Ihr Rechtsanwalt im Wettbewerbsrecht
Dr. Hermann-Josef Omsels*

Eine Darstellung des Gesetzes gegen den unlauteren Wettbewerb und wettbewerbsrechtlicher Nebengesetze



 

 

 

1. Marktortprinzip

Marktortprinzip

1. Marktortprinzip bei geschäftlichen Handlungen gegenüber Verbrauchern

2. Marktortprinzip im Internet

Herkunftslandprinzip im DDG

3. Rom-II-Verordnung

Marktortprinzip

Das deutsche Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb (UWG) findet im Grundsatz nur Anwendung auf geschäftliche Handlungen, wenn die dadurch berührten geschäftlichen Interessen der Mitbewerber in Deutschland aufeinandertreffen. Das kan auch bei geschäftlichen Handlungen der Fall sein, die vom Ausland aus vorgenommen werden, wenn sie sich auf den wettbewerblichen Interessen der Mitbewerber im Inland auswirken. Man spricht insoweit vom sog. Marktortprinzip: Entscheidend ist der nationale Markt, auf den sich eine geschäftliche Handlung auswirkt.

Das Gesetz gegen den unaluteren Wettbewerb findet aus diesem Grunde keine Anwendung auf geschäftliche Handlungen im Inland, die sich ausschließlich auf den Wettbewerb im Ausland auswirken. Dies gilt auch dann, wenn im Ausland deutsche Unternehmen im Wettbewerb stehen.

BGH, Urt. v. 11.2.2010, I ZR 85/08, Tz. 12 -15 – Ausschreibung in Bulgarien

Nach dem Marktortprinzip setzt die Anwendung deutschen Wettbewerbsrechts voraus, dass die wettbewerbsrechtlichen Interessen der Mitbewerber im Inland aufeinandertreffen (BGH GRUR 2007, 245 Tz. 11 - Schulden Hulp, m.w.N.).

Zwar hat der Bundesgerichtshof in der Vergangenheit für die Frage der Rechtsanwendung dann ausnahmsweise an den gemeinsamen Inlandssitz der beteiligten Wettbewerber angeknüpft, wenn sich der wettbewerbliche Tatbestand im Ausland ausschließlich unter inländischen Unternehmen abspielte oder sich speziell gegen den inländischen Mitbewerber richtet, der dadurch im Wettbewerb ungehörig behindert wird (BGHZ 40, 391, 397 ff. - Stahlexport). Soweit aus dieser Entscheidung des Bundesgerichtshofs aus dem Jahre 1963 für den vorliegenden Fall die Anwendbarkeit deutschen Wettbewerbsrechts abgeleitet werden könnte, hält der Senat an ihr nicht fest. Ein sachlicher Grund für die Ungleichbehandlung des Inländerwettbewerbs im Ausland gegenüber dem Ausländerwettbewerb im Inland ist jedenfalls heute nicht mehr ersichtlich. Es ist daher geboten, in beiden Fällen das Marktortprinzip anzuwenden.

Ebenso OLG Köln, Urt. v. 19.2.2014, 6 U 163/13, Tz. 11

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Marktortprinzip bei geschäftlichen Handlungen gegenüber Verbrauchern

KG Berlin, Urt. v. 26.9.2011, 24 U 111/10, II.A.2.a (= WRP 2012, 102)

Geht es um die wettbewerbsrechtliche Beurteilung eines Verhaltens bei der Gewinnung von Kunden, ist Marktort der Ort, an dem auf die Entschließung des Kunden eingewirkt werden soll. Dort soll das Wettbewerbsrecht unlauteres Konkurrenzverhalten verhindern; auf diesen Ort bezieht sich auch das durch das Wettbewerbsrecht ebenfalls geschützte Interesse der Allgemeinheit an einem lauteren Wettbewerb (Köhler in Köhler/Bornkamm Einl. UWG Rdnr. 5.5; BGH, Urt. v. 11.2.2010, I ZR 85/08, Tz. 10 – Ausschreibung in Bulgarien). Die für das allgemeine Deliktsrecht in Art. 40 Abs. 2 EGBGB vorgesehene Sonderanknüpfung an das gemeinsame Heimatrecht von Verletzer und Verletztem gilt im Bereich des Wettbewerbsrechts nicht (BGH – Ausschreibung in Bulgarien – Rdnr. 11).

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Marktortprinzip im Internet

BGH, Urt. v. 12.12.2013, I ZR 131/12, Tz. 24 – englischsprachige Pressemitteilung

Bei Wettbewerbsverletzungen im Internet ist ein Gerichtsstand im Inland nur begründet, wenn sich der Internetauftritt bestimmungsgemäß auf den inländischen Markt auswirken soll. Dagegen kommt es nicht darauf an, ob der in der Internetveröffentlichung genannte Mitbewerber seinen gewöhnlichen Aufenthalt und Lebensmittelpunkt im Inland hat.

KG Berlin, Urt. v. 26.9.2011, 24 U 111/10, II.A.2.a (= WRP 2012, 102)

Für Auftritte im Internet kommen grundsätzlich alle Staaten als Marktort in Betracht, da Internetmitteilungen weltweit abgerufen werden können. Zur Vermeidung einer zu starken Einschränkung der Wettbewerbsfreiheit, welche sich ergäbe, wenn sich ein Kläger stets das für ihn günstigste Recht weltweit heraussuchen könnte, ist der Kreis der anwendbaren Rechte daher unter dem Gesichtspunkt der Spürbarkeit einzuschränken. Nach diesem kommen als Marktorte nur Staaten in Betracht, in denen die ganze oder doch ein nicht unwesentlicher Teil der Bevölkerung bestimmungsgemäß oder gezielt als mögliche Kunden angesprochen werden, wobei vielfach eine Eingrenzung schon aufgrund der im Internetauftritt verwendeten Sprache vorgenommen werden kann.

Beispiel für das Angebot eines deutschen Unternehmens im Internet nur in Frankreich: OLG Düsseldorf, Urt. v. 2.3.2017, I-15 U 48/14, Tz.189 ff

Der BGH ist sehr großzügig:

BGH, Urt. v. 12.12.2013, I ZR 131/12, Tz. 31 – englischsprachige Pressemitteilung

Das Berufungsgericht hat dem Umstand, dass sich auf der deutschsprachigen Version der zentralen Internetseite der Beklagten rechts oben ein Listenfeld befindet, das die Auswahl auch der englischsprachigen Version der Internetseite der Beklagten mit der englischsprachigen Fassung der Presseerklärung ermöglicht, zu geringes Gewicht beigemessen. Nach der Lebenserfahrung werden vor allem Nutzer in Deutschland bei einer Suche nach dem Internetangebot der Beklagten die deutsche Internetadresse der Beklagten www.r. .de eingeben und auf die deutschsprachige Version der zentralen Internetseite der Beklagten weitergeleitet. Diesen Nutzern eröffnet die Beklagte mit dem Listenfeld gezielt die Möglichkeit zur Auswahl der englischsprachigen Version ihrer Internetseite; von dieser Möglichkeit werden erfahrungsgemäß die Nutzer in Deutschland Gebrauch machen, die die englische Sprache besser als die deutsche Sprache beherrschen. Der Umstand, dass die Beklagte den Nutzern der deutschsprachigen Version ihrer Internetseite die Möglichkeit einräumt, zur englischsprachigen Version ihrer Internetseite zu wechseln, zeigt, dass die englischsprachige Version der Internetseite einschließlich der englischsprachigen Fassung der Presseerklärung auch zum Abruf in Deutschland bestimmt waren.

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Herkunftslandprinzip

Bei Digitalen Diensten gilt das Herkunftslandprinzip (§ 3 DDG, vormals § 3 TMG), dass der Anwendung deutschen Wettbewerbsrecht aber nicht stets entgegensteht.

OLG Hamm, Urt. v. 17.12.2013, 4 U 100/13, Tz. 43f

Informationspflichten ... unterfallen ... dem Wettbewerbsrecht, also der außervertraglichen Haftung. Die hierfür maßgeblichen Kollisionsnormen finden sich in der Verordnung (EG) Nr. 864/2007 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 11.7.2007 über das auf außervertragliche Schuldverhältnisse anzuwendende Recht (sog. Rom-II-VO). Nach dem hier maßgeblichen Art. 6 Abs. 1 Rom-II-VO ist dabei das Recht des Ortes anwendbar, an dem die Marktinteressen der Konkurrenten oder die kollektiven Interessen der Verbraucher beeinträchtigt werden können. Bei einer auf deutsche Verbraucher zielenden und in Deutschland abrufbaren Werbung ist daher deutsches Recht anzuwenden. ...

Dem steht das Herkunftslandprinzip des § 3 TMG nicht entgegen. Dieses Prinzip stellt keine Kollisionsnorm dar, sondern soll lediglich im Ergebnis dafür sorgen, dass die Niederlassungsfreiheit innerhalb der Europäischen Union durch unterschiedliche mitgliedstaatliche Informationsvorschriften nicht beeinträchtigt wird (EuGH, Urt. v. 25.10.2011, C-509/09 und C-161/10, Tz. 61).

BGH, Urt. v. 13.12.2018, I ZR 3/16, Tz. 56 – UBER BLACK II

Die Beklagte kann sich nicht auf das in § 3 Abs. 2 Satz 1 TMG und Art. 3 Abs. 1 und 2 der Richtlinie 2000/31/EG geregelte Herkunftslandprinzip berufen (BGH, GRUR 2017 Tz. 25 - Uber Black I).

Nach diesen Bestimmungen wird der freie Dienstleistungsverkehr von Telemedien nicht eingeschränkt, die in der Bundesrepublik Deutschland von Diensteanbietern geschäftsmäßig angeboten oder erbracht werden, die in einem anderen Staat innerhalb des Geltungsbereichs der Richtlinie über den elektronischen Geschäftsverkehr niedergelassen sind. Die von der Beklagten über eine Smartphone-Applikation angebotene Vermittlungsleistung ist bei isolierter Betrachtung zwar grundsätzlich ein Dienst der Informationsgesellschaft (vgl. EuGH, GRUR 2018, 308 Rn. 34 f. - Elite Taxi). Der Vermittlungsdienst der Beklagten ist aber integraler Bestandteil einer Gesamtdienstleistung, die hauptsächlich aus einer Beförderungsleistung besteht und daher nicht als Dienst der Informationsgesellschaft (im Sinne von Art. 2 Buchst. a der Richtlinie 2000/31/EG in Verbindung mit Art. 1 Nr. 2 und Anhang V der Richtlinie 98/34/EG in der Fassung der Richtlinie 98/48/EG) anzusehen ist (vgl.
EuGH, GRUR 2018, 308 Rn. 40 - Elite Taxi).

Eine nicht in den von der Richtlinie 2000/31/EG "koordinierten Bereich" fallende Beförderungsdienstleistung wird nicht dadurch zu einem Dienst der Informationsgesellschaft, dass sie auf elektronischem Wege, etwa über eine App, vermittelt wird. Da heute nahezu jede Dienstleistung oder Ware elektronisch vermittelt oder bestellt werden kann, würde andernfalls der "koordinierte Bereich" grenzenlos erweitert. Das entspricht nicht Sinn und Zweck der Richtlinie 2000/31/EG.

KG Berlin, Urt. v. 11.12.2015, 5 U 31/15, B.II.5

Das Herkunftslandprinzip beschränkt sich gemäß Art. 3 Abs. 1 und Abs. 2 der Richtlinie über den elektronischen Geschäftsverkehr auf den “koordinierten Bereich”, der in Art. 2 lit. h) der Richtlinie über den elektronischen Geschäftsverkehr festgelegt wird. Das Herkunftslandprinzip findet mithin - wie Art. 2 lit. h) i) der Richtlinie über den elektronischen Geschäftsverkehr zeigt - Anwendung auf die Online-Aktivitäten des Diensteanbieters, d.h. die durch elektronische Kommunikationsmittel erbrachten Dienstleistungen. Der koordinierte Bereich - und damit der Anwendungsbereich des Herkunftslandprinzips - erstreckt sich gemäß Art. 2 lit. h) ii) der Richtlinie über den elektronischen Geschäftsverkehr jedoch nicht auf Anforderungen an Leistungen, die nicht online erbracht werden, insbesondere also auf Anforderungen betreffend die Ware als solche, Anforderungen betreffend die Lieferung von Waren und Anforderungen betreffend Dienste, die nicht auf elektronischem Weg erbracht werden. (vgl. Müller-Broich, TMG, § 3, Rn 5; Martiny in: Münchener Kommentar, BGB, 6. Aufl., § 3 TMG, Rn 10, sowie Erwägungsgrund 18 der Richtlinie über den elektronischen Geschäftsverkehr).

KG, Urt. v. 12.6.2015, 5 U 167/12 (MD 15, 1001)

Nach § 3 Abs. 5 Satz 1 Nr. 3 TMG unterliegen das Angebot und die Erbringung von Telemedien durch einen Diensteanbieter, der in einem anderen EU-Mitgliedstaat niedergelassen ist, abweichend von § 3 Abs. 2 Satz 1 TMG den Einschränkungen des innerstaatlichen Rechts, soweit dieses dem Schutz der öffentlichen Gesundheit vor Beeinträchtigungen oder ernsthaften und schwerwiegenden Gefahren dient und die auf der Grundlage des innerstaatlichen Rechts in Betracht kommenden Maßnahmen in einem angemessenen Verhältnis zu diesen Schutzzielen stehen (BGH GRUR 2006,513, Rn. 29 – Arzneimittelwerbung im Internet).

OLG Frankfurt, Urt. v. 20.5.2021, 6 U 18/20, B.1.c

Die Beklagte (Uber) kann sich auch nicht auf das in § 3 Abs. 2 Satz 1 TMG und Artikel 3 Abs. 1 und 2 der Richtlinie 2000/31/EG geregelte Herkunftslandprinzip berufen. Nach diesen Bestimmungen wird der freie Dienstleistungsverkehr von Telemedien nicht eingeschränkt, die in der Bundesrepublik Deutschland von Dienstanbietern geschäftsmäßig angeboten oder erbracht werden, die in einem anderen Staat innerhalb des Geltungsbereichs der Richtlinie über den elektronischen Geschäftsverkehr niedergelassen sind. Die von der Beklagten angebotene Dienstleistung ist zwar ein Dienst der Informationsgesellschaft, zugleich aber integraler Bestandteil einer Gesamtdienstleistung, die hauptsächlich aus einer Beförderungsleistung besteht und daher nicht als Dienst der Informationsgesellschaft im Sinne von Artikel 2 lit. a) der Richtlinie 2000/31/EG in Verbindung mit Artikel 1 Nr. 2 und Anhang V der Richtlinie 98/34/EG in der Fassung der Richtlinie 98/48/EG anzusehen ist (BGH, Urteil vom 13.12.2018 - I ZR 3/16 - Uber Black II, Rd. 56, juris; EuGH GRUR 2018, 308 - Elite Taxi, Rn 40, juris).

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Rom-II-Verordnung

Innerhalb der Europäischen Union beurteilt sich die Anwendung des deutschen UWG seit dem 11. Januar 2009 nach den Bestimmungen der sog. ROM-II- Verordnung. Diese Verordnung geht im Grundsatz ebenfalls vom Marktortprinzip aus, lässt es für die Anwendung des deutschen Rechts aber auch ausreichen, dass eine geschäftliche Handlung die kollektiven Interessen der Verbraucher in Deutschland betrifft. Außerdem ist nach der Verordnung deutsches UWG anzuwenden, wenn die Wettbewerbshandlung im Ausland ausschließlich die Interessen eines deutschen Mitbewerbers beeinträchtigt.

Näheres zu Rom-II hier.

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Zitiervorschlag zur aktuellen Seite

Omsels, Online-Kommentar zum UWG:

http://www.webcitation.org/6OkODt50M