Ihr Rechtsanwalt im Wettbewerbsrecht
Dr. Hermann-Josef Omsels*

Eine Darstellung des Gesetzes gegen den unlauteren Wettbewerb und wettbewerbsrechtlicher Nebengesetze



 


 

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Herstellen

(14) Herstellen ist das Gewinnen, das Anfertigen, das Zubereiten, das Be- oder Verarbeiten, das Umfüllen einschließlich Abfüllen, das Abpacken, das Kennzeichnen und die Freigabe; nicht als Herstellen gilt das Mischen von Fertigarzneimitteln mit Futtermitteln durch den Tierhalter zur unmittelbaren Verabreichung an die von ihm gehaltenen Tiere.

 

Zum Herstellung im Sinne des Anhangs zur VO (EG) 726/2004 zur Festlegung von Gemeinschaftsverfahren für die Genehmigung und Überwachung von Human- und Tierarzneimitteln und zur Errichtung einer Europäischen Arzneimittel-Agentur in der Form des Abfüllens von Fertigspritzen aus einem unter Verwendung biotechnologischer Verfahren hergestellten, gemäß Art. 3 Abs. 1 VO (EG) 726/2004 zentral zugelassenen Präparat:

OLG Hamburg, Urt. v. 24.2.2011, 3 U 12/09, Tz. 29 ff

Die beanstandeten Fertigspritzen werden durch den Beklagten auch im Sinne der Nr. 1 des Anhangs der VO (EG) 726/2004 „hergestellt“. Zwar kommt bei dem Abfüllen der Fertigspritzen aus den L.-Durchstechflaschen keines der im Anhang der VO (EG) 726/2004 genannten Verfahren zur Anwendung. Die mit dem zentralisierten Verfahren beabsichtigte Wahrung der Qualität technologisch hochwertiger Arzneimittel erfordert hier allerdings ein weites Verständnis des Herstellungsbegriffs. Nach dem in den Erwägungsgründen 7 und 13 zum Ausdruck kommenden Schutzzweck der Verordnung ist ein Arzneimittel im Sinne des Anhangs der VO (EG) 726/2004 bereits dann als „mit Hilfe eines der folgenden biotechnologischen Verfahren hergestellt“ zu beurteilen, wenn es einen auf diese Weise hergestellten Wirkstoff enthält. Nach Erwägungsgrund 7 soll das zentralisierte Verfahren das hohe Niveau der wissenschaftlichen Beurteilung dieser technologisch hochwertigen Arzneimittel aufrechterhalten. Nach Erwägungsgrund 13 sollen im Interesse der öffentlichen Gesundheit für die im Rahmen des zentralisierten Verfahrens zu treffenden Entscheidungen über eine Genehmigung die objektiven wissenschaftlichen Kriterien der Qualität, Sicherheit und Wirksamkeit des betreffenden Arzneimittels unter Ausschluss wirtschaftlicher oder sonstiger Erwägungen zugrunde gelegt werden. Mit diesen Schutzzweckerwägungen wäre es nicht vereinbar, als Herstellung im Sinne der Verordnung ausschließlich den biotechnologischen Herstellungsschritt selbst zu erachten und nicht weitere, für die Wirksamkeit und Sicherheit des Präparats ebenfalls bedeutsame Verarbeitungsschritte auszuklammern.

Für ein weites Verständnis des Herstellungsbegriffs unter Einschluss der von dem Beklagten vorgenommenen Veränderung von Abgabeform und -menge (Fertigspritze mit 0,05 ml statt Durchstechflasche mit 0,23 ml) spricht auch die Systematik der VO (EG) 726/2004. Denn nach Art. 16 Abs. 2 und 3 sowie Art. 9 VO (EG) 726/2004 tangieren – worauf die Klägerin zu Recht verweist – schon solche Maßnahmen die Zulassung des Arzneimittels, die als „Änderung der Angaben oder Unterlagen“ (vgl. Friese, in: Dieners/Reese, Handbuch des Pharmarechts, 2010, § 5 Rz. 138 ff.) bei der Agentur zu beantragen sind. Dies betrifft u.a. vom Zulassungsinhaber selbst vorgenommene Modifikationen von „Einzelheiten etwaiger empfohlener Bedingungen oder Einschränkungen hinsichtlich der sicheren und wirksamen Anwendung des Arzneimittels“ (Art. 9 Abs. 4 lit. c]). Bedarf aber die Änderung solchermaßen anwendungsbezogener Aspekte eines Antrags bei der Agentur, so muss erst recht eine Änderung der Abgabeform und -menge zulassungsrelevant sein, zumal wenn sie nicht der Zulassungsinhaber selbst, sondern – wie vorliegend – ein Dritter vornimmt.

Der Senat sieht sich bei dieser schutzzweckorientierten Betrachtungsweise zudem im Einklang mit der Rechtsprechung des EuGH. Dieser hat in der Rs. C-433/00 (Urteil v. 19.9.2002 - Aventis Pharma./.Kohlpharma betreffend das Präparat „Insuman Comb“) entschieden, dass der Schutzzweck der VO 2309/93 – der Vorgängerregelung der vorliegend in Rede stehenden VO 726/2004 –, welche die Vorbeugung vor einer Irreführung der Verbraucher sowie den Schutzes der öffentlichen Gesundheit bezwecke, dem Parallelimport eines zentral zugelassenen Arzneimittels entgegenstehe, wenn die zentrale Zulassung für eine Packung mit fünf Einheiten und eine Packung mit zehn Einheiten erteilt worden sei und eine neu etikettierte Bündelpackung zu je fünf Einheiten vertrieben werden soll (s. Urteil Tz. 25). Liegt aber schon die Bündelung zweier Packungen, die einzeln zentral zugelassen sind, außerhalb der Legalisierungswirkung der zentralen Zulassung, so muss dies erst recht für ein in Abgabeform und -menge geändertes Präparat der vorliegenden Art gelten.

Ein weites Verständnis des Herstellungsbegriffs entspricht auch der Lesart der Europäischen Kommission, welche als von der Genehmigungspflicht nach Art. 3 Abs. 1 VO (EG) 726/2004 sämtliche Arzneimittel erfasst ansieht, bei denen in irgend einem Stadium des Herstellungsprozesses ein monoklonaler Antikörper gebraucht wird (Anlage K 28, Notice to the Applicants – The Rules Governing Medical Products in the European Union: „any medical product for which a monoclonal antibody is used at any stage in the manufacturing process“). Auch die EMEA betrachtet als zentral zulassungspflichtig im Sinne der VO „medicinal products manufactured by mean of biotechnology processes“ (EMEA-Papier „Scientific Aspects and Working Definitions for the Mandatory Scope of the Centralised Procedure“ EMEA/CHMP/121944/2007 v. 13.12.2007, S. 3, 1. Absatz).