Ihr Rechtsanwalt im Wettbewerbsrecht
Dr. Hermann-Josef Omsels*

Eine Darstellung des Gesetzes gegen den unlauteren Wettbewerb und wettbewerbsrechtlicher Nebengesetze



 


 

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Geheimnisschutz

1. Europäisches und deutsches Verfassungsrecht

2. Richtlinie zum Schutz von Geschäftsgeheimnissen

3. Gesetz zum Schutz von Geschäftsgeheimnissen

4. Anwendungsbereich des Geschäftsgeheimnisgesetzes (GeschGehG)

5. § 17 UWG

6. Konkurrenzen

Literatur: Alexander, Christian, Gegenstand, Inhalt und Umfang des Schutzes von Geschäftsgeheimnissen nach der Richtlinie (EU) 2016/943, WRP 2017, 1034; Hofmann, Franz, 'Equity' im deutschen Lauterkeitsrecht? Der Unterlassungsanspruch nach der Geschäftsgeheimnis-RL, WRP 2018, 1; Kiefer, Jonas, Das Geschäftsgeheimnis nach dem Refentenentwurf zum Geschäftsgeheimnisgesetz: Ein Immaterialgüterrecht, WRP 2018, 917; Hauck, Ronny, Grenzen des Geheimnisschutzes, WRP 2018, 1032; Müllmann, Dirk, Auswirkungen der Industrie 4.0 auf den Schutz von Betriebs- und Geschäftsgeheimnissen, WRP 2018, 1177; McGuire, Mary-Rose, Neue Anforderungen an Geheimhaltungsvereinbarungen?, WRP 2019, 679; Tochtermann, Lea, Zur „Unverhältnismäßigkeit“ einer Rechtsfolge nach dem neuen GeschGehG – Versuch einer Maßstabsbildung, WRP 2019, 688; Kalbfus, Björn, Rechtsdurchsetzung bei Geheimnisverletzungen – Welchen prozessualen Schutz gewährt das Geschäftsgeheimnisgesetz dem Kläger?, WRP 2019, 692; Thiel, Linda, Das neue Geschäftsgeheimnisgesetz (GeschGehG) – Risiken und Chancen für Geschäftsgeheimnisinhaber, WRP 2019, 700; Steinmann, Sabrina, Die Geschäftsgeheimnis-Richtlinie: Vorwirkung und unmittelbare Anwendbarkeit, WRP 2019, 703; Wunner, Katharina, Die zivilrechtliche Haftung für Geheimnisverwertungen durch Beschäftigte im Lichte der Geschäftsgeheimnis-RL, WRP 2019, 710; Barth, Günter/Corzelius, Christoph, Geheimnisverrat im Zuge eines Arbeitnehmeraustritts - Eine Case Study nach der Reform des Datenschutz- und Geschäftsgeheimnisrechts, WRP 2020, 29; Ess, Philipp, Wie weit reicht der Geheimnisschutz? Zum rechtsverletzenden Produkt i.S.d. § 2 Nr. 4 GeschGehG, WRP 2020, 988; Alexander, Christian, Zwingendes oder dispositives Recht: Welchen privatautonomen Gestaltungsspielraum belasst das GeschGehG, WRP 2020, 1985; Hauck, Ronny, Schutz von Geschäftsgeheimnissen und Arbeitnehmerrechte, GRUR 2022, 530; Hoppe, Daniel/Oldekop, Axel, Die Rechtsprechung zum Geschäftsgeheimnisschutz seit  dem 26,04.2019, WRP 2022, 547; Hoppe, Daniel/Oldekop, Axel, Ausgewählte Probleme prozessualer Geheimhaltungsmaßnahmen nach den §§ 145a PatG, 16 ff GeschGehG, Mitteilungen der deutschen Patentanwälte, 2022, 473; McGuire, Mary-Rose, Rechtsgeschäftliche Verwertung von Geschäftsgeheimnissen: Übertragung, unechte Lizenz oder NDA?, WRP 2024, 133

Europäisches und deutsches Verfassungsrecht

EuGH, Urt. v. 7.9.2021, C-927/19, Tz. 131 f – Klaipėdos

Für den Fall, dass das vorlegende Gericht ebenfalls davon ausgehen sollte, dass die betreffenden Informationen vertraulich sind, was ihrer Offenlegung gegenüber den Wettbewerbern des betreffenden Wirtschaftsteilnehmers entgegenstünde, ist darauf hinzuweisen, dass, wie der Gerichtshof entschieden hat, der Grundsatz des kontradiktorischen Verfahrens im Allgemeinen zwar das Recht der Verfahrensbeteiligten umfasst, Kenntnis von den Beweismitteln und den beim Gericht eingereichten Erklärungen zu nehmen und diese zu erörtern, es in bestimmten Fällen jedoch zur Wahrung der Grundrechte eines Dritten oder zum Schutz wichtiger Interessen der Allgemeinheit erforderlich sein kann, den Parteien bestimmte Informationen vorzuenthalten (Urteil vom 14. Februar 2008, Varec, C‑450/06, EU:C:2008:91, Rn. 47).

Zu den Grundrechten, die so geschützt sein können, gehören das in Art. 7 der Charta verankerte Recht auf Achtung des Privatlebens und der Kommunikation sowie das vom Gerichtshof als allgemeiner Grundsatz des Unionsrechts anerkannte Recht auf Schutz von Geschäftsgeheimnissen (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 14. Februar 2008, Varec, C‑450/06, EU:C:2008:91, Rn. 48 und 49).

BVerfG, Beschl. v. 27.4.2021, 2 BvR 206/14, Tz. 50, 52, 75, 76

Das Grundrecht der Berufsfreiheit gewährleistet grundsätzlich auch den Schutz von Betriebs- und Geschäftsgeheimnissen. Dies sind alle auf ein Unternehmen bezogene Tatsachen, Umstände und Vorgänge, die nicht offenkundig, sondern nur einem begrenzten Personenkreis zugänglich sind und an deren Nichtverbreitung der Rechtsträger ein berechtigtes Interesse hat. Betriebsgeheimnisse umfassen im Wesentlichen technisches Wissen im weitesten Sinne; Geschäftsgeheimnisse betreffen vornehmlich kaufmännisches Wissen. Dazu zählen etwa Umsätze, Ertragslagen, Geschäftsbücher, Kundenlisten, Bezugsquellen, Konditionen, Marktstrategien, Unterlagen zur Kreditwürdigkeit, Kalkulationsunterlagen, Patentanmeldungen und sonstige Entwicklungs- und Forschungsprojekte, durch welche die wirtschaftlichen Verhältnisse eines Betriebs maßgeblich bestimmt werden können. ...

Werden Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse durch den Staat offengelegt oder verlangt dieser deren Offenlegung, ist Art. 12 Abs. 1 GG berührt, weil dadurch die ausschließliche Nutzungsmöglichkeit des betroffenen Wissens für den eigenen Erwerb beeinträchtigt werden kann. Wird exklusives wettbewerbserhebliches Wissen Konkurrenten zugänglich gemacht, mindert dies die Möglichkeiten eines Grundrechtsträgers, die eigene Berufsausübung unter Rückgriff auf dieses Wissen erfolgreich zu gestalten. Unternehmerische Strategien können durchkreuzt werden, der Anreiz zu innovativem unternehmerischen Handeln kann entfallen, weil die Investitionskosten für das betroffene Wissen nicht amortisiert werden können, während Konkurrenten dieses unter Einsparung entsprechender Kosten zur Grundlage ihres eigenen beruflichen Erfolgs nutzen können. ...

Der Schutz von Geschäftsgeheimnissen stellt nach ständiger Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union einen allgemeinen Grundsatz des Unionsrechts dar (vgl. EuGH, Urt. v. 14.2.2008, C-450/06, Rn. 49 - Varec; ...) und wird neben Art. 17 Abs. 2 GRCh ... auch durch Art. 16 GRCh gewährleistet. Zu dem durch Art. 16 GRCh gewährleisteten Schutz zählen nicht nur die Freiheit zur Ausübung einer Wirtschafts- oder Geschäftstätigkeit, sondern auch die Vertragsfreiheit und die ungehinderte Teilnahme an einem freien Wettbewerb (vgl. EuGH, Urt. v. 22.1.2013, C-283/11, Rn. 42 - Sky Österreich). Vor diesem Hintergrund umfasst das Recht auf unternehmerische Freiheit insbesondere das Recht jedes Unternehmens, in den Grenzen seiner Verantwortlichkeit für seine eigenen Handlungen frei über seine wirtschaftlichen, technischen und finanziellen Ressourcen verfügen zu können (vgl. EuGH, Urt. v. 30.6.2016, C-134/15, Rn. 27 - Lidl; ...). ...

Diese Einordnung entspricht sowohl der deutschen Verfassungsrechtslage ... als auch der Europäischen Menschenrechtskonvention. Letztere kennt zwar keine ausdrückliche Garantie der Berufsfreiheit (vgl. EGMR <GK>, Thlimmenos v. Greece, Urt. v. 6.4.2000, Nr. 34369/97, § 41). Nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte darf der Begriff „Privatleben“ in Art. 8 EMRK aber nicht dahin ausgelegt werden, dass die beruflichen und geschäftlichen Tätigkeiten natürlicher und juristischer Personen hiervon ausgeschlossen sind (vgl. EGMR, Niemitz v. Germany, Urt. v. 16.12.1992, Nr. 13710/88, § 29; Societé Colas Est and others v. France; ...), so dass auch Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse dem Schutz von Art. 8 EMRK unterfallen dürften (vgl. auch EuGH, Urt. v. 14.2.2008, C-450/06, Rn. 48 - Varec).

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Richtlinie zum Schutz von Geschäftsgeheimnissen

EuGH, Urt. v. 7.9.2021, C-927/19, Tz. 97 – Klaipėdos

In Anbetracht ihres Gegenstands, wie er in ihrem Art. 1 Abs. 1 in Verbindung mit ihrem vierten Erwägungsgrund dargelegt ist, bezieht sich die Richtlinie 2016/943 nur auf den rechtswidrigen Erwerb und die rechtswidrige Nutzung oder Offenlegung eines Geschäftsgeheimnisses und sieht keine Maßnahmen zum Schutz der Vertraulichkeit von Geschäftsgeheimnissen in anderen Arten gerichtlicher Verfahren, wie z. B. in Verfahren betreffend die Vergabe öffentlicher Aufträge, vor.

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Gesetz zum Schutz von Geschäftsgeheimnissen

Am 26. April 2019 ist das Gesetz zum Schutz von Geschäftsgeheimnissen (GeschGehG) in Kraft getreten und hat §§ 17, 18 UWG abgelöst. Es geht zurück auf die Richtlinie (EU) 2016/943 zum Schutz von Geschäftsgeheimnissen vor rechtswidrigem Erwerb sowie rechtswidriger Nutzung und Offenlegung.

OLG Hamm, Urt. v. 15.9.2020, 4 U 177/19, Tz. 455

Das GeschGehG enthält weder Übergangsfristen noch Übergangsregelungen. Wird ein Unterlassungsanspruch geltend gemacht, hängt die Entscheidung über diesen von der Beurteilung der Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung der Tatsacheninstanz ab. Ändert sich die Rechtslage im Hinblick auf einen ausschließlich zukunftsbezogenen Anspruch, ist das im Entscheidungszeitpunkt geltende (neue) Recht heranzuziehen (OLG Düsseldof, Urt. v. 21.11.2019, 2 U 34/19). Auch wenn ein Unterlassungsanspruch auf eine noch unter altem Recht vorgefallene Verletzungshandlung gestützt wird, ist der Unterlassungsanspruch deshalb nunmehr an § 6 GeschGehG zu messen.

Die neuen Bestimmungen werden nach und nach in den Online-Kommentar eingearbeitet. Noch ist er bei Geschäftsgeheimnissen nicht leider nicht up to date.

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Anwendungsbereich des Geschäftsgeheimnisgesetzes (GeschGehG)

§ 1 Anwendungsbereich

(1) Dieses Gesetz dient dem Schutz von Geschäftsgeheimnissen vor unerlaubter Erlangung, Nutzung und Offenlegung.

(2) Öffentlich-rechtliche Vorschriften zur Geheimhaltung, Erlangung, Nutzung oder Offenlegung von Geschäftsgeheimnissen gehen vor.

(3) Es bleiben unberührt:

1. der berufs- und strafrechtliche Schutz von Geschäftsgeheimnissen, deren unbefugte Offenbarung von § 203 des Strafgesetzbuches erfasst wird,

2. die Ausübung des Rechts der freien Meinungsäußerung und der Informationsfreiheit nach der Charta der Grundrechte der Europäischen Union (ABl. C 202 vom 7.6.2016, S. 389), einschließlich der Achtung der Freiheit und der Pluralität der Medien,

3. die Autonomie der Sozialpartner und ihr Recht, Kollektivverträge nach den bestehenden europäischen und nationalen Vorschriften abzuschließen,

4. die Rechte und Pflichten aus dem Arbeitsverhältnis und die Rechte der Arbeitnehmervertretungen

Bis zum 25. April 2019 galt

§ 17 UWG

Gesetzeswortlaut

(1) Wer als eine bei einem Unternehmen beschäftigte Person ein Geschäfts- oder Betriebsgeheimnis, das ihr im Rahmen des Dienstverhältnisses anvertraut worden oder zugänglich geworden ist, während der Geltungsdauer des Dienstverhältnisses unbefugt an jemand zu Zwecken des Wettbewerbs, aus Eigennutz, zugunsten eines Dritten oder in der Absicht, dem Inhaber des Unternehmens Schaden zuzufügen, mitteilt, wird mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder mit Geldstrafe bestraft.

(2) Ebenso wird bestraft, wer zu Zwecken des Wettbewerbs, aus Eigennutz, zugunsten eines Dritten oder in der Absicht, dem Inhaber des Unternehmens Schaden zuzufügen,

  1. Nr. 1 sich ein Geschäfts- oder Betriebsgeheimnis durch
    1. a) Anwendung technischer Mittel,
    2. b) Herstellung einer verkörperten Wiedergabe des Geheimnisses oder
    3. c) Wegnahme einer Sache, in der das Geheimnis verkörpert ist,

    unbefugt verschafft oder sichert oder

  1. Nr. 2 ein Geschäfts- oder Betriebsgeheimnis, das er durch eine der in Absatz 1 bezeichneten Mitteilungen oder durch eine eigene oder fremde Handlung nach Nummer 1 erlangt oder sich sonst unbefugt verschafft oder gesichert hat, unbefugt verwertet oder jemandem mitteilt.

(3) Der Versuch ist strafbar.

(4) In besonders schweren Fällen ist die Strafe Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder Geldstrafe. Ein besonders schwerer Fall liegt in der Regel vor, wenn der Täter

  1. Nr. 1 gewerbsmäßig handelt,
  2. Nr. 2 bei der Mitteilung weiß, dass das Geheimnis im Ausland verwertet werden soll, oder
  3. Nr. 3 eine Verwertung nach Absatz 2 Nummer 2 im Ausland selbst vornimmt.

(5) Die Tat wird nur auf Antrag verfolgt, es sei denn, dass die Strafverfolgungsbehörde wegen des besonderen öffentlichen Interesses an der Strafverfolgung ein Einschreiten von Amts wegen für geboten hält.

(6) § 5 Nummer 7 des Strafgesetzbuches gilt entsprechend.

BGH, Urt. v. 22.3.2018, I ZR 118/16, Tz. 27 - Hohlfasermembranspinnanlage II

Bei § 17 Abs. 2 Nr. 2 UWG handelt es sich, soweit ein Handeln im geschäftlichen Verkehr betroffen ist, um eine Marktverhaltensregelung im Sinne von § 3a UWG.

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Konkurrenzen

LAG Köln, Urt. v. 2.12.2019, 2 SaGa 20/19, Tz. 11

Nach allgemeiner Ansicht verdrängt das Geschäftsgeheimnisgesetz sämtliche andere Anspruchsgrundlagen insbesondere §§ 823, 826 und § 1004 BGB. Es handelt sich um eine spezialgesetzliche, ausschließliche Regelung, die den Schutz von Geschäftsgeheimnissen aus dem UWG herauslöst und auf eigene Rechtsgrundlage gestellt. Damit sind für die Frage, ob ein Geschäftsgeheimnis gegeben ist, sowohl die Begriffsbestimmungen als auch die erlaubten Handlungen und Handlungsverbote aus §§ 2, 3, 4 GeschGehG zugrunde zu legen.

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