Ihr Rechtsanwalt im Wettbewerbsrecht
Dr. Hermann-Josef Omsels*

Eine Darstellung des Gesetzes gegen den unlauteren Wettbewerb und wettbewerbsrechtlicher Nebengesetze



 


 

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§ 12 HWG (Werbung bei bestimmten Krankheiten)

 

1. Gesetzestext

2. Richtlinientext und -konformität

3. Zweck der Bestimmung/Marktverhaltensregelung

4. Bezugnahme

5. Meldepflichtige Krankheiten und Krankheitserreger

6. Bösartige Neubildungen

7. Suchtkrankheiten

8. Krankhafte Komplikationen der Schwangerschaft, der Entbindung und des Wochenbetts

9. Heilbäder, Kurorte, Kuranstalten

Gesetzestext

 

§ 12 HWG

Außerhalb der Fachkreise darf sich die Werbung für Arzneimittel und Medizinprodukte nicht auf die Erkennung, Verhütung, Beseitigung oder Linderung der in Abschnitt A der Anlage zu diesem Gesetz aufgeführten Krankheiten oder Leiden bei Menschen beziehen, die Werbung für Arzneimittel außerdem nicht auf die Erkennung, Verhütung, Beseitigung oder Linderung der in Abschnitt B dieser Anlage aufgeführten Krankheiten oder Leiden beim Tier. Abschnitt A Nr. 2 der Anlage findet keine Anwendung auf die Werbung für Medizinprodukte.

Die Werbung für andere Mittel, Verfahren, Behandlungen oder Gegenstände außerhalb der Fachkreise darf sich nicht auf die Erkennung, Beseitigung oder Linderung dieser Krankheiten oder Leiden beziehen. Dies gilt nicht für die Werbung für Verfahren oder Behandlungen in Heilbädern, Kurorten und Kuranstalten.

Anlage

A. Krankheiten und Leiden beim Menschen

1. Nach dem Infektionsschutzgesetz vom 20. Juli 2000 (BGBl. I S. 1045) meldepflichtige Krankheiten oder durch meldepflichtige Krankheitserreger verursachte Infektionen,

2. bösartige Neubildungen,

3. Suchtkrankheiten, ausgenommen Nikotinabhängigkeit,

4. krankhafte Komplikationen der Schwangerschaft, der Entbindung und des Wochenbetts.

B. Krankheiten und Leiden beim Tier

1. Nach der Verordnung über anzeigepflichtige Tierseuchen und der Verordnung über meldepflichtige Tierkrankheiten in ihrer jeweils geltenden Fassung anzeige- oder meldepflichtige Seuchen oder Krankheiten,

2. bösartige Neubildungen,

3. bakterielle Eutererkrankungen bei Kühen, Ziegen und Schafen,

4. Kolik bei Pferden und Rindern.

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Richtlinientext und -konformität

 

Zweck der Bestimmung/Marktverhaltensregelung

 

BGH, Urt. 27.4.1995, I ZR 116/93, II.5 – Sauerstoff-Mehrschritt-Therapie

Der Zweck der Bestimmung liegt darin, der Verleitung zur Selbstbehandlung bestimmter Krankheiten entgegenzuwirken. Das Gesetz will den Laien einmal vor nicht überschaubaren Gefahren, die von einem Arzneimittel oder einer Behandlung ausgehen können, schützen und sodann den Kranken aber auch von einer nutzlosen Selbstbehandlung abhalten und verhindern, dass er im Vertrauen auf die Wirksamkeit eines harmlosen Präparats oder einer harmlosen Behandlung das bei schweren und komplizierten Krankheiten und Leiden gebotene unverzügliche Aufsuchen eines Arztes unterlässt.

Ebenso KG, Urt. v. 29.1.2019, 5 U 108/18, B.1

OLG Hamm, Urt. v. 9.2.2023, I-4 U 144/22, Tz. 70

Bei § 12 Abs. 1 HWG handelt es sich um eine Marktverhaltensregel i. S. v. § 3a UWG. Verstöße gegen die Werberegelungen des HWG sind i. d. R. unlauter i. S. v. § 3a UWG, weil sie geeignet sind, die Interessen der Verbraucher und Mitbewerber spürbar zu beeinträchtigen (vgl. Köhler/Bornkamm/Feddersen/Köhler, 41. Aufl. 2023, § 3a UWG, Rn. 1.222 mwN.).

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Bezugnahme

 

Mit der Bezugnahme der Werbung auf bestimmte Krankheiten ist gemeint, dass diese Krankheiten vom angesprochenen Verkehr mit der Werbung assoziiert werden. Das ist auch aufgrund der Nennung von Symptomen oder anderen Indizien möglich, die das Publikum mit diesen Krankheiten verbindet.

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Meldepflichtige Krankheiten und Krankheitserreger

 

Maßgeblich ist das Infektionsschutzgesetz. Die meldepflichtigen Krankheiten werden dort in § 6 IfSG aufgeführt; die durch durch meldepflichtige Krankheitserreger verursachte Infektionen in § 7 IfSG.

OLG Hamm, Urt. v. 9.2.2023, I-4 U 144/22, Tz. 82, 84

Nach Abschnitt A Nr. 1 der Anlage zu § 12 HWG bezieht sich das Werbeverbot des § 12 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 HWG nur auf „nach dem Infektionsschutzgesetz vom 20. Juli 2000 (BGBl. I S. 1045) meldepflichtige Krankheiten oder durch meldepflichtige Krankheitserreger verursachte Infektionen. Nach § 6 IfSG in der Fassung vom 20.07.2000 handelt es sich bei COVID-19 aber nicht um eine meldepflichtige Krankheit. Auch sind SARS-CoV-2-Viren nicht Gegenstand des Kataloges der durch meldepflichtige Krankheitserreger verursachten Infektionen des § 7 IfSG in der Fassung vom 20.07.2000. Die §§ 6 und 7 des IfSG wurden erst durch das Zweite Gesetz zum Schutz der Bevölkerung bei einer epidemischen Lage von nationaler Tragweite vom 19.05.2020 (BGBl 2020 I, S. 1018) entsprechend geändert, § 6 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 lit. t), § 7 Abs. 1 Satz 1 Nr. 44a IfSG.

Abschnitt A Nr. 1 der Anlage zu § 12 HWG ist nach seinem eindeutigen Wortlaut nicht dahingehend auszulegen, dass die Vorschrift dynamisch auf das Infektionsschutzgesetz in seiner jeweils geltenden Fassung verweist. Abweichend von anderen im HWG enthaltenen Verweisungen enthält Abschnitt A Nr. 1 der Anlage zu § 12 HWG gerade keinen diesbezüglichen ausdrücklichen Zusatz („in der jeweils geltenden Fassung“, vgl. § 1 Abs. 1 Nr. 1a HWG). Auch wird nicht etwa – was ebenfalls den Schluss auf eine dynamische Verweisung zuließe – unter Verzicht auf jeglichen Zusatz wie bspw. in § 1 Abs. 1 Nr. 1 HWG auf das Infektionsschutzgesetz verwiesen. In Abgrenzung dazu wird stattdessen ausdrücklich auf das „Infektionsschutzgesetz vom 20. Juli 2000“ nebst konkreter Fundstelle im Bundesgesetzblatt Bezug genommen.

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Bösartige Neubildungen

 

Siehe hierzu die ICD-10 (International Classification of Diseases/Internationale statistische Klassifikation der Krankheiten und verwandter Gesundheitsprobleme), Codes C-00 bis C-97

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Suchtkrankheiten

 

Die Sucht wird im Sinne eines Abhängigkeitssyndroms verstanden (F10.2 - F19.2 der ICD-10).

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Krankhafte Komplikationen der Schwangerschaft, der Entbindung und des Wochenbetts

Diese krankhaften Erscheinungen werden in der ICD-10, Codes O00 - O 99 aufgeführt.

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Heilbäder, Kurorte, Kuranstalten

 

OLG Hamm, Beschl. v. 4.2.2021, I-4 U 40/20, Tz. 16

Unter Heilbad und Kurort werden Orte oder Ortsteile mit natürlichen, wissenschaftlich anerkannten und durch Erfahrung bewährten Heilmitteln des Bodens, mit überprüftem Lage- und Witterungsklima, mit entsprechenden Kureinrichtungen, einem entsprechenden Kurcharakter sowie einer staatlichen Feststellung und Bekanntgabe der wissenschaftlich anerkannten Heilanzeigen und Gegenanzeigen verstanden, die typischerweise auf Krankheiten mit längerer Behandlungsdauer spezialisiert sind. Erforderlich ist stets die staatliche Anerkennung (vgl. Erbs/Kohlhaas/Pelchen/Anders/Pfohl, Strafrechtliche Nebengesetze, 233. EL Oktober 2020, § 12 HWG, Rn. 14 mwN.).

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