Lit.: Laoutoumai, Sebastian, Greenwashing in der aktuellen Rechtsprechung und europäischen Gesetzgebung, WRP 2022, 1067; Soppe, Martin/Fuchs, Christoph, Greenwashing - Ein aktuelles Thema für Rechtsprechung und Rechtsetzung, WRP 2022, 1338
Siehe auch Werbung mit Bio / Öko
BGH, Urt. v. 19.2.2014, I ZR 230/12, Tz. 11 - Umweltengel für Tragetasche
Irreführend wirbt, wer im geschäftlichen Verkehr ein Umweltzeichen verwendet, ohne die dafür erforderlichen Voraussetzungen zu erfüllen. … Die unberechtigte Nutzung eines Umweltzeichens stellt eine Irreführung über die Beschaffenheit einer Ware oder Dienstleistung dar.
OLG Koblenz, Urt. v 10.8.2011, 9 U 163/11
Da umweltbezogene Werbeaussagen eine starke emotionale Werbekraft haben und wegen des im Hinblick auf die Komplexität von Fragen des Umweltschutzes meist nur geringen sachlichen Wissensstandes des Publikums über die naturwissenschaftlichen Zusammenhänge und Wechselwirkungen in diesem Bereich unterliegt eine solche Werbung strengen Anforderungen und weitgehenden Aufklärungspflichten (BGH, GRUR 1996, 367; OLG Hamburg, MD 2008, 496).
Zwar weiß der Verbraucher, dass Rohstoffe nicht ohne jeden Eingriff in die Natur gewonnen werden können. Trotz dieses Kenntnisstandes darf die Werbung mit besonderer Umweltfreundlichkeit aber nicht den unzutreffenden Eindruck vermitteln, ein Produkt sei völlig frei von umweltschädlichen Stoffen. Außerdem muss bei der Verwendung von umweltbezogenen Begriffen, die für den Verbraucher keinen eindeutigen und klar umrissenen Inhalt haben, der Werbende den konkreten Umweltbezug benennen und im Einzelnen darstellen, um eine Irreführung des Verbrauchers auszuschließen.
OLG Hamm, Urt. v. 19.8.2021, 4 U 57/21, Tz. 164
Nach der Rechtsprechung des BGH (vgl. Urteil vom 20.10.1988 – I ZR 238/87, GRUR 1991, 546, Rn. 26, zit. nach juris – Aus Altpapier) sind an die Zulässigkeit der Werbung mit Umweltschutzbegriffen besondere Anforderungen zu stellen. Die Werbung mit Umweltschutzbegriffen und -zeichen ist danach ähnlich wie die Gesundheitswerbung grundsätzlich nach strengen Maßstäben zu beurteilen. Wegen der weiterhin bestehenden Unklarheiten insbesondere über Bedeutung und Inhalt von Begriffen wie etwa „umweltfreundlich“, „umweltverträglich“, „umweltschonend“ oder „bio“ sowie der hierauf hindeutenden Zeichen ist eine Irreführungsgefahr im Bereich der umweltbezogenen Werbung besonders groß, zumal beworbene Produkte überdies regelmäßig nicht insgesamt und nicht in jeder Beziehung, sondern meist nur in Teilbereichen mehr oder weniger umweltschonender sind als andere Waren. Unter diesen Umständen besteht ein gesteigertes Aufklärungsbedürfnis der angesprochenen Verkehrskreise über Bedeutung und Inhalt der verwendeten Begriffe und Zeichen. An die zur Vermeidung einer Irreführung erforderlichen aufklärenden Hinweise sind daher grundsätzlich strenge Anforderungen zu stellen, die sich im Einzelfall nach der Art des Produktes und dem Grad und Ausmaß seiner „Umweltfreundlichkeit“ bestimmen. Fehlen die danach gebotenen aufklärenden Hinweise in der Werbung oder sind sie nicht deutlich sichtbar herausgestellt, besteht in besonders hohem Maße die Gefahr, dass bei den angesprochenen Verkehrskreisen irrige Vorstellungen über die Beschaffenheit der angebotenen Ware hervorgerufen werden und sie dadurch in ihrer Kaufentscheidung beeinflusst werden (vgl. auch OLG Düsseldorf Urteil vom 17.05.2016 – 20 U 150/15, BeckRS 2016, 9407, Rn. 13).
Ebenso OLG Schleswig, Urt. v. 30.6.2022, 6 U 46/21, Tz. 24
OLG Schleswig, Urt. v. 30.6.2022, 6 U 46/21, Tz. 25
Bei einer blickfangmäßigen Werbung mit der Umweltfreundlichkeit eines Erzeugnisses muss wegen der unterschiedlichen damit verbundenen Vorstellungen und Erwartungen darüber aufgeklärt werden, woraus sich die Umweltfreundlichkeit ergeben soll (BGH NJW 1989, 711 - Umweltengel; JurisPK-UWG/Diekmann, Stand 15.01.2021, § 5 Rn. 381). Jede einzelne zur Umweltfreundlichkeit getroffene Aussage muss erkennen lassen, welcher Umweltvorzug herausgestellt werden soll, um die Gefahr einer Irreführung durch die Verwendung des unscharfen Begriffs der Umweltfreundlichkeit auszuschließen. Mehr allerdings, auch dies ist zu beachten, verlangen die §§ 3, 5 UWG nicht. Sie enthalten ein Irreführungsverbot, begründen aber kein Informationsgebot (BGH GRUR 1996, 367, 368 unt. Ziff. II.3.a - Umweltfreundliches Bauen - zu § 3 UWG; OLG Hamburg BeckRS 2008, 7230 Rn. 17 - schnell biologisch abbaubar - zu § 5 UWG).
Umweltfreundlichkeit
OLG Celle, Urt. v. 8.12.2016, 13 U 72/16, Tz. 44 ff
Bei der Werbung mit einer bestimmten Umweltfreundlichkeit eines Produkts ist es zur Vermeidung einer Irreführungsgefahr regelmäßig geboten, über die näheren Umstände aufzuklären, auf die sich die Aussage bezieht. Liegt eine umweltfreundliche Werbeaussage vor, so muss in ihr zum Ausdruck kommen, in welcher Hinsicht die umworbene Ware oder Leistung einen umweltbezogenen Vorzug aufweist, wobei der Inhalt und der Umfang der Aufklärung von der Art der Ware oder Dienstleistung sowie von dem Grad und dem Ausmaß der Umweltfreundlichkeit abhängen. ...
Betreffend die angegriffene Werbeaussage „umweltfreundlich produziert“ fehlt es an einer hinreichenden Aufklärung über die umweltbezogenen Vorzüge des Produkts. Allein dadurch, dass die Herausstellung der Umweltfreundlichkeit auf den Produktionsvorgang bezogen ist, wird nicht hinreichend darüber aufgeklärt, inwieweit dieser Vorgang umweltfreundlich sein soll. Bereits dies erfüllt den Irreführungstatbestand. ...
Hinsichtlich der … Werbeaussage zur Umweltverträglichkeit mit der Formulierung „umweltfreundlich produziert - lösungsmittelfrei“ … schließt sich der Senat der Auffassung des OLG München (im Urteil vom 27. Oktober 2016 - 29 U 1152/16 = Anlage FN 313) an, dass zumindest erhebliche Teile des Verkehrs die Werbung nicht dahingehend verstehen werden, dass das Produkt wegen seiner Lösungsmittelfreiheit umweltfreundlich produziert wurde, sondern dass die - nicht näher konkretisierte - Angabe „umweltfreundlich produziert“ neben der zusätzlichen Information über die Produkteigenschaft „lösungsmittelfrei“ steht. Hierfür spricht auch die Verbindung der beiden vorgenannten Aussagen „nur“ mit einem Gedankenstrich anstelle eines Doppelpunktes.
Weitere umweltbezogene Angaben
OLG Schleswig, Urt. v. 30.6.2022, 6 U 46/21, Tz. 28 f - klimaneutral
In der DIN EN ISO 14021, die die Anforderungen an umweltbezogene Anbietererklärungen regelt, wird der Begriff „CO²-neutral“ so bestimmt, dass er sich auf ein Produkt beziehe, bei dem der Carbon Footprint null oder ausgeglichen worden sei (DIN EN ISO S. 47 Ziff. 7.17.3.1). Der Begriff umfasst also beides, entscheidend für die „Neutralität“ ist die Bilanz unter erlaubter Berücksichtigung von Kompensationsmaßnahmen. Es darf davon ausgegangen werden, dass er sich in diesem Sinne im Verständnis des an Umweltaussagen interessierten Verbraucherkreises etabliert hat (ebenso OLG Koblenz WRP 2011, 1499, 1501).
... Der Begriff der Klimaneutralität erweckt keine Fehlvorstellung über die Art und Weise, wie die ausgeglichene Klimabilanz erreicht wird, sondern beinhaltet nur die Zusage eines entsprechenden Ergebnisses.
OLG Koblenz, Urt. v. 10.8.2011, 9 U 163/11
„CO2-neutral": Der Verbraucher erwartet einen vollständigen Ausgleich der CO2-Belastungen. Dies steht im Einklang mit den Anforderungen des TÜV für eine Zertifizierung der Klimaneutralität. Danach ist ein Unternehmen oder ein Produkt dann als klimaneutral zu betrachten, wenn die entstandenen CO2-Emisionen, die entsprechend zuzurechnen sind, durch CO2-reduzierende Projekte kompensiert werden
"nachwachsend": Der angesprochene Verbraucher verbindet mit dem singulär verwendeten Adjektiv die Vorstellung, nachwachsende Stoffe seien Bestandteile des beworbenen Produkts.
"geprüfte Umweltverträglichkeit" ist irreführend, wenn die geprüften Merkmale nicht offengelegt werden (BGH, GRUR 96, 367)
"umweltschonende Produkte, die Klima und Regenwald schützen" ist angesichts des Informationsbedürfnisses der angesprochenen Verbraucher zu wenig konkret. Die Beklagte vermeidet es, die praktizierte Kaskadennutzung in ihrer Werbung offen zu legen. Der Verbraucher kann deshalb nicht beurteilen, aus welchem Grund die Grablichter der Beklagten Klima und Regenwald schützen sollen. Wenn die Beklagte mit dieser, die Emotionen der Verbraucher ansprechenden Wendung Werbung betreiben will, ist sie verpflichtet, den Verbraucher über die tatsächlichen Grundlagen aufzuklären.
100 % umweltfreundlich, da keine Emissionen für einen Heizstrahler
OLG Hamm, Urt. v. 27.9.2012, I-4 U 63/12, Tz. 40 ff
Unstreitig ist, dass der Verbraucher aufgrund der Formulierung „keine Emissionen“ davon ausgeht, dass die beworbenen Infrarotwärmestrahler am Aufstellungsort keine Emissionen produzieren. Dies entspricht auch den tatsächlichen Gegebenheiten.
Der Verbraucher geht darüber hinaus aber nicht aufgrund der Werbung der Beklagten davon aus, dass der Infrarotwärmestrahler nicht nur lokal, sondern auch global keine umweltschädlichen Emissionen auslöst.
Dabei ist zunächst zu beachten, dass aus der Werbung an mehreren Stellen deutlich wird, dass der hier in Rede stehende Infrarotwärmeheizer mit Strom betrieben wird. …
Daraus folgt, dass der Adressat der Werbung diese so versteht, dass lediglich die Emissionen am Ausstellungsort gemeint sind. Denn der durchschnittlich informierte und verständige Verbraucher, der das Werbeverhalten mit einer der Situation angemessenen Aufmerksamkeit verfolgt, weiß ganz genau, dass bei der Produktion des Stroms - auch in Deutschland - Emissionen anfallen. Er weiß auch, dass trotz der seitens der Politik eingeleiteten Energiewende der Strom im Allgemeinen nicht allein aus erneuerbaren Energien gewonnen wird. … Hinzu kommt, dass der durchschnittliche Verbraucher auch weiß, dass die Beklagte überhaupt keinen Einfluss darauf hat, aus welchen Quellen der Erwerber seinen Strom bezieht.
"Aus Plastikmüll aus dem Meer"
OLG Stuttgart, Urt. v. 25.10.2018, 2 U 48/18, Tz. 100
Es liegt eine Irreführung im Sinne des § 5 UWG vor, wenn dieses Plastik auch an Flussläufen, Kanälen in einiger Entfernung vom Meer aufgesammelt wird und dort nicht aus dem Meer angeschwemmt wurde. Außerdem ist davon auszugehen, dass selbst das an Stränden gesammelte Plastik nicht ausnahmslos aus dem Meer dorthin gelangt ist, sondern zu nicht unerheblichen Teilen von Land her.
Darauf, ob es von dort ins Meer gelangt wäre und ob dies alsbald zu erwarten gewesen wäre, kommt es dabei nicht an. Denn Plastik, das noch nie im Meer war, ist kein Plastik aus dem Meer.
Diese Fehlvorstellung ist auch marktrelevant. Denn für den Verbraucher macht es einen Unterschied, ob Plastik aus dem Meer gefischt oder zumindest Plastik verwendet wiederverwertet wird, das schon im Meer war oder ob eine Säuberung von Stränden stattfindet, die aufgrund des Verhaltens der örtlichen Bevölkerung und unzureichenden Vorgehens der dortigen Behörden verschmutzt sind.
OLG Hamm, Urt. v. 19.8.2021, 4 U 57/21, Tz. 164, 166
An die zur Vermeidung einer Irreführung erforderlichen aufklärenden Hinweise sind grundsätzlich strenge Anforderungen zu stellen, die sich im Einzelfall nach der Art des Produktes und dem Grad und Ausmaß seiner „Umweltfreundlichkeit“ bestimmen. Fehlen die danach gebotenen aufklärenden Hinweise in der Werbung oder sind sie nicht deutlich sichtbar herausgestellt, besteht in besonders hohem Maße die Gefahr, dass bei den angesprochenen Verkehrskreisen irrige Vorstellungen über die Beschaffenheit der angebotenen Ware hervorgerufen werden und sie dadurch in ihrer Kaufentscheidung beeinflusst werden (vgl. auch OLG Düsseldorf Urteil vom 17.05.2016 – 20 U 150/15, BeckRS 2016, 9407, Rn. 13).
Die Werbeaussagen „CO2 Reduziert“, „Umweltfreundliche Produkte und nachhaltige Verpackungen“, „Unser Beitrag zum Thema Nachhaltigkeit“ lassen in ihrer Allgemeinheit vollkommen offen, in Bezug auf welchen konkreten Aspekt des Produktionsprozesses, der Verpackung und des Vertriebs eine Umweltfreundlichkeit bzw. eine CO2-Reduktion in Relation zu welchem Standard konkret vorliegen soll und in welcher Hinsicht die verwendeten Verpackungen besonders nachhaltig sein sollen.
Deutscher Nachhaltigkeitspreis
OLG Frankfurt, Urt. v. 10.11.2022, 6 U 104/22, II.3.c
Die Antragsgegnerin hat den „Deutschen Nachhaltigkeitspreis“ zwar für die Kategorie „Unternehmen“, nicht für die Kategorie „Produkt“ bekommen. Dabei spielte aber nach der Jurybegründung durchaus die Herstellung nach nachhaltigen Richtlinien eine entscheidende Rolle. Das gilt sowohl für die biologisch abbaubaren Produkte selbst als auch für ihre Verpackungen. Es ist daher nicht fernliegend, dass das Bemühen der Antragsgegnerin um recycelbare Verpackungen Bestandteil der Auszeichnung ist. Die Antragstellerin hat nicht hinreichend glaubhaft gemacht, dass die Recycelbarkeit der Flasche bei der Preisvergabe keine Rolle spielte.