Ihr Rechtsanwalt im Wettbewerbsrecht
Dr. Hermann-Josef Omsels*

Eine Darstellung des Gesetzes gegen den unlauteren Wettbewerb und wettbewerbsrechtlicher Nebengesetze



 


 

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§ 10 Abs. 1 HWG

1. Gesetzestext

2. Grundrechtskonformität

3. Sinn und Zweck der Norm

4. Markverhaltensregelung

5. Verschreibungspflichtige Arzneimittel

6. Werbung

7. Werbeadressaten

8. Hinweis auf Verschreibungspflicht

9. Ausnahme im Internet

Gesetzestext

§ 10 Abs. 1 HWG

Für verschreibungspflichtige Arzneimittel darf nur bei Ärzten, Zahnärzten, Tierärzten, Apothekern und Personen, die mit diesen Arzneimitteln erlaubterweise Handel treiben, geworben werden.

Art. 88 Abs. 1 der Richtlinie 2001/83/EG

(1) Die Mitgliedstaaten verbieten die Öffentlichkeitswerbung für Arzneimittel, die

a) gemäß Titel VI nur auf ärztliche Verschreibung abgegeben werden dürfen

OLG Hamm, Urt. v. 18.6.2019, 4 U 18/19, Tz. 72

Die Vorschrift des § 10 Abs. 1 HWG untersagt nicht allein die Werbung für ein einzelnes Produkt, geschweige denn nur eine solche für ein klar als verschreibungspflichtig dargestelltes Arzneimittel (BGH WRP 2019, 187, 189 - Versandapotheke).

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Grundrechtskonformität

BVerfG, Beschl. v. 30.4.2004, 1 BvR 2334/03

Die Vorschrift des § 10 Abs. 1 HWG steht mit Art. 12 Abs. 1 GG in Einklang, solange dem Heilmittelwerbegesetz, das einer Verleitung zur Selbstbehandlung bestimmter Krankheiten und Leiden entgegenwirken soll, im Bereich der Selbstdarstellung der Ärzte keine eigenständige Bedeutung beigemessen wird. Jede andere Auslegung müsste sich vor Art. 74 Abs. 1 Nr. 19 GG rechtfertigen (vgl. BVerfGE 102, 26, 33, 36 f.).

BGH, Urt. v. 26.3.2009, I ZR 213/06 – Festbetragsfestsetzung

Eine Publikumswerbung für ein verschreibungspflichtiges Arzneimittel, die an sich die Voraussetzungen eines Verstoßes gegen das Werbeverbot nach § 10 Abs. 1, § 11 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 oder 7 HWG erfüllt, kann durch Art. 5 Abs. 1 Satz 1 GG gerechtfertigt sein, wenn die wirksame Ausübung des Rechts auf freie Meinungsäußerung die Nennung des Arzneimittels erfordert.

OLG Köln, Urt. v. 12.1.2018, 6 U 92/17, Tz. 68 f

Die Vorschrift des § 10 Abs. 1 HWG ist in Bezug auf das allgemeine Werbeverbot außerhalb der Fachkreise nicht verfassungswidrig. Allerdings stellt das Werbeverbot des Heilmittelwerbegesetzes im Grundsatz einen Eingriff in die verfassungsrechtlich geschützte Berufsfreiheit (Art. 12 GG) und die Meinungsfreiheit (Art. 5 GG) der Hersteller von Tierarzneimitteln dar (vgl. BGH, Urteil vom 26.03.2009 – I ZR 213/06, BGHZ 180, 355 – Festbetragsfestsetzung; BVerfG, Beschluss vom 20.03.2007, BvR 1226/06, GRUR 2007, 720 – Geistheiler; Beschluss vom 30.04.2004 – 1 BvR 2334/03, GRUR 2004, 797 – Faltenbehandlung).

Der Eingriff ist allerdings zulässig, wenn er durch ein allgemeines Gesetz erfolgt, das den Anforderungen der Verfassung an grundrechtsbeschränkende Gesetze genügt (Art. 5 Abs. 2, Art. 12 Abs. 1 S. 2 GG). Danach ist die gesetzliche Bestimmung mit den vorgenannten Vorschriften aufgrund ausreichender Gründe des Gemeinwohls gerechtfertigt und trägt auch dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit Rechnung (vgl. BVerfG, GRUR 2007, 720 – Geistheiler).

S.a. OLG Stuttgart, Urt. v. 27.9.2018, 2 U 41/18, Tz. 65 ff

Zur Werbung für Tierarzneimittel:

OLG Köln, Urt. v. 12.1.2018, 6 U 92/17, Tz. 70

Zu den Belangen des Gemeinwohls gehört auch das Wohl der Tiere, nicht nur der Nutztiere (Art. 20a GG). … Zutreffend ist, dass dieses nicht das gleiche Gewicht hat wie die menschliche Gesundheit. Allerdings erfolgt ein Schutz vor dem Risiko des Versuchs der Einflussnahme auf den jeweiligen Tierarzt. Es soll diesem vorbehalten bleiben, ohne besondere Rücksicht auf die Tierhalter, die ihn in der Regel selbst vergüten, entscheiden zu können, ob und welche Medikamente er aufgrund seiner Expertise verschreiben möchte. Diese Möglichkeit der freien Entscheidung des Tierarztes kann durch Werbung erheblich beeinflusst werden, was bei den bekannten Wirkungen von Werbung naheliegt. Der durch die Verschreibungspflicht bereits erlangte Schutz auch davor, dass Medikamente über andere Wege ggf. im Ausland bezogen werden könnten, wird durch das Werbeverbot verstärkt. Es kommt hinzu, dass auch bei Tieren, die keine Nutztiere und daher nicht zum Verzehr geeignet sind, jedenfalls bei dem vorliegenden Arzneimittel eine Gefährdung der menschlichen Gesundheit in Betracht kommt. Dies liegt zwar bei den meisten Tiermedikamenten, die solchen Tieren verabreicht werden, die nicht zum Verzehr bestimmt sind, eher fern (vgl. BGH, GRUR 2010, 542 – Tierarzneimittelversand). Die Antragstellerin weist jedoch zutreffend auf die Gefahren hin, die beim Verabreichen des Medikaments und dem Auftragen auf das Fell entstehen können.

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Sinn und Zweck der Norm

BGH, Urt. v. 26.3.2009, I ZR 213/06, Tz. 22 – Festbetragsfestsetzung

Das Werbeverbot des § 10 Abs. 1 HWG soll nur solchen Gefahren begegnen, die von einer Publikumswerbung trotz der Verschreibungspflicht des beworbenen Arzneimittels ausgehen können. Neben der Gefahr, dass Patienten unter dem Eindruck der Werbung auf die Verschreibung des beworbenen Arzneimittels drängen, können Verbraucher durch eine Werbung für verschreibungspflichtige Arzneimittel zu einem Fehlgebrauch oder dazu verleitet werden, sich diese Mittel unter Umgehung der Verschreibungspflicht, beispielsweise aus dem Ausland, zum Zwecke der Selbstbehandlung zu besorgen.

OLG Frankfurt, Urt. v. 6.9.2012, 6 U 143/11, Tz. 21

§ 10 Abs. 1 HWG will den Gefahren der Selbstmedikation und des Arzneimittelfehlgebrauchs entgegenwirken. Dazu erweitert die Vorschrift den mit der Verschreibungspflicht gem. § 48 AMG gewährleisteten Schutz. Die Vorschrift soll verhindern, dass die Ärzte einer werbungsinduzierten Einflussnahme der Patienten ausgesetzt sind (Bülow-Ring, HWG, 4. Aufl., Rn 1 zu § 10 HWG; Gröning, Heilmittelwerberecht, Stand 6/2011, Rn 5 zu § 10 HWG m. w. N.).

S.a. OLG Stuttgart, Urt. v. 27.9.2018, 2 U 41/18, Tz. 71

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Markverhaltensregelung

OLG Stuttgart, Urt. v. 27.9.2018, 2 U 41/18, Tz. 63

§ 10 Abs. 1 HWG ist eine Marktverhaltensregelung i.S.d. § 3a UWG (v. Jagow in Harte-Bavendamm/Henning-Bodewig, UWG, 4. Aufl. 2016, § 3a Rn. 81).

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Verschreibungspflichtige Arzneimittel

OLG Stuttgart, Urt. v. 27.9.2018, 2 U 41/18, Tz. 70 f

Das Laienwerbeverbot des § 10 Abs. 1 HWG betrifft verschreibungspflichtige Arzneimittel. Welche Arzneimittel verschreibungspflichtig sind, regelt § 48 AMG i.v.m. § 1 AmVV. Defekturarzneimittel, d.h. Arzneimittel, die im Rahmen des üblichen Apothekenbetriebs im Voraus an einem Tag in bis zu hundert abgabefertigen Packungen oder in einer diesen entsprechende Menge hergestellt werden (§ 1a Abs. 9 ApBetrO) sind hiervon nicht ausgenommen, ebenso wenig wie Rezepturarzneimittel, d.h. Arzneimittel, die aufgrund einer Einzelanforderung und einer individuellen Rezeptur in einer Apotheke hergestellt werden.

Soweit der Beklagte argumentiert, § 10 HWG gelte nur für Fertigarzneimittel, folgt der Senat dem nicht. § 10 HWG bezweckt u.a., dass der Arzt von einer werbungsinduzierten, mithin nicht auf eigener Sachkunde beruhenden Einflussnahme des Patienten auf Verordnung eines Präparats verschont bleiben soll. Ein Konflikt im Vertrauensverhältnis zwischen Arzt und Patient durch von der Werbung getragene Patientenwünsche soll vermieden werden (BGH, GRUR 2009, 984, Rn. 22 - Festbetragsfestsetzung). Für diesen Zweck des Gesetzes spielt es keine Rolle, von wem die Werbung ausgeht, ob von einem Pharmaunternehmen oder von einem einzelnen Apotheker. Zwar mag die Werbung des Pharmaunternehmens eine größere Reichweite haben und damit auch mehr Patientenwünsche verursachen als die eines einzelnen Apothekers. Das ändert aber nichts daran, dass bereits die Werbung eines einzelnen Apothekers dazu führen kann, dass Verbraucher von der Werbung inspiriert den Wunsch nach einer bestimmten Verschreibung an ihren Arzt herantragen.

OLG Hamm, Urt. v. 18.6.2019, 4 U 18/19, Tz. 72, 92

Die Vorschrift des § 10 Abs. 1 HWG untersagt nicht allein die Werbung für ein einzelnes Produkt, geschweige denn nur eine solche für ein klar als verschreibungspflichtig dargestelltes Arzneimittel (BGH WRP 2019, 187, 189 - Versandapotheke). ...

Die Gefahr der Selbstmedikation ohne ärztliche Aufsicht oder des möglichen Drängens auf eine entsprechende Verschreibung beim nächsten Arztbesuch, wird gleichermaßen, wenn nicht sogar umso mehr durch eine Werbung begründet, die nicht von vorneherein darauf hinweist, dass es sich bei den solchermaßen beworbenen Arzneimitteln auch um (in Deutschland) verschreibungspflichtige Medikamente handelt. Bereits ein solcher Hinweis kann den Verbraucher nämlich in dieser Hinsicht durchaus sensibilisieren. Denn schon die Rezeptpflichtigkeit als solche spricht regelmäßig dafür, dass das entsprechende Medikament eben nicht ohne weiteres und schon gar nicht ohne ärztliche Aufsicht verabreicht werden sollte.

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Werbeadressaten

§ 10 Abs. 1 HWG erlaubt die Werbung für verschreibungspflichtige Arzneimittel nicht allgemien gegenüber den Fachkreisen, sondern nur gegenüber einem eingeschränkten Fachpublikum. Die Werbung ist u.a. auch unzulässig gegenüber Krankenschwester und -pflegern, Hebammen, Masseuren, Heilpraktikern etc.

Der Werbende muss die Beschränkung auf die zulässigen Werbeadressaten gewährleisten, z.B. dadurch, dass er sie nur in Medien schaltet, die sich an die freigestellten Personen richten. In diesem Fall ist es unschädlich, wenn Dritte die Werbung ebenfalls gelegentlich zur Kenntnis nehmen (Gröning, § 10 HWG, Rdnr. 20; Doepner, § 10 HWG, Rn. 14). Unzulässig ist es jedorch, die Werbung so zu konzipieren, dass sie letztlich auch von Personen wahrgenommen werden soll, an die sie nicht gerichtet werden darf.

OLG München, Urt. v. 11.10.1990, 6 U 3617/90

Das Auslegen von “Patienten-Informationen” in Arztpraxen stellt eine unzulässige Werbung außerhalb von Fachkreisen dar, selbst wenn die “Informationen” mit dem Stempel der Praxis versehen werden.

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Hinweis auf Verschreibungspflicht

Werbung für verschreibungpflichtige Arzneimittel muss nach § 4 Abs. 1 Nr. 7a HWG den Hinweis 'Verschribungspflichtig' tragen.

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Ausnahme im Internet

EuGH, Urt. v. 5.5.2011, C-316/09 - MSD Sharp & Dohme / Merckle

Art. 88 Abs. 1 Buchst. a der Richtlinie 2001/83 ist dahin auszulegen ist, dass er die Verbreitung von Informationen über verschreibungspflichtige Arzneimittel auf einer Internet-Website durch Arzneimittelunternehmen nicht verbietet, wenn diese Informationen auf dieser Website nur demjenigen zugänglich sind, der sich selbst um sie bemüht, und diese Verbreitung ausschließlich in der getreuen Wiedergabe der Umhüllung des Arzneimittels nach Art. 62 dieser Richtlinie sowie in der wörtlichen und vollständigen Wiedergabe der Packungsbeilage oder der von der zuständigen Arzneimittelbehörde genehmigten Zusammenfassung der Merkmale des Arzneimittels besteht. Verboten ist hingegen die über eine solche Website erfolgende Verbreitung von Informationen über ein Arzneimittel, die Gegenstand einer vom Hersteller vorgenommenen Auswahl oder Umgestaltung waren, die nur durch ein Werbeziel erklärbar ist. Es ist Sache des vorlegenden Gerichts, zu bestimmen, ob und in welchem Umfang die im Ausgangsverfahren fraglichen Tätigkeiten Werbung im Sinne dieser Richtlinie darstellen.

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