Ihr Rechtsanwalt im Wettbewerbsrecht
Dr. Hermann-Josef Omsels*

Eine Darstellung des Gesetzes gegen den unlauteren Wettbewerb und wettbewerbsrechtlicher Nebengesetze



 


 

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4. Verquickung privater und öffentlicher Aufgaben

BGH, Urt. v. 21. 7. 2005, I ZR 170/02, II.2.a - Friedhofsruhe

Der öffentlichen Hand ist, wenn sie sich erwerbswirtschaftlich betätigt, nicht anders als privaten Unternehmen unlauteres Wettbewerbsverhalten verboten. Die Unlauterkeit einer erwerbswirtschaftlichen Tätigkeit einer Gemeinde kann sich zudem gerade aus ihrer Eigenschaft als öffentlich-rechtliche Gebietskörperschaft und der damit verbundenen besonderen Stellung gegenüber den anderen Marktteilnehmern, insbesondere den Verbrauchern, ergeben, etwa wenn die amtliche Autorität oder das Vertrauen in die Objektivität und Neutralität der Amtsführung missbraucht werden oder wenn öffentlich-rechtliche Aufgaben mit der erwerbswirtschaftlichen Tätigkeit verquickt werden.

BGH, Urt. v. 24. 9. 2002, KZR 4/01, II.3.d - Kommunaler Schilderprägebetrieb

Die öffentliche Hand, die sich privatwirtschaftlich betätigt, darf sich bei der Wahrnehmung ihrer erwerbswirtschaftlichen Betätigung nicht dadurch einen unsachlichen Vorsprung vor ihren Mitbewerbern verschaffen, dass sie ihre hoheitlichen Befugnisse zur Durchsetzung ihrer privatwirtschaftlichen Interessen und zur Förderung ihres Wettbewerbs einsetzt oder die privaten Mitbewerber mit Mitteln verdrängt, die diesen nicht zugänglich sind, ihr dagegen auf Grund ihrer öffentlich-rechtlichen Sonderstellung zur Verfügung stehen, etwa indem sie eine öffentlich-rechtliche Monopolstellung ausnutzt.

… Es stellt z.B. eine unzulässige Verquickung der öffentlich-rechtlichen Aufgaben mit einer erwerbswirtschaftlichen Tätigkeit dar, wenn ein Träger öffentlicher Gewalt die beherrschende Stellung, über die er in dem durch die Hoheitsverwaltung eröffneten Markt verfügt, in der Weise ausnutzt, dass er die durch die Verwaltungstätigkeit erzeugte Nachfrage nach Gütern unter Verdrängung leistungsbereiter privater Wettbewerber nur deswegen selbst befriedigt, um auf diese Weise für sich den größten wirtschaftlichen Vorteil zu erzielen. Unbedenklich ist eine solche, private Anbieter verdrängende Erwerbstätigkeit dann, wenn es sich um eine bloße Hilfstätigkeit zur öffentlich-rechtlichen Aufgabe handelt und die Versorgung der Bürger durch private Anbieter auf längere Sicht nicht zuverlässig gewährleistet erscheint. Dabei kann offen bleiben, ob es der Bekl. lediglich untersagt ist, das eigene Tochterunternehmen gegenüber Mitbewerbern zu bevorzugen, oder ob sie sich - weitergehend - in der gegebenen Konstellation der erwerbswirtschaftlichen Tätigkeit vollständig enthalten muss.

OLG Nürnberg, Hinweisbeschl. v. 26.11.2021, 3 U 2473/21, Tz. 43 f

Die Verwendung öffentlicher Mittel im Wettbewerb ist regelmäßig erst durch das Hinzutreten weiterer Umstände, die den Einsatz dieser Mittel als rechts- oder zweckwidrig und damit als missbräuchlich erscheinen lassen, als unlauter nach § 4 Nr. 4 UWG anzusehen (vgl. OLG Nürnberg, Urt. v. 29.9.2009, 1 U 264/09, Tz. 46 - Städtische Musikschule).

Umstände dieser Art können zum einen darin gesehen werden, dass das Preisgebaren der öffentlichen Hand die Absicht erkennen lässt, private Mitbewerber durch Preisunterbietungen vom Markt zu verdrängen (vgl. BGH, Urt. v. 19.6.1986, I ZR 54/84, Tz. 30 - Kommunaler Bestattungswirtschaftsbetrieb I), wenn also die Preisunterbietung auf die Verdrängung eines Mitbewerbers abzielt und der Preis nicht kostendeckend ist (Köhler, in Köhler/Bornkamm/Feddersen, UWG, 39. Aufl. 2021, § 3a Rn. 2.45).

OLG Brandenburg, Urt. v. 5.4.2018, 6 U 50/13, Tz. 98

Geschäftliche Handlungen der öffentlichen Hand können aus den in § 4 Nr. 4, § 4a, § 5 Abs. 1 UWG niedergelegten lauterkeitsrechtlichen Grundsätzen unlauter sein, wenn sie mit einer öffentlich-rechtlichen Aufgabe verknüpft werden und dadurch der Eindruck erweckt wird, die erwerbswirtschaftliche Betätigung sei noch Teil der öffentlich-rechtlichen Aufgabenerfüllung oder wenn die öffentliche Hand ihre amtlichen Beziehungen dazu missbraucht, sich oder anderen wettbewerbliche Vorteile zu verschaffen (vgl. BGH, Urt0. v. 16.2.2009, I ZR 106/06 - Buchgeschenk vom Standesamt; Urt. v. 21.7.2005, I ZR 170/01 - Friedhofsruhe; Urt. v. 19.6.1986, I ZR 54/84 - Kommunaler Bestattungswirtschaftsbetrieb I).

OLG Brandenburg, Urt. v. 5.4.2018, 6 U 50/13, Tz. 100

Die Unlauterkeit einer erwerbswirtschaftlichen Tätigkeit einer Gemeinde kann sich gerade aus ihrer Eigenschaft als öffentlich-rechtliche Gebietskörperschaft und der damit verbundenen besonderen Stellung gegenüber den anderen Marktteilnehmern, insbesondere den Verbrauchern, ergeben, etwa wenn die amtliche Autorität oder das Vertrauen in die Objektivität und Neutralität der Amtsführung missbraucht werden oder wenn öffentlich-rechtliche Aufgaben mit der erwerbswirtschaftlichen Tätigkeit verquickt werden.

Davon ist das OLG Brandenburg bei einer Verquickung der Tätigkeit eines öffentlichen Touristenbüros und dem privaten Angebot von Stadtrundfahrtenausgegangen, ebenso bei der Lizensierung des bekannten Stadtlogos ausnahmslos an den Anbieter der privaten Leistungen in Form einer als juristische Person organisierten public-private Partnership:

OLG Brandenburg, Urt. v. 5.4.2018, 6 U 50/13, Tz. 101 f

Die Beauftragung der T… GmbH zur Erfüllung der öffentlich-rechtlichen Aufgabe der Touristinformation und zugleich zur erwerbswirtschaftlichen Betätigung im Bereich der Stadtrundfahrten und -rundgänge gerade zum Zweck der Eigen(mit)finanzierung hat eine unzulässige Verquickung der erwerbswirtschaftlichen Betätigung mit der öffentlich-rechtlichen Aufgabenerfüllung dargestellt, weil die konkrete Ausgestaltung des Auftrags die gebotene, nach außen erkennbare Trennung der Tätigkeitsbereiche nicht sichergestellt hat.

Die T… GmbH hat die Information über touristische Angebote der Stadt Potsdam und den Absatz der eigenen touristischen Dienstleistungen ohne jede Trennung der Tätigkeitsbereiche, insbesondere in denselben Räumlichkeiten, unter Nutzung derselben Fernkommunikationsmöglichkeiten und unter Einsatz derselben Mitarbeiter durchführen können, weil weder der Vertrag eine Trennung vorgesehen, noch die Beklagte sonst hierauf hingewirkt hat. Gerade im Hinblick auf den Verkauf von Tickets für Stadtrundfahrten und -rundgänge hat die T… GmbH als Betreiber der Touristinformationen die keinem anderen Mitbewerber zur Verfügung stehende Möglichkeit erhalten, beim Absatz ihrer Dienstleistungen als Teil der öffentlichen-rechtlichen Aufgabenerfüllung in Erscheinung zu treten. Die T… GmbH hatte aus diesem Gesichtspunkt und aus der Tatsache, dass der Betrieb der Informationsstelle über touristische Angebote die Möglichkeit eröffnet hat, zugleich die eigenen Dienstleistungen an exponierter Stelle abzusetzen, einen Wettbewerbsvorteil gegenüber den anderen Bietern von Stadtrundfahrten und -rundgängen.

Im gleichen Rechtstreit hat das OLG Brandenburg der Stadt Potsdam auch verboten, der public-private Partnership zu erlauben, sich als offizieller Dienstleister der Stadt zu bezeichnen:

OLG Brandenburg, Urt. v. 5.4.2018, 6 U 50/13, Tz. 112, 114

Die Beklagte ist ferner verpflichtet, es künftig zu unterlassen, die Stadtrundfahrt desjenigen Unternehmens, das für sie die Touristinformationen betreibt, als „die Stadtrundfahrt des offiziellen Dienstleisters der Landeshauptstadt …“ zu bezeichnen und/oder bezeichnen zu lassen, sofern sie nicht an dem genannten Unternehmen die Geschäftsanteile vollständig, unmittelbar oder mittelbar hält. Die Werbung der Beklagten auf ihrer Internetseite für die Stadtrundfahrt der T… GmbH hat ebenfalls gegen § 3 Abs. 1 UWG verstoßen. ...

... Der öffentlichen Hand ist grundsätzlich untersagt, amtliche Beziehungen zur Werbung oder zum Abschluss von Verträgen auszunutzen, um sich oder einem Dritten dadurch Vorteile im Wettbewerb zu verschaffen. In einem solchen Vorgehen liegt ein Missbrauch der amtlichen Stellung und der Einrichtungen der Verwaltung, was zugleich eine unlautere geschäftliche Handlung i.S.v. § 3 UWG darstellt (vgl. BGH, Urt. v. 26.9. 2002, I ZR 293/99 - Altautoverwertung; Urt. v. 16.2.2009, I ZR 106/06 - Buchgeschenk vom Standesamt).