Lauterkeitsrechtlicher Nachahmungsschutz
Unlauter handelt, wer
wer Waren oder Dienstleistungen anbietet, die eine Nachahmung der Waren oder Dienstleistungen eines Mitbewerbers sind, wenn er
a) eine vermeidbare Täuschung der Abnehmer über die betriebliche Herkunft herbeiführt,
b) die Wertschätzung der nachgeahmten Ware oder Dienstleistung unangemessen ausnutzt oder beeinträchtigt oder
c) die für die Nachahmung erforderlichen Kenntnisse oder Unterlagen unredlich erlangt hat.
Literatur: Büscher, Wolfgang, Neuere Entwicklungen im wettbewerbsrechtlichen Leistungssschutz, GRUR 2018, 1
In § 4 Nr. 3 UWG ist der lauterkeitsrechtliche Nachahmungsschutz (vormals ergänzender wettbewerbsrechtlicher Leistungsschutz genannt) verankert. Die Vorschrift ist im deutschen Recht eine der zentralen Anspruchsgrundlagen gegen Produktnachahmungen. Die Vorschrift flankiert mögliche Ansprüche aus dem Urheberrechtsgesetz, Designgesetz, dem Markengesetz, der Gemeinschaftsgeschmacksmusterverordnung und der Gemeinschaftsmarkenverordnung. Wenn derartige Ansprüche wegen des Fehlens eines Schutzrechts ausscheiden, kommt im Falle einer Produktnachahmung – von der sehr eng umgrenzten Ausnahme eines Rückgriffs auf § 3 Abs. 1 UWG und eines möglichen Anspruchs aus § 5 Abs. 2 UWG – nur ein Anspruch aus § 4 Nr. 3 UWG in Betracht.
BGH, Urt. v. 26.1.2023, I ZR 15/22, Tz. 13 - KERRYGOLD
Ansprüche aus wettbewerbsrechtlichem Leistungsschutz dienen vorrangig dem Schutz individueller Leistungen und daneben dem Interesse der Allgemeinheit an einem unverfälschten Wettbewerb.
Ebenso OLG Hamburg, Urt. v. 12.10.2023, 5 U 104/22, Tz. 88
Jedoch:
BGH, Urt. v. 2.12.2015, I ZR 176/14, Tz. 22 – Herrnhuter Sterne
Schutzgegenstand des wettbewerbsrechtlichen Leistungsschutzes ist nicht ein bestimmtes Individualgut oder das Leistungsergebnis als solches, sondern die Abwehr von Verhaltensunrecht in Form der unlauteren Art und Weise, wie eine fremde Leistung zu Wettbewerbszwecken - etwa durch Herbeiführung einer vermeidbaren betrieblichen Herkunftstäuschung - nachgeahmt wird.
Ebenso OLG Köln, Urt. v. 24.7.2020, 6 U 298/19, Tz. 61
Wettbewerbsrechtliche Ansprüche richten sich stets nur gegen das Angebot und die Verbreitung rechtswidrig hergestellter Produkte und nicht auch z.B. gegen die Herstellung.
BGH, Urt. v. 6.5.1999, I ZR 199/96, II.2.c.aa – Tele-Info-CD
Im Rahmen des wettbewerbsrechtlichen Leistungsschutzes kann lediglich die Verbreitung (sowie das hierzu zählende Feilhalten und Bewerben), nicht dagegen die Herstellung untersagt werden (BGH, Urt. v. 23.10.1981, I ZR 62/79, GRUR 1982, 305, 308 - Büromöbelprogramm; Urt. v. 14.4.1988, I ZR 99/86, GRUR 1988, 690, 693 - Kristallfiguren; GRUR 1996, 210, 212 - Vakuumpumpen; Urt. v. 14.1.1999, I ZR 203/96 - Güllepumpen).
Der Grund dafür liegt darin, dass es in § 4 Nr. 3 UWG nach der Rechtsprechung und der ganz herrschenden Auffassung in der Literatur letztlich doch um Verhaltensunrecht geht. § 4 Nr. 3 UWG verleiht - im Gegensatz zu anderen 'echten' Schutzrechten - kein Ausschließlichkeitsrecht. Dennoch sind die Rechtsfolgen einer Verletzung der Vorschrift den Rechtsfolgen bei der Verletzung eines Ausschließlichkeitrecht (Dreifache Schadenersatzberechnung, Bereicherungsanspruch) angenähert.
Bis zur UWG-Reform 2015 fand sich die Verbotsbestimmung in § 4 Nr. 9 UWG. Durch die Verschiebung nach § 4 Nr. 3 UWG hat sich die Rechtslage nicht geändert.
BGH, Urt. v. 15.12.2016, I ZR 197/15, Tz. 16 - Bodendübel
Der bisher in § 4 Nr. 9 Buchst. a bis c UWG aF geregelte wettbewerbsrechtliche Leistungsschutz findet sich nunmehr ohne inhaltliche Änderung in der Bestimmung des § 4 Nr. 3 Buchst. a bis c UWG (BGH, Urt. v. 4.5.2016, I ZR 58/14, GRUR 2017, 79 Rn. 39 = WRP 2017, 51 - Segmentstruktur)
OLG Köln, Urt. v. 28.4.2017, 6 U 136/16, Tz. 16
Einer Unterscheidung zwischen dem alten und dem neuen Recht bedarf es nicht, da keine für die Beurteilung des Streitfalls maßgebliche Änderung der Rechtslage vorliegt. Der bisher in § 4 Nr. 9 UWG a.F. geregelte wettbewerbsrechtliche Leistungsschutz findet sich nunmehr ohne inhaltliche Änderung in der Bestimmung des § 4 Nr. 3 UWG (s. BGH GRUR 2017, 79 – Segmentstruktur, Tz. 39).
OLG Frankfurt, Urt. v. 3.12.2020, 6 U 136/20
Der Begriff der Waren und Dienstleistungen im Sinne von § 4 Nr. 3a UWG ist weit auszulegen. Gegenstand des lauterkeitsrechtlichen Nachahmungsschutzes können Leistungs- und Arbeitsergebnisse aller Art sein. Da auf die Verkehrsauffassung abzustellen ist, hängt es von ihr ab, ob nur ein vollständiges Produkt oder auch Teile dieses Produkts geschützte Erzeugnisse sein können. Ebenso bestimmt sich nach der Verkehrsauffassung, ob eine Gesamtheit von Erzeugnissen Schutz genießt, weil ihr als solche wettbewerbliche Eigenart zukommt. Dies kommt insbesondere im Hinblick auf Produkte und die mit ihnen funktional zusammenhängenden Zubehörstücke in Betracht. So kann nach der Rechtsprechung des BGH eine aus Puppen und für eine bestimmte Spielsituation passendem Zubehör bestehende Ausstattung ebenso wettbewerbsrechtlichen Schutz genießen (BGH, GRUR 2005, 166, 168 - Puppenausstattungen) wie ein aus mehreren Teilen bestehendes Sandkastenspielzeug (BGH GRUR 2012, 1155 Rn 19). Dabei ist allerdings zu berücksichtigen, dass die Idee, für eine bestimmte Spielsituation ein Produkt mit dem entsprechenden Zubehör herzustellen und zu vertreiben, im Interesse der Freiheit des Wettbewerbs grundsätzlich keinen Schutz genießen kann. Als herkunftshinweisend kann jedoch die besondere Gestaltung oder eine besondere Kombination der Merkmale angesehen werden (BGH GRUR 2005, 166, 169 - Puppenausstattung).
OLG Hamburg, Urt. v. 12.10.2023, 5 U 104/22, Tz. 98
Gegenstand des lauterkeitsrechtlichen Nachahmungsschutzes können Leistungs- und Arbeitsergebnisse aller Art sein. Maßgebend ist, ob dem Erzeugnis wettbewerbliche Eigenart zukommt, ob also seine konkrete Ausgestaltung oder bestimmte Merkmale geeignet sind, die interessierten Verkehrskreise auf seine betriebliche Herkunft oder seine Besonderheiten hinzuweisen (st. Rspr.; BGH GRUR 2023, 736 Rn. 33 - KERRYGOLD). Das ist immer dann der Fall, wenn es sich - unabhängig von der Anzahl der Merkmale - von anderen Produkten im Marktumfeld so abhebt, dass der Verkehr es auf Grund dieser Eigenschaften einem bestimmten Hersteller zuordnet (BGH GRUR 2013, 951 Rn. 24 - Regalsystem). Der Verkehr muss den Hersteller zwar nicht namentlich kennen; er muss aber auf Grund der Ausgestaltung oder der Merkmale des Produkts annehmen, es stamme von einem bestimmten Hersteller, wie immer dieser heißen möge, oder sei von einem mit diesem verbundenen Unternehmen in Verkehr gebracht worden (BGH GRUR 2016, 720 Rn. 16 - Hot Sox). Die wettbewerbliche Eigenart kann sich auch aus Merkmalen ergeben, die durch den Gebrauchszweck bedingt, aber willkürlich wählbar und austauschbar sind (BGH GRUR 2005, 600, 602 - Handtuchklemmen). Die wettbewerbliche Eigenart hängt vom Gesamteindruck des Erzeugnisses ab (BGH GRUR 2017, 79 Rn. 17 - Segmentstruktur). Einzelne Gestaltungsmerkmale können für sich oder zusammen die Eigenart verstärken oder begründen (BGH GRUR 2010, 80 Rn. 32 f. - LIKEaBIKE).
Verhältnis zu § 5 Abs. 3 Nr. 1 UWG
OLG München, Beschl. v. 12.7.2022, 29 W 739/22, Tz. 45
Die Voraussetzungen des § 5 Abs. 2 UWG (a.F., aktuell § 5 Abs. 3 Nr. 1 UWG) wegen des Vertriebs oder des Anbietens einer unlauteren herkunftstäuschenden Nachahmung einer Produktgestaltung sind - trotz des begrifflich abweichenden Gesetzestextes - dann erfüllt, wenn die Voraussetzungen einer vermeidbaren Herkunftstäuschung im Sinne des § 4 Nr. 3 lit. a) UWG vorliegen.