Ihr Rechtsanwalt im Wettbewerbsrecht
Dr. Hermann-Josef Omsels*

Eine Darstellung des Gesetzes gegen den unlauteren Wettbewerb und wettbewerbsrechtlicher Nebengesetze



 

12. Aufhebung rechtskräftiger Entscheidungen

Siehe auch Beendigung der Unterlassungserklärung

Solange ein Urteil noch mit einem Rechtsmittel angegriffen werden kann, kann es von der nächsten Instanz wieder aufgehoben werden. Die Aufhebung rechtskräftiger Entscheidungen ist über § 767 ZPO möglich.

§ 767 ZPO Vollstreckungsabwehrklage

(1) Einwendungen, die den durch das Urteil festgestellten Anspruch selbst betreffen, sind von dem Schuldner im Wege der Klage bei dem Prozessgericht des ersten Rechtszuges geltend zu machen.

(2) Sie sind nur insoweit zulässig, als die Gründe, auf denen sie beruhen, erst nach dem Schluss der mündlichen Verhandlung, in der Einwendungen nach den Vorschriften dieses Gesetzes spätestens hätten geltend gemacht werden müssen, entstanden sind und durch Einspruch nicht mehr geltend gemacht werden können.

(3) Der Schuldner muss in der von ihm zu erhebenden Klage alle Einwendungen geltend machen, die er zur Zeit der Erhebung der Klage geltend zu machen imstande war.

Voraussetzung einer erfolgreichen Vollstreckungsabwehrklage ist es, dass sich die Umstände, auf denen das Urteil beruht geändert haben und das Urteil aufgrund dieser Umstände so nicht hätte ergehen dürfen. Die Änderung der Umstände kann in einer Veränderung der Sachlage oder der Rechtslage liegen. Die Änderung der Rechtslage kann auf einer Änd

BGH, Urt. v. 8.5.2014, I ZR 210/12, Tz. 24 – fishtailparka

Nach der Rechtsprechung des Senats bildet der Wegfall des dem vertraglich vereinbarten Verbot zugrundeliegenden gesetzlichen Unterlassungsanspruchs einen wichtigen Grund, der die Kündigung des Unterlassungsvertrags wegen Unzumutbarkeit der Vertragsfortsetzung rechtfertigt (BGHZ 133, 316, 321 - Altunterwerfung I). Maßgeblich ist, dass der Schuldner im Falle des Wegfalls des gesetzlichen Unterlassungsanspruchs die Zwangsvollstreckung aus einem gerichtlichen Titel im Wege einer Vollstreckungsabwehrklage nach § 767 ZPO für unzulässig erklären lassen kann. ... Einer Gesetzesänderung steht der Fall gleich, dass das dem Schuldner aufgrund eines wettbewerbsrechtlichen Unterlassungsanspruchs untersagte Verhalten aufgrund einer höchstrichterlichen Leitentscheidung nunmehr eindeutig als rechtmäßig zu beurteilen ist (BGH, Urt. v. 2.7.2009, I ZR 146/07, Tz. 17 ff. - Mescher weis).

Ebenso: OLG Hamm, Urt. v. 13.12.2012, 4 U 107/12, Tz. 69; OLG Koblenz, Urt. v. 6. 8.2014, 9 U 194/14

BGH, Urt. v. 17.7.2025, I ZR 243/24,  Tz. 19 – Wegfall der Sachbefugnis

Eine nachträgliche Gesetzesänderung kann die Vollstreckungsabwehrklage jedenfalls dann begründen, wenn der in Rede stehende Vollstreckungstitel nicht lediglich auf eine einmalige Leistung, etwa auf Zahlung eines bestimmten Betrags, sondern auf wiederkehrende Leistungen gerichtet ist. Ein solcher Titel, namentlich ein Unterlassungstitel, wirkt in die Zukunft und kann in dieser Wirkung von einer späteren Gesetzesänderung betroffen sein. Die Vollstreckung aus einem Unterlassungstitel kann deshalb für unzulässig erklärt werden, wenn das dem Titel zugrundeliegende Verbot durch eine Gesetzesänderung weggefallen ist (vgl. BGH, Urt. v. 26.9.1996 - I ZR 265/95, [juris Rn. 33] - Altunterwerfung I; ...). Entsprechendes gilt, wenn durch die Änderung zwar nicht das Verbot, aber die Sachbefugnis eines bestimmten Gläubigers entfällt (BGHZ 133, 316 [juris Rn. 33] - Altunterwerfung I; …)

BGH, Urt. v. 17.7.2025, I ZR 243/24,  Tz. 39 – Wegfall der Sachbefugnis

Nach § 767 Abs. 2 ZPO sind Einwendungen, die im Sinn des § 767 Abs. 1 ZPO den durch das Urteil festgestellten Anspruch selbst betreffen, nur insoweit zulässig, als die Gründe, auf denen sie beruhen, erst nach dem Schluss der mündlichen Verhandlung, in der Einwendungen nach den Vorschriften dieses Gesetzes spätestens hätten geltend gemacht werden müssen, entstanden sind und durch Einspruch nicht mehr geltend gemacht werden können.

OLG Frankfurt, Beschl. v. 2.9.2019, 6 U 41/19

Zu den Einwendungen, die eine Vollstreckungsabwehrklage nach § 767 Abs. 1 ZPO gegen einen in der Hauptsache titulierten wettbewerbsrechtlichen Unterlassungsanspruch begründen können, gehören Gesetzesänderungen und Änderungen in der höchstrichterlichen Rechtsprechung. Denn Unterlassungstitel sind nicht lediglich auf eine einmalige Leistung gerichtet, sondern wirken in die Zukunft.

Das Festhalten des Unterlassungsschuldners an einem gegen ihn erwirkten Verbot erscheint nicht zumutbar, wenn das untersagte Verhalten künftig zweifelsfrei als rechtmäßig zu beurteilen ist. Da er die Unterlassungspflicht auch in Zukunft erfüllen muss, blieben ihm Werbemöglichkeiten dauerhaft verwehrt, die seinen Mitbewerbern erlaubt sind. Dabei hat ein Wandel in der höchstrichterlichen Rechtsprechung – zumindest im Bereich von Generalklauseln – ähnliche Auswirkungen wie eine Gesetzesänderung.

Es kommen daneben aber auch andere Einwendungen gegen den titulierten Anspruch in Betracht, sofern sie erst nach Schluss der letzten mündlichen Tatsachenverhandlung entstanden sind. Zum Beispiel kann der Schuldner mit der Vollstreckungsabwehrklage gegen einen auf eine Kennzeichenverletzung gestützten Unterlassungstitel vorgehen, wenn das Kennzeichenrecht nachträglich erloschen ist.

OLG Hamm, Urt. v. 27.4.2023, 4 U 68/23, Tz. 22 f

Zu den Einwendungen, die eine Vollstreckungsabwehrklage gegen einen in der Hauptsache titulierten wettbewerbsrechtlichen Unterlassungsanspruch begründen können, gehören neben Gesetzesänderungen (dem gleichstehen dürften Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts, § 31 BVerfGG) auch Änderungen in der höchstrichterlichen Rechtsprechung (vgl. BGH, Urt. v. 2.7.2009, I ZR 146/07, Tz. 17 ff. mwN – Mescher weis).

Einer solchen Änderung der höchstrichterlichen Rechtsprechung gleichzusetzen ist – bezogen auf den Sonderfall der wettbewerbsrechtlichen Unterlassungstitel – zur Überzeugung des Senats die Konstellation, in der eine bislang ungeklärte Rechtsfrage erstmals höchstrichterlich – noch dazu durch den EuGH – entschieden worden ist.

Zum Wegfall der Aktivlegitimation eines Verbandes aufgrund der Modifikation des § 8 Abs. 3 Nr. 2 UWG und der Überleitungsvorschrift des § 15a UWG:

BGH, Urt. v. 17.7.2025, I ZR 243/24,  Tz. 25, 27 – Wegfall der Sachbefugnis

Die Überleitungsvorschrift des § 15a Abs. 1 UWG, nach der § 8 Abs. 3 Nr. 2 UWG nicht auf Verfahren anzuwenden ist, die am 1. September 2021 bereits rechtshängig sind, führt … nicht dazu, dass die Sachbefugnis des Beklagten im Verfahren nach § 767 ZPO nach § 8 Abs. 3 Nr. 2 UWG aF zu beurteilen wäre. ...

Nach dem Wortlaut des § 15a Abs. 1 UWG zur Anwendung des § 8 Abs. 3 Nr. 2 UWG aF in Übergangsfällen regelt die Vorschrift allein die zeitlich beschränkt fortbestehende Klagebefugnis und Anspruchsberechtigung für die Verfolgung von Ansprüchen aus § 8 Abs. 1 UWG im Erkenntnisverfahren bis zur Beendigung bereits anhängiger Rechtsstreitigkeiten (vgl. OLG Köln, WRP 2025, 811 [juris Rn. 36]). Die Vorschrift trifft weder zum Zwangsvollstreckungsverfahren (vgl. BGH, GRUR 2024, 486 [juris Rn. 20]) noch zur Vollstreckungsabwehrklage eine Regelung (vgl. OLG Köln, WRP 2025, 811 [juris Rn. 48]).

BGH, Urt. v. 17.7.2025, I ZR 243/24,  Tz. 39 – Wegfall der Sachbefugnis

Die Einwendung der fehlenden Sachbefugnis ist nicht ausgeschlossen. Im Unterlassungsrechtsstreit konnte die Klägerin den Einwand der fehlenden Sachbefugnis aufgrund der Übergangsregelung des § 15a Abs. 1 UWG nicht geltend machen (vgl. dazu OLG Karlsruhe, AfP 2023, 65 [juris Rn. 24 f.]). Im Zeitpunkt des Schlusses der mündlichen Verhandlung vor dem Berufungsgericht am 21. Juni 2022 (OLG Düsseldorf, GRUR-RR 2022, 549) war § 8 Abs. 3 Nr. 2 UWG zwar bereits in Kraft; nach § 15a Abs. 1 UWG bestimmte sich die Klagebefugnis für den dortigen Kläger und hiesigen Beklagten aber noch nach § 8 Abs. 3 Nr. 2 UWG aF (vgl. BGH, Urteil vom 26. Januar 2023 - I ZR 111/22, GRUR 2023, 585 [juris Rn. 11] = WRP 2023, 576 - Mitgliederstruktur).