Ihr Rechtsanwalt im Wettbewerbsrecht
Dr. Hermann-Josef Omsels*

Eine Darstellung des Gesetzes gegen den unlauteren Wettbewerb und wettbewerbsrechtlicher Nebengesetze



 


 

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Operativer plastisch-chirurgischer Eingriff

Nach § 1 Abs. 1 Nr. 2 HWG fallen operative plastisch-chirurgische Eingriffe, soweit sich die Werbeaussage auf die Veränderung des menschlichen Körpers ohne medizinische Notwendigkeit bezieht (Schönheitsoperationen), in den Anwendungsbereich des Heilmittelwerbegesetzes. Medizinisch indizierte operative plastisch-chirurgische Eingriffe werden ausgenommen.

OLG Köln, Urt. v. 27.10.2023, 6 U 77/23, Tz. 30 ff

In einem ersten Schritt ist hierbei festzuhalten, dass der vom HWG verwendete Begriff des operativen plastisch-chirurgischen Eingriff (§ 1 Abs. 1 Nr. 2 HWG, § 11 Abs. 1 S. 2 Nr. 1 HWG) nicht legaldefiniert und daher auslegungsbedürftig ist (vgl. OLG Düsseldorf GRUR 2022, 1768 Rn. 24 f. – Brazilian Butt Lift).

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Zwar könnte der Wortlaut bei unbefangener Betrachtung zunächst – entsprechend der Deutung der Beklagten - an einen „klassischen“ operativen Eingriff durch Öffnung des Körpers mittels Skalpell oder Messer denken lassen. Auch nennt die Gesetzesbegründung (Entwurf eines Vierzehnten Gesetzes zur Änderung des Arzneimittelgesetzes), mit der dieser Begriff eingeführt wurde, insbesondere Brustvergrößerungen durch Implantate oder Fettabsaugung zur Veränderung der Körperformen (BT-Drs. 15/5316, S. 46) als Beispiele für solche Eingriffe, wie die Beklagten grundsätzlich zu Recht ausführen.

Hierbei kann jedoch unter Berücksichtigung des Schutzzweckes des Werbeverbotes und des HWG insgesamt nicht stehen geblieben werden. Insofern hat das OVG Münster zutreffend (für den Anwendungsbereich des HeilpraktikerG) ausgeführt:

„Das Injizieren des Füllmaterials in die Haut bzw. in die oberen Hautschichten erfordert neben dem notwendigen allgemeinen Wissen bei der Verabreichung von Injektionen aber zusätzliche Kenntnisse über den Aufbau und die Schichten der Haut sowie über den Verlauf von Blutgefäßen, Nervenbahnen und Muskelsträngen in dem für die Injektion vorgesehenen Gesichtsbereich und regelmäßig auch […] eine vorhergehende Diagnose zu möglichen Ursachen der Faltenbildung sowie eine Beurteilung dazu, ob eine Faltenunterspritzung aus ästhetischen Gründen in Betracht kommt oder aus dermatologischer/chirurgischer Sicht, etwa weil eine Hautkrankheit vorliegt, unterbleiben muss“ (vgl. OVG Münster, Beschluss vom 28.04.2006, 13 A 2495/03, BeckRS 2006, 23328).

Diese Umstände, die als allgemeinkundig anzusehen sind, weil sich selbst für einen Laien bei schlichter Betrachtung des Vorgangs der Faltenunterspritzung die Notwendigkeit dermatologischer Kenntnisse aufdrängt (vgl. OLG Karlsruhe WRP 2012, 1579, 1580 Rn. 21 - Faltenunterspritzung) und daher, wie das Landgericht mit Recht angenommen hat, keiner Beurteilung durch einen Sachverständigen bedürfen, rechtfertigen es auch im Anwendungsbereich des HWG, einen operativen Eingriff bereits dann anzunehmen, wenn ein instrumenteller Eingriff am oder im Körper des Menschen erfolgt, mit dem Form- und Gestaltveränderungen an den Organen oder der Körperoberfläche vorgenommen werden (vgl. Meyer GRUR 2006, 1007). Denn Zweck der Erstreckung des HWG auf operative plastisch-chirurgische Eingriffe ist der Schutz der Verbraucher bzw. der Bevölkerung vor erheblichen Gesundheitsschäden und Risiken, indem eine (insbesondere suggestive oder irreführende) Werbung mit medizinisch nicht notwendigen schönheitschirurgischen Eingriffen verboten wird. Darauf, ob sich die erheblichen Gesundheitsschäden und Risiken im Einzelfall tatsächlich realisieren, kommt es nicht an. Es soll für einen mit gesundheitlichen Risiken versehenen Eingriff ohne medizinische Notwendigkeit kein Anreiz durch vergleichende Darstellung des Körperzustandes oder des Aussehens vor und nach dem Eingriff geschaffen werden (vgl. OLG Düsseldorf GRUR 2022, 1768 Rn. 36 m.w.N. – Brazilian Butt Lift). Diesem Schutzzweck entspricht es, keine Beschränkung des Begriffs des operativen Eingriffs auf einen solchen durch Skalpell o.ä. vorzunehmen bzw. danach zu differenzieren, ob bei den Eingriffen die Körperoberfläche eröffnet wird und mit welchem Instrument und in welchem Umfang dies geschieht, weshalb die Aufzählung in der Gesetzesbegründung lediglich als beispielhaft und nicht als abschließend zu verstehen ist (vgl. OLG Düsseldorf, a.a.O. Rn. 37 f.; zustimmend Fritzsche, in: Spickhoff, Medizinrecht, 4. Aufl. 2022, § 11 HWG Rn. 51; a.A. ohne Begründung Köber, in: MüKoUWG, 3. Aufl. 2022, § 11 HWG Rn. 87). Daher steht es auch, ..., der Annahme eines operativen plastisch-chirurgischen Eingriffs nicht entgegen, dass die von ihnen beworbene Unterspritzung infolge der vorzitierten OVG-Entscheidung auch von Heilpraktikern, die per se keine Operationen im engeren Sinne durchführen dürfen, vorgenommen werden darf. ...

Zudem lässt sich auch der vorgenannten Gesetzesbegründung entnehmen, dass für die Frage, ob ein „operativer“ Eingriff vorliegt, nicht die Intensität des körperlichen Eingriffs und/oder die Eröffnung der Haut die zentrale Rolle spielen, sondern die Risiken, die für die Gesundheit der Verbraucher aus dem Eingriff erwachsen können (OLG Düsseldorf a.a.O. Rn. 39).

OLG Celle, Urt. v. 30.5.2013, 13 U 160/12, II.2.a.aa

Ein operativer plastisch-chirurgischer Eingriff ist gegeben bei einem instrumentellen Eingriff am oder im Körper, mit dem Form- und Gestaltveränderung an den Organen oder der Körperoberfläche vorgenommen werden (vgl. Meyer, GRUR 2006, 1007).

OLG Celle, Urt. v. 30.5.2013, 13 U 160/12, II.2.a.bb

Eine nach ... HWG verbotene Werbung liegt nicht vor, wenn sich die Werbeaussage nicht auf die Veränderung des menschlichen Körpers ohne medizinische Notwendigkeit (vgl. § 1 Abs. 1 Nr. 2 HWG) bezieht. Damit sind "Schönheitsoperationen" gemeint (vgl. BT Drucks. 17/9341, S. 71).

OLG Düsseldorf. Urt. v. 27.4.2023, 20 U 66/22, Tz. 63 ff

Es kommt für die Erfüllung des Tatbestandes des § 11 Abs. 1 Satz 3 Nr. 1 HWG i.V.m. § 1 Abs. 1 Nr. 2 c) HWG nicht darauf an, dass die medizinische Indikation für den beworbenen Eingriff tatsächlich vorlag, sondern ob die von dieser Werbung angesprochenen Verkehrskreise erkennen können, dass ein operativer plastisch-chirurgischer Eingriff beworben wird, für den eine medizinische Indikation besteht.

Dieses Verständnis ergibt sich zum einen aus dem Wortsinn der Vorschrift des § 1 Abs. 1 Nr. 2 HWG, weil sich dort ausdrücklich die Bezugnahme auf die „Werbeaussage“ befindet ...

Zum anderen entspricht diese Wertung auch dem Sinn und Zweck der Vorschrift. Die allgemeinen Verkehrskreise, an die sich die Werbung für operative plastisch-chirurgische Eingriffe richtet, sind im Allgemeinen nicht in der Lage zu beurteilen, ob ein plastisch-chirurgischer Eingriff medizinisch notwendig war, wenn die Werbung hierzu keine ergänzenden Ausführungen enthält. Allein die Gegenüberstellung von Vorher-/Nachher-Bildern dient in erster Linie dazu, mit der ästhetischen Veränderung bzw. Verbesserung zu werben und es ist für den Betrachter nicht erkennbar, ob sich infolge dieser durch den plastischen Eingriff erreichten Veränderung des Körpers auch ggf. bestehende Krankheiten oder krankhafte Beschwerden (Bluthochdruck, Rückenbeschwerden, Hautausschlag etc.) des dargestellten Patienten verbessert haben bzw. geheilt worden sind. Dementsprechend sollte die Anwendung des HWG auf operative plastisch-chirurgische Eingriffe dafür Sorge tragen, dass jede Werbeaussage für schönheitschirurgische Behandlungen erfasst wird, ohne dass geklärt werden muss, ob die Operation zur Behandlung krankhafter Beschwerden oder zur Verbesserung des Aussehens dient (Pfohl in: Erbs/Kohlhaas, Strafrechtliche Nebengesetze, 243. EL August 2022, § 1 Rz. 30).

OLG Hamburg, Beschl. v.4.9.2017, 3 U 183/15

Die Anwendung des Heilmittelwerbegesetzes auf die Werbung für Schönheitsoperationen ist nicht europarechtswidrig. Insbesondere verstößt sie nicht gegen das Konzept der vollständigen Harmonisierung des Bereichs der Arzneimittelwerbung. Der Anwendung des § 7 HWG steht auch nicht die Richtlinie 2005/29/EG über unlautere Geschäftspraktiken entgegen, da die Regelung des § 1 Abs. 1 Nr. 2 HWG eine unionsrechtskonforme nationale Regelung in Bezug auf die Gesundheitsaspekte von Produkten darstellt, die deshalb gemäß Art. 3 Abs. 3 der Richtlinie 2005/29/EG von dieser unberührt bleibt.