Ihr Rechtsanwalt im Wettbewerbsrecht
Dr. Hermann-Josef Omsels*

Eine Darstellung des Gesetzes gegen den unlauteren Wettbewerb und wettbewerbsrechtlicher Nebengesetze



 


 

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(2) Unberechtigte Schutzrechtsverwarnungen

1. Wann ist eine Schutzrechtsverwarnung unberechtigt?

2. Eingriff in den eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrie

a. Betriebsbezogenheit des Eingriffs

b. Rechtswidrigkeit des Eingriffs

i. Gesonderte Rechtswidrigkeitsprüfung erforderlich?

ii. Unterscheidung zwischen Hersteller und Abnehmerverwarnung?

3. Schutzrechtsverwarnungen als gezielte Behinderung

4. Verwarnungsähnliche Schutzrechtshinweise

5. Streitgegenstand

Wann ist eine Schutzrechtsverwarnung unberechtigt?

Eine Schutzrechtsverwarnung kann unberechtigt sein, weil das Schutzrecht (Patent, Marke, Urheberrecht, u.a.)

  • nicht, noch nicht oder nicht mehr besteht oder

  • löschungsreif ist oder
  • nicht den vom Verwarnenden behaupteten Inhalt hat oder
  • das abgemahnte Verhalten nicht erfasst.

KG, Beschl. v. 12.5.2022, 5 U 139/19, Tz. 113

Unberechtigt ist die Anzeige einer Schutzrechtsverletzung, wenn der zugrundeliegende Anspruch tatsächlich nicht gegeben ist (vgl. BGH, Urt. v. 11.1.2018, I ZR 187/16, Tz. 70 - Ballerinaschuh). Dies ist dann der Fall, wenn das behauptete Recht im Zeitpunkt der Verwarnung nicht (mehr) besteht oder wenn es zwar besteht, aber nicht verletzt wurde oder wenn die behaupteten Ansprüche aus dem verletzten Recht nicht hergeleitet werden können (vgl. Köhler in: Köhler/Bornkamm/Feddersen, UWG, 40. Aufl. 2022, § 4 Rn. 4.170). Maßgebend ist die objektive Rechtslage. Auf den guten Glauben des (vermeintlichen) Schutzrechtsinhabers kommt es nicht an (vgl. BGH, Urt. v. 05.11.1962, I ZR 39/61 – Kindernähmaschinen; Köhler in: Köhler/Bornkamm/Feddersen, UWG, 40. Aufl. 2022, § 4 Rn. 4.170).

Daraus folgt, dass auch eine Verwarnung aus einem Schutzrecht, das zum Zeitpunkt der Verwarnung besteht, unberechtigt ist, wenn das Schutzrecht später rückwirkend entzogen wird.

BGH, Urt. v. 21.12.2005, X ZR 72/04, Tz. 16 - Detektionseinrichtung II

Vollständige oder teilweise Nichtigerklärung des Patents wirken gegenüber jedermann auf den Zeitpunkt der Anmeldung der Erfindung zum Patent zurück. Sie haben zur Folge, dass Unterlassungs- und Schadensersatzansprüche in dem Umfang, in dem das Patent widerrufen oder für nichtig erklärt worden ist, von Anfang an nicht bestehen. Daraus ergibt sich, dass die Rechtsstellung, die durch ein Patent erlangt wird, das in dem für nichtig erklärten Umfang nicht hätte erteilt werden dürfen, dem Patentinhaber von Gesetzes wegen bereits anfänglich nicht zusteht. Dem Patentinhaber erwächst durch den Bestand eines zu Unrecht erteilten Patents auch keine geschützte Rechtsstellung. Im Ergebnis ist die Rechtslage daher nicht anders als in dem Fall, dass sich die einstweilige Verfügung als von Anfang an ungerechtfertigt erweist. Das ist aber gerade einer der in § 945 ZPO geregelten Fälle.

Streitig ist, ob eine Verwarnung aus § 4 Nr. 3 UWG (lauterkeitsrechtlicher Nachahmungsschutz, vormals ergänzender wettbewerblicher Leistungsschutz genannt) eine Schutzrechtsverwarnung ist (so Köhler in Köhler/Bornkamm, UWG, § 4, Rdn. 10.169 (unter Verweis auf OLG Frankfurt GRUR 1990, 642; OLG Stuttgart GRUR-Prax 2009, 66); Omsels in Harte/Henning, § 4 Nr. 10, Rdn. 181 gegen Bornkamm in Köhler/Bornkamm, UWG, § 12, Rdn. 1.70). Zuletzt

OLG Köln, Urt. v. 10.8.2012, 6 U 17/12, II.a

Die Grundsätze der Rechtsprechung, nach der eine ungerechtfertigte Schutzrechtsverwarnung regelmäßig rechtswidrig ist und Ansprüche aus § 823 Abs. 1 BGB auslösen kann, … lassen sich nicht auf Abmahnungen wegen wettbewerbsrechtlicher Ansprüche übertragen, weil mit diesen die mit der Schutzrechtsverwarnung typischerweise verbundenen weit­reichenden Beeinträchtigungen regelmäßig nicht einhergehen.

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Eingriff in den eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb

Unberechtigte Schutzrechtsverwarnungen gelten als unzulässig und können als Eingriff in den eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb angesehen werden, der als "Sonstiges Recht" in § 823 Abs. 1 BGB geschützt ist. Die Abnehmerverwarnung greift auch in das Recht am eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb des Herstellers der Lieferanten ein.

BGH, Versäumnisurt. v. 1.12.2015, X ZR 170/12 - Unberechtigte Schutzrechtsverwarnung II

In der Rechtsprechung ist anerkannt, dass die unberechtigte Verwarnung aus einem gewerblichen Schutzrecht unter dem Gesichtspunkt eines rechtswidrigen und schuldhaften Eingriffs in das Recht am eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb zum Schadensersatz verpflichten kann. Dem liegt die Erwägung zugrunde, dass der notwendige Ausgleich zwischen dem durch Art. 14 GG verfassungsrechtlich geschützten Interesse des Schutzrechtsinhabers, sein Recht geltend machen zu können, und dem gleichfalls durch das Grundgesetz geschützten Interesse des Wettbewerbs, sich außerhalb des Schutzbereichs bestehender Rechte unter Beachtung der Gesetze frei entfalten zu können, nicht mehr wirksam gewährleistet wäre, wenn es dem Schutzrechtsinhaber gestattet wäre, Schutz in einem Umfang zu beanspruchen, der ihm nicht zusteht, und wenn er den wirtschaftlichen Nutzen aus einer schuldhaften Verkennung des Umfangs des ihm zustehenden Schutzes ziehen dürfte, ohne für einen hierdurch verursachten Schaden seiner Mitbewerber einstehen zu müssen (BGH, Beschl. v. 15.7.2005, GSZ 1/04, Tz. 15 - Unberechtigte Schutzrechtsverwarnung).

Ebenso BGH, Urt. v. 7.7.2020, X ZR 42/17, Tz. 17 – Unberechtigte Schutzrechtsverwarnung III; BGH, Urt. v. 11.1.2018, I ZR 187/16, Tz. 70 - Ballerina SchuhOLG Düsseldorf, Urt. v. 12.4.2018, 20 U 153/17, Tz. 49

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Betriebsbezogenheit des Eingriffs

BGH, Urt. v. 19.1.2006, I ZR 217/03, Tz. 18 - Unbegründete Abnehmerverwarnung

Bei der unberechtigten Abnehmerverwarnung ergibt sich die Unmittelbarkeit des Eingriffs in den Geschäftsbetrieb des Herstellers oder Lieferanten schon daraus, dass sie dessen Absatz beeinträchtigen kann. Denn der abgemahnte Abnehmer wird häufig, zumal wenn er auf Konkurrenzprodukte oder andere Lieferanten ausweichen kann, geneigt sein, sich der Verwarnung zu beugen, um damit den mit einem Rechtsstreit verbundenen Nachteilen aus dem Wege zu gehen. Bereits die darin liegende Gefahr stellt - unabhängig davon, ob sich der unberechtigt verwarnte Abnehmer fügt oder nicht - eine unmittelbare Beeinträchtigung des Gewerbebetriebs des Herstellers und des Lieferanten dar.

Ebenso OLG Hamburg, Urt. v. 12.6.2020, 3 U 107/18

BGH, Urt. v. 7.7.2020, X ZR 42/17, Tz. 17 – Unberechtigte Schutzrechtsverwarnung III

Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs kann die unberechtigte Verwarnung aus einem gewerblichen Schutzrecht unter dem Gesichtspunkt eines rechtswidrigen und schuldhaften Eingriffs in das Recht am eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb zum Schadensersatz verpflichten.  Richtet sich die Verwarnung an Abnehmer der beanstandeten Waren, kann ein entsprechender Anspruch auch einem Hersteller zustehen, der die Abnehmer beliefert.

s.a. BGH, Urt. v. 7.7.2020, X ZR 42/17, Tz. 31 – Unberechtigte Schutzrechtsverwarnung III

ABER:

BGH, Urt. v. 7.7.2020, X ZR 42/17, Tz. 32 – Unberechtigte Schutzrechtsverwarnung III

Soweit die an einen Abnehmer gerichtete Schutzrechtsverwarnung unberechtigt ist, liegt darin kein Eingriff in das Recht am eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb des Herstellers, wenn ihr insoweit die Eignung fehlt, dessen Geschäftstätigkeit zu beeinträchtigen.

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Rechtswidrigkeit des Eingriffs

BGH, GSZ, Beschl. v. 15.7.2005, GSZ 1/04, B.II - Unberechtigte Schutzrechtsverwarnung

Die unberechtigte Schutzrechtsverwarnung kann einen rechtswidrigen Eingriff in eine nach § 823 Abs. 1 BGB geschützte Rechtsposition sowohl des Verwarnten als auch desjenigen Gewerbetreibenden darstellen, dessen Kundenbeziehungen durch die unberechtigte Geltendmachung eines Ausschließlichkeitsrechts gegenüber dem verwarnten Abnehmer schwerwiegend beeinträchtigt werden.

…  Das dem Schutzrechtsinhaber verliehene Ausschließlichkeitsrecht schließt jeden Wettbewerber von der Benutzung des nach Maßgabe der jeweiligen gesetzlichen Vorschriften definierten Schutzgegenstandes aus. Diese einschneidende, die Freiheit des Wettbewerbs begrenzende Wirkung des Ausschließlichkeitsrechts verlangt nach einem Korrelat, welches sicherstellt, dass der Wettbewerb nicht über die objektiven Grenzen hinaus eingeschränkt wird, durch die das Gesetz den für schutzfähig erachteten Gegenstand und seinen Schutzbereich bestimmt.

Dieser notwendige Ausgleich zwischen dem durch Art. 14 GG verfassungsrechtlich geschützten Interesse des Schutzrechtsinhabers, sein Recht geltend machen zu können, und dem gleichfalls jedenfalls als Ausfluss der allgemeinen Handlungsfreiheit durch das Grundgesetz geschützten Interesse des Wettbewerbs, sich außerhalb des Schutzbereichs bestehender Rechte unter Beachtung der Gesetze frei entfalten zu können, wäre nicht mehr wirksam gewährleistet, wenn es dem Schutzrechtsinhaber gestattet wäre, aus einem Schutzrecht Schutz in einem Umfang zu beanspruchen, der ihm nicht zusteht, und wenn er den wirtschaftlichen Nutzen aus einer schuldhaften Verkennung des Umfangs des ihm zustehenden Schutzes ziehen dürfte, ohne für einen hierdurch verursachten Schaden seiner Mitbewerber einstehen zu müssen.

KG, Beschl. v. 12.5.2022, 5 U 139/19, Tz. 101

Ist eine gegenüber dem Mitbewerber oder seinen Abnehmern ausgesprochene Schutzrechtsverwarnung unberechtigt, weil der geltend gemachte Unterlassungsanspruch mangels Verletzung des vom Verwarnenden für sich in Anspruch genommenen Schutzrechtes nicht besteht (vgl. BGH, Urt. v. 11.1.2018, I ZR 187/16, Tz. 70 - Ballerinaschuh), sind die objektiven Grenzen überschritten, die das Gesetz dem freien Wettbewerb durch das dem Schutzrechtsinhaber verliehene Ausschließlichkeitsrecht setzt, das nur für einen für schutzfähig erachteten Gegenstand und im Rahmen des für diesen geltenden Schutzbereichs beansprucht werden kann (vgl. BGH, Urt. v. 15.1.2009, I ZR 123/06, Tz. 17f – Fräsautomat). Der notwendige Ausgleich zwischen dem durch Art. 14 GG verfassungsrechtlich geschützten Interesse des Schutzrechtsinhabers, sein Recht geltend machen zu können, und dem gleichfalls jedenfalls als Ausfluss der allgemeinen Handlungsfreiheit durch das Grundgesetz geschützten Interesse des Wettbewerbs, sich außerhalb des Schutzbereichs bestehender Rechte unter Beachtung der Gesetze frei entfalten zu können, führt dazu, dass es dem Schutzrechtsinhaber grundsätzlich nicht gestattet ist, aus einem Schutzrecht in einem Umfang Schutz zu beanspruchen, der ihm nicht zusteht, sowie dazu, dass er dem zu Unrecht in Anspruch genommenen für einen hierdurch entstandenen Schaden einzustehen haben kann (vgl. BGH, Beschl. v. 15.7.2005, GSZ 1/04, BGHZ 164, 1-11, Tz. 15f – Unberechtigte Schutzrechtsverwarnung I).

OLG Düsseldorf, Beschl. v. 15.9.2011, 2 W 58/11, Tz. 19

Schutzrechtsverwarnungen sind zu beanstanden, wenn sie sich mangels eines besonderen Rechts oder wegen Fehlens einer Rechtsverletzung als unbegründet erweisen oder sie wegen ihres sonstigen Inhalts oder ihrer Form nach als unzulässig zu beurteilen sind. Bei der gebotenen Abwägung der beiderseitigen Interessen ist, wenn der Schutzrechtsinhaber sein vermeintliches Recht nicht gegenüber seinem unmittelbaren Wettbewerber, sondern gegenüber dessen Abnehmern geltend macht (sog. Abnehmerverwarnung), die damit verbundene besondere Gefährdung der Kundenbeziehungen des betroffenen Mitbewerbers zu seinen Abnehmern zu berücksichtigen (BGH, GRUR 2009, 878, 880 – Fräsautomat).

Zu einer Schutzrechtsverwarnung, die über den Unterlassungsanspruch inhaltlich hinausgeht:

OLG Frankfurt, Teilurt. v. 9.3.2017, 6 U 161/11

In einer ... "überschüssigen" Schutzrechtsverwarnung liegt kein Eingriff in das Recht am eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb der Klägerin. ... Eine Schadensersatzpflicht kommt nicht in Betracht, wenn der nicht rechtswidrige Teil der Verwarnung genau die gleiche Wirkung gehabt hätte (vgl. auch OLG Hamburg, Urt. v. 29.4.2010, 3 U 192/08, S. 8).

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Gesonderte Rechtswidrigkeitsprüfung erforderlich?

Lange Zeit wurde angenommen, dass die Rechtswidrigkeit eines Eingriffs in den eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb durch eine unberechtigte Schutzrechtsabmahnung nicht gesondert festgestellt werden muss, obwohl dies bei sonstigen Eingriffen in dieses Recht stets verlangt wurde. Jedenfalls der I. Zivilsenat des BGH, der u.a. für das UWG, das Markenrecht, das Urheberrecht und das Geschmacksmusterrecht zuständig ist, hält mittlerweile eine gesonderte Rechtswidrigkeitsprüfung für erforderlich. Ob dies auch der X. Zivilsenat so sieht, der u.a. für Patent- und Gebrauchsmusterstreitigkeiten zuständig ist, ist noch offen.

BGH, Urt. v. 19.1.2006, I ZR 98/02, Tz. 23 - Verwarnung aus Kennzeichenrecht II

Das Recht am eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb ist ein offener Tatbestand, dessen Inhalt und Grenzen sich erst aus einer Interessen- und Güterabwägung mit der im Einzelfall konkret kollidierenden Interessensphäre anderer ergeben. Die Rechtswidrigkeit eines Eingriffs wird nicht indiziert, sondern ist in jedem Einzelfall unter Heranziehung aller Umstände zu prüfen.

Der Beschluss des Großen Senats für Zivilsachen (BGH, GSZ, Beschl. v. 15.7.2005, GSZ 1/04, B.II - Unberechtigte Schutzrechtsverwarnung) legt die Annahme nahe, dass dies auch bei einem unbegründeten Vorgehen aus einem Schutzrecht gilt. So wird darin dargelegt, weshalb für unbegründete Klagen aus einem Schutzrecht, die fahrlässig erhoben worden sind, anders als für eine unbegründete Verwarnung grundsätzlich nicht nach dem Recht der unerlaubten Handlung gehaftet wird. Danach können, je nachdem, ob in der Form einer Verwarnung oder einer Klage unbegründet aus dem Schutzrecht vorgegangen wird, bei der Anwendung des § 823 BGB unterschiedliche Abwägungsgesichtspunkte zum Tragen kommen. Dies spricht dafür, dass auch ein unbegründetes Vorgehen aus einem Schutzrecht nicht ohne weiteres, sondern erst auf Grund einer Interessen- und Güterabwägung als rechtswidrig beurteilt werden soll.

BGH, Urt. v. 19.1.2006, I ZR 217/03, Tz. 20 - Unbegründete Abnehmerverwarnung

Die Frage, ob sich die Rechtswidrigkeit schon daraus ergibt, dass die Verwarnungen unberechtigt waren, oder ob sie erst auf Grund einer Abwägung der im Einzelfall gegenüberstehenden Interessen und Güter festgestellt werden kann, weil es sich bei dem Eingriff in den eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb um einen offenen Tatbestand handelt, kann dahingestellt bleiben (zur Interessenabwägung im Hinblick auf die Privilegierung gerichtlicher Verfahren vgl. BGH, GSZ, Beschl. v. 15.7.2005, GSZ 1/04, B.II - Unberechtigte Schutzrechtsverwarnung). Denn auch bei Abwägung der im vorliegenden Fall widerstreitenden Belange ist wegen der überwiegenden schützenswerten Interessen der Klägerin die Rechtswidrigkeit zu bejahen.

Dem Interesse der Beklagten, zur Verteidigung ihrer Markenrechte und zur Aufrechterhaltung ihres Vertriebssystems gegen (vermeintliche) Markenverletzungen durch Abnehmer vorzugehen, deren Lieferanten sie nicht kennt, steht das Interesse der Beklagten gegenüber, einem unter Umständen sogar existenzgefährdenden Eingriff in ihre Kundenbeziehungen durch die unberechtigte Geltendmachung von Ausschließlichkeitsrechten gegenüber ihren Abnehmern entgegenzutreten.

KG, Beschl. v. 12.5.2022, 5 U 139/19, Tz. 103

Die anzustellende Güter- und Interessenabwägung (vgl. Köhler in Köhler/Bornkamm/Feddersen, UWG; 40. Aufl. 2022, § 4 Rn. 4.180; Omsels in: Harte-Bavendamm/Henning-Bodewig, UWG, 5. Aufl. 2021, § 4 Rn. 496; Wille in: Büscher, UWG, 2. Aufl. 2021, § 4 Nr. 4 Rn. 122) führt insbesondere bei der Abnehmerverwarnung regelmäßig dazu, dass eine unberechtigte Schutzrechtsverwarnung als rechtswidrig einzustufen ist. Bei einer Abnehmerverwarnung besteht die begründete Gefahr, dass die Abnehmer insbesondere dann, wenn sie auf ein anderes Produkt ausweichen können, kein Interesse an einer eigenen sachlichen Auseinandersetzung mit dem Verwarner haben und sich der Verwarnung daher auch ohne nähere Prüfung ihrer Berechtigung beugen und künftig von einem weiteren Bezug des als rechtsverletzend beanstandeten Produktes Abstand nehmen. Hinzukommt, dass zwischen dem Verwarnenden und dem verwarnten Abnehmer nicht selten ein Informationsgefälle besteht, aufgrund dessen es dem Abnehmer nicht ohne weiteres möglich ist, zuverlässig zu beurteilen, ob die behauptete Schutzrechtsverletzung tatsächlich gegeben ist. Die Abnehmerverwarnung ist daher in besonderem Maße dazu geeignet, eine Störung bestehender Vertriebswege und Absatzbemühungen und einen unter Umständen existenzgefährdenden Eingriff in bestehende Kundenbeziehungen zu begründen.

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Unterscheidung zwischen Hersteller und Abnehmerverwarnung?

Wenn mit dem I. Zivilsenat davon ausgegangen wird, dass beim Eingriff in den eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb die Rechtswidrigkeit gesondert festgestellt werden muss, ist die Abnehmerverwarnung eher rechtswidrig als die Herstellerverwarnung.

Der Abnehmer einer Ware ist weit eher geneigt, einer Verwarnung nachzugeben als der Hersteller. Der Abnehmer hat ein wesentlich geringeres Interesse an einem Streit mit einem möglichen Schutzrechtsinhaber und kann meist auf andere Waren umsteigen, mit denen es keinen Ärger gibt.

Der Verwarner könnte die Auseinandersetzung auch unmittelbar mit dem Hersteller führen. Verwarnt er (auch) den Abnehmer muss er hinsichtlich der Angemessenheit seines Vorgehens besondere Vorsicht walten lassen.

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Schutzrechtsverwarnungen als gezielte Behinderung

Ansprüche aus einer unberechtigten Schutzrechtsverwarnung werden in der Praxis meist aus einem rechtswidrigen Eingriff in den eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb hergeleitet. Da Schutzrechtsverwarnungen aber auch geschäftliche Handlungen im Sinne des UWG sind und das Wettbewerbsverhältnis schon daraus folgt, dass Verwarner und Verwarnter in der Regel dieselben oder ähnliche Produkte vertreiben, nämlich die dem Schutzrecht angeblich unterfallenden Produkte, ist auch der Anwendungsbereich des UWG eröffnet. Die unberechtigte Schutzrechtsverwarnung kann deshalb auch eine gezielte Behinderung im Sinne des § 4 Nr. 4 UWG sein, und zwar bei einer Abnehmerverwarnung auch eine gezielte Behinderung des Herstellers oder Lieferanten des Ware (vgl. Köhler in Köhler/Bornkamm, § 4 UWG, Rdn. 10.176a).

KG, Beschl. v. 12.5.2022, 5 U 139/19, Tz. 104

Im Verhältnis zwischen Mitbewerbern kann eine unberechtigte Schutzrechtsverwarnung, die nach den von der Rechtsprechung hierzu entwickelten Grundsätzen einen Eingriff in das Recht am eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb darstellt, auch den Tatbestand der unlauteren Mitbewerberbehinderung gemäß § 4 Nr. 4 UWG erfüllen, wobei im Streitfall offenbleiben kann, ob insoweit vorrangig auf die lauterkeitsrechtliche Spezialnorm zurückzugreifen ist oder ob insoweit Anspruchskonkurrenz besteht (vgl. Omsels in: Harte-Bavendamm/Henning-Bodewig, UWG, 5. Aufl. 2021, § 4 Rn. 496; Wille in: Büscher, UWG, 2. Aufl. 2021, § 4 Nr. 4 Rn. 126; Köhler in: Köhler/Bornkamm/Feddersen, UWG, 40. Aufl. 2022, § 4 Rn. 4.176a; vgl. ferner OLG Düsseldorf, Urteil vom 12. April 2018 – I-20 U 153/17, Rn. 36, juris – Hang Tag Think Green). Für die Prüfung der Unlauterkeit der durch eine unberechtigte Schutzrechtsverwarnung ausgelösten Betriebsstörung sind im Ausgangspunkt dieselben Maßstäbe wie bei der Beurteilung der Rechtswidrigkeit des Eingriffs in den eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb anzulegen (vgl. BGH, Urteil vom 15. Januar 2009 – I ZR 123/06, Rn. 17f, juris – Fräsautomat; Omsels in: Harte-Bavendamm/Henning-Bodewig, UWG, 5. Aufl. 2021, § 4 Rn. 496).

Die Unterschiede beider rechtlicher Anspruchsgrundlagen sind zu beachten. Ansprüche aus einer Verletzung des Rechts am eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb verjähren erst in drei Jahren, Ansprüche aus dem UWG in sechs Monaten. Fehlverhalten Dritter wird dem Geschäftsherrn im UWG ergänzend über § 8 Abs. 2 UWG zugerechnet. Sonstige Sonderregelungen im UWG gelten ebenfalls nur für die wettbewerbsrechtlichen Ansprüche.

Bei der Schutzrechtsverwarnung als gezielte Behinderung findet keine eigene Rechtswidrigkeitsprüfung statt. Die Kriterien, die bei der Rechtswidrigkeitsprüfung im Rahmen des Eingriffs in das Recht am eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb herangezogen werden, sind aber bei der Prüfung der gezielten Behinderung ebenfalls relevant. Eine unberechtigte, wen auch nicht rechtswidrige Schutzrechtsverwarnung dürfte im Regelfall auch nicht unlauter, die Behinderung nicht ‚gezielt‘ sein.

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Verwarnungsähnliche Schutzrechtshinweise

Hinweise eines vermeintlichen Rechtsinhabers oder eines Dritten, z.B. eines Verbands aif ein Schutzrecht, dass vom Adressaten zu beachten ist oder von anderen Wettbewerbern verletzt wird, können ebenfalls eine gezielte Behinderung darstellen. Das gilt insbesondere, wenn sie gegenüber (potentiellen) Abnehmern oder Nutzern erfolgen, die durch die Nutzung selber eine Rechtsverletzung begehen können. Sie lassen sich von der Gefahr, eine Rechtsverletzung zu unterstützen oder vielleicht sogar selber zu begehen, durch derartige Hinweise leicht beeindrucken und kaufen im Zweifel bei einem anderen.

BGH, Urt. v. 15.1.2009, I ZR 123/06 - Fräsautomat

Weist ein Fachverband, dem Schlüsselhersteller als Mitglieder angehören, potentielle Hersteller einer Maschine, mit der Schlüsselprofile gefräst werden können (Fräsautomat), darauf hin, dass die Verwendung des Fräsautomaten Patent- und Markenrechte seiner Mitglieder verletzen könne, so kann darin eine unlautere Mitbewerberbehinderung liegen, wenn mit dem Fräsautomaten zwar in einem nennenswerten Umfang auch das Prägen nicht geschützter Profile möglich ist, der Hinweis wegen seines pauschalen Inhalts aber Interessenten dazu veranlassen kann, sicherheitshalber von dem Erwerb der Maschine Abstand zu nehmen.

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Streitgegenstand

OLG Düsseldorf, Urt. v. 12.4.2018, 20 U 153/17, Tz. 41

§ 823 Abs. 1 BGB i.V.m. § 1004 BGB analog und § 4 Nr. 4 UWG … unterliegen keiner durch eine Verselbständigung der einzelnen Lebensvorgänge erkennbar unterschiedlichen Ausgestaltung, vielmehr werden beide im Kern darauf gestützt, dass eine unberechtigte Schutzrechtsverwarnung vorliegt. Der Umstand, dass sich die Anspruchsgrundlagen in einzelnen Merkmalen unterscheiden, beispielsweise für den lauterkeitsrechtlichen Anspruch die Sonderregelung des § 12 UWG zu berücksichtigen ist, steht dieser Einschätzung nicht entgegen. Vielmehr sind solche Unterschiede auch für andere geläufige Konstellationen einer streitgegenstandsidentischen Anspruchskonkurrenz typisch und begründen im Regelfall keine unterschiedlichen Streitgegenstände, sofern die Haftung maßgeblich auf dasselbe Tatgeschehen gestützt wird. Auch der Umstand, dass die Schutzrechtsverwarnung ihrerseits auf mehrere Schutzrechte gestützt wurde, führt jedenfalls vorliegend nicht dazu, dass von mehreren Streitgegenständen auszugehen ist, wobei dahinstehen kann, ob es Fallgestaltungen geben mag, in denen trotz einheitlicher Schutzrechtsverwarnung von mehreren Streitgegenständen auszugehen ist. Mehrere Streitgegenstände liegen zwar ohne weiteres vor, wenn ein Kläger/Antragsteller aus mehreren Schutzrechten auf Unterlassung vorgeht (BGH GRUR 2012, 630 Rn. 14 – Converse II; BGH GRUR 2013, 397 Rn. 13 – Peek&Cloppenburg III). Von einer unberechtigten Schutzrechtsverwarnung ist im Streitfall aber nur dann auszugehen, wenn keines der angeführten Schutzrechte die begehrte Unterlassung rechtfertigt. Entsprechend ist es der Antragstellerin gar nicht möglich, ihren Unterlassungsanspruch allein damit zu begründen, eines der angeführten Schutzrechte sei nicht verletzt, sie muss sich vielmehr mit allen im Rahmen der Abmahnung angeführten Schutzrechten auseinandersetzen, was die Annahme nur eines Streitgegenstandes bedingt.

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