Ihr Rechtsanwalt im Wettbewerbsrecht
Dr. Hermann-Josef Omsels*

Eine Darstellung des Gesetzes gegen den unlauteren Wettbewerb und wettbewerbsrechtlicher Nebengesetze



 

Reklamehafte Übertreibung

Der Verbraucher und die sonstigen Verkehrskreise sind es gewohnt, dass Werbung übertreibt. Sie nehmen nicht jede Werbebotschaft für bare Münze.

Manche Werbeaussagen sind so unspezifisch, dass sie keine Tatsachenbehauptungen enthalten oder nicht als solche verstanden werden. Dann liegt von vornherein keine irreführende Werbung vor. Andere Werbeaussagen enthalten zwar Tatsachenbehauptungen. Die hält der angesprochene Verkehr aber für derart übertrieben sind, dass er sie nicht ernst nimmt. Aus diesem Grunde sind sie auch nicht geeignet, den angesprochenen Verkehr irrezuführen.

OLG Frankfurt, Urt. v. 21.9.2020, 6 W 99/20 (GRUR-RR 2021, 90)

Ein durchschnittlich aufmerksamer, verständiger und informierter Verbraucher wird sich Werbung kritisch nähern und nichtssagende Anpreisungen, Floskeln und Übertreibungen nicht wörtlich nehmen (Dreyer in Harte-Bavendamm/Henning-Bodewig, UWG, 4. Aufl. 2016, UWG § 5 Rn. 62 f.). Übersteigerte Äußerungen werden vom Verkehr zwar häufig jedenfalls in einem entsprechend reduzierten Umfang als Tatsachenbehauptung aufgefasst, zum Beispiel eine „radikale“ Preissenkung als ungewöhnliche, ein gewisses Mindestmaß übersteigende Preissenkung.

KG, Beschl. v. 3.8.2010, 5 W 175/10, I.1, 2 - "Der beste Powerkurs aller Zeiten"

Bei Anpreisungen, deren Inhalt zwar ganz oder teilweise objektiv nachprüfbar ist, die der Verkehr aber als reklamehafte Übertreibungen wertet, fehlt es an einer Irreführung, soweit der Verkehr die Angaben als Tatsachenbehauptung nicht ernst nimmt. Dies kommt insbesondere dann in Betracht, wenn (und je mehr) subjektive Einschätzungen und Wertungen erkennbar der Werbeaussage zugrunde liegen.

OLG Saarbrücken, Urt. v. 18.12.2013, 1 U 36/13, B.I.1.a.aa - "Wir haben die bessere Energie!"

Voraussetzung jeder Irreführung ist das Vorliegen einer Tatsachenbehauptung, weshalb sich die Werbeaussage nicht auf reklamehafte Übertreibungen beschränken darf, denen ein klarer Aussagegehalt regelmäßig fehlt. Nicht zu einer Irreführung geeignet ist deshalb eine Werbung, die sich auf nichtssagende Aussagen und sonstige, für die angesprochenen Verkehrskreise leicht erkennbare Zuspitzungen beschränkt (Link in Ullmann jurisPK-UWG, § 5 Rn. 112, 205).

Allerdings hängt es von den Umständen des Einzelfalls ab, ob der angesprochene Verkehr einer Übertreibung nicht doch eine zugrunde liegende Tatsachenbehauptung entnimmt. Die muss dann auch stimmen, da die Aussage ansonsten gegen § 5 UWG verstoßen würde.  Nur soweit eine Anpreisung vom Verkehr ausschließlich als reklamehafte Übertreibung verstanden wird, ist eine Irreführung ausgeschlossen (Bornkamm in Köhler/Bornkamm, UWG, § 5, Rdn. 2.134).

OLG Koblenz, Urt. v. 8.7.2025, 9 U 443/25, Tz. 64 f

Werbeaussagen, die weder nach ihrem Wort- oder Bildsinn noch nach Auffassung der beteiligten Verkehrskreise einen objektiv nachprüfbaren Inhalt haben, sind keine Angaben im Rechtssinne (vgl. Köhler/Feddersen-Bornkamm/Feddersen, UWG, 43. Aufl. 2025, § 5, Rdnr. 1.33). Kann ein Urteil offensichtlich insgesamt nur subjektiv gefällt sein, so scheidet eine Nachprüfbarkeit nach objektiven Maßstäben aus (vgl. Köhler/Feddersen-Bornkamm/Feddersen, a.a.O.). Zudem ist erst recht eine Werbeaussage, die nach der Auffassung des Verkehrs inhaltlich nichts aussagt, schon begrifflich keine Angabe, weil ihr der Informationsgehalt fehlt (vgl. Köhler/Feddersen-Bornkamm/Feddersen, a.a.O., Rdnr. 1.30, m.w.N.).

Allerdings können auch allgemeine Anpreisungen, die in die äußere Form einer subjektiven Wertung gekleidet sind, verdeckt sehr wohl eine objektiv nachprüfbare Aussage enthalten. Das trifft insbesondere dann zu, wenn sie trotz der subjektiven Einfärbung doch als Hinweis auf die (nachprüfbare) Beschaffenheit der Ware aufgefasst werden. Um konkrete Beschaffenheitsmerkmale braucht es sich nicht zu handeln. Es genügt, dass die Anpreisung die Vorstellung einer technischen oder wirtschaftlichen Spitzenstellung, einer Spitzenqualität oder jedenfalls einer besseren Qualität als der durchschnittlichen hervorruft (vgl. zu allem Vorstehenden (vgl. Köhler/Feddersen-Bornkamm/Feddersen, a.a.O., Rdnr. 1.34, m.w.N.). Entscheidend ist, ob die Werbeaussage einen objektiv nachprüfbaren Tatsachenkern aufweist (vgl. Ohly/Sosnitza-Sosnitza, UWG, 8. Aufl. 2023, § 5, Rdnr. 283; ...).

Beispiele

KG, Beschl. v. 3.8.2010, 5 W 175/10, I.1, 2 - "Der beste Powerkurs aller Zeiten"

Der angesprochene verständige Durchschnittsverbraucher kann aus der Kombination der beiden Superlative "der beste" und "aller Zeiten" die in dieser Anpreisung liegende reklamehafte Übertreibung erkennen. Gerade der Zusatz "aller Zeiten" für Fremdsprachenfernkurse verdeutlicht dies.

OLG Stuttgart, Urt. v. 5.4.1988, 2 U 261/87 (= NJW-RR 1988, 1254)

Die Alleinstellung “Preisknüller des Jahres” wird nicht zweifelsfrei als reklamehafte Übertreibung erkannt. Bei der Annahme, daß eine objektiv nachprüfbare Werbeangabe nicht ernst genommen werde, ist Zurückhaltung geboten. Wenn sie auf ein bestimmtes Erzeugnis hinweist, wird sie eher als ernst zu nehmende Aussage aufgefaßt.

OLG Saarbrücken, Urt. v. 18.12.2013, 1 U 36/13, B.I.1.a - "Wir haben die bessere Energie!"

Der Werbeslogan „Wir haben die bessere Energie“ beinhaltet keine zur Irreführung geeignete Spitzen- oder Alleinstellungsbehauptung.

OLG Frankfurt, Urt. v. 25.9.2014, 6 U 111/14 - Immer Netz hat der Netzer

Die angesprochenen Verkehrskreise nehmen die Werbeaussage nicht in dem Sinne wörtlich, dass Sie bei X „immer“, also in jeder Situation eine ungestörte Mobilfunkverbindung haben. Der durchschnittlich aufmerksame und verständige Durchschnittsverbraucher sieht die Werbung vor dem Hintergrund seines Erfahrungswissens. Jeder Verbraucher weiß aus eigener Erfahrung, dass in bestimmten Situationen (Bahnfahrten, Tunnels, Täler, Keller, etc.) Verbindungslücken, sog. „Funklöcher“ auftreten können. ... Die Aussage „immer Netz“ wird daher jedenfalls dann relativiert, d.h. lediglich im Sinne eines Hinweises auf eine relativ hohen Verbindungsqualität verstanden, wenn sie in einen Werbespruch eingebettet ist, der sich eines Wortspiels mit dem Namen „Netzer“ bedient. ...

Für den Verkehr ist klar ersichtlich ist, dass die Aussage „immer Netz“ im Kontext der angegriffenen Werbung eine werbetypische Übertreibung beinhaltet, die gerade nicht wörtlich im technischen Sinn gemeint ist, sondern der Abgrenzung verschiedener Mobilfunknetze mit unterschiedlicher Verbindungsqualität dient.