordnung grundsätzlich zum Kreis der Personen, die vor einem Verstoß gegen die § 3 und § 7 UWG geschützt werden sollen. Da diese Bestimmungen allerdings nur bestimmte Verhaltensnormen zusammenfassen, ist weiter zu fragen, ob auch die einzelne Verhaltensnorm zumindest auch dem Schutz aller oder doch einzelner Mitbewerber dient. Dies ist durch Auslegung unter umfassender Würdigung des gesamten Regelungszusammenhangs der jeweiligen Norm zu ermitteln (vgl. BGH NJW 2012, 1800 Rn 21).

OLG Frankfurt, Urt. v. 20.5.2021, 6 U 39/20, II.1.c

Der Umstand, dass § 3a UWG nicht den Schutz der Mitbewerber bezweckt, steht einer Schadensersatzpflicht nicht grundsätzlich entgegen (BGH GRUR 2010, 754 - Golly Telly). Entscheidend ist insoweit, ob der Schaden, dessen Ersatz die Klägerin fordert, nicht außerhalb des Schutzzwecks der Anspruchsnorm des § 9 UWG liegt. Diese Vorschrift unterscheidet - ebenso wie die Bestimmung des § 8 Abs. 3 Nr. 1 UWG bei der Klagebefugnis und Anspruchsberechtigung der Mitbewerber in Bezug auf Abwehransprüche - nicht danach, ob der vom Wettbewerber begangene Wettbewerbsverstoß allein die Interessen der Mitbewerber, deren Interessen und zugleich die Interessen der Verbraucher oder aber allein die Interessen der Verbraucher beeinträchtigt. Dementsprechend kann auch ein Mitbewerber von demjenigen, der sich durch die Verletzung einer ausschließlich dem Schutz der Verbraucher dienenden Marktverhaltensregelung einen Vorsprung im Wettbewerb verschafft hat, gemäß § 9 UWG den ihm dadurch entstandenen Schaden ersetzt verlangen (BGH a.a.O.). Nach Ansicht des BGH ist daher nicht auf den Schutzzweck der verletzten materiellen Norm abzustellen, sondern auf den Schutzzweck von § 9 UWG bzw. § 3a UWG.

OLG Frankfurt, Urt. v. 20.5.2021, 6 U 39/20, II.1.c

Diese Rechtsprechung ist zwar in der Literatur auf umfangreichen Kritik gestoßen (vgl. die Übersicht bei Podszun/Deuschle WRP 2019, 1102, Fn 52, 53). Teilweise wird verlangt, nur auf den Schutzzweck der verletzten Norm (hier: § 6 ElektroG) abzustellen, teilweise, dass die verletzte Norm zumindest mittelbar auch die Interessen der rechtmäßig handelnden Mitbewerber schützt (Köhler/Bornkamm/Feddersen-Köhler, 39. Aufl. 2021, UWG § 9 Rn 1.15d - 1.15f). Dafür spreche, dass dadurch auch das Allgemeininteresse an einem unverfälschten Wettbewerb (§ 1 S. 2 UWG) geschützt werde. Zugleich komme dem Schadensersatzanspruch eine Präventionsfunktion zu, verringere er doch den Anreiz für den Verletzer, einen Verstoß so lange wie möglich fortzusetzen. Dass die Schadensberechnung trotz § 287 ZPO große Schwierigkeiten bereite - und ggf. nur eine Schadensersatzfeststellungsklage mit Aussicht auf Erfolg erhoben werden kann - ändere daran nichts. Der Senat sieht jedoch aus den oben dargestellten Erwägungen keinen Anlass, von der Rechtsprechung des BGH abzuweichen.