Ihr Rechtsanwalt im Wettbewerbsrecht
Dr. Hermann-Josef Omsels*

Eine Darstellung des Gesetzes gegen den unlauteren Wettbewerb und wettbewerbsrechtlicher Nebengesetze



 

Digital Services Act

Verordnung (EU) 2022/2065 über einen Binnenmarkt für digitale Dienste und zur Änderung der Richtlinie 2000/31/EG (Gesetz über digitale Dienste)

Art. 25 DSA

Gestaltung und Organisation der Online-Schnittstelle

(1) Anbieter von Online-Plattformen dürfen ihre Online-Schnittstellen nicht so konzipieren, organisieren oder betreiben, dass Nutzer getäuscht, manipuliert oder anderweitig in ihrer Fähigkeit, freie und informierte Entscheidungen zu treffen, maßgeblich beeinträchtigt oder behindert werden.

(2) Das Verbot in Absatz 1 gilt nicht für Praktiken, die unter die Richtlinie 2005/29/EG oder die Verordnung (EU) 2016/679 fallen.

(3) Die Kommission kann Leitlinien für die Anwendung von Absatz 1 auf eine bestimmte Praxis herausgeben, insbesondere in Bezug darauf,

a) dass bestimmte Auswahlmöglichkeiten stärker hervorgehoben werden, wenn der Nutzer eine Entscheidung treffen muss,

b) dass der Nutzer wiederholt aufgefordert wird, eine Auswahl zu treffen, obwohl eine solche Auswahl bereits getroffen wurde, insbesondere durch die Einblendung eines Fensters, mit der die Nutzererfahrung beeinträchtigt wird,

c) dass das Verfahren zur Beendigung eines Dienstes schwieriger als das Verfahren zur Anmeldung bei diesem Dienst gestaltet wird

Nach Art. 3 lit. m DSA ist eine „Online-Schnittstelle“ eine Software, darunter auch Websites oder Teile davon sowie Anwendungen, einschließlich Mobil-Apps


OLG Bamberg, Urt. v. 8.1.2025, 3 UKl 11/24 e

Nach Art. 25 Abs. 2 DSA ist die UGP-RL für Praktiken vorrangig, die in ihren Anwendungsbereich fallen. Dieser ist in Art. 3 Abs. 1 UGP-RL definiert. Demnach gilt die Richtlinie für unlautere Geschäftspraktiken von Unternehmen gegenüber Verbrauchern vor, während und nach Abschluss eines auf ein Produkt bezogenen Handelsgeschäfts. Für die Anwendung von Art. 25 Abs. 1, Abs. 3 DSA verbleiben damit im Wesentlichen nur Handlungen gegenüber Verbrauchern, die nicht unmittelbar der eigenen Absatzförderung dienen sowie Handlungen gegenüber Nicht-Verbrauchern (NK-DSA/Raue, 1. Aufl. 2023, DSA Art. 25 Rn. 100; Steinrötter/Schauer, WRP 2024, 873 Rn. 74; Schonhofen, DB 2023, 2740, S. 9).

OLG Bamberg, Urt. v. 8.1.2025, 3 UKl 11/24 e

Dies bedeutet jedoch nicht, dass die in Art. 25 Abs. 1, Abs. 3 DSA niedergelegten Grundsätze unbeachtlich wären. Denn den genannten Vorschriften kommt auch für die Auslegung der UGP-RL Bedeutung zu. ...

Der Unionsgesetzgeber hat durch das Verbot in Art. 25 Abs. 1 DSA kommerziellen Anbietern von Online-Plattformen Anforderungen an deren Gestaltung auferlegt, die als ,Erfordernis an die berufliche Sorgfaltspflicht i.S.v. Art. 5 Abs 2 lit. a) UGP-RL einzuordnen sind. Ebenso hat er durch

Art. 25 Abs. 1 DSA und insbesondere durch die in Art. 25 Abs. 3 DSA genannten Beispiele seinen Willen zum Ausdruck gebracht, dass hiervon abweichende Geschäftspraktiken geeignet sind, im Sinne der Vorschrift des Art. 2 lit. e) UGP-RL die Fähigkeit des Verbrauchers, eine informierte Entscheidung zu treffen, spürbar zu beeinträchtigen und damit den Verbraucher zu einer geschäftlichen Entscheidung zu veranlassen, die er andernfalls nicht getroffen hätte. Die in Art. 25 Abs. 1 DSA verwendeten Begriffe einer „maßgeblichen Beeinträchtigung oder Behinderung" besagen nichts anderes (Dregelies, Der Schutz vor Dark Patterns im DSA, MMR 2023. 243). Deshalb ist ein Verstoß gegen Art. 25 Abs. 1, Abs. 3 DSA nach Art. 5 Abs. 2 UGP-RL und hieraus folgend nach § 3 Abs. 2 UWG (als die diese Richtlinie umsetzende Vorschrift) als nicht der unternehmerischen Sorgfalt entsprechend und damit als unlauteres Handeln einzuordnen (Europäische Kommission, Leitlinien UGP-RL S. 101; Steinrötter/Schauer, Lauterkeitsrechtliche Behandlung von Dark Patterns, WRP 2024, 873 Rn. 42; Raue/Heesen, NJW 2022, 3537, Rn. 34; NK-DSA/Raue, 1. Aufi. 2023, DSA Art. 25 Rn. 103). Es kann daneben eine unzulässige Beeinflussung gem. Art. 2 lit. j) UGP-RL und damit eine aggressive geschäftliche Handlung gem. Art. 8. 9 UGP-RL, § 4a Abs. 1 S. 2 Nr. 3 UWG vorliegen (Europäische Kommission, Leitlinien UGP-RL S. 101; Köhler/Bornkamm/Feddersen/Köhler/ Alexander UWG § 4a Rn. 1.81a; Dregelies, Der Schutz vor Dark Patterns im DSA, MMR 2023, 243).

OLG Bamberg, Urt. v. 8.1.2025, 3 UKl 11/24 e

Die nach Art. 25 Abs. 1 DSA verbotene Manipulation eines Nutzers hat der Unionsgesetzgeber mit Abs. 3 dieser Vorschrift weiter konkretisiert. Hierin hat der Unionsgesetzgeber nicht nur für die darin genannten Fälle die Befugnis geschaffen, Leitlinien herauszugeben. Er hat insoweit auch Regelbeispiele geschaffen, die typisch für das Vorliegen von ,dark patterns" sind (NK-DSA/Raue, 1. Aufl. 2023, DSA Art. 25 Rn. 106). Hierzu gehört insbesondere. dass bestimmte Auswahlmöglichkeiten starker hervorgehoben werden (Art. 25 Abs. 3 lit. a). Dies ist grundsätzlich schon dann anzunehmen, wenn die verschiedenen Auswahlmöglichkeiten in einer nicht neutralen Weise präsentiert werden („Framing"; Erwägungsgrund Nr. 67 Abs. 1 S. 4 VO (EU) 2022/2065).

OLG Bamberg, Urt. v. 8.1.2025, 3 UKl 11/24 e

Das Verbot aus Art. 25 Abs. 1 DSA darf nicht so verstanden werden, dass Anbieter daran gehindert werden, direkt mit Nutzern zu interagieren und ihnen neue oder zusätzliche Dienste anzubieten, solange sie mit dem Unionsrecht in Einklang stehen (Erwägungsgrund Nr. 67 Abs. 2 S. 2 VO (EU) 2022/2065).

OLG Bamberg, Urt. v. 8.1.2025, 3 UKl 11/24 e

Eine Beeinträchtigung liegt nicht bereits dann vor, wenn hierdurch jedweder potentieller Nutzer in einer freien Entscheidung beeinträchtigt wird. Abzustellen ist vielmehr auf einen durchschnittlichen und damit “angemessen gut unterrichteten und angemessen aufmerksamen und kritischen Nutzer" (NK-DSA/Raue DSA Art. 25 Rn. 52). Wird dieser bei seiner Entscheidung in einem Ausmaß behindert, dass er sein Verhalten entsprechend dem Ziel des Betreibers anpasst, ist die Erheblichkeitsschwelle überschritten. Dies kann dann der Fall sein, wenn die Online-Plattform eine bestimmte Wahlmöglichkeit so hervorhebt, dass sie sofort ins Auge springt, damit sie ein unaufmerksamer Nutzer eher wählen und so seine Entscheidungsfindung auch unter Berücksichtigung der gesamten Gestaltung der Schnittstelle in eine bestimmte Richtung gelenkt wird (NK-DSA/Raue DSA Art. 25 Rn. 26, 62, 107). Jedenfalls dann, wenn der Anbieter die gewünschte Entscheidung so groß und auffällig präsentiert, dass der Nutzer die gebotene Alternative kaum noch wahrnimmt, sind die Voraussetzungen einer Beeinträchtigung in der Regel erfüllt (Maamar in Kraul, Das neue Recht der digitalen Dienste, § 4 Rn. 154).

OLG Bamberg, Urt. v. 8.1.2025, 3 UKl 11/24 e

Die wiederholte Aufforderung, eine Auswahl zu treffen, wenn diese bereits getroffen wurde („Nagging"), verwirklicht das in Art. 25 Abs. 3 lit. b) DSA normierte Regelbeispiel des “dark patterns". Auch dies kann dazu führen, dass der Nutzer in der Möglichkeit, eine freie Entscheidung zu treffen, maßgeblich beeinträchtigt wird (Erwägungsgrund Nr. 67 Abs. 2 S. 1 VO (EU) 2022/2065; Leitlinien zur Auslegung und Anwendung der Richtlinie 2005/29/EG des Europäischen Parlaments und des Rates über unlautere Geschäftspraktiken von Unternehmen gegenüber Verbrauchern im Binnenmarkt (2021/C 526/01 S. 102)). Wenn also eine Online-Plattform wiederholt Anfragen stellt, ohne dass es Anzeichen dafür gibt, dass der Nutzer seine Entscheidung geändert haben könnte, dann nutzt sie ihre strukturelle Überlegenheit aus, zu geringen eigenen Kosten den Nutzer zu einem unerwünschten Verhalten zu drängen (NK-DSA/Raue, 1. Aufl. 2023, DSA Art. 25 Rn. 86, 112).

OLG Bamberg, Urt. v. 8.1.2025, 3 UKl 11/24 e

Bei ,sanftem Nagging' ist die Grenze zu einer maßgeblichen Beeinträchtigung noch nicht erreicht (NK-DSA/Raue, 1. Aufl. 2023, DSA Art. 25 Rn. 83). Entscheidend ist die Sichtweise eines durchschnittlichen Nutzers im Hinblick auf die konkrete Gestaltung der Online-Plattform.

OLG Bamberg, Urt. v. 8.1.2025, 3 UKl 11/24 e

Grundsätzlich kann auch die Kombination von verschiedenen Gestaltungen einen Verstoß gegen Art. 25 Abs. 1 DSA begründen (s. hierzu NK-DSA/Raue, 1. Aufl. 2023, DSA Art. 25 Rn. 83). Diese Verbotsnorm sanktioniert nach ihrem Wortlaut die Gestaltung der Schnittstelle insgesamt und nicht nur einzelne Praktiken.