Ihr Rechtsanwalt im Wettbewerbsrecht
Dr. Hermann-Josef Omsels*

Eine Darstellung des Gesetzes gegen den unlauteren Wettbewerb und wettbewerbsrechtlicher Nebengesetze



 


 

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§ 3 a HWG (Werbung ohne Zulassung)

1. Gesetzes- und Richtlinientext

2. Sinn und Zweck

3. Marktverhaltensregel

4. Arzneimittel

5. Ausgangspunkt: Zulassung

6. Anwendungsgebiet

Verwendung von Oberbegriffen

Verhältnis zu § 10 AMG

7. Werbung für nicht zugelassene Anwendungsgebiete

8. Werbung für abweichende Darreichungsformen und Dosierungen

9. Verhältnis zu zugelassenen Health-Claims

10. Spürbarkeit

Gesetzes- und Richtlinientext

§ 3 a HWG

Unzulässig ist eine Werbung für Arzneimittel, die der Pflicht zur Zulassung unterliegen und die nicht nach den arzneimittelrechtlichen Vorschriften zugelassen sind oder als zugelassen gelten. Satz 1 findet auch Anwendung, wenn sich die Werbung auf Anwendungsgebiete oder Darreichungsformen bezieht, die nicht von der Zulassung erfasst sind.

Art. 87 Abs. 1 Richtlinie 2001/83/EG

Die Mitgliedstaaten untersagen die Werbung für ein Arzneimittel, für dessen Inverkehrbringen keine Genehmigung nach den Rechtsvorschriften der Gemeinschaft erteilt worden ist.

Näheres zur Richtlinie und ihrem Anwendungsbereich hier.

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Sinn und Zweck

OLG Hamburg,  Urt. v. 31.10.2013, 3 U 171/12, II.3

Mit der Vorschrift des § 3a HWG soll potentiellen Irreführungsgefahren auch hinsichtlich des Umfangs der medizinisch-pharmakologischen Überprüfung der Verkehrsfähigkeit und daraus resultierender Gesundheitsgefahren durch eine strikte Bindung der Werbung an die Indikation vorgebeugt werden.

OLG Schleswig, Urt. v. 28.1.2016, 6 U 4/15, II.1.a

Die Vorschrift dient der Arzneimittelsicherheit und soll eine Irreführung über eine erfolgreiche zulassungsrechtliche Bewertung verhindern, ohne tatbestandlich eine Irreführung vorauszusetzen (vgl. Bülow/Ring/Artz/Brixius, HWG, 5. Aufl. 2016, § 3a Rn. 1).

OLG Frankfurt, Urt. v. 12.12.2019, 6 U 189/18, Tz. 52

Dass die Werbung der Beklagten sich an Fachkreise richtete, steht der Anwendung von § 3a HWG nicht entgegen; im Gegensatz zu anderen Verboten im HWG (z.B. § 4a II) ist das Verbot der Off-Label-Werbung nicht auf die Werbung gegenüber Verbrauchern beschränkt.

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Marktverhaltensregel

OLG Köln, Urt. v. 22.2.2017, 6 U 101/16, II.2.b

Bei der Vorschrift des § 3a S. 1 HWG handelt es sich um eine solche Marktverhaltensregelung, deren Verletzung die Interessen der davon betroffenen Marktteilnehmer spürbar beeinflusst (vgl. BGH, Urt. v. 25.6.2015, I ZR 11/14 – Chlorhexidin, m. w. N.).

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Arzneimittel

OLG Schleswig, Urt. v. 28.1.2016, 6 U 4/15, II.1.a

Der Begriff des Arzneimittels bestimmt sich gemäß § 1 Abs. 1 Nr. 1 HWG aus § 2 des Arzneimittelgesetzes (AMG).

Näheres dazu siehe hier.

Die Vorschrift findet keine Anwendung auf Arzneimittel, die keiner Zulassungspflicht unterliegen wie Defekturarzneimittel:

BGH, Urt. v. 9.2.2017, I ZR 130/13, Tz. 19 – Weihrauch-Extrakt-Kapseln II

Die Bestimmungen der Richtlinie 2001/83/EG zur Zulassungspflicht nach Art. 6 Abs. 1 der Richtlinie und zum Werbeverbot nach Art. 87 Abs. 1 der Richtlinie betreffen nur solche Arzneimittel, die die positiven Anforderungen des Art. 2 Abs. 1 der Richtlinie erfüllen und außerdem nicht unter die negativen Anwendungsvoraussetzungen des Art. 3 der Richtlinie fallen. Gemäß Art. 2 und Art. 3 der Richtlinie sind bestimmte Arzneimittel vom Anwendungsbereich der Richtlinie und damit auch vom Werbeverbot gemäß Art. 87 Abs. 1 der Richtlinie ausgenommen. Dazu gehören nach Art. 2 Abs. 1 der Richtlinie 2001/83/EG Arzneimittel, bei deren Zubereitung oder Herstellung kein industrielles Verfahren zur Anwendung kommt (EuGH, Urt. v. 16.7.2015, C-544/13 und C-545/13, Tz. 50 - Abcur; EuGH, GRUR 2017, 206 Tz. 31 - Hecht-Pharma GmbH/Hohenzollern Apotheke) sowie nach Art. 3 Nr. 1 und Nr. 2 der Richtlinie 2001/83/EG unter den dort geregelten weiteren Voraussetzungen auch Arzneimittel, die in einer Apotheke zubereitet werden. Sind diese Voraussetzungen zu bejahen, ordnet die Richtlinie 2001/83/EG für diese Arzneimittel auch dann kein Verbot der Werbung an, wenn für sie keine arzneimittelrechtliche Zulassung vorliegt. Daraus ergibt sich, dass das Unionsrecht kein Werbeverbot für alle nicht behördlich zugelassenen Arzneimittel anordnet, sondern das Werbeverbot davon abhängig macht, ob das Arzneimittel der in der Richtlinie 2001/83/EG angeordneten Zulassungspflicht unterliegt (BGH, GRUR 2015, 705 Rn.15 - Weihrauch-ExtraktKapseln I).

OLG Jena, Urt. v. 3.7.2019, 2 U 626/18, II.3.b.aa

Traditionell registrierte Arzneimittel unterfallen dem Anwendungsbereich von § 3a HWG. Zwar ist umstritten, was dem Begriff der "Zulassung" in § 3a HWG unterfällt und ob damit auch die Registrierung traditioneller pflanzlicher Arzneimittel gemeint ist (vgl. Brixius in: Bülow/Ring/Artz/Brixius, HWG, 5. A., § 3a Rn. 9). Eine sich an Art. 87 der Richtlinie 2001/83/EG (mit der §§ 3, 3a HWG umgesetzt wurde) orientierende Auslegung führt jedoch dazu, dass auch traditionell registrierte Arzneimittel dem Anwendungsbereich von § 3a HWG unterfallen.

(wird eingehend ausgeführt)

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Ausgangspunkt: Zulassung

OLG Stuttgart, Urt. v. 19.11.2009, 2 U 40/09, B.4.a.aa

§ 3 a Satz 2 HWG bestimmt im Kern, dass mit einer Indikation, für welche das Arzneimittel nicht zugelassen ist, nicht geworben werden darf (BGH WRP 2008, 1335 [Tz. 29] - Amlodipin). Die Frage, ob die Beklagte ihr Arzneimittel unter Verstoß gegen § 3 a HWG beworben hat, hängt allein von der Reichweite der erteilten Zulassung ab (BGH GRUR 2009, 418 [Tz. 8 und 20] - Fußpilz).

OLG Stuttgart, Urt. v. 8.6.2017, 2 U 127/16, Tz. 32

Maßgeblich für den Umfang der Zulassung ist der nach § 25 Arzneimittelgesetz (AMG) erteilte Zulassungsbescheid der zuständigen Behörde (BGH, Urt. v. 11.9.2008, I ZR 58/06, juris Rn. 20).

OLG Hamburg, Urt. v. 30.1.2014, 3 U 63/12, II.2.a

Ein bestimmtes Marktverhalten, dem ein gestattender Verwaltungsakt der zuständigen Verwaltungsbehörde zugrunde liegt, verstößt nicht gegen die §§ 3, 4 Nr. 11 UWG, solange der Verwaltungsakt nicht nichtig oder in dem dafür vorgesehenen verwaltungsrechtlichen Verfahren aufgehoben worden ist (BGH GRUR 2005, 778, 779 - Atemtest; GRUR 2008, 1014 Rn. 32 - Amlodipin; Köhler/Bornkamm, UWG, 31. Aufl. 2013, Rz. 11.20). Im Falle der Zulassung eines Arzneimittels erstreckt sich die Legitimationswirkung der behördlichen Entscheidung allerdings nicht auf einzelne, gem. § 22 AMG mit dem Antrag vorzulegende Unterlagen - etwa: die Gestaltung der Faltschachtel -, wenn nicht festgestellt werden kann, dass die Behörde eine Entscheidung über deren Zulässigkeit getroffen hat (BGH GRUR 2008, 1014 Rn. 32 - Amlodipin).

OLG Hamburg, Urt. v. 30.1.2014, 3 U 63/12, II.2.a.aa

Für die Prüfung der Frage, ob und inwieweit sich die Legitimationswirkung der Zulassungsentscheidung auch auf den Inhalt der Fachinformation erstreckt, sind ihr Zweck und ihre regulatorische Behandlung zu betrachten. § 11a Abs. 1 AMG schreibt u.a. vor, dass der pharmazeutische Unternehmer verpflichtet ist, Ärzten und Apothekern für zulassungspflichtige Fertigarzneimittel auf Anforderung eine Gebrauchsinformation für Fachkreise (Fachinformation) zur Verfügung zu stellen. Diese Vorschrift verfolgt den Zweck, durch Information der Fachkreise die Arzneimittelsicherheit zu erhöhen, indem diese über die Qualität, Risiken, Wirksamkeit und Anwendung der Arzneimittel ausführlich informiert werden (Kloesel/Cyran, Arzneimittelrecht Kommentar, § 25 AMG Rn. 1). Nach § 11a Abs. 1 S. 8 AMG ist der pharmazeutische Unternehmer verpflichtet, die Fachinformation auf dem aktuellen wissenschaftlichen Kenntnisstand zu halten. Nach § 22 Abs. 7 S. 1 AMG ist dem Zulassungsantrag u.a. der Entwurf einer Zusammenfassung der Produktmerkmale beizufügen, bei der es sich zugleich um die Fachinformation nach § 11a Abs. 1 S. 2 AMG handelt. Die Vorlage des Entwurfs ermöglicht der Zulassungsbehörde, die geplanten Angaben in ihrer Gesamtheit zu beurteilen und nachzuprüfen, ob das Inverkehrbringen des Arzneimittels nicht gegen gesetzliche Vorschriften, z.B. gegen das Verbot irreführender Angaben gem. § 8 AMG, verstößt (Kloesel/Cyran § 22 AMG Rn. 109). § 29 Abs. 2a AMG sieht u.a. vor, dass eine Änderung der Angaben im Sinne des § 11a AMG über die Dosierung, die Art oder die Dauer der Anwendung gem. § 29 Abs. 2a AMG erst vollzogen werden darf, wenn die zuständige Bundesoberbehörde - das BfArM - zugestimmt hat. ...

Schon der Umstand, dass vorliegend Angaben in der Fachinformation beanstandet werden, die unter der Rubrik “Dosierung, Art und Dauer der Anwendung“ enthalten sind, spricht dafür, dass die Zulassungsbehörde diese Angaben zur Kenntnis genommen und gebilligt hat. Denn es handelt sich hierbei um Angaben, die für die Arzneimittelsicherheit, die Wirksamkeit des Präparats und die Therapieentscheidung des Arztes besonderes wichtig sind und die deshalb im ureigenen Aufmerksamkeits- und Prüfbereich der Zulassungsbehörde liegen, die die Zulassung u.a. „aufgrund der Prüfung der eingereichten Unterlagen“ erteilt (vgl. § 25 Abs. 5 S. 1 AMG).

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Anwendungsgebiet

BGH, Urt. v. 13.3.2008, I ZR 95/05, Tz. 28 f - Amlodipin

§ 3a HWG erfasst auch Fälle, in denen sich die Werbung für ein zugelassenes Arzneimittel auf von der Zulassung nicht umfasste Anwendungsgebiete bezieht. Denn auch bei solchen Anwendungsgebieten fehlt es nicht anders als bei insgesamt nicht zugelassenen Arzneimitteln an der für die Verkehrsfähigkeit des Mittels erforderlichen medizinisch-pharmakologischen Überprüfung durch die Zulassungsbehörde.

OLG Frankfurt, Urt. v. 12.12.2019, 6 U 189/18, Tz. 54

Nach § 3a HWG ist eine Werbung für Arzneimittel, die der Pflicht zur Zulassung unterliegen und nicht nach den arzneimittelrechtlichen Vorschriften zugelassen sind, unzulässig. Die Vorschrift gilt auch für die Werbung mit einer Indikation, für die das Arzneimittel nicht zugelassen ist.

OLG Hamburg,  Urt. v. 31.10.2013, 3 U 171/12, II.3

Der Begriff "Anwendungsgebiete" ist gleichbedeutend mit dem in der medizinischen Wissenschaft gebräuchlichen Begriff der Indikation und bezeichnet die dem Arzneimittel gegebene Zweckbestimmung, insbesondere die körperlichen und seelischen Zustände, die durch das betreffende Arzneimittel beeinflusst werden sollen.

Ebenso OLG Koblenz, Urt. v. 17.12.2014, 9 U 834/14; OLG Celle, Urt. v. 9.7.2015, 13 U 17/15, Tz. 45; OLG Koblenz, Urt. v. 27.1.2016, 9 U 895/15 (MD 2016, 475); OLG Stuttgart, Urt. v. 8.6.2017, 2 U 127/16, Tz. 34

OLG Hamburg,  Urt. v. 31.10.2013, 3 U 171/12, II.3

Die Anwendungsgebiete ergeben sich aus den Zulassungsunterlagen (§ 22 Abs. 1 Nr. 6 AMG) und dem hieran anknüpfenden Zulassungsbescheid. Die in der Werbung angegebenen bzw. kommunizierten Indikationen müssen jedenfalls inhaltlich mit denjenigen übereinstimmen, die für das betreffende Präparat durch die zuständige Bundesoberbehörde registriert oder zugelassen sind.

Anwendungsgebiet im Sinne der Vorschrift ist demnach nicht nur ein bestimmter Krankheitszustand, sondern etwa auch eine in der Zulassung vorgesehene Anwendungseinschränkung, so etwa die Zulassung eines Antimycoticums als sog. Second-Line-Präparat, dessen Anwendung also nur nach Fehlschlagen einer anderweitigen (First-Line-) Therapie vorgesehen ist oder die Zulassung eines Osteoporose-Präparats mit Nennung der örtlichen Zweckbestimmung.

OLG Jena, Urt. v. 3.7.2019, 2 U 626/18, II.3.b.bb

Ob (unzulässigerweise) ein weiteres Anwendungsgebiet genannt oder lediglich auf zusätzliche Wirkungen hingewiesen wird, ist nach den Umständen des Einzelfalls und dem Verständnis des von der Werbung angesprochenen Verbrauchers zu entscheiden. Abzustellen ist auf den durchschnittlich informierten und verständigen Verbraucher, der der Werbung die der Situation angemessene Aufmerksamkeit entgegenbringt, dessen Verständnis der Senat selbst beurteilen kann.

OLG Koblenz, Urt. v. 27.1.2016, 9 U 895/15 (MD 2016, 475)

Ein Verstoß gegen § 3a Satz 2 HWG liegt vor, wenn der angesprochene Verbraucher die beanstandete Angabe als Hinweis auf ein Anwendungsgebiet und nicht lediglich als Beschreibung einer zusätzlichen Wirkung des Mittels versteht. Ein Verstoß liegt hingegen nicht vor, wenn lediglich zusätzliche Wirkungen eines Arzneimittels beschrieben werden und der ursächliche Zusammenhang dieser zusätzlichen Wirkung mit der zugelassenen Indikation oder das Fehlen einer eigenständigen Indikation verdeutlicht werden. Die Grenze ist dort überschritten, wo bei einem allgemein gehaltenen Anwendungsgebiet mit spezifischen Indikationen geworben wird, die sich nicht ohne weiteres aus der Basisindikation ergeben, weil dies im Ergebnis zu einer Umgehung des für solche spezifischen Anwendungsgebiete erforderlichen Zulassungsverfahren führen würde. Deshalb kann eine Werbung, die ein allgemeines Anwendungsgebiet konkretisiert, nur dann zulässig sein, wenn ein ursächlicher Zusammenhang mit der Basisindikation besteht und dies in der konkreten Bewerbung auch derart verdeutlicht wird, dass sich aus dieser ergibt, dass es sich nicht um eine eigenständige Indikation, sondern lediglich um die Wirkung innerhalb der Basisindikation handelt.

OLG Stuttgart, Urt. v. 8.6.2017, 2 U 127/16, Tz. 37 ff

Von einem „Bezug“ der Werbung auf ein nicht zugelassenes Anwendungsgebiet ist auszugehen, wenn der angesprochene Verbraucher die beanstandete Angabe als Hinweis auf ein Anwendungsgebiet und nicht lediglich als Beschreibung einer zusätzlichen Wirkung des Mittels versteht (OLG Koblenz, Urt. v. 17.12.2014, 9 U 834/14, Tz. 26). Ein Verstoß gegen § 3a Satz 2 HWG liegt demnach nicht vor, wenn lediglich zusätzliche Wirkungen eines Arzneimittels beschrieben werden.

Ob unzulässigerweise ein weiteres Anwendungsgebiet genannt oder lediglich auf zusätzliche Wirkungen hingewiesen wird, ist nach den Umständen des Einzelfalls und dem Verständnis des von der Werbung angesprochenen Verbrauchers zu entscheiden (OLG Hamburg, Urt. v. 26.9.2002, 3 U 69/02, Tz. 13; OLG Koblenz, Urt. v. 17.12.2014, 9 U 834/14, Tz. 26). Abzustellen ist auf den durchschnittlich informierten und verständigen Verbraucher, der der Werbung die der Situation angemessene Aufmerksamkeit entgegenbringt (BGH, Urt. v. 20.10.1999, I ZR 167/97, Tz. 20). ...

Bei der Feststellung des Verkehrsverständnisses sind - wie allgemein bei gesundheitsbezogener Werbung - besonders strenge Anforderungen an die Richtigkeit, Eindeutigkeit und Klarheit der Werbeaussage zu stellen, da mit irreführenden gesundheitsbezogenen Angaben erhebliche Gefahren für das hohe Schutzgut der Gesundheit des Einzelnen sowie der Bevölkerung verbunden sein können (BGH, Urt. v. 06.2.2013, I ZR 62/11, Tz. 15).

OLG Stuttgart, Urt. v. 8.6.2017, 2 U 127/16, Tz. 44, 51

Auf zusätzliche Wirkungen darf nur hingewiesen werden, wenn sie sich innerhalb des zugelassenen Anwendungsgebietes entfalten. Sowohl der ursächliche Zusammenhang dieser zusätzlichen Wirkungen mit der zugelassenen Indikation als auch das Fehlen einer eigenständigen Indikation müssen verdeutlicht werden. ...

Liegt ein Wirkungszusammenhang des Medikamentes jedoch lediglich in allgemeiner Form vor, nicht aber – wie erforderlich – im Zusammenhang mit der zugelassenen Indikation, ist ein Werbehinweis, der dem Verbraucher gegenüber diesen Eindruck erweckt, gemäß § 3a HWG unzulässig.

Beispiel:

OLG Jena, Urt. v. 3.7.2019, 2 U 626/18, II.3.b.bb

Der Senat geht bei der Angabe "stärkt das Immunsystem" nicht davon aus, dass es sich um eine bloß zusätzliche Wirkung eines Präparats handelt, das zur Bekämpfung von Kratzen im Hals oder anderen Erkältungserscheinungen im Halsbereich eingesetzt wird. Vielmehr misst er dem Medikament eine über die Bekämpfung von bestimmten Symptomen hinaus gehende Wirkung zu. Er versteht die Angabe deshalb als einen Hinweis auf ein zusätzliches, eigenständiges Anwendungsgebiet. Denn er erwartet einen Effekt auf seine Körperfunktionen, die über das hinausgeht, was der Beseitigung von (z.B.) Halskratzen hinausgeht.

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Verwendung von Oberbegriffen

BGH, Urt. v. 13.3.2008, I ZR 95/05, Tz. 28 f - Amlodipin

Das in § 3a HWG bestimmte Werbeverbot entspricht der in Art. 87 Abs. 1 der Richtlinie 2001/83/EG getroffenen Regelung. Es ist nicht nur dann verletzt, wenn ein nicht von der Zulassung erfasstes Anwendungsgebiet explizit genannt wird, sondern auch dann, wenn der Anwendungsbereich eines Arzneimittels mit einem Oberbegriff bezeichnet wird, zu dem neben dem Anwendungsgebiet, für das das Mittel zugelassen ist, auch ein Anwendungsgebiet gehört, für das es an einer Zulassung fehlt.

Ebenso KG, Urt. v. 13.3.13, 5 U 96/11, B. I.1.b.cc; OLG Schleswig, Beschl. v. 15.12.2011, 6 W 19/11

OLG Stuttgart, Urt. v. 19.11.2009, 2 U 40/09, B.4.a.aa

Die Vorschrift ist nicht nur dann verletzt, wenn ein nicht von der Zulassung erfasstes Anwendungsgebiet explizit genannt wird, sondern auch dann, wenn der Anwendungsbereich eines Arzneimittels mit einem Oberbegriff bezeichnet wird, zu dem neben dem Anwendungsgebiet, für welches das Mittel zugelassen ist, auch ein Anwendungsgebiet gehört, für das es an einer Zulassung fehlt (BGH a.a.O. [Tz. 28] - Amlodipin). Dabei wird auch der Fall erfasst, dass sich die fehlende Zulassung aus dem Zusammenhang ergibt. Die Werbeangabe muss dabei als Hinweis auf ein Anwendungsgebiet verstanden werden, für welches das Arzneimittel nicht zugelassen ist. Wird demgegenüber in der Werbung nur auf (zusätzliche) Wirkungen des betreffenden Arzneimittels hingewiesen, so ist ein Verstoß gegen § 3 a HWG nicht gegeben, wenn der ursächliche Zusammenhang mit der zugelassenen Indikation und das Fehlen einer insoweit eigenständigen Indikation werblich verdeutlicht wird. Dabei zählen die Anwendungsgebiete nicht zu den Pflichtangaben im Sinne des § 10 Abs. 1 S. 1 AMG (BGH a.a.O. [Tz. 24] - Amlodipin). Für das Verständnis der Werbung ist nicht maßgeblich darauf abzustellen, dass die Anwendungsgebiete in dem Werbeträger als Pflichtangaben abgedruckt sind. Diese Pflichtangaben sind grundsätzlich ungeeignet, etwaige Fehlvorstellungen im Rahmen des § 3 a HWG zu korrigieren. Diese Vorschrift verlangt schon im Interesse ihrer hohen Schutzfunktion gerade in der Werbung klare Angaben. Es liegt auf der Hand, dass eine Werbeaussage für sich diesen Anforderungen genügen muss und dass eine - ohnehin zwar denkbare, aber keinesfalls sicher eintretende - Berichtigung durch Schlussfolgerungen aus den Pflichtangaben nicht genügen würde.

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Verhältnis zu § 10 AMG

OLG Frankfurt, Urt. v. 24.5.2018, 6 U 46/17, II.3

Die vom Kläger geltend gemachten Tatbestände des § 10 I AMG und §§ 3,3a HWG verhalten sich wie folgt zueinander: Da alle angegriffenen Werbeaussagen der Beklagten sich auf der Umverpackung des Produkts befinden, gilt grundsätzlich die Spezialregelung des § 10 Abs. 1 AMG. Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (GRUR 2009, 990 - Metoprolol) stellen sowohl Pflichtangaben nach Art. 10 Abs. 1 AMG als auch Angaben, die nach § 10 Abs. 1 Nr. 5 AMG zulässig sind, keine Werbung dar. §§ 3, 3a HWG sind daher auf solche Angaben originär nicht anwendbar.

Werbung für nicht zugelassene Anwendungsgebiete

OLG Koblenz, Urt. v. 17.12.2014, 9 U 834/14

Ein Verstoß gegen § 3 a S. 2 HWG liegt vor, weil sich die Werbeanzeigen auf dieses nicht zugelassene Anwendungsgebiet "beziehen". Hiervon ist auszugehen, wenn der angesprochene Verbraucher die beanstandete Angabe als Hinweis auf ein Anwendungsgebiet und nicht lediglich als Beschreibung einer zusätzlichen Wirkung des Mittels versteht.

OLG Koblenz, Urt. v. 17.12.2014, 9 U 834/14

Ein Verstoß gegen § 3 a S. 2 HWG liegt dagegen nicht vor, wenn lediglich zusätzliche Wirkungen eines Arzneimittels beschrieben werden und der ursächliche Zusammenhang dieser zusätzlichen Wirkungen mit der zugelassenen Indikation und das Fehlen einer eigenständigen Indikation verdeutlicht werden. Dabei kommt es auf die Umstände des Einzelfalls und das Verständnis des beworbenen Verbrauchers an (Bülow/Ring/Arzt/Brixius, HWG, Rnr. 26 zu § 3 a HWG; Fezer, UWG, Band I, § 4 - S 4, Rnr. 473; OLG Hamburg, Magazindienst 2005, 810).

Ebenso OLG Celle, Urt. v. 9.7.2015, 13 U 17/15, Tz. 46

OLG Koblenz, Urt. v. 17.12.2014, 9 U 834/14

Die Vorschrift verlangt im Interesse der hohen Schutzfunktion in der Werbung klare Angaben. Eine mögliche Berichtigung von Fehlvorstellungen des Verbrauchers durch die vorgeschriebenen Pflichtangaben muss in diesem Zusammenhang außer Betracht bleiben (OLG Hamburg, Magazindienst 2005, 810).

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Werbung für abweichende Darreichungsformen und Dosierungen

OLG Hamburg, Urt. v. 30.7.2015, 3 U 93/14, II.2.b

In der herrschenden Meinung in Rechtsprechung und Literatur ist anerkannt, dass § 3a HWG auch Fallgestaltungen erfasst, in denen sich die Werbung für ein zugelassenes Arzneimittel auf von der Zulassung nicht umfasste Anwendungsgebiete, Darreichungsformen und nicht der Zulassung entsprechende Dosierungen bezieht. Denn auch dann fehle es nicht anders als bei insgesamt nicht zugelassenen Arzneimitteln an der für die Verkehrsfähigkeit des Mittels erforderlichen medizinisch-pharmakologischen Überprüfung durch die Zulassungsbehörde (OLG Hamburg, GRUR 2003, 354, 355; GRUR 2003, 356).

Durch Art. 2 Nr. 1a des Vierzehnten Gesetzes zur Änderung des Arzneimittelgesetzes vom 29. August 2005 (BGBl. I S. 2570, 2599) wurde § 3a S. 1 HWG um einen Satz 2 ergänzt, der lautet: „Satz 1 findet auch Anwendung, wenn sich die Werbung auf Anwendungsgebiete oder Darreichungsformen bezieht, die nicht von der Zulassung erfasst sind.“...

Mit der Änderung wird nicht zum Ausdruck gebracht, dass der Gesetzgeber den Anwendungsbereich des § 3a HWG auf eine Werbung außerhalb des Anwendungsbereichs und/oder der Darreichungsform beschränken und vom Anwendungsgebiet ausgrenzen wollte. Vielmehr bleibt es dabei, dass eine Werbung für eine mit der Zulassung nicht im Einklang stehende Dosierung eines Arzneimittels dem Anwendungsbereich des § 3a HWG unterfällt.

Ebenso OLG Hamburg, Beschl. v. 11.2.2021, 3 U 128/16, Tz. 33 ff

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Verhältnis zu zugelassenen Health-Claims

Zur Health-Claims-Verordnung siehe hier. Mit zugelassenen Health-Claims darf nicht für Arzneimittel geworben werden, wenn der Health-Claim nicht von der Arzneimittelzulassung gedeckt ist.

OLG Stuttgart, Urt. v. 8.6.2017, 2 U 127/16, Tz. 35

Unerheblich ist ..., dass die Europäische Kommission für den Bereich der Lebensmittel ... die Angabe „Vitamin C trägt zu einer normalen Funktion des Immunsystems bei“ zugelassen hat (ABl. L Nr. 136 vom 25.02.2012, S. 33). Auf die Beantwortung der Frage, ob das Arzneimittel tatsächlich in dem Anwendungsgebiet außerhalb der Zulassung wirksam ist oder nicht, kommt es bei der Beurteilung eines Verstoßes gegen § 3a HWG nicht an. Selbst eine langjährig nachgewiesene Wirksamkeit ändert nichts an dem Verbot einer entsprechenden Werbung. Die Verbotsvorschrift des § 3a HWG knüpft alleine an das formale Kriterium an, ob der Anwendungsbereich von der arzneimittelrechtlichen Zulassung erfasst wird (OLG Stuttgart, Urt. v. 16.3.2006, 2 U 226/05, Tz. 20)

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Spürbarkeit

OLG Stuttgart, Urt. v. 8.6.2017, 2 U 127/16, Tz. 52

Der Verstoß ist auch im Sinne von § 3a UWG geeignet, die Interessen von Verbrauchern spürbar zu beeinträchtigen. Verstöße gegen Marktverhaltensregelungen, die wie §§ 3, 3a HWG den Schutz der Gesundheit der Verbraucher bezwecken, sind ohne weiteres geeignet, die Interessen der Verbraucher in diesem Sinne spürbar zu beeinträchtigen (BGH, Urt. v. 08.1.2015, I ZR 123/13, Tz. 16).

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Zitiervorschlag zur aktuellen Seite

Omsels, Online-Kommentar zum UWG:

http://www.webcitation.org/6LJRXxbb6