Ihr Rechtsanwalt im Wettbewerbsrecht
Dr. Hermann-Josef Omsels*

Eine Darstellung des Gesetzes gegen den unlauteren Wettbewerb und wettbewerbsrechtlicher Nebengesetze



 


 

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11. Rechtsschutzbedürfnis

1. Rechtsschutzbedürfnis ist Zulässigkeitsvoraussetzung

2. Anderweitiger gerichtlicher Titel vorhanden

Einstweiliges Verfügungsverfahren

3. Unterlassungserklärung vorhanden

4. Anderweitige Rechtsschutzmöglichkeiten

5. Verschiedene Gerichtsstände

6. Äußerungen mit Relevanz für Verwaltungs- oder Gerichtsverfahren

Rechtsschutzbedürfnis ist Zulässigkeitsvoraussetzung

BGH, Urt. v. 15.11.2012, I ZR 128/11, Tz. 11 - Rechtsmissbräuchlicher Zuschlagsbeschluss

Das Fehlen des Rechtsschutzbedürfnisses stellt einen von Amts wegen zu berücksichtigenden Verfahrensmangel dar. Die Frage, ob für die Inanspruchnahme eines Gerichts ein rechtlich schutzwürdiges Interesse besteht, ist daher auch in der Revisionsinstanz unabhängig davon zu prüfen, ob der Beklagte eine entsprechende Rüge erhoben hat

OLG Düsseldorf, Urt. v. 7.5.2015, I-15 U 15/15, Tz. 24

Das Erfordernis des Rechtsschutzbedürfnisses soll verhindern, das Klagebegehren in das Stadium der Begründetheitsprüfung gelangen, die ersichtlich eines Rechtsschutzes durch eine solche Prüfung nicht bedürfen. Für eine Unterlassungsklage kann dementsprechend das Rechtsschutzbedürfnis fehlen, wenn der Kläger bereits einen vollstreckbaren Titel besitzt. Aus einem Unterlassungsurteil können auch solche Verstöße gegen das verhängte Verbot vollstreckt werden, die den Kern der Verbotsform unberührt lassen, weshalb einer Klage wegen einer Verletzungsform, die mit der bereits verbotenen Handlung kerngleich ist, das Rechtsschutzbedürfnis fehlt. Denn das durch eine Leistungsklage gegenüber dem Gericht geäußerte Verlangen, in die materiell-rechtliche Prüfung des Anspruchs einzutreten, ist nicht schutzwürdig, wenn die klagende Partei ihr Rechtsschutzziel ebenso sicher auf einfacherem, schnellem und billigerem Weg in einem anderen Verfahren erreichen kann.

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Anderweitiger gerichtlicher Titel vorhanden

Gelegentlich stellt sich bei einer geschäftlichen Handlung eines Unternehmers, gegen den bereits ein gerichtliches Verbot erwirkt wurde, die Frage, ob es gegen das gerichtliche Verbot verstößt und mit einem Ordnungsmittelantrag bestraft werden kann, oder ob es nicht unter das gerichtliche Verbot fällt und zum Gegenstand eines neuen Vorgehens gemacht werden muss.

Wenn der Gläubiger bereits über ein gerichtliches Verbot verfügt, kann einer neuen Klage, auch wenn sie streng genommen wegen der neuen Handlung einen eignenen Streitgegenstand bietet, das Rechtsschutzbedürfnis fehlen. Dann wäre das neue gerichtliche Vorgehen unzulässig. Ob bereits ein gerichtliches Verbot vorliegt beurteilt sich nach der Kerntheorie. Dazu hier.

OLG Düsseldorf, Urt. v. 15.7.2014, I-15 U 43/14, Tz. 36

Einer Klage wegen einer Verletzungsform, die mit einer bereits verbotenen Verletzungsform kerngleich ist, fehlt das Rechtsschutzbedürfnis (Köhler in: Köhler/Bornkamm, UWG, § 12 Rn. 2.23g). Eine solche Kerngleichheit setzt voraus, dass die weitere Verletzungsform von der verbotenen Verletzungsform nur unbedeutend abweicht, sich also das Charakteristische der verbotenen Verletzungsform wiederfindet (Bornkamm in: Köhler/Bornkamm, UWG, § 8 Rn. 1.37).

OLG Düsseldorf, Urt. v. 13.11.2014, 15 U 65/14, Tz. 49

Dem Grundsatz, dass einer Klage wegen einer Verletzungsform, die mit einer bereits verbotenen Verletzungsform kerngleich ist, das Rechtsschutzbedürfnis fehlt (Köhler in: Köhler/Bornkamm, UWG, § 12 Rn. 2.23g; BGH, GRUR 2011, 742 – Leistungspakete im Preisvergleich) liegt der Gedanke zu Grunde, dass das durch eine Leistungsklage gegenüber dem Gericht geäußerte Verlangen, in die materiell-rechtliche Prüfung des Anspruchs einzutreten, dann nicht schutzwürdig ist, wenn die klagende Partei ihr Rechtsschutzziel ebenso sicher auf einfacherem, schnellerem und billigerem Weg in einem anderen Verfahren erreichen kann (BGH, NJW 1996, 3147, 3148; BAG, NZA 2009, 1300, 1301).

Als gerichtlicher Titel reicht auch eine einstweilige Verfügung, aber nur, wenn sie vom Unterlassungsschuldner als abschließende Regelung anerkannt wurde.

BGH, Urt. v. 21.4.2016, I ZR 100/15, Tz. 14 - Notarielle Unterlassungserklärung

Der Erlass einer einstweiligen Verfügung steht der Verfolgung des im Eilverfahren nur vorläufig titulierten Anspruchs im Hauptsacheverfahren nicht entgegen, solange nicht der Schuldner eine Abschlusserklärung abgegeben hat. Im Ausnahmefall kann sich die parallele Vorgehensweise als rechtsmissbräuchlich im Sinne des § 8 Abs. 4 UWG erweisen, wenn der Gläubiger ohne Not das Hauptsacheverfahren einleitet und nicht abwartet, ob die beantragte Verfügung erlassen und vom Gegner als endgültige Regelung akzeptiert wird (vgl. BGH, Urt. v. 20.12.2001, I ZR 215/98, GRUR 2002, 715, 716 = WRP 2002, 977 - Scanner-Werbung).

OLG Frankfurt, Urt. v. 26.4.2012, 6 U 2/11, Tz. 12 f, 17

Wenn der Unterlassungsschuldner durch eine Abschlusserklärung eine gegen ihn ergangene Unterlassungsverfügung als nach Bestandskraft und Wirkung einem entsprechenden Hauptsachetitel gleichwertig anerkennt, wird dadurch grundsätzlich das Rechtsschutzinteresse für eine Hauptsacheklage beseitigt, weil sie einen dem Unterlassungstitel gleichwertigen Vollstreckungstitel entstehen lässt. ...

Ein Rechtsschutzbedürfnis besteht aber, wenn das gerichtliche Verbot gegenüber einem Dritten gilt und der Schuldner lediglich verspricht, sich auch daran zu halten.

OLG Bremen, Beschl. v. 26.1.2015, 2 W 61/14

Für eine gegen einen Wettbewerber gerichtete Unterlassungsklage entfällt das Rechtsschutzbedürfnis nicht schon deswegen, weil in einem anderen Verfahren mit vergleichbarem oder identischem Sachverhalt, aber mit einer anderen Partei auf der Aktivseite, der Klage rechtskräftig stattgegeben wurde und der Beklagte erklärt, er wolle sich "selbstverständlich" an das in jenem Verfahren ergangene Verbot halten.

Ist die Frage, ob ein bestehender Titel ein verändertes Verhalten erfasst, zweifelhaft, kann dem Anspruchsteller ein Rechtsschutzbedürfnis ebenfalls nicht verwehrt werden.

BGH, Urt. v. 7.4.2011, I ZR 34/09, Tz. 20 – Leistungspakete im Preisvergleich

Die Anspruchsberechtigte kann nicht auf den Weg des Ordnungsmittelantrags verwiesen werden, wenn der Ausgang im Zwangsvollstreckungsverfahren ungewiss ist und eine Verjährung der aufgrund des erneuten Verstoßes geltend zu machenden wettbewerbsrechtlichen Ansprüche droht.

OLG Hamm, Urt. v. 2.8.2018, I-4 U 18/15, Tz. 67

Das Rechtsschutzbedürfnis ist gerade dann zu bejahen, wenn die neue Klage auf eine der früheren nicht gleiche, sondern nur ähnliche Verletzungshandlung gestützt wird. In diesem Fall ist ein erfolgreiches Vorgehen gegen die nun beanstandete Verletzungshandlung im Vollstreckungsverfahren ungewiss und es droht eine Verjährung der neu entstandenen wettbewerbsrechtlichen Ansprüche (BGH WRP 2011, 873 Rn. 20 – Leistungspakete im Preisvergleich; KBF/Feddersen/Köhler, UWG, 36. Aufl., § 12 Rn. 2.113).

OLG Frankfurt, Beschl. v. 23.11.2017, 6 U 121/17

Das Landgericht hat … mit zutreffender Begründung angenommen, dass zum Zeitpunkt der angefochtenen Entscheidung das erforderliche Rechtsschutzbedürfnis gegeben war, obwohl der angegriffene Werbespot in den Kernbereich einer bereits bestehenden Verbotsverfügung fiel. Denn ungeachtet des Umstandes, dass die Antragstellerin deswegen bereits einen Ordnungsmittelbeschluss des Landgerichts nach § 890 ZPO erwirkt hatte, vertrat die Antragsgegnerin zu diesem Zeitpunkt … die Auffassung, der hier streitgegenständliche abgewandelte Werbespot falle nicht in den Verbotsumfang der bereits bestehenden Verfügung. Das sich nach der Senatsrechtsprechung daraus ergebende Rechtsschutzbedürfnis für eine weitere Verbotsverfügung ist erst entfallen, nachdem durch den Senatsbeschluss vom 10.7.2017, mit dem die sofortige Beschwerde gegen den Ordnungsmittelbeschluss zurückgewiesen worden ist, der Verbotsumfang der ersten einstweiligen Verfügung rechtskräftig zu Gunsten der Antragstellerin geklärt worden ist. Dieser Umstand beseitigt das Rechtsschutzbedürfnis für eine weitere Untersagungsverfügung in gleicher Weise wie die ernsthafte Erklärung des Titelschuldners, dass die abgewandelte Verletzungsform gegen den bereits bestehenden Titel verstoße.

Anders aber, wenn der Inhalt des Titels klar ist und eine neue Handlung dagegen verstößt.

OLG Frankfurt, Urt. v. 14.3.2013, 6 U 227/12, Tz. 5

Das Rechtsschutzbedürfnis für einen erneuten Unterlassungstitel fehlt, wenn ein Gläubiger sein Begehren auch mit Hilfe des in einem vorausgegangenen Verfahren erstrittenen Titels hätte erreichen können, es sei denn, dass im Hinblick auf die Unterschiede der jeweils beanstandeten Werbeanzeigen der Ausgang eines Zwangsvollstreckungsverfahrens ungewiss ist bzw. dass eine Verjährung der wettbewerbsrechtlichen Ansprüche gegen den neuerlichen Verstoß droht (BGH GRUR 2011, 742 Tz. 20 – Leistungspakete im Preisvergleich). Wenn dagegen die abgewandelte Verletzungsform ganz naheliegender Weise und deshalb leicht erkennbar ebenso zu würdigen ist wie die titulierte, dann muss zumindest ein erfolgloser Vollstreckungsversuch vom Gläubiger verlangt werden.

OLG Frankfurt, Urt. v. 26.4.2012, 6 U 2/11, Tz. 17

Ein Rechtsschutzbedürfnis für ein erneutes gerichtliches Verfahren liegt nur dann ausnahmsweise vor, wenn der Ausgang des Vollstreckungsverfahrens im Hinblick auf die Unterschiede der in den beiden Fällen beanstandeten Anzeigen ungewiss ist und eine Verjährung der aufgrund des erneuten Verstoßes geltend zu machenden wettbewerbsrechtlichen Ansprüche droht (BGH GRUR 2011, 742 – Tz. 20 – Leistungspakete im Preisvergleich). Wenn dagegen die abgewandelte Verletzungsform ganz naheliegender Weise und deshalb leicht erkennbar ebenso zu würdigen ist wie die titulierte, dann muss zumindest ein erfolgloser Vollstreckungsversuch vom Gläubiger verlangt werden.

OLG Düsseldorf, Urt. v. 24.11.2016, I-20 U 153/15, Tz. 15

Das Rechtsschutzbedürfnis für eine Klage ist bereits dann zu bejahen, wenn der Kläger sein Begehren nur möglicherweise auch mit Hilfe eines vorausgegangenen Titels erreichen kann, der Ausgang des Zwangsvollstreckungsverfahrens also ungewiss ist und eine Verjährung der auf Grund des erneuten Verstoßes geltend zu machenden Ansprüche droht (vgl. BGH GRUR 2011, 742 Rdnr. 20 – Leistungspakete im Preisvergleich).

Ein Rechtsschutzbedürfnis besteht in allen Fällen, in denen eine unlautere geschäftliche Handlung sonst ungesühnt bliebe. Ergeht ein vollstreckungsfähiges Verbot erst nach einer Wiederholung der verbotenen Handlung, besteht für ein gerichtliches Vorgehen gegen die wiederholte Handlung ein Rechtsschutzbedürfnis.

OLG Düsseldorf, Urt. v. 13.11.2014, 15 U 65/14, Tz. 51

Unabhängig davon, ob die den beiden Verfahren zu Grunde liegenden Handlungen im Kern identisch sind, stand der Verfügungsklägerin die Möglichkeit, wegen der beanstandeten Äußerung ... ein Ordnungsmittelverfahren in dem Parallelverfahren anzustrengen, nicht offen. In dem Parallelverfahren war am 31.07.2013 der Beschluss ergangen, wonach der Verfügungsbeklagten die auf der Grundlage des „Falles E“ beanstandete Äußerung  untersagt wurde. Die im vorliegenden Verfahren streitgegenständliche Aussage ... hatte jedoch schon vorher stattgefunden.

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Einstweiliges Verfügungsverfahren

Für einstweilige Verfügungsverfahren soll ein großzügigerer Maßstab gelten:

OLG Köln, Urt. v. 24.8.2012, 6 U 72/12

Für einen erneuten Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung besteht trotz eines vorhandenen Unterlassungstitels ein Rechtsschutzbedürfnis, wenn der ursprüngliche Titel auslegungsfähig ist u ernsthafte Zweifel bestehen, ob die nunmehr beanstandete Verletzungshandlung einen Titelverstoß darstellt. In einem solchen Fall hat der Antragsteller wegen der Unsicherheit über die Festsetzung eines Ordnungsmittels im Hinblick auf die vergleichsweise lange Zeit, die die Entscheidung über einen Vollstreckungsantrag gemäß § 890 ZPO in Anspruch nimmt, ein schutzwürdiges Interesse an der zeitnahen Unterbindung von (weiteren) Verstößen … Dem steht die von der Antragsgegnerin angeführte neuere höchstrichterliche Rechtsprechung nicht entgegen. In seinem Urteil vom 19.05.2010 – I ZR 177/07 - (GRUR 2010, 855 – Folienrollos) hat der Bundesgerichtshof das Rechtsschutzbedürfnis nicht für ein erneutes Vorgehen im Eilverfahren, sondern für eine abermalige Klage verneint.

In diese Richtung auch OLG Frankfurt, Urt. v. 26.4.2012, 6 U 2/11, Tz. 22

OLG Frankfurt, Urt. v. 14.3.2013, 6 U 227/12, Tz. 6

Im Eilverfahren legt der Senat zugunsten des Gläubigers einen großzügigeren Maßstab an. Das schutzwürdige Interesse des Verletzten an einer erneuten gerichtlichen Inanspruchnahme wird schon dann bejaht, wenn die Möglichkeit besteht, dass der Verletzer in Verkennung des tatsächlichen Verbotsumfangs eine kerngleiche Zuwiderhandlung in Abrede stellt oder wenn der Antragsteller dies zumindest ernsthaft befürchten muss.

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Unterlassungserklärung vorhanden

Wenn bereits eine Unterlassungserklärung vorliegt, gegen die der Schuldner verstößt, besteht ein Rechtsschutzbedürfnis für eine gerichtliche Durchsetzung des Unterlassungsanspruch. Die vorliegende Unterlassungserklärung steht dem nicht entgegen.

OLG Karlsruhe, Urt. v. 17.6.2016, 4 U 215/15, II.2.a (= WRP 2016, 1305)

Für die Unterlassungsklage besteht ein Rechtsschutzbedürfnis. Dies gilt auch dann, wenn man unterstellt, das beanstandete Verhalten sei bereits von der Unterwerfungserklärung der Beklagten umfasst. Es steht dem Kläger frei, seine Vertragsstrafenklage mit einer Klage auf Unterlassung zu verbinden (vgl. Köhler / Bornkamm, UWG, 34. Aufl. 2016, § 12 Rn. 1.157 m.w.N.).

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Anderweitige Rechtsschutzmöglichkeiten

Das Rechtschutzbedürfnis fehlt regelmäßig, wenn eine Prozess- oder Verfahrensordnung bestimmte Rechtsmittel oder Rechtsbehelfe an die Hand gibt. Am Beispiel einer Beschwerde im Rahmen einens Zuteilungsbeschlusses im Zwangsversteigerungsverfahren:

BGH, Urt. v. 15.11.2012, I ZR 128/11, Tz. 16 - Rechtsmissbräuchlicher Zuschlagsbeschluss

Zu der Frage, in welcher Weise die Versteigerungsgerichte mit Versuchen des Gläubigers umzugehen haben, den in § 85a Abs. 1 und 2 ZVG geregelten Schutz des Schuldners zu unterlaufen, liegt mittlerweile eine gefestigte höchstrichterliche Rechtsprechung vor. Der Schuldner kann sich gegen eine in diesem Zusammenhang ergangene Entscheidung des Versteigerungsgerichts, die ihn beschwert, mit der sofortigen Beschwerde gemäß § 793 ZPO in Verbindung mit §§ 567 ff. ZPO bzw. soweit diese Bestimmungen davon abweichende spezielle Regelungen enthalten - gemäß §§ 95, 97 ff. ZVG zur Wehr setzen.

Bei diesen Gegebenheiten fehlt es an einem schutzwürdigen Interesse der Klägerin, durch eine Verurteilung der Beklagten über den von ihr im Streitfall erstrebten Unterlassungstitel ihrerseits auf von der Beklagten in Zukunft betriebene Versteigerungsverfahren Einfluss nehmen zu können.

Wäre es der Klägerin möglich, den begehrten Titel zu erstreiten, würde dies bedeuten, dass über die Zulässigkeit bestimmter Gebote im Zwangsversteigerungsverfahren neben den dafür funktional nach § 1 ZVG und nachfolgend im Instanzenzug zuständigen Versteigerungsgerichten gemäß § 890 ZPO die Wettbewerbsgerichte zu entscheiden hätten. Abgesehen davon, dass damit die Gefahr sich widersprechender Entscheidungen bestünde, hätte im Rahmen der Vollstreckung des Unterlassungstitels der Schuldner, dessen verstärktem Schutz die Regelung des § 85a ZVG vor allem dient, ebenso wie andere am Zwangsversteigerungsverfahren Beteiligte allenfalls die Stellung von Zeugen. Es kommt hinzu, dass gemäß § 12 Abs. 2 UWG für den Erlass einer einstweiligen Verfügung im Bereich des Wettbewerbsrechts die Glaubhaftmachung eines Verfügungsgrundes regelmäßig nicht erforderlich ist. Damit bestünde die Gefahr, dass der Gläubiger durch eine dementsprechend schnell und leicht erwirkte einstweilige Verfügung im Zwangsversteigerungsverfahren einen Rechtsnachteil erleidet, der dort auch dann, wenn er ungerechtfertigt ist, als solcher nicht mehr beseitigt werden kann.

Das Rechtsschutzbedürfnis fehlt nicht, wenn auch ein verwaltungsrechtliches Vorgehen möglich wäre.

BGH, Urt. v. 13.12.2018, I ZR 3/16 , Tz. 24 – UBER BLACK II

Der zivilrechtliche Schutz für Mitbewerber und die verwaltungsbehördliche Durchsetzung öffentlich-rechtlicher Verhaltenspflichten stehen grundsätzlich unabhängig nebeneinander. Die Rechtsauffassung der zuständigen Verwaltungsbehörde ist daher für die Beurteilung der objektiven Rechtswidrigkeit eines Verhaltens nicht maßgeblich (BGH, Urt. v. 23.6.2005, I ZR 194/02 - Atemtest I; Urt. v. 20.10.2005, I ZR 10/03, Tz. 15 - Betonstahl).

Ebenso OLG Köln, Urt. v. 23.12.2022, 6 U 87/22, Tz. 46

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Verschiedene Gerichtsstände

OLG Frankfurt, Urt. v. 27.3.2018, 6 U 170/17

Ein Rechtsschutzbedürfnis für die gerichtliche Geltendmachung des eingeklagten Anspruchs auf Erstattung von Anwaltskosten wäre nur dann zu verneinen, wenn der Klägerin zur Durchsetzung dieses Anspruchs ein einfacherer Weg zur Verfügung stünde; dies ist nicht ersichtlich. Allein der Umstand, dass die Klägerin den Anspruch auch im Wege der Klageerweiterung vor dem Landgericht … in dem dort bereits anhängigen Verfahren zwischen den Parteien hätte verfolgen können, lässt das Rechtsschutzbedürfnis für die stattdessen vor dem Landgericht Darmstadt erhobene gesonderte Klage nicht entfallen. Wenn das Prozessrecht für die Geltendmachung eines Anspruchs mehrere Gerichtsstände zur Verfügung stellt und der Kläger an einem dieser Gerichtsstände klagt, kann diese Klage nicht als unzulässig eingestuft werden, weil eine Klage an einem anderen Gerichtsstand möglich gewesen wäre.

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Äußerungen mit Relevanz für andere Verwaltungs- oder Gerichtsverfahren

Zu negativen Äußerungen über Wettbewerber oder Dritte siehe auch Äußerungen in behördlichen oder gerichtlichen Verfahren

BGH, Urt. v. 23.4.2020, I ZR 85/19, Tz. 21 ff - Preisänderungsregelung

Umstände, die das Rechtsschutzbedürfnis entfallen lassen,  liegen regelmäßig vor, wenn mit einer Klage die Unterlassung oder Beseitigung von Äußerungen begehrt wird, die der Rechtsverfolgung in einem gerichtlichen oder behördlichen Verfahren dienen. Dem liegt die Erwägung zugrunde, dass auf den Ablauf eines rechtsstaatlich geregelten Verfahrens nicht dadurch Einfluss genommen und seinem Ergebnis nicht dadurch vorgegriffen werden soll, dass ein an diesem Verfahren Beteiligter durch Unterlassungs- oder Beseitigungsansprüche in seiner Äußerungsfreiheit eingeengt wird. Die Relevanz des Vorbringens soll allein in dem seiner eigenen Ordnung unterliegenden Ausgangsverfahren geklärt werden. Dies gilt grundsätzlich auch bei Äußerungen in einem rechtsstaatlich geregelten Verfahren, durch die Rechte von am Verfahren beteiligten Dritten betroffen werden, wenn die Äußerungen in einem engen Bezug zum Verfahren stehen. Kann sich der Dritte in dem betreffenden Verfahren nicht gegen die Äußerungen wehren, ist bei der Abwägung der widerstreitenden Interessen allerdings besonders sorgfältig zu prüfen, ob der Dritte die Äußerung hinnehmen muss.

Eine differenzierte Betrachtung ist geboten, wenn die Klage auf Unterlassung von Äußerungen gerichtet ist, die zwar außerhalb eines gerichtlichen oder behördlichen Verfahrens erfolgt sind, aber mit einem solchen in einem Zusammenhang stehen. Es reicht für die Verneinung des Rechtsschutzbedürfnisses nicht aus, dass eine außergerichtliche Auseinandersetzung - wie stets - in eine gerichtliche Auseinandersetzung münden kann (vgl. Koch, WRP 2019, 1259, 1264). Das Rechtsschutzbedürfnis fehlt in diesen Fällen vielmehr nur dann, wenn die wettbewerbsrechtliche Unterlassungsklage auf eine Beschränkung der Rechtsverfolgung oder -verteidigung des Gegners gerichtet ist, die im Falle des Obsiegens in dem nachfolgenden gerichtlichen oder behördlichen Verfahren fortwirkte.

Das Rechtschutzbedürfnis für eine wettbewerbsrechtliche Unterlassungsklage fehlt jedoch nicht, soweit mit ihr nicht die Rechtsverfolgung oder - verteidigung an sich, sondern lediglich Ausführungen zu ihrer Begründung angegriffen werden. Hinsichtlich solcher Ausführungen muss eine Prüfung am Maßstab des Irreführungsverbots möglich sein, weil sie geeignet sind, die geschäftliche Entscheidung der Gegenseite zu beeinflussen, ob sie sich gegen die Rechtsverfolgung oder -verteidigung zur Wehr setzt oder diese hinnimmt. Bei an Verbraucherinnen und Verbraucher gerichteten Äußerungen muss ein Rechtsschutzbedürfnis in dieser Konstellation bereits deswegen angenommen werden, weil sonst der von Art. 6 Abs. 1 der Richtlinie 2005/29/EG bezweckte Schutz vor zur Täuschung geeigneten Angaben unterlaufen würde.

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Zitiervorschlag zur aktuellen Seite

Omsels, Online-Kommentar zum UWG:

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