Ihr Rechtsanwalt im Wettbewerbsrecht
Dr. Hermann-Josef Omsels*

Eine Darstellung des Gesetzes gegen den unlauteren Wettbewerb und wettbewerbsrechtlicher Nebengesetze



 


 

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1. Abschlussschreiben

1. Sinn und Zweck des Abschlussschreibens

2. Abschlusserklärung ohne Abschlussschreiben

3. Inhalt und Form des Abschlussschreibens

4. Erklärungsfrist

5. Klage ohne Abschlussschreiben

Sinn und Zweck des Abschlussschreibens

Eine einstweilige Verfügung enthält nur eine einstweilige Regelung. Eine endgültige Regelung kann

  • nur durch ein Klageverfahren oder
  • dadurch erzielt werden, dass der Schuldner die einstweilige Verfügung eines Gerichts in der Weise anerkennt, dass sie einer Verurteilung im Klageverfahren in nichts nach steht.

BGH, Urt. v. 8.3.2008, VI ZR 176/07, Tz. 8

Die einstweilige Verfügung dient der Sicherung eines Individualanspruchs oder der einstweiligen Regelung eines streitigen Rechtsverhältnisses §§ 935, 940 ZPO). Insoweit deckt sie sich mit einem der Unterlassungsklage stattgebenden Urteil des Hauptprozesses und ermöglicht bereits die Durchsetzung des Unterlassungsanspruchs im Wege der Zwangsvollstreckung (§§ 936, 928, 890 ZPO). Sie bleibt aber auch in diesen Fällen nur eine vorläufige Regelung. Wird sie wie im Streitfall ohne mündliche Verhandlung durch Beschluss erlassen (§ 937 Abs. 2 ZPO), kann sie mit dem Widerspruch angegriffen werden und ist aufgrund mündlicher Verhandlung durch Urteil aufzuheben, wenn sich ihr Erlass als nicht oder nicht mehr gerechtfertigt erweist (§ 925 ZPO). Aber auch dann, wenn sie aufgrund mündlicher Verhandlung durch Urteil erlassen oder nach Erhebung eines Widerspruchs durch Urteil formell rechtskräftig bestätigt worden ist, bleibt sie eine nur vorläufige Regelung. Dies folgt insbesondere daraus, dass dem Antragsteller (Verfügungskläger) auf Antrag des Antragsgegners (Verfügungsbeklagten) eine Frist zur Klageerhebung gesetzt werden kann, wenn die Hauptsache noch nicht anhängig ist (§ 926 ZPO). Führt der Hauptprozess zur Abweisung der Klage, ist die einstweilige Verfügung auf Antrag des Antragsgegners wegen veränderter Umstände aufzuheben. Aus diesem Grund ist das Rechtsschutzinteresse für eine Unterlassungsklage nicht schon deshalb zu verneinen, weil der Kläger bereits im Besitz einer gleichlautenden, formell rechtskräftigen einstweiligen Verfügung ist.

Das Abschlussschreiben dient dem Zweck, ein Hauptklageverfahren zu vermeiden. Mit dem Abschlussschreiben wird der Anspruchsgegner aufgefordert, eine sog. Abschlusserklärung abzugeben und die vorausgegangene einstweilige Verfügung als endgültige Regelung anzuerkennen.

OLG Hamburg, Urt. v. 6.2.2014, 3 U 119/13, B.I.1.b

Das Abschlussschreiben hat einen doppelten Zweck. Zum einen ist es regelmäßig erforderlich, will der Gläubiger nicht im Hauptsacheprozess ein sofortiges Anerkenntnis des Schuldners und eine Kostentragung gemäߧ 93 ZPO riskieren. Es entspricht zum anderen dem mutmaßlichen Willen des Schuldners, weil es ihm die Möglichkeit bietet, den Rechtsstreit statt durch ein möglicherweise langwieriges und kostenträchtiges Hauptsacheverfahren kostengünstiger durch die Abgabe einer Abschlusserklärung zu beenden.

OLG München, Urt. v. 13.8.2020, 29 U 1872/20 - Abbestelltes Abschlussschreiben

Die Funktion des Abschlussschreibens, der Aufforderung zur Abgabe einer Abschlusserklärung, liegt darin, dass der Gläubiger Klarheit gewinnt, ob er noch Hauptsacheklage erheben muss, und der Schuldner die Möglichkeit erhält, durch fristgerechte Abgabe der Abschlusserklärung den Rechtsstreit endgültig zu beenden (Köhler/Bornkamm/Feddersen, UWG, 38. Aufl. § 12 Rn. 3.70).

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Abschlusserklärung ohne Abschlussschreiben

Der Abschlusserklärung muss nicht zwingend ein Abschlussschreiben vorausgehen. Die Abschlusserklärung kann auch freiwillig abgegegebn werden. Deshalb sollte derjenige, gegen den eine einstweilige Verfügung ergangen ist, prüfen, ob er nicht freiwillig eine Abschlusserklärung abgeben will, bevor er kostenpflichtig dazu aufgefordert wird.

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Inhalt und Form des Abschlussschreibens

Das Abschlussschreiben unterliegt keiner bestimmten Form. Es ist aber üblich, zur Abgabe einer Abschlusserklärung schriftlich aufzufordern.

Der Inhalt des Abschlussschreibens wird von seinem Zweck weit gehend vorgegeben. Er ist gesetzlich allerdings nicht festgeschrieben. Der Antragsgegner wird unter Hinweis auf die von einem Gericht erlassene einstweilige Verfügung aufgefordert, diese einstweilige Verfügung als abschließende Regelung anzuerkennen und auf die Rechte aus § 926 ZPO (Antrag, dem Anspruchssteller eine Frist zur Erhebung der Klage in der Hauptsache zu setzen) sowie aus § 927 ZPO (Verzicht auf alle Einwendungen, die der Anspruchsgegner bis zur Abgabe der Abschlusserklärung beheben könnte) sowie auf die Einrede der Verjährung zu verzichten. Wenn der Anspruchsgegner noch keinen Widerspruch gegen die einstweilige Verfügung eingelegt hat, wird er außerdem aufgefordert, auf das Recht zum Widerspruch aus § 924 zu verzichten. Dieser Aufforderung wird verbunden mit einer Frist, binnen der der Anspruchsgegner die Abschlusserklärung abgeben soll (Antwortfrist; s. u.).

Hintergrund: Durch einen Verzicht auf diese Rechte wird dem Anspruchsteller das Rechtsschutzinteresse für eine Hauptklage genommen. Die Hauptklage wird unzulässig.

BGH, Urt. v. 2.7.2009, I ZR 146/07, Tz. 14 f – Mescher weis

Das Rechtsschutzbedürfnis für eine Unterlassungsklage fehlt, wenn durch eine Abschlusserklärung eine erwirkte Unterlassungsverfügung ebenso effektiv und dauerhaft wirkt wie ein in einem Hauptsacheverfahren erlangter Titel. Die Abschlusserklärung muss daher dem Inhalt der einstweiligen Verfügung entsprechen, damit sie die angestrebte Gleichstellung des vorläufigen Titels mit dem Hauptsachetitel erreichen kann, und darf grundsätzlich nicht an Bedingungen geknüpft sein.

Dementsprechend bedarf es in der Abschlusserklärung grundsätzlich eines Verzichts auf die möglichen Rechtsbehelfe gegen die einstweilige Verfügung, mithin der Rechte aus §§ 924, 926 und 927 ZPO.

Für die Wirkung des Abschlussschreibens unerheblich ist, wenn der geltend gemachte Unterlassungsanspruch nicht im vollen Umfang besteht.

BGH, Urt. v. 30.3.2017, I ZR 263/15, Tz. 60 -BretarisGenuair

Der Umstand, dass der von der Klägerin geltend gemachte Unterlassungsanspruch möglicherweise nicht in vollem Umfang besteht, steht der Erstattungspflicht der Beklagten nicht entgegen. Zweck des Abschlussschreibens ist es zum einen, dem Gläubiger innerhalb angemessener Zeit Klarheit darüber zu verschaffen, ob er Klage in der Hauptsache erheben muss. Zum anderen soll es dem Schuldner Gelegenheit geben, das Hauptsacheverfahren zu vermeiden. Diese Zielsetzung kann die Aufforderung zur Abgabe der Abschlusserklärung auch dann erfüllen, wenn der Gläubiger eine zu weitgehende Erklärung verlangt. Es ist Sache des Schuldners, die Abschlusserklärung zutreffend zu formulieren.

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Erklärungsfrist

Die Erklärungsfrist ist die Zeitspanne, die dem Anspruchsgegner im Abschlussschreiben eingeräumt wird, um die geforderte Abschlusserklärung abzugeben.

BGH, Urt. v. 22.1.2015, I ZR 59/14, Tz. 18 - Kosten für Abschlussschreiben II

Dem Schuldner muss insgesamt ein der Berufungsfrist entsprechender Zeitraum zur Verfügung stehen, um zu entscheiden, ob er den Unterlassungsanspruch endgültig anerkennen will (vgl. BGH, Urt. v. 8.12.2005, IX ZR 188/04, Tz. 19).

Ebenso OLG München, Urt. v. 13.8.2020, 29 U 1872/20 - Abbestelltes Abschlussschreiben

BGH, Urt. v. 22.1.2015, I ZR 59/14, Tz. 23 - Kosten für Abschlussschreiben II

Dem Schuldner ist eine Erklärungsfrist von im Regelfall mindestens zwei Wochen für die Prüfung einzuräumen, ob er die Abschlusserklärung abgeben will (vgl. Köhler in Köhler/Bornkamm aaO § 12 Rn. 3.71).

BGH, Urt. v. 22.1.2015, I ZR 59/14, Tz. 24 - Kosten für Abschlussschreiben II

Rechtsfolge der zu kurz bemessenen Erklärungsfrist ist, dass die Klägerin, wenn sie die Hauptsacheklage vor Ablauf einer angemessenen Erklärungsfrist erhoben hätte, mit dem Kostennachteil aus § 93 ZPO hätte rechnen müssen. Enthält das Abschlussschreiben eine zu kurze Erklärungsfrist, so setzt es stattdessen eine angemessene Erklärungsfrist in Gang, während deren Lauf der Schuldner durch § 93 ZPO vor einer Kostenbelastung infolge der Erhebung der Hauptsacheklage geschützt ist.

Zur Vorinstanz OLG Hamburg, Urt. v. 6.2.2014, 3 U 119/13, B.I.1.b

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Klage ohne Abschlussschreiben

Wer ohne Abschlussschreiben Hauptklage erhebt, läuft Gefahr, dass der Anspruchsgegner den Anspruch im Klageverfahren sofort anerkennt und der Kläger gemäß § 93 ZPO die Kosten des Verfahrens tragen muss.

Allerdings gibt es Situationen, in denen ohne Abschlussschreiben und ohne Gefahr eines sofortigen Anerkenntnisses geklagt werden kann. Dies ist stets dann der Fall, wenn der Anspruchsgegner zu erkennen gibt, dass er den Anspruch nicht anerkennen will.

OLG Hamburg, Urt. v. 6.2.2014, 3 U 119/13, B.I.1.b

Das Abschlussschreiben und die damit verbundenen Kosten sind nicht erforderlich, wenn  der Schuldner unmissverständlich zu erkennen gibt, dass er die einstweilige Verfügung nicht als endgültige Regelung akzeptiert. Das kann – nach verbreiteter Ansicht – etwa durch Einlegung des Widerspruchs oder der Berufung sowie durch einen Antrag auf Anordnung der Klageerhebung gemäß §§  936, 926 ZPO geschehen (vgl. Köhler/Bornkamm, UWG, § 12 Rn. 3.70; Teplitzky, Kap. 43 Rn. 28). Jedenfalls kann der Gläubiger in diesem Fall Hauptsacheklage erheben, ohne Gefahr zu laufen, die Kosten gemäß § 93 ZPO tragen zu müssen (Harte/Henning-Brüning, UWG, Vorb zu § 12 Rn. 258).

Anders ist es aber wiederrum, wenn  der Anspruchsteller nach einem Widerspruch die erstinstanzliche Entscheidung abwartet, bevor er Hauptklage erhebt.

OLG Hamburg, Urt. v. 6.2.2014, 3 U 119/13, B.I.1.b

Wartet der Unterlassungsgläubiger die Entscheidung über den Widerspruch im Verfügungsverfahren ab, muss er zur Vermeidung von Kostennachteilen aus § 93 ZPO dem Schuldner vor Erhebung der Hauptsacheklage ein Abschlussschreiben zusenden (Ahrens/Ahrens, Der Wettbewerbsprozess, Kap. 58 Rn. 42; Fezer-Büscher, Lauterkeitsrecht (UWG), 2005, § 12 Rn. 148 jurisPK-UWG/Hess, § 12 Rn. 137). Die zwischenzeitliche mündliche Verhandlung und die schriftliche Urteilsbegründung können nämlich zu einem Meinungswandel des Schuldners geführt haben, so dass die Einlegung des Widerspruchs nicht mehr den sicheren Schluss erlaubt, dass der Schuldner nicht bereit ist, die einstweilige Verfügung als endgültige Regelung anzuerkennen.

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