Ihr Rechtsanwalt im Wettbewerbsrecht
Dr. Hermann-Josef Omsels*

Eine Darstellung des Gesetzes gegen den unlauteren Wettbewerb und wettbewerbsrechtlicher Nebengesetze



 

 

 

5. Vermeidbare Herkunftstäuschung (§ 4 Nr. 3 a UWG)

1. Grundsatz

2. Prüfungsfolge

3. Pre- und Post-Sale-Confusion

Grundsatz

Bei der vermeidbaren Herkunftstäuschung nach § 4 Nr. 3 a UWG geht die  Rechtsprechung  stets von folgendem Grundsatz aus.:

BGH, Urt. v. 28.5. 2009, I ZR 124/06, Tz. 21 - LIKEaBIKE

Der Vertrieb eines nachahmenden Erzeugnisses kann wettbewerbswidrig sein, wenn das nachgeahmte Produkt über wettbewerbliche Eigenart verfügt und besondere Umstände hinzutreten, die die Nachahmung unlauter erscheinen lassen. Die Nachahmung ist unlauter, wenn sie geeignet ist, eine Herkunftstäuschung hervorzurufen und der Nachahmer geeignete und zumutbare Maßnahmen zur Vermeidung der Herkunftstäuschung unterlässt. Dabei besteht eine Wechselwirkung zwischen dem Grad der wettbewerblichen Eigenart, der Art und Weise und der Intensität der Übernahme sowie den besonderen wettbewerblichen Umständen, so dass bei einer größeren wettbewerblichen Eigenart und einem höheren Grad der Übernahme geringere Anforderungen an die besonderen Umstände zu stellen sind, die die Wettbewerbswidrigkeit der Nachahmung begründen und umgekehrt.

Ständige Rechtsprechung; zuletzt etwa BGH, Urt. v. 17.7.2013, I ZR 21/12, Tz. 15 – Einkaufswagen; BGH, Urt. v. 24.1.2013, I ZR 136/11, Tz. 14 - Regalsystem; BGH, Urt. v. 22.3.2012, I ZR 21/11, Tz. 16 - Sandmalkasten; OLG Köln, Urt. v. 18.10.2013, 6 U 11/13. Tz. 84 - Seilwinde; OLG Köln, Urt. v. 7.3.2014, 6 U 160/13, Tz. 35 - Le Pliage

Ob eine Herkunftstäuschung vorliegt, beurteilt sich aus der Sicht der angesprochenen Verkehrskreise.

OLG Köln, Urt. v. 18.10.2013, 6 U 11/13. Tz. 84 - Seilwinde

Ob es zu einer Herkunftstäuschung kommt, beurteilt sich aus der Sicht der potenziellen Abnehmer des Produkts. Maßgeblich ist der angemessen gut informierte und angemessen aufmerksame und kritische durchschnittliche Abnehmer. Richtet sich das Angebot an eine bestimmte Gruppe von Abnehmern, etwa Fachleute, ist auf die Sichtweise eines durchschnittlichen Mitglieds dieser Gruppe abzustellen.

BGH, Urt. v. 1.7.2021, I ZR 137/20, Tz. 48 - Kaffeebereiter

Nach der Rechtsprechung des Senats ist bei der Prüfung, ob durch eine Nachahmung eine vermeidbare Herkunftstäuschung hervorgerufen wird, auf den Zeitpunkt der Markteinführung der Nachahmung abzustellen (vgl. BGH, Urt. v. 8.11.2001, I ZR 199/99, Tz. 34 - Noppenbahnen; Urt. v. 21.9.2006, I ZR 270/03, Tz. 39 - Stufenleitern; BGH, GRUR 2016, 730 Tz. 58 - Herrnhuter Stern). Daraus ergibt sich, dass dieser Zeitpunkt auch für die Prüfung der Frage maßgeblich ist, ob die an sich gegebene wettbewerbliche Eigenart durch einen Vertrieb des in Rede stehenden Produkts unter einem Zweitkennzeichen entfallen ist. Die wettbewerbliche Eigenart muss grundsätzlich im Zeitpunkt des Angebots der Nachahmung auf dem Markt noch bestehen.

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Prüfungsfolge

Demnach ist zu prüfen,

  • ob ein Produkt über wettbewerbliche Eigenart verfügt
  • ob das Produkt (identisch oder nachschaffend) nachgeahmt wurde
  • ob eine Herkunftstäuschung vorliegt und
  • ob die Herkunftstäuschung vermeidbar ist,

wobei eine Wechselwirkung zwischen dem Grad der wettbewerblichen Eigenart zwischen der Art und Weise und der Intensität der Übernahme sowie den besonderen wettbewerblichen Umständen liegt, welche die Nachahmung zulässig oder unzulässig sein lassen.

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Pre- und Post-Sale-Confusion

Bei der Herkunftstäuschung aufgrund der wettbewerblichen Eigenart eines Produkts ist noch ungeklärt, ob nur auf den Zeitraum bis zum Erwerb des Produkts abgestellt werden kann oder ob - wie bei der Rufausbeutung (siehe dazu hier) - auch eine dem Erwerb nachfolgende Herkünftstäuschung, etwa bei Dritten, die das Produkt wahrnehmen, wettbewerbsrechtlich relevant ist (offen gelassen zuletzt in BGH, Urt. v. 1.7.2021, I ZR 137/20, Tz. 57 - Kaffeebereiter).

OLG Köln, Urt. v. 28.6.2013, 6 U 183/12, Tz. 30 - Mikado-Keksstift

Der Senat kann … offen lassen, ob für die Frage der Herkunftstäuschung … allein der Zeitraum bis zur Kaufentscheidung der Abnehmer maßgeblich ist oder ob nach der die Richtlinie 2005/29/EG über unlautere Geschäftspraktiken umsetzenden UWG-Novelle 2008 auch mögliche Produktverwechslungen nach dem Kaufabschluss ("post-sale-confusion") in die Bewertung einzubeziehen sind (vgl. dafür Köhler/Bornkamm, UWG, 33. Aufl., § 4 Rn. 9.41; dagegen Piper/Ohly/Sosnitza, UWG, 6. Aufl., § 4 Rn. 9/55; Leistner, in: Großkommentar UWG, § 4 Rn. 152).

Aber:

BGH, Urt. v. 15.4.2010, I ZR 145/08, Tz. 34 – Femur-Teil

Eine nicht schon im Zeitpunkt der Werbung und/oder des Kaufs, sondern erst nachfolgend auftretende Herkunftstäuschung kann nach dem UWG 2004 keine Ansprüche aus ergänzendem wettbewerbsrechtlichem Leistungsschutz begründen, weil dessen Bestimmungen allein das Marktverhalten regeln und Rechtsfolgen daher nur für solche Verhaltensweisen vorsehen, die schon für sich gesehen eine Störung des Marktgeschehens darstellen.

In umgekehrter zeitlicher Reihhenfolge besteht das Problem nicht:

OLG Köln, Urt. v. 7.3.2014, 6 U 160/13, Tz. 53 - Le Pliage

Eine sich in der konkreten Kaufsituation auswirkende unmittelbare Verwechslung kann auch daher rühren kann, dass der interessierte Käufer eine Tasche der Klägerinnen zunächst bei ihrem Gebrauch im allgemeinen Verkehr wahrgenommen und sodann in einem Modell der Beklagten, welches ihm in einem Geschäft begegnet, wiederzuerkennen glaubt.

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