Ihr Rechtsanwalt im Wettbewerbsrecht
Dr. Hermann-Josef Omsels*

Eine Darstellung des Gesetzes gegen den unlauteren Wettbewerb und wettbewerbsrechtlicher Nebengesetze



 


 

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Beeinflussung der Entscheidungsfreiheit (Relevanzkriterium)

Literatur: Büscher, Wolfgang, Das Regel-Ausnahme-Verhältnis und die sekundäre Darlegungslast bei der geschäftlichen Entscheidung des Verbrauchers, WRP 2019, 1243; Lettl, Tobias, Die geschäftliche Relevanz nach §§ 3 Abs. 2, 3a, 4a Abs. 1, 5 Abs. 1 S. 1 und 5a Abs. 1, Abs. 2 S. 1 Nr. 2 UWG, WRP 2019, 1265; Hermann-Josef Omsels, Die geschäftliche Entscheidung, WRP 2016, 553; Köhler, Helmut, Zum 'Bagatellverstoß' im Lauterkeitsrecht, WRP 2020, 1378

Siehe zum Vorenthalten von Informationen auch hier.

Relevanzkriterium

Unlautere geschäftliche Handlungen sind nur unzulässig, wenn sie von einer gewissen Qualität sind. Welche Qualität erforderlich ist, hängt davon ab, ob sich die geschäftliche Handlung an Verbraucher richtet oder nur Mitbewerber betrifft.

Historie

Nach § 3 Abs. 1 UWG in der bis zum ... geltenden Fassung waren unlautere geschäftliche Handlungen nur unzulässig, wenn sie geeignet waren, "die Interessen von Mitbewerbern, Verbrauchern oder sonstigen Marktteilnehmern spürbar zu beeinträchtigen" (sog. Bagatellklausel). § 3 Abs. 2 S. 1 UWG formulierte das etwas konkreter und stellte darauf ab, ob die geschäftliche Handlung geeignet ist, "die Fähigkeit des Verbrauchers, sich auf Grund von Informationen zu entscheiden, spürbar zu beeinträchtigen und ihn damit zu einer geschäftlichen Entscheidung zu veranlassen, die er andernfalls nicht getroffen hätte."

Im Rahmen der UWG-Reform 2015 wurden beide Bestimmungen geändert. Die Bagatellklausel in § 3 Abs. 1 wurde gestrichen. Das Relevanzkriterium wurde in § 3 Abs. 2 UWG für geschäftliche Handlungen gegenüber Verbrauchern aufgenommen. Dort heißt es seitdem:

"Geschäftliche Handlungen, die sich an Verbraucher richten oder diese erreichen, sind unlauter im Sinne des Absatzes 1, wenn sie nicht der für den Unternehmer jeweils geltenden fachlichen Sorgfalt entsprechen und dazu geeignet sind, das wirtschaftliche Verhalten des Verbrauchers wesentlich zu beeinflussen."

Gleichzeitig wurde in § 2 Abs. 1 UWG eine Nr. 8 aufgenommen, die näher bestimmt, was damit gemeint ist. Diese Definition des Begriffs der wesentlichen Beeinflussung des wirtschaftlichen Verhaltens des Verbrauchers wurde mit Wirkung zum 28.5.2022 nach § 2 Abs. 1 Nr. 11 UWG verschoben.

Im Sinne dieses Gesetzes bedeutet

11.  „wesentliche Beeinflussung des wirtschaftlichen Verhaltens des Verbrauchers“ die Vornahme einer geschäftlichen Handlung, um die Fähigkeit des Verbrauchers, eine informierte Entscheidung zu treffen, spürbar zu beeinträchtigen und damit den Verbraucher zu einer geschäftlichen Entscheidung zu veranlassen, die er andernfalls getroffen hätte

Richtlinienkonformität

In Art. 5 Abs. 2 lit b) der Richtlinie 2005/29/EG über unlautere Geschäftspraktiken, dessen Vorgabe für die Anwendung des UWG im B2C-Verhältnis bindend ist, wird vorausgesetzt, das die geschäftliche Handlung

"das wirtschaftliche Verhalten des Durchschnittsverbrauchers, den sie erreicht oder an den sie sich richtet oder des durchschnittlichen Mitglieds einer Gruppe von Ver­brauchern, wenn sich eine Geschäftspraxis an eine bestimmte Gruppe von Verbrauchern wendet, wesentlich beeinflusst oder dazu geeignet ist, es wesentlich zu beeinflussen".

Art. 2 lit. e der Richtlinie formuliert:

„Im Sinne dieser Richtlinie bezeichnet der Ausdruck

e) wesentliche Beeinflussung des wirtschaftlichen Verhaltens des Verbrauchers“ die Anwendung einer Geschäftspraxis, um die Fähigkeit des Verbrauchers, eine informierte Entscheidung zu treffen, spürbar zu beeinträchtigen und damit den Verbraucher zu einer geschäftli­chen Entscheidung zu veranlassen, die er andernfalls nicht getroffen hätte"

§ 3 Abs. 2 S. 1 UWG i.V.m. § 2 Nr. 8 UWG, auf den § 3 Abs. 2 S. 1 UWG verweist, versuchen, diese Bestimmung umzusetzen. Dabei entspricht § 2 Nr. 8 UWG Art. 2 lit. e der Richtlinie wörtlich, soweit vom Austausch des Begriffs Geschäftspraxis durch geschäftliche Handlung abgesehen wird.

Nach der Systematik der UGP-Richtlinie sind die dort in Art. 6 bis 9 beschriebenen Fälle irreführender und aggressiver Geschäftspraktiken Beispielsfälle, welche die Kriterien des Verstoßes gegen die fachlichen Sorgfalt und Eignung zur wesentlichen oder spürbaren Beeinflussung der Entscheidungsfindung erfüllen (s.a. EuGH, Urt. v. 19.9.2013, C-435/11, Tz. 45 f - CHS Tour Services/Team4 Travel GmbH).

Zum Tatbestandsmerkmal der geschäftlichen Entscheidung:

EuGH, Urt. v. 19.12.2013, C‑281/12 - Trento Sviluppo srl u.a. / Autorità Garante della Concorrenza e del Mercato

Nach dem Wortlaut von Art. 2 Buchst. k der Richtlinie 2005/29 wird der Begriff „geschäftliche Entscheidung“ weit definiert. Danach ist eine geschäftliche Entscheidung nämlich „jede Entscheidung eines Verbrauchers darüber, ob, wie und unter welchen Bedingungen er einen Kauf tätigen will“. Dieser Begriff erfasst deshalb nicht nur die Entscheidung über den Erwerb oder Nichterwerb eines Produkts, sondern auch damit unmittelbar zusammenhängende Entscheidungen.

Siehe zur geschäftlichen Entscheidung näher hier.

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Gerichtliche Praxis

In der Fressnapf-Entscheidung prüfte der BGH erstmals, ob der Verbraucher durch ein unlauteres Vorenthalten einer Information zu einer geschäftlichen Entscheidung veranlasst werden kann, die er andernfalls nicht getroffen hätte. In der Sache ging es um die Werbung eines Franchisegebers für Sonderangebote bei Franchisenehmern, soweit diese an der Aktion teilnehmen.

BGH, Urt. v. 4.2.2016, I ZR 194/14, Tz. 30 f – Fressnapf

Der Verbraucher benötigt nach den Umständen die Information über die an der Verkaufsaktion teilnehmenden Märkte, um eine informierte geschäftliche Entscheidung zu treffen (§ 5a Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 UWG). ... Der Verbraucher benötigt die hier in Rede stehende Information über die an der Verkaufsaktion teilnehmenden Märkte, um zu entscheiden, in welchem Markt er die beworbenen Produkte erwerben möchte.

Das Vorenthalten dieser Information ist geeignet, den Verbraucher zu einer geschäftlichen Entscheidung zu veranlassen, die er andernfalls nicht getroffen hätte (§ 5a Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 UWG). Es liegt auf der Hand, dass die unzureichende Information über die an der Verkaufsaktion teilnehmenden Märkte Verbraucher dazu veranlassen kann, einen der genannten Märkte aufzusuchen, und dass die Verbraucher diese geschäftliche Entscheidung nicht getroffen hätten, wenn sie gewusst hätten, dass der aufgesuchte Markt nicht an der Verkaufsaktion teilnimmt.

Dem Fressnapf folgte der Vorlagebeschluss zum EuGH in Sachen MeinPaket.de. Daraus wird deutlich, dass zur Bestimmung der Unlauterkeit einer geschäftlichen Handlung stets die geschäftliche Entscheidung zu bestimmen ist, die von der geschäftlichen Handlung bestimmt wird.

BGH, Vorlagebeschl. v. 28.1.2016, I ZR 231/14, Tz. 17 – MeinPaket.de

Die geschäftliche Entscheidung ist bei der Werbeanzeige der Beklagten das Aufsuchen ihres Verkaufsportals im Internet, um ein in der Anzeige beworbenes Produkt zu erwerben oder sich damit näher zu befassen. Diese Umstände sprechen dafür, dass die Informationen zu Identität und Anschrift der Anbieter der beworbenen Produkte bereits in dieser Werbeanzeige selbst erfolgen müssen.

Weitere Entscheidungen nach der UWG-Reform 2015:

BGH, Urt. v. 31.3.2016, I ZR 31/15, Tz. 21 - Apothekenabgabepreis

Angesichts der erheblichen Bedeutung der Werbung mit Preisen oder Preisvorteilen ist die Angabe eines um 5% überhöhten Vergleichspreises für die Kaufentscheidung des Verbrauchers von erheblicher Bedeutung. Die Annahme der wettbewerblichen Relevanz scheitert nicht daran, dass der angegebene Vergleichspreis lediglich für Krankenkassen gilt und für den Verbraucher nicht verfügbar ist. Der genannte Vergleichspreis hat für die Aussagekraft des Angebots Bedeutung, weil ein von den Krankenkassen als Großabnehmern der pharmazeutischen Industrie und den Apotheken zu zahlender Preis vom Verbraucher als günstig angesehen wird.

Bis zur UWG-Reform 2015 wurde die wesentliche Beeinträchtigung der Entscheidungsfreiheit im Wesentlichen im Rahmen des Relevanzkriteriums (sog. Bagatellklausel) nach § 3 Abs. 1 UWG (a.F.) abgehandelt. § 3 Abs. 1 UWG lautete:

Unlautere geschäftliche Handlungen sind unzulässig, wenn sie geeignet sind, die Interessen von Mitbewerbern, Verbrauchern oder sonstigen Marktteilnehmern spürbar zu beeinträchtigen.

Als unabdingbares Tatbestandsmerkmal muss bei jeder geschäftlichen Handlungen gegenüber Verbrauchern, mit Ausnahme der Tatbestände der Schwarzen Liste nach dem Anhang zu § 3 Abs. 3 UWG zwingend geprüft werden, ob sie geeignet ist, das wirtschaftliche Verhalten des Verbrauchers wesentlich zu beeinträchtigen, bevor sie als unlauter verboten werden dürfen. Dafür müssen sie geeignet sein,

    • die Fähigkeit des Verbrauchers, eine informierte Entscheidung zu treffen, spürbar zu beeinträchtigen und

  • ihn damit zu einer geschäftli­chen Entscheidung zu veranlassen, die er andernfalls nicht getroffen hätte.

Die Gerichte gehen mit diesen beiden Voraussetzungen großzügig um.

Relevanz kann eine geschäftliche Handlung auch haben, wenn sie ein einziges Mal vorgenommen wurde, und zwar auch, wenn dieser Einzelfall ergebnislos geblieben ist. Zum früheren, gleichwertigen Kriterium der spürbaren Beeinträchtigung der Interessen der Verbraucher, Mitbewerber und anderer Marktteilnehmer:

BGH, Urt. v. 10.2.2011, I ZR 8/09, Tz. 21 – RC-Netzmittel

Eine geschäftliche Handlung ist auch dann geeignet, die Interessen der Verbraucher spürbar zu beeinträchtigen, wenn sie nur in einem einzigen Fall vorgenommen wurde. Die Häufigkeit oder Dauer einer unlauteren Handlung kann zwar deren Spürbarkeit erhöhen. Daraus kann aber nicht der Umkehrschluss gezogen werden kann, dass eine unlautere Handlung schon deshalb nicht spürbar ist, weil sie nur einmal oder nur für kurze Zeit vorgenommen worden ist. Denn dies fällt in den Bereich der Wiederholungsgefahr, auf die es nicht schon bei der Prüfung, ob das Verhalten unzulässig ist, sondern erst beim Unterlassungsanspruch ankommt. Im Rahmen des dem anspruchsbegründenden Tatbestand zuzurechnenden § 3 Abs. 1 UWG 2008 genügt bereits die Eignung zu einer spürbaren Beeinträchtigung der Marktteilnehmer.

BGH, Urt. v. 12.2.2015, I ZR 213/13, Tz. 25 – Fahrdienst zur Augenklinik

Bei Vorschriften, die dem Schutz der Gesundheit der Verbraucher dienen, kann die Spürbarkeit von Verstößen gemäß § 3 UWG nur ganz ausnahmsweise verneint werden.

OLG Nürnberg, Beschl. v. 6.12.2021, 3 U 3877/21, II.2.a

Verlautbarungen des Verkäufers mit dem Inhalt, dass dem Käufer bestimmte Rechte nicht zustehen, sind regelmäßig von vornherein nicht geeignet, eine dem Verkäufer günstige Entschließung des angesprochenen Kaufinteressenten herbeizuführen. Der Käufer ist naturgemäß daran interessiert, möglichst weitgehende Rechte zu erhalten, insbesondere auch, sich später von einem einmal geschlossenen Kaufvertrag lösen zu können. Unabhängig davon, ob ein Hinweis darauf, bei einem konkreten Produkt bestünden bestimmte Rechte nicht, eine reine Information darstellen soll, dass solche Rechte nicht gegeben seien, oder einen rechtsgeschäftlichen Ausschluss an sich gegebener Rechte bewirken soll, wird dies den Käufer eher vom Kauf dieses Produkts bzw. bei diesem Händler abhalten. Bei nachteiligen Irreführungen fehlt deshalb anerkanntermaßen das ungeschriebene Tatbestandsmerkmal der geschäftlichen Relevanz der Irreführung (siehe nur Bornkamm/Feddersen, in: Köhler/Bornkamm/Feddersen, UWG, § 5 Rn. 1.176).

Für die Spürbarkeit einer unzulässigen geschäftlichen Handlung war es ausreichend, dass der Betroffene dem Angebot eines Unternehmers mehr Aufmerksamkeit widmet, als er es ohne das unzulässige Verhalten getan hätte.

BGH, Urt. v. 18.3.2010, I ZR 16/08, Tz. 28 – Versandkosten bei Froogle II

Die beanstandete Werbung ist geeignet, die Interessen von Mitbewerbern und Verbrauchern spürbar zu beeinträchtigen (§ 3 Abs. 1, 2 Satz 1 UWG 2008). Dafür genügt es, wenn die Werbeadressaten dazu verleitet werden, sich näher mit einem Angebot des Werbenden statt mit dem Angebot der Konkurrenten zu befassen.

Von dieser Auffassung ist der BGH zwischenzeitlich allerdings wortlos abgerückt:

BGH, Urt. v. 18.12.2014, I ZR 129/13, Tz. 20 - Schlafzimmer komplett

Die Entscheidung des Verbrauchers, sich mit einem beworbenen Angebot in einer Werbeanzeige näher zu befassen, die durch eine blickfangmäßig herausgestellte irreführende Angabe veranlasst worden ist, für sich gesehen mangels eines unmittelbaren Zusammenhangs mit einem Erwerbsvorgang noch keine geschäftliche Entscheidung im Sinne von Art. 2 Buchst. k und Art. 6 Abs. 1 der Richtlinie 2005/29/EG dar. Die beanstandete Werbeanzeige wäre daher nur als irreführend anzusehen, wenn anzunehmen wäre, dass der Durchschnittsverbraucher nicht durch die weiteren in der Anzeige enthaltenen Angaben davon abgehalten wird, eine auf Irreführung beruhende geschäftliche Entscheidung zu treffen.

In einer anderen Konstellation:

KG Berlin, Urt. v. 22.2.2012, 5 U 51/11, B.I.2

Für die Prüfung eines Bagatellfalles kommt es nicht allein auf die wettbewerbsrechtliche Bedeutung der verletzten Norm an, sondern auf das konkrete Ausmaß des Rechtsverstoßes.

Etwas strenger:

OLG Düsseldorf, Urt. v. 8.5.2014, I-15 69/14, Tz. 40

Die Eignung zur Beinträchtigung setzt eine gewisse objektive Wahrscheinlichkeit voraus, dass die konkrete Handlung bei Mitbewerbern einen Schaden durch Einbuße an vorhandenen Vermögenswerten oder durch Minderung ihrer Marktchancen herbeiführen kann. Dafür ist zwar nicht ein bestimmtes Ausmaß der Beeinträchtigung erforderlich, sie muss aber zumindest tatsächlich eintreten können (Köhler in: Köhler/ Bornkamm, UWG, § 3 UWG Rn. 116, 119). Dies hängt maßgeblich davon ab, welche Interessen die verletzte Norm schützen soll, wie hoch sie zu bewerten sind und wie schwerwiegend ihre Verletzung ist (Köhler in: Köhler/Bornkamm, aaO, § 4 UWG Rn. 11.58a).

OLG Düsseldorf, Urt. v. 28.10.2014, I-20 U 159/13, Tz. 25

Ein Verstoß ist geeignet, den Wettbewerb spürbar zu beeinträchtigen, ... wenn die Beeinträchtigung nicht bloß theoretisch möglich ist, sondern tatsächlich eintritt oder eintreten kann, was eine gewisse Wahrscheinlichkeit des Schadenseintritts erfordert (vgl. Köhler in: Köhler/Bornkamm, UWG, § 3 Rdrn. 119).

Bei geschäftlichen Handlungen gegenüber Verbrauchern wurde auch vor der UWG-Reform 2015 eine spürbare Beeinträchtigung angenommen, wenn die geschäftliche Handlung dazu geeignet war, den Verbraucher davon abzuhalten, eine informierte Entscheidung zu treffen. Eine informierte Entscheidung ist nur dann möglich, wenn dem Verbraucher keine falschen Informationen erteilt werden und wenn ihm alle Informationen erteilt werden, die er für seine Entscheidung benötigen könnte.

BGH, Urt. v. 28.6.2007, I ZR 153/04 – Telefonaktion

Es ist regelmäßig davon auszugehen, dass die Bagatellgrenze des § 3 UWG überschritten ist, wenn die durch unrichtige Angaben hervorrufende Fehlvorstellung des Verkehrs geeignet ist, das Marktverhalten zu beeinflussen.

Spürbar ist es unter allen Umständen, wenn dem Verbraucher gem. § 5a Abs. 2, 4 UWG eine Information vorenthalten wird, die ihm aufgrund einer gesetzlichen Bestimmung, die ihre Grundlage in einer Verordnung oder Richtlinie der EU hat, erteilt werden muss. Siehe dazu hier.

Die Frage der Spürbarkeit einer Beeinträchtigung stellt sich ebenfalls nicht in bei allen Sachverhalten, die im Anhang zu § 3 Abs. 3 UWG aufgeführt werden (Per-se-Verbote).

Relevanz bei der Vorenthaltung von Informationen

BGH, Urt. v. 28.3.2019, I ZR 85/18, Tz. 30 f – Kaffeekapseln

Auch wenn ein Verstoß gegen eine Marktverhaltensregelung darin besteht, dass dem Verbraucher eine wesentliche Information vorenthalten wird, ist dieser Verstoß nicht ohne weiteres, sondern nur dann spürbar im Sinne von § 3a UWG, wenn er die ihm vorenthaltene wesentliche Information je nach den Umständen benötigt, um eine informierte Entscheidung zu treffen, und deren Vorenthalten geeignet ist, den Verbraucher zu einer geschäftlichen Entscheidung zu veranlassen, die er andernfalls nicht getroffen hätte (BGH, Urt. v. 31.10.2018 - I ZR 73/17, Tz. 30 f - Jogginghosen).

Den Unternehmer, der geltend macht, dass der Verbraucher - abweichend vom Regelfall - eine ihm vorenthaltene wesentliche Information für eine Kaufentscheidung nicht benötigt und dass das Vorenthalten dieser Information den Verbraucher nicht zu einer anderen Kaufentscheidung veranlassen kann, trifft insoweit allerdings eine sekundäre Darlegungslast (BGH, GRUR 2019, 82 Rn. 32 - Jogginghosen).

Ebenso BGH, Urt. v. 7.3.2019, I ZR 184/17, Tz. 26 f – Energieeffizienzklasse III; OLG Frankfurt, Urt. v. 25.10.2018, 6 U 175/17 - Raffaello

BGH, Urt. v. 7.3.2019, I ZR 184/17, Tz. 27 – Energieeffizienzklasse III

Der Verbraucher wird eine wesentliche Information im Allgemeinen für eine informierte Kaufentscheidung benötigen. Ebenso wird, sofern im konkreten Fall keine besonderen Umstände vorliegen, grundsätzlich davon auszugehen sein, dass das Vorenthalten einer wesentlichen Information, die der Verbraucher nach den Umständen benötigt, um eine informierte Entscheidung zu treffen, geeignet ist, den Verbraucher zu einer geschäftlichen Entscheidung zu veranlassen, die er bei der geboten gewesenen Information nicht getroffen hätte.

Das führt zu einem Regel-Ausnahmeverhältnis, das im Prinzip auf eine Umkehr der Darlegungs- und Beweislast hinausläuft.

BGH, Urt. v. 7.3.2019, I ZR 184/17, Tz. 30 – Energieeffizienzklasse III

Bei der Frage, ob es besondere Umstände gibt, die eine Information entbehrlich machen, ist auf den Informationserfolg abzustellen; ist dieser auf anderem Wege als durch die vorgeschriebene Information bereits erreicht worden, ist das Vorenthalten der Information nicht geeignet, den Verbraucher zu einer geschäftlichen Entscheidung zu veranlassen, die er andernfalls nicht getroffen hätte.

BGH, Urt. v. 9.9.2021, I ZR 90/20, Tz. 98 - Influencerin I

Ebenso wie für die Informationspflichtverletzung nach § 5a Abs. 2 UWG gilt für die Informationspflichtverletzung nach § 5a Abs. 6 UWG die Annahme, dass die Nichtkenntlichmachung des kommerziellen Zwecks im Regelfall geeignet ist, eine geschäftliche Entscheidung des Verbrauchers zu veranlassen. Denn der Verbraucher steht einer geschäftlichen Handlung im Falle des Erkennens des kommerziellen Zwecks von vornherein kritischer gegenüber. Den Unternehmer trifft daher auch im Rahmen von § 5a Abs. 6 UWG die sekundäre Darlegungslast für Umstände, die gegen die Relevanz des Kennzeichnungsverstoßes sprechen.

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Literatur

Köhler, Zur 'geschäftlichen Relevanz' unlauterer geschäftlicher Handlungen gegenüber Verbrauchern, WRP 2014, 259

a) Die UGP-RL will nach  Köhler sicherstellen, dass der Verbraucher auf der Grundlage richtiger und ausreichender Informationen frei entscheiden könne. Dementsprechend werde die Fähigkeit des Verbrauchers, eine informationsgeleitete Entscheidung zu treffen,  beeinträchtigt, wenn das Verhalten des Unternehmers den Verbraucher davon abhalten kann, die Vor- und Nachteile einer geschäftlichen Handlung zu erkennen, abzuwägen und dann eine geschäftliche Entscheidung zu treffen, die darin bestehen kann, bestimmte Handlungen vorzunehmen  oder nicht.

Das Relevanzkriterium verlangt mithin, dass der Verbraucher zu einer geschäftlichen Entscheidung veranlasst wird, die er ohne die konkrete Einwirkung nicht getroffen hätte. Der Ursachenzusammenhang zwischen Einwirkung und Auswirkung sei zwar in der Regel, so Köhler, aber nicht notwendig gegeben. Es müssten die Umstände des Einzelfalls gewürdigt werden. In Anlehnung an die EuGH-Entscheidung 'Trento Sviluppo' ist eine geschäftliche Entscheidung nach Köhler "jede tatsächliche Reaktion des Verbrauchers, die einen Zwischenschritt in Richtung auf die vom Unternehmer angestrebte endgültige geschäftliche Entscheidung darstellt". Der EuGH formuliert es allerdings m.E. enger, indem er auf die Entscheidung und nicht die Reaktion abstellt, weil Reaktionen auch unwillkürlich erfolgen können (siehe oben)

Für die Relevanz spricht nach Köhler eine widerlegbare tatsächliche Vermutung, weil die geschäftliche Handlung gerade voraussetzt, dass sie objektiv auf eine Beeinflussung der geschäftlichen Entscheidung des Verbrauchers gerichtet ist. Dem folgt das OLG Düsseldorf, Urt. v. 14.2.2017, 20 U 63/16, Tz. 17.

b) Zur Bagatellklause des § 3 Abs. 1 UWG stellt Köhler heraus, dass sie im Unterschied zur Rechtslage bis 2004 nicht mehr auf eine Beeinträchtigung des Wettbewerbs, sondern der Interessen der Marktteilnehmer abstellt. Das Verhältnis zu § 3 Abs. 2 UWG sei noch unklar.

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