Ihr Rechtsanwalt im Wettbewerbsrecht
Dr. Hermann-Josef Omsels*

Eine Darstellung des Gesetzes gegen den unlauteren Wettbewerb und wettbewerbsrechtlicher Nebengesetze



 


 

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3. Richtlinie 2000/31/EG über den elektronischen Geschäftsverkehr

Richtlinie 2000/31/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 8. Juni 2000 über bestimmte rechtliche Aspekte der Dienste der Informationsgesellschaft, insbesondere des elektronischen Geschäftsverkehrs, im Binnenmarkt ("Richtlinie über den elektronischen Geschäftsverkehr")

Definition der Dienste der Informationsgesellschaft

EuGH, Urt. v. 4.5.2017, C 339/15, Tz. 35 f - Vanderborght

Der Begriff „Dienste der Informationsgesellschaft“ umfasst nach Art. 2 Buchst. a der Richtlinie 2000/31 in Verbindung mit Art. 1 Nr. 2 der Richtlinie 98/34 „jede in der Regel gegen Entgelt elektronisch im Fernabsatz und auf individuellen Abruf eines Empfängers erbrachte Dienstleistung“.

Der 18. Erwägungsgrund der Richtlinie 2000/31 erläutert, dass der Begriff „Dienste der Informationsgesellschaft“ einen weiten Bereich von wirtschaftlichen Tätigkeiten umfasst, die online vonstattengehen, und sich nicht nur auf Dienste beschränkt, bei denen online Verträge geschlossen werden können, sondern sich – soweit es sich überhaupt um eine wirtschaftliche Tätigkeit handelt – auch auf Dienste erstreckt, die nicht von denjenigen vergütet werden, die sie empfangen, wie etwa Online-Informationsdienste oder kommerzielle Kommunikation.

EuGH, Urt. v. 4.5.2017, C 339/15, Tz. 37 - Vanderborght

Online-Werbung kann einen Dienst der Informationsgesellschaft im Sinne der Richtlinie 2000/31 darstellen (vgl. in diesem Sinne Urt. v. 15.9.2016, Mc Fadden, C 484/14, Tz. 41 und 42).

EuGH, Urt. v. 4.5.2017, C 339/15, Tz. 38 - Vanderborght

Art. 2 Buchst. f der Richtlinie stellt klar, dass der Begriff „kommerzielle Kommunikation“ u. a. alle Formen der Kommunikation abdeckt, die der unmittelbaren oder mittelbaren Förderung des Absatzes von Dienstleistungen einer natürlichen Person, die einen reglementierten Beruf ausübt, dienen.

BGH, Urt. v. 5.10.2017, I ZR 117/16, Tz. 21, 25 f, 28 - Tabakwerbung im Internet

Eine Dienstleistung der Informationsgesellschaft ist jede in der Regel gegen Entgelt elektronisch im Fernabsatz und auf individuellen Abruf eines Empfängers erbrachte Dienstleistung. ... Diese unionsrechtliche Definition des Begriffs "Dienste der Informationsgesellschaft" wird in den Erwägungsgründen 17 und 18 der Richtlinie 2000/31/EG über bestimmte rechtliche Aspekte der Dienste der Informationsgesellschaft, insbesondere des elektronischen Geschäftsverkehrs im Binnenmarkt ("Richtlinie über den elektronischen Geschäftsverkehr", ABl. 2000 L 178, S. 1), erläutert. ...

Nach der unionsrechtlichen Definition in Art. 1 Nr. 2 der Richtlinie 98/34/EG und Art. 1 Abs. 1 Buchst. b der Richtlinie (EU) 2015/1535 handelt es sich bei einem Dienst der Informationsgesellschaft um eine in bestimmter Weise elektronisch erbrachte Dienstleistung. Der Begriff "Dienstleistung" impliziert, dass es sich um Leistungen handelt, die normalerweise gegen Entgelt, also für eine wirtschaftliche Gegenleistung, erbracht werden (EuGH, Urt. v. 22.5.2003, C-355/00, Tz. 54 - Freskot; Urt. v. 18.12.2007 - C-281/06, Tz. 28 - Jundt, mwN; vgl. auch Art. 4 der Richtlinie 2006/123/EG). Allerdings können nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union auch Leistungen wirtschaftlicher Art, die unentgeltlich erbracht werden, ein "Dienst der Informationsgesellschaft" sein. Die Vergütung für einen Dienst, den ein Anbieter im Rahmen seiner wirtschaftlichen Tätigkeit erbringt, wird nicht notwendig von denjenigen bezahlt, denen der Dienst zugutekommt. Das ist insbesondere der Fall, wenn eine unentgeltliche Leistung - etwa der Zugang zu einem WLAN-Netz - von einem Anbieter zu Werbezwecken für die von ihm angebotenen Güter oder Dienstleistungen erbracht wird, da die Kosten dieser Tätigkeit dann in den Verkaufspreis dieser Güter und Dienstleistungen einbezogen werden (vgl. EuGH, Urt. v. 15.9.2016, C-484/14, Tz. 41 f. - Mc Fadden).

Danach kann Online-Werbung einen Dienst der Informationsgesellschaft im Sinne der Richtlinie 2000/31/EG darstellen. Ferner ergibt sich aus Art. 2 Buchst. f der Richtlinie 2000/31/EG, dass der Begriff "kommerzielle Kommunikation" unter anderem alle Formen der Kommunikation abdeckt, die der unmittelbaren oder mittelbaren Förderung des Absatzes von Waren oder Dienstleistungen einer natürlichen oder juristischen Person dienen, die eine unternehmerische Tätigkeit ausübt. Nach Ansicht des Gerichtshofs der Europäischen Union folgt daraus, dass Werbung für Leistungen der Mund- und Zahnversorgung über eine Website, die von einem selbständigen Zahnarzt erstellt wurde, eine kommerzielle Kommunikation ist, die einen Dienst der Informationsgesellschaft darstellt oder Bestandteil eines solchen Dienstes ist (EuGH, Urt. v. 4.5.2017, C-339/15, Tz. 37 bis 39 - Luc Vandenborght). ..

Die in der Literatur erwogenen Auslegungsmöglichkeiten sind mit der jüngeren Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union in der Rechtssache "Luc Vandenborght" unvereinbar. Danach stellt die Website eines Unternehmens, auf der für dessen Produkte oder Dienstleistungen geworben wird, einen Dienst der Informationsgesellschaft im Sinne der Richtlinie 2000/31/EG dar, auch wenn der Werbeadressat für den Aufruf dieser Internetseite in aller Regel kein Entgelt zahlt, und die Werbeleistung auch von keinem Dritten vergütet wird (vgl. EuGH, GRUR 2017, 627 Tz. 37 bis 39 - Luc Vandenborght).

EuGH, Urt. v. 1.10.2020, Tz. 53, C-649/18

Nach Art. 2 Buchst. h der Richtlinie 2000/31 umfasst der „koordinierte Bereich“ nur die für elektronisch erbrachte Dienstleistungen geltenden Anforderungen. Dazu zählen, wie sich aus dem 21. Erwägungsgrund der Richtlinie ergibt, u. a. die Anforderungen betreffend Online-Werbung.

Vom koordinierten Bereich wird aber auch Werbung für Online-Angebote auf physischen Werbeträgern erfasst (EuGH, Urt. v. 1.10.2020, Tz. 56 f, C-649/18)

EuGH, Urt. v. 1.10.2020, Tz. 63 f, C-649/18

Mitgliedstaaten können nach Art. 3 Abs. 4 Buchst. a der Richtlinie 2000/31 Maßnahmen ergreifen, die im Hinblick auf einen bestimmten Dienst der Informationsgesellschaft von Abs. 2 dieser Vorschrift abweichen, wenn die Maßnahmen zum Schutz der öffentlichen Ordnung, der öffentlichen Gesundheit, der öffentlichen Sicherheit oder der Verbraucher erforderlich sind, einen bestimmten Dienst der Informationsgesellschaft betreffen, der diese Schutzziele beeinträchtigt oder eine ernsthafte und schwerwiegende Gefahr einer Beeinträchtigung dieser Ziele darstellt, und in einem angemessenen Verhältnis zu diesen Schutzzielen stehen.

Die Voraussetzungen der Erforderlichkeit und der Verhältnismäßigkeit gemäß Art. 3 Abs. 4 Buchst. a der Richtlinie 2000/31 decken sich weitgehend mit denen, die für jede Beschränkung der durch die Art. 34 und 56 AEUV garantierten Grundfreiheiten gelten. Deshalb ist bei der Beurteilung der Unionsrechtmäßigkeit der in Rede stehenden innerstaatlichen Regelung die zu diesen Vorschriften des AEU-Vertrags ergangene Rechtsprechung zu berücksichtigen.