Ihr Rechtsanwalt im Wettbewerbsrecht
Dr. Hermann-Josef Omsels*

Eine Darstellung des Gesetzes gegen den unlauteren Wettbewerb und wettbewerbsrechtlicher Nebengesetze



 

 

 

a) Änderung des Streitgegenstands

Änderungen des Klage- oder Verfügungsantrags führen häufig zu einer Änderung des Streitgegenstands. Das gilt allerdings nicht für eine bloße redaktionelle Änderung, mit der der Wortlaut des Antrags optimiert werden soll. Eine Änderung des Streitgegenstandes liegt aber vor, wenn Merkmale, welche die geschäftliche Handlung beschreiben, in den Klageantrag aufgenommen oder im Klageantrag  geändert oder gestrichen werden:

BGH, Urt. v. 29.6.2006, I ZR 235/03, Ls. – Anschriftenliste

Bei einem wettbewerbsrechtlichen Unterlassungsantrag ändert eine Abwandlung der Verletzungsform, auf die sich der Verbotsausspruch nach dem Willen des Klägers beziehen soll, den Streitgegenstand.

OLG Hamm, Urt. v. 7.5.2024, 4 U 252/22, Tz. 48 f

Der Streitgegenstand wird durch den Klageantrag bestimmt, in dem sich die vom Kläger in Anspruch genommene Rechtsfolge konkretisiert, und den Lebenssachverhalt (Klagegrund), aus dem der Kläger die begehrte Rechtsfolge herleitet (vgl. BGHZ 154, 342 [347f.] = GRUR 2003, 716 - Reinigungsarbeiten, m.w.N.). Bei einem wettbewerbsrechtlichen Unterlassungsantrag besteht die begehrte Rechtsfolge in dem Verbot gerade der bestimmten – als rechtswidrig angegriffenen – Verhaltensweise (Verletzungsform), die der Kläger in seinem Antrag sowie seiner zur Antragsauslegung heranzuziehenden Klagebegründung festgelegt hat (vgl. BGH, GRUR 1999, 272 [274] = WRP 1999, 183 - Die Luxusklasse zum Nulltarif). Die so umschriebene Verletzungsform bestimmt und begrenzt damit den Inhalt des Klagebegehrens.

Eine Abwandlung der Verletzungsform, auf die sich der Verbotsausspruch nach dem Willen des Klägers beziehen soll, ändert dementsprechend den Streitgegenstand und setzt deshalb einen entsprechenden Antrag des Klägers voraus. Dies gilt ebenso, wenn eine im Antrag umschriebene Verletzungsform durch Einfügung zusätzlicher Merkmale in ihrem Umfang auf Verhaltensweisen eingeschränkt wird, deren Beurteilung die Prüfung weiterer Sachverhaltselemente erfordert, auf die es nach dem bisherigen Antrag nicht angekommen wäre. Ein in dieser Weise eingeschränkter Antrag ist zwar gedanklich, nicht aber prozessual ein Minus, weil seine Begründung nunmehr von tatsächlichen Voraussetzungen abhängt, die zuvor nicht zum Inhalt des Antrags erhoben worden waren (vgl. BGH, Urteil vom 29. 6. 2006 - I ZR 235/03 – Anschriftenliste, GRUR 2006, 960, beck-online, Rn. 15 f. m.w.N.; Fezer/Büscher/Obergfell/Büscher, 3. Aufl. 2016, UWG § 12 Rn. 281).

BGH, Urt. v. 29.6.2006, I ZR 235/03, Ls. – Anschriftenliste

Dies gilt ebenso, wenn eine im Unterlassungsantrag umschriebene Verletzungsform durch Einfügung zusätzlicher Merkmale in ihrem Umfang auf Verhaltensweisen eingeschränkt wird, deren Beurteilung die Prüfung weiterer Sachverhaltselemente erfordert, auf die es nach dem bisherigen Antrag nicht angekommen wäre. Ein in dieser Weise eingeschränkter Antrag ist zwar gedanklich, nicht aber prozessual (im Sinne des § 264 Nr. 2 ZPO) ein Minus, weil seine Begründung nunmehr von tatsächlichen Voraussetzungen abhängt, die zuvor nicht zum Inhalt des Antrags erhoben worden waren.

OLG Köln, Urt. v. 6.6.2012, 6 U 60/11, Tz. 17

Indem der Kläger bestimmte Merkmale des angegriffenen Verhaltens in die von ihm umschriebene Verletzungsform aufnimmt, begrenzt er zugleich den Entscheidungsumfang des Gerichts (§ 308 Abs. 1 S. 1 ZPO). Die Abwandlung der Verletzungsform ändert den Streitgegenstand in dieser Konstellation auch dann, wenn sie durch Einfügen oder Weglassen von Merkmalen auf Verhaltensweisen bezogen wird, deren Beurteilung die Prüfung von Sachverhaltselementen erfordert, auf die es nach dem bisherigen Antrag nicht ankam; denn darin liegt nur gedanklich, nicht aber prozessual (im Sinne des § 264 Nr. 2 ZPO) eine schlichte Beschränkung oder Erweiterung der Klage (vgl. BGHZ 168, 179 = GRUR 2006, 960 = WRP 2006, 1247 [Rn. 16] – Anschriftenliste; BGH, GRUR 2008, 1121 = WRP 2008, 1516 [Rn. 25] – Freundschaftswerbung im Internet).

OLG Köln, Urt. v. 28.6.2013, 6 U 183/12, Tz. 15 - Mikado-Keksstift

Im Unterschied zum ursprünglichen Klageantrag wird die als rechtswidrig angegriffene Verhaltensweise (Verletzungsform), die den Inhalt des Klagebegehrens bestimmt und begrenzt, im neuen Hauptantrag nicht mehr durch die (mit der Formulierung "wie nachstehend wiedergegeben" in Bezug genommenen) Abbildungen einer Umverpackung und eines Kekses, sondern nur noch durch die Abbildung des Kekses konkretisiert. Eine solche Abwandlung der Verletzungsform ändert den Streitgegenstand auch bei gleichem Lebenssachverhalt, insofern das Weglassen (oder Hinzufügen) zusätzlicher konkretisierender Merkmale im Antrag einen anderen Ausschnitt dieses Sachverhalts als bisher zur Beurteilung stellt und in den erstrebten Vollstreckungstitel einbezieht; denn darin liegt nur gedanklich, nicht aber prozessual (im Sinne des § 264 Nr. 2 ZPO) eine schlichte Erweiterung (oder Beschränkung) der Klage.

Unklar ist die Rechtslage, wenn im Laufe des Gerichtsverfahrens weitere Verletzungshandlungen eingeführt werden.

OLG Köln, Urt. v. 8.5.201, 6 U 137/1, Tz. 34

Es ist streitig, inwieweit die Einführung weiterer Verletzungshandlungen ohne Änderung des Klageantrags auch dann zu einer Änderung des Streitgegenstands führt, wenn sich aus den nachgeschobenen Verletzungsfällen dieselbe Verletzungsform ergibt (so BGHZ 166, 253 = GRUR 2006, 421 Tz. 26 – Markenparfümverkäufe; kritisch Köhler, in: Köhler/Bornkamm, UWG, § 12 Rn. 2.29).

Insoweit ist schon zweifellhaft, ob der BGH an seiner Entscheidung Markenparfumverkäufe mit ihrer sehr atomistischen Sichtweise des Streitgegenstands noch festhält. Siehe dazu auch hier.