Ihr Rechtsanwalt im Wettbewerbsrecht
Dr. Hermann-Josef Omsels*

Eine Darstellung des Gesetzes gegen den unlauteren Wettbewerb und wettbewerbsrechtlicher Nebengesetze



 


 

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§ 3 S. 2 Nr. 1 HWG: Wirksamkeit/Wirkungen

Beilegung nicht vorhandener Wirkungen und Wirksamkeit

1. Gesetzeswortlaut

2. Irreführungseignung ist ausreichend

3. Maßstab: Angesprochener Verkehr

4. Abgrenzung zu § 3 Abs. 1, Satz 2 Nr. 2

5. Wirksamkeit

6. Therapeutische Wirksamkeit

7. Wirkungen

8. Werbliche Verwendung von pauschalen Indikationsangaben

9. Angabe von Anwendungsgebieten

10. Nachweis der Wirkungen und therapeutischen Wirksamkeit

11. Werbung mit nicht anerkannten Krankheitsbildern

12. Medizinprodukte

Gesetzeswortlaut

§ 3 HWG

Unzulässig ist eine irreführende Werbung. Eine Irreführung liegt insbesondere dann vor,

1. wenn Arzneimitteln, Medizinprodukten, Verfahren, Behandlungen, Gegenständen oder anderen Mitteln eine therapeutische Wirksamkeit oder Wirkungen beigelegt werden, die sie nicht haben.

Zu Medizinprodukten siehe Art. 7 MDR.

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Irreführungseignung ist ausreichend

OLG Nürnberg, Urt. v. 10.9.2013, 3 U 1071/13, B.I.2.aa

Ein Verstoß gegen das Verbot irreführender Werbung ist bereits dann anzunehmen, wenn die betreffende Werbeangabe geeignet ist, beim Adressaten einen falschen Eindruck zu erwecken und infolge dessen seine Entscheidung, hier zur Anschaffung bzw. zur Installation einer entsprechenden Einrichtung zu beeinflussen.

OLG München, Urt. v. 8.12.2016, 29 U 1893/16 - Bioresonanztherapie

Es sind  besonders strenge Anforderungen an die Richtigkeit, Eindeutigkeit und Klarheit der Werbeaussage zu stellen, da mit irreführenden gesundheitsbezogenen Angaben erhebliche Gefahren für das hohe Schutzgut des Einzelnen sowie der Bevölkerung verbunden sein können (vgl. BGH GRUR 2013, 649 Tz. 15 – Basisinsulin mit Gewichtsvorteil).

Ebenso OLG Nürnberg, Hinweisbeschl. v. 22.5.2018, 3 U 1138/18, Tz. 67; OLG Celle, Urt. v. 31.7.2018, 13 U 26/18, II.1.b.aa; OLG Jena, Urt. v. 3.7.2019, 2 U 626/18

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Maßstab: Angesprochener Verkehr

BGH, Urt. v. 5.11.2020, I ZR 204/19, Tz. 11 - Sinupret

Im Heilmittelwerberecht ist für die Bestimmung des Inhalts einer Werbeaussage das Verständnis des durchschnittlich informierten, aufmerksamen und verständigen Werbeadressaten (vgl. zu diesem Maßstab nur BGH, Urt. v. 2.10.2003, I ZR 150/01, Tz. 13 - Marktführerschaft) maßgeblich.

OLG Nürnberg, Urt. v. 29.10.2019, 3 U 559/19, B.III.1.b

Maßgebend für die Beurteilung einer Werbeaussage ist das Verständnis des durchschnittlich informierten, aufmerksamen und verständigen Durchschnittsadressaten der Werbung (OLG Hamburg, Urt. v. 26.9.2002, 3 U 69/02, Tz. 20). Entscheidend ist der Gesamteindruck, den die geschäftliche Handlung bei den maßgeblichen Verkehrskreisen hervorruft. Sie ist irreführend, wenn das Verständnis, das sie bei den angesprochenen Verkehrskreisen erweckt, mit den tatsächlichen Verhältnissen nicht übereinstimmt (BGH, Urt. v. 25.06.2015, I ZR 145/14, Tz. 19 – Mobiler Buchhaltungsservice).

OLG Nürnberg, Urt. v. 29.10.2019, 3 U 559/19, B.III.1.b

Bei Werbung gegenüber Fachkreisen ist zu berücksichtigen, dass Werbeangaben von fachkundigen Kreisen meist sorgfältiger betrachtet werden. Was sie vom unkritischen Laien unterscheidet, ist, dass sie auf Grund ihrer Vorbildung und Erfahrung den Aussageinhalt einer Angabe leichter erfassen und zudem wegen ihrer beruflichen Verantwortung zu einer genaueren Prüfung veranlasst sein können (OLG Nürnberg, Beschl. V. 21. 8.2018, 3 U 1138/18, Tz. 44).

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Abgrenzung zu § 3 Abs. 1, Satz 2 Nr. 2

Nach § 3 Abs. 1, Satz 1, Nr. 1 HWG ist es unzulässig, Heilmitteln eine therapeutische Wirksamkeit oder Wirkungen beizulegen, die sie nicht haben; nach § 3 Abs. 1 Satz 2, Nr. 2 HWG ist es unzulässig, einen Heilerfolg zuzusichern, der nicht sicher ist.  Die Werbung mit Wirksamkeitsangaben täuscht über die Reichweite der Wirkung und Wirksamkeit eines Heilmittels, während die Werbung mit Erfolgsversprechen suggeriert, dass die herausgestellte Wirkung oder Wirksamkeit mit Sicherheit erwartet werden kann.

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Wirksamkeit

OLG Hamburg, Urt. v. 22.3.2018, 3 U 177/17 – Bestätigte Wirksamkeit

Die Behauptung der Wirksamkeit eines Mittels in einem bestimmten Indikationsbereich versteht der Verkehr regelmäßig dahin, dass es um eine im Rahmen klinischer Studien nach dem Goldstandard festgestellte Wirksamkeit geht. Damit also um die Wirksamkeit, mit der eine statistische Auswertung über den Wahrscheinlichkeitsgrad der Wirksamkeit des Mittels über alle damit zu behandelnden Patienten einhergeht. Beobachtungsstudien lassen demgegenüber nur tatsächliche Feststellungen darüber zu, in welchem Ausmaß die Gabe eines Mittels in einer bestimmten Kohorte zur Bekämpfung oder Linderung eines Erkrankungszustandes oder dem Entstehen einer Erkrankung beigetragen hat. Dies wird in der wissenschaftlichen Literatur zur Abgrenzung von Wirksamkeitsaussagen durch Studien nach dem Goldstandard eher mit „Effektivität“ statt mit „Wirksamkeit“ übersetzt. …

… Dass in der Praxis Studienergebnisse unterschiedlicher Validität gleichermaßen unter Verwendung des Begriffs der „Wirksamkeit“ beschrieben werden, kann angenommen werden. Im Streitfall kommt es indes darauf an, ob die konkret angegriffene Werbung den Fachkreisen hinreichend deutlich macht, von welcher Art der „Wirksamkeit“ im konkreten werblichen Zusammenhang die Rede ist. Wird das nicht hinreichend deutlich und besteht die Möglichkeit, dass erhebliche Teile des Fachverkehrs die jeweilige Werbeangabe als eine begreift, die eine aufgrund von wissenschaftlich hinreichend gesicherten Ergebnissen einer nach dem Goldstandard durchgeführten klinischen Studie ermittelte Wirksamkeit des Mittels betrifft, obwohl tatsächlich allenfalls eine Wirksamkeitsaussage (nach Auffassung der Antragstellerin eine Aussage zur Effektivität des durch das Mittel im Alltag beobachteten Schutzes) aufgrund einer Nachbeobachtungsstudie mit eingeschränkter Aussagekraft getroffen werden könnte, dann wird der Verkehr über das Maß der Aussagekraft und Validität der werblich hervorgehobenen Erkenntnisse in die Irre geführt.

Ebenso: OLG Hamburg, Urt. v. 29. März 2018, 3 U 95/188, Tz. 111

OLG Hamburg, Urt. v. 23.6.2022, 5 U 173/19 (= MD 2022, 920)

Angaben über von der Verwendung zu erwartenden Ergebnissen sind Wirkungsangaben (Bomkamm/Feddersen in: Köhler/Bornkamm/Feddersen, UWG, 40. Aufl., § 5 UWG, Rdnr. 2.215).

OLG Hamburg, Urt. v. 23.6.2022, 5 U 173/19 (= MD 2022, 920)

Die Formulierung der Wirkaussagen in der Möglichkeitsform „kann" führt zwar zu einer Relativierung der Werbebehauptungen (OLG Nürnberg GRUR-RS 2021, 20803, Rdnr. 25). Sie trägt jedoch nach dem allgemeinen Verkehrsverständnis auch dem Umstand Rechnung, dass die Auswirkungen auf den menschlichen Körper individuell unterschiedlich und von verschiedenen Faktoren abhängig sein können (LG Hannover GRUR-RS 2019, 36699, Rdnr. 35). Sowohl die „Kann"-Aussagen als auch die Aussagen in der Möglichkeitsform suggerieren aus Sicht des angesprochenen Verkehrs, dass die Anwendung grundsätzlich geeignet ist, die ausgelobten Effekte hervorzurufen, und dass die Anwendung dieses bei einer bestimmten Anzahl von Personen auch tut. Das Verständnis des Verkehrs geht entgegen der Ansicht der Beklagten nicht dahingehend, dass die ausgelobten Effekte (lediglich) nicht ausgeschlossen seien. Daher müsse die grundsätzliche Eignung des Produkts zur Hervorrufung der ausgelobten Wirkungen und die grundsätzliche Eignung der Anwendungsform in der gebotenen Weise wissenschaftlich belegt sein. Soweit durch die Formulierung, dass die genannten Wirkungen eintreten „können" bzw. „möglich" sind, eine Relativierung der Werbebehauptungen eingetreten ist, handelt es sich nach dem insoweit maßgeblichen Verständnis der angesprochenen Verkehrskreise dennoch um eine Wirksamkeitsaussage bzw. -versprechung.

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Therapeutische Wirksamkeit

Angaben zur therapeutischen Wirksamkeit beschreiben den therapeutischen Erfolg, das ist das Ergebnis der Wirkung eines Heilmittels auf einem bestimmten Anwendungsgebiet.

BGH, Urt. v. 5.11.2020, I ZR 204/19, Tz. 9 - Sinupret

Mit dem im Heilmittelwerbegesetz nicht definierten Begriff der "therapeutischen Wirksamkeit" wird der therapeutische Erfolg der Wirkung eines Heilmittels auf bestimmten Anwendungsgebieten bei bestimmungsgemäßem Gebrauch beschrieben (vgl. zum Arzneimittelgesetz BVerwGE 94, 215, 217 f. [juris Rn. 30]), während der Begriff der "Wirkungen" generell Aussagen über die tatsächlichen oder gewünschten Folgen der Anwendung von Heilmitteln im Sinne des § 1 Abs. 1 HWG, ausgenommen Neben- oder Wechselwirkungen, betrifft (vgl. Prütting/Mand, Medizinrecht, 5. Aufl., § 3 HWG Rn. 62; ähnlich Reese in Doepner/Reese, HWG, 3. Aufl., § 3 Rn. 266 bis 267 mwN; BeckOK.HWG/Reese, 3. Edition [Stand 1. Juni 2020], § 3 Rn. 263 bis 269). Eine exakte Unterscheidung zwischen den sich in ihrer Bedeutung überschneidenden Begriffen ist im Rahmen des Irreführungstatbestands des § 3 HWG nicht erforderlich (vgl. BeckOK.HWG/Reese aaO § 3 Rn. 263, 267).

OLG Hamm, Urt. v. 13.12.2012, I-4 U 141/12, Tz. 56

Die therapeutische Wirksamkeit bezieht sich auf die Anwendungsgebiete im Sinne der Indikationen.

OLG Jena, Urt. v. 3.7.2019, 2 U 626/18, II.3.a aa

Therapeutische Wirksamkeit ist die Beeinflussung des Krankheitsverlauf oder die sonst beabsichtigte Veränderungen physischer oder psychischer Vorgänge aufgrund der Wirkungen des Heilmittels, also die durch das Heilmittel hervorgerufene Änderung im Zustand oder Funktion von Körper oder Körperorganen (Artz in: Bülow/Ring/Artz/Brixius, Heilmittelwerbegesetz, 5. A., § 3 Rn. 56). Irreführende Aussagen über therapeutische Wirkungen und Wirksamkeit können neben indikationsbezogenen Aussagen und wirkstoffbezogenen Angaben auch Angaben über Wirkungsweise bzw. Angaben über die Schnelligkeit der Wirkung sein.

Ob durch die Werbeangabe ein (therapeutisches) Wirkungsversprechen bzw. eine Angabe über eine zusätzliche Wirkungsweise genannt wird, ist nach den Umständen des Einzelfalls und dem Verständnis des von der Werbung angesprochenen Verbrauchers zu entscheiden (vgl. In anderem Zusammenhang: OLG Hamburg Magazindienst 2003, 199). Abzustellen ist auf den durchschnittlich informierten und verständigen Verbraucher, der der Werbung die der Situation angemessene Aufmerksamkeit entgegenbringt (OLG Stuttgart GRUR-RR 2018, 86).

OLG Celle, Urt. v. 4.10.2012, 13 U 36/12, II.1.b.bb

Therapeutische Wirksamkeit ist der therapeutische Erfolg der Wirkung des Heilmittels auf bestimmten Anwendungsgebieten bei bestimmungsgemäßem Gebrauch. Eine Irreführung im Sinne des § 3 Satz 1 HWG ist dann geben, wenn in der Werbung einem Produkt eine therapeutische Wirksamkeit als objektiv richtig beigemessen wird, diese Wirksamkeit aber fachlich (noch) umstritten ist (vgl. BGH, Urt. v. 7.12.2000, I ZR 260/98 - Eusovit). Stützt sich der Werbende auf eine fachlich umstrittene Behauptung, ohne die Gegenansicht zu erwähnen, hat er damit auch die Verantwortung für die fachliche Richtigkeit seiner Angabe übernommen; er muss sie im Streitfall auch beweisen.

Ebenso OLG Celle, Urt. v. 5.12.2013, 13 W 77/13; OLG Brandenburg, Urt. v. 28.4.2015, 6 U 6/1, Tz. 84; OLG Celle, Urt. v. 26.5.2016, 13 U 147/15, II.2.b; OLG Jena, Urt. v. 3.7.2019, 2 U 626/18, II.3.a aa

KG, Beschl. v. 11.7.2011, 5 U 115/09,  IV.1

Eine Irreführung i.S.d. § 3 S. 1 HWG ist schon dann geben, wenn in der Werbung einem Produkt eine therapeutische Wirksamkeit als objektiv richtig beigemessen wird, diese Wirksamkeit aber fachlich (noch) umstritten ist. Unabhängig von der objektiven Richtigkeit einer Werbeaussage liegt eine relevante Täuschung des Verkehrs im Gesundheitsbereich bereits dann vor, wenn eine allgemeine wissenschaftliche Anerkennung der Therapieleistung behauptet wird, die (noch) nicht gegeben ist. Denn auch wenn mehrere Therapieleistungen aufgrund hinreichender Studien in einem wettbewerbsrechtlichen Rechtsstreit als objektiv richtig anzusehen sind, wird der angesprochene Verkehr aus Gründen einer gebotenen Vorsicht in der Regel diejenige Therapieleistung vorziehen, die bereits allgemein wissenschaftlich anerkannt ist.

Ebenso BGH, Urt. v. 7.12.2000, I ZR 260/98, II.3.b - Eusovit; OLG Braunschweig, Urt. v. 7.3.2012, 2 U 90/11 (= MD 2012, 494)

OLG Nürnberg, Hinweisbeschl. v. 22.5.2018, 3 U 1138/18, Tz. 62

Der Begriff der „therapeutischen Wirksamkeit“ meint die Ursächlichkeit der Anwendung des Arzneimittels für den Heilungserfolg (BVerwG, Urt. v. 14.10.1993, 3 C 21/91, Tz. 30). Er bezieht sich somit auf die - auf Grund pharmakologischer Wirkungen zustandekommende - Beeinflussung des Ablaufs eines Krankheitszustands.

Ebenso OLG Nürnberg, Urt. v. 29.10.2019, 3 U 559/19, B.III.1.a

Eine Wirksamkeitsaussage liegt auch darin, dass eine Wirksamkeit behauptet wird, die einem Referenzprodukt vergleichbar ist. Wird in diesem Zusammenhang eine Studie angegeben, geht der Verkehr davon aus, dass eine klinische Wirksamkeitsstudie die Vergleichbarkeit bestätige.

OLG Hamburg, Urt. v. 2.10.2014, 3 U 17/13, II.3.b

Die Angabe, xyz sei hinsichtlich der Wirksamkeit vergleichbar mit dem Referenzprodukt, führt beim Fachverkehr zu der Vorstellung, dass klinische Studien durchgeführt worden seien, welche eine mit N. vergleichbare Wirksamkeit von xyz ergeben hätten. Dies wird jedenfalls dadurch suggeriert, dass die beanstandeten Werbeaussagen jeweils auf Fußnoten verweisen und dass in den Fußnotenvermerken die Veröffentlichung der Studie „Gascon P et al.“ benannt wird.

Die Erwartungshaltung des Verkehrs geht hinsichtlich des Wirkungsbezugs einer Angabe in der Regel dahin, dass die Wirkungsangabe wissenschaftlich abgesichert sei (Riegger, Heilmittelwerberecht, Kap. 3 Rn. 25, 33). Nimmt die Werbung mit einer wirkungsbezogenen Angabe Bezug auf wissenschaftliche Studien, so geht der Arzt davon aus, dass es sich um lege artis durchgeführte klinische Studien handelt, die den werblich herausgestellten Aspekt bewiesen haben und dem aktuellen Stand der Wissenschaft entsprechen. Davon ausgehend erwartet der Fachverkehr jedenfalls dann, wenn im Zusammenhang mit der Aussage, dass das Arzneimittel eine vergleichbare Wirksamkeit habe wie das Referenzprodukt, zu dem vor seiner Zulassung klinische Wirksamkeitsstudien erstellt worden sind, in einem Fußnotenvermerk auf eine wissenschaftliche Studie Bezug genommen wird, dass es sich hierbei um eine klinische Wirksamkeitsstudie handelt.

Etwas anderes ergibt sich nicht daraus, dass es sich bei dem Präparat um ein Biosimilar handelt. Der Fachverkehr rechnet auch bei einem Biosimilar angesichts einer derartigen Wirkungsaussage nicht damit, dass aufgrund des vereinfachten Zulassungsverfahrens keine klinischen Wirksamkeitsstudien durchgeführt worden sind.

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Wirkungen

Mit den Wirkungen eines Heilmittels wirbt, wer angibt, welche Reaktionen die Einnahme bzw. Anwendung eines Heilmittels auslöst oder im oder am Körper bewirkt.

BGH, Urt. v. 5.11.2020, I ZR 204/19, Tz. 9 - Sinupret

Mit dem im Heilmittelwerbegesetz nicht definierten Begriff der "therapeutischen Wirksamkeit" wird der therapeutische Erfolg der Wirkung eines Heilmittels auf bestimmten Anwendungsgebieten bei bestimmungsgemäßem Gebrauch beschrieben (vgl. zum Arzneimittelgesetz BVerwGE 94, 215, 217 f. [juris Rn. 30]), während der Begriff der "Wirkungen" generell Aussagen über die tatsächlichen oder gewünschten Folgen der Anwendung von Heilmitteln im Sinne des § 1 Abs. 1 HWG, ausgenommen Neben- oder Wechselwirkungen, betrifft (vgl. Prütting/Mand, Medizinrecht, 5. Aufl., § 3 HWG Rn. 62; ähnlich Reese in Doepner/Reese, HWG, 3. Aufl., § 3 Rn. 266 bis 267 mwN; BeckOK.HWG/Reese, 3. Edition [Stand 1. Juni 2020], § 3 Rn. 263 bis 269). Eine exakte Unterscheidung zwischen den sich in ihrer Bedeutung überschneidenden Begriffen ist im Rahmen des Irreführungstatbestands des § 3 HWG nicht erforderlich (vgl. BeckOK.HWG/Reese aaO § 3 Rn. 263, 267).

OLG Hamburg, Urt. v. 16.2.2017, 3 U 194/15, II.2

Gemäß § 3 HWG, einer Marktverhaltensregel iSd § 4 Nr. 11 UWG aF sowie § 3a UWG nF liegt eine unzulässige irreführende Werbung insbesondere dann vor, wenn Arzneimitteln Wirkungen beigelegt werden, die sie nicht haben. Insoweit sind – wie allgemein bei gesundheitsbezogener Werbung – besonders strenge Anforderungen an die Richtigkeit, Eindeutigkeit und Klarheit der Werbeaussage zu stellen, da mit irreführenden gesundheitsbezogenen Angaben erhebliche Gefahren für das hohe Schutzgut des Einzelnen sowie der Bevölkerung verbunden sein können (BGH, GRUR 2013, 649 Rn. 15 – Basisinsulin mit Gewichtsvorteil BGH, GRUR 2002, 182, 185 – Das Beste jeden Morgen).

OLG Hamm, Urt. v. 13.12.2012, I-4 U 141/12, Tz. 56

Während sich die im Gesetz erwähnte therapeutische Wirksamkeit auf die Anwendungsgebiete im Sinne der Indikationen bezieht, können sonstige Wirkungen sich auch auf pauschalere Angaben von Einsatzbereichen wie die Verwendung von verallgemeinernden Begriffen, die als solche keine Anwendungsgebiete darstellen, beziehen (vgl. für Oberbegriffe OLG Stuttgart, Urteil vom 19.11.2009 –2 U 40 / 09 S.9).

OLG Celle, Urt. v. 26.5.2016, 13 U 147/15, II.2.b

Eine Wirkaussage wird einem beworbenen Produkt beigelegt, wenn ein Zusammenhang zwischen dem Produkt und dem Körper bzw. Gesundheitszustand behauptet wird.

OLG Celle, Urt. v. 26.5.2016, 13 U 147/15, II.2.e

Nach § 3 Abs. 1 Nr. 1 HWG darf nur mit solchen Wirkungen geworben werden, die entweder durch Erkenntnisse der Wissenschaft oder durch praktische Erfahrungen gerechtfertigt sind. Letzteres setzt voraus, dass solche Wirkungen bei einem größeren Personenkreis eingetreten sind; Einzelfälle genügen, auch bei offenbarem Erfolg, nicht. Erfahrung ist immer eine Zusammenfassung einer Reihe übereinstimmender Vorgänge. Sie muss auch belegbar sein; bloße Erfahrungsberichte von Ärzten, die das Mittel ohne wissenschaftliche Kontrollmethoden anwenden und (oder) den Erfolg nur intuitiv bewerten, genügen nicht.

OLG Hamburg, Urt. v. 14.9.2017, 3 U 246/16, B.II.3.a – Vaginaler Selbsttest

Dass ein Stoff die (grundsätzliche) Fähigkeit hat, eine Wirkung hervorzurufen, bedeutet nicht, dass er es auch tatsächlich in der konkreten Anwendung bewirkt.

OLG Nürnberg, Hinweisbeschl. v. 22.5.2018, 3 U 1138/18, Tz. 63

Therapeutische Wirkungen sind die durch ein Pharmakon hervorgerufenen Veränderungen des Zustandes oder der Funktion des Körpers oder eines Körperorgans. Aussagen zu Wirkungen setzen deshalb - im Unterschied zu Aussagen über die Wirksamkeit - keine Angaben über das Ergebnis der Verwendung voraus (Sosnitza, in Zipfel/Rathke, LebensmittelR, 170. EL März 2018, § 3 HWG Rn. 23).

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Werbliche Verwendung von pauschalen Indikationsangaben

OLG Stuttgart, Urt. v. 19.11.2009, 2 U 40/09, B.4.b.aa - cc

Auch die werbliche Verwendung von Globalindikationen, Oberbegriffen und sonstigen pauschalen Indikationsangaben kann als irreführend angesehen werden, wenn dadurch beim Publikum der fälschliche Eindruck entsteht, dass das beworbene Heilmittel indikationsbezogen umfassender wirke als tatsächlich faktenmäßig hinreichend abgesichert. Die Annahme einer Irreführung scheidet aber insbesondere dann aus, wenn die Grenze zur offensichtlich reklamehaften Übertreibung überschritten wurde oder bei nichtssagenden Angaben. Auch eine erkennbare Unvollständigkeit der Werbeaussage steht der Annahme einer Irreführung durch Verschweigen regelmäßig entgegen. Dieser Grundsatz gilt vor allem für einführende, die Aufmerksamkeit des Publikums erregende, erkennbar inhaltlich unvollständige "offene" Darstellungen, insbesondere für lediglich einleitende Blickfangüberschriften. Etwaige aufklärende Hinweise müssen aber so deutlich und hinreichend spezifisch sein, dass sie der durch die unvollständige Werbung hervorgerufenen Erwartungshaltung der Werbeadressaten, bezogen auf das beworbene Wirtschaftsgut, Rechnung tragen.

Ein Verstoß wird etwa angenommen bei Augentropfen gegen Augenrötung, wenn fälschlich der Eindruck erweckt wird, das Mittel wirke bei jeglicher Ursache. So ist auch eine Werbung irreführend, wenn ihr zu entnehmen ist, ein Grippemittel beseitige auch die Ursachen grippaler Infekte, obwohl es nur die Symptome bekämpft, so auch bei Werbung, die Bestandteile eines Mittels "geben einen klaren Kopf und ruhige Überlegenheit", wenn das Mittel nur bei nervös bedingter Einschlafstörung und Unruhezuständen indiziert ist. Die blickfangmäßige Werbung außerhalb der Fachkreise für Heilkräutertees mit der uneingeschränkten Indikation "Durchblutungsstörungen", wenn sich tatsächlich die Anwendung auf Durchblutungsstörungen funktioneller Art beschränkt und das angepriesene Erzeugnis - wenn überhaupt - nur bei diesem Anwendungsgebiet wirksam ist, ist ebenso im Sinne dieser Vorschrift beanstandungswürdig wie die werbliche Überschrift "Vergesslichkeit?", wenn keine Einschränkung dahin erfolgt, dass das Anwendungsgebiet des Arzneimittels auf die Indikation eines dementiellen Syndroms beschränkt sei und der von der Werbung angesprochene Verkehr hierwegen von einer uneingeschränkten Anwendbarkeit des Medikaments bei Vorliegen von Vergesslichkeit oder Sauerstoffmangel im Gehirn als Symptomatik ausgehe.

OLG Nürnberg, Urt. v. 10.9.2013, 3 U 1071/13, B.I.2.c.bb

Die Tatsache, dass die Verfügungsbeklagten teilweise keine konkreten Angaben dazu machen, welche Beschwerden im Einzelnen geheilt werden können, steht einer Irreführungsgefahr nicht entgegen. Denn der angesprochenen Verkehr wird davon ausgehen, dass es auf jeden Fall irgendwelche Beschwerden gibt, die durch den Besuch der Salzgrotte geheilt werden können. Bereits von diesem Ausgangspunkt kommt ein erheblicher Teil der Adressaten der Werbung dann auf in der Bevölkerung verbreitete Ansichten hinsichtlich positiver Wirkungen salzhaltiger  Luft auf den Körper, die allerdings im Hinblick auf die beworbene Salzgrotte nicht wissenschaftlich belegt sind.

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Angabe von Anwendungsgebieten

Zur Werbung mit Behandlungsverfahren für bestimmte Anwendungsgebiete (Sportverletzungen, Gelenkschmerzen etc):

KG, Urt. v. 20.2.2017, 5 U 139/16 (=MD 2017, 488)

Der Senat unterwirft in seiner Rechtsprechung die Nennung solcher Anwendungsgebiete gleichfalls dem § 3 Satz 2 Nr. 1 HWG und unterwirft somit deren Zulässigkeit gleichfalls dem - strengen - Regime nachgewiesener wissenschaftlicher Absicherung der Wirksamkeit. ... Bei der Nennung von Anwendungsgebieten - zumal ohne jeglichen Hinweis auch nur auf eine (zumindest) bestehende fachliche Umstrittenheit diesbezüglicher Wirkungskausalitäten - muss sich der Werbende der Frage des Wirksamkeitsnachweise stellen. Wegen des überragend wichtigen Schutzgutes der Gesundheit führen Berufsausübungs- (und im übrigen auch Meinungsäußerungsfreiheit) zu keinem anderen Ergebnis.

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Nachweis der Wirkungen und therapeutischen Wirksamkeit

Siehe allgemein zum Nachweis gesundheitsbezogener Werbung hier.

OLG Hamburg, Urt. v. 9.2.2021, 3 U 163/18, Tz. 96

Gemäß § 3 Nr. 1 HWG liegt eine unzulässige irreführende Werbung u. a. dann vor, wenn Behandlungen eine therapeutische Wirksamkeit oder Wirkungen beigelegt werden, die sie nicht haben. Insoweit sind - wie allgemein bei gesundheitsbezogener Werbung - besonders strenge Anforderungen an die Richtigkeit, Eindeutigkeit und Klarheit der Werbeaussage zu stellen, da mit irreführenden gesundheitsbezogenen Angaben erhebliche Gefahren für das hohe Schutzgut des Einzelnen sowie der Bevölkerung verbunden sein können (BGH, GRUR 2013, 772 Rn. 15 – Basisinsulin mit Gewichtsvorteil – m. w. Nachw.). Im Interesse des Gesundheitsschutzes der Bevölkerung gilt für Angaben auf dem Gebiet der gesundheitsbezogenen Werbung generell, dass die Werbung nur zulässig ist, wenn sie gesicherter wissenschaftlicher Erkenntnis entspricht (vgl. BGH a. a. O. Rn. 17 m. w. Nachw.).

OLG Hamburg, Urt. v. 4.7.2013, 3 U 161/11, II.3.a

Die Erwartungshaltung des Verkehrs geht hinsichtlich des Wirkungsbezugs einer Angabe in der Regel dahin, dass die Wirkungsangabe wissenschaftlich abgesichert sei.

OLG Celle, Urt. v. 26.5.2016, 13 U 147/15, II.2.e

Nach § 3 Abs. 1 Nr. 1 HWG darf nur mit solchen Wirkungen geworben werden, die entweder durch Erkenntnisse der Wissenschaft oder durch praktische Erfahrungen gerechtfertigt sind. Letzteres setzt voraus, dass solche Wirkungen bei einem größeren Personenkreis eingetreten sind; Einzelfälle genügen, auch bei offenbarem Erfolg, nicht. Erfahrung ist immer eine Zusammenfassung einer Reihe übereinstimmender Vorgänge. Sie muss auch belegbar sein; bloße Erfahrungsberichte von Ärzten, die das Mittel ohne wissenschaftliche Kontrollmethoden anwenden und (oder) den Erfolg nur intuitiv bewerten, genügen nicht.

OLG Schleswig, Urt. v. 7.6.2017, 6 U 38/16, II.2 (=MD 2017, 793)

Nach § 3 Nr. 1 HWG liegt eine unzulässige irreführende Werbung vor, wenn einem Arzneimittel eine therapeutische Wirksamkeit oder eine Wirkung beigelegt wird, die es nicht hat. Dabei ist zunächst regelmäßig davon auszugehen, dass die Angaben in einer Fachinformation, welche dem Zulassungsantrag eines Arzneimittels beigefügt war, zum Zeitpunkt der Zulassung des Arzneimittels dem gesicherten Stand der Wissenschaft entsprochen haben. ...

... Geht die Werbeaussage über den Inhalt der Fachinformation hinaus, kann diese nicht als Beleg für einen gesicherten Stand der Wissenschaft herangezogen werden.

OLG Frankfurt, Urt. v. 6.12.2018, 6 U 125/18, II.B.2

Im Interesse des Gesundheitsschutzes der Bevölkerung gilt für Angaben mit fachlichen Aussagen auf dem Gebiet der gesundheitsbezogenen Werbung generell, dass die Werbung nur zulässig ist, wenn sie gesicherter wissenschaftlicher Erkenntnis entspricht (BGH, GRUR 2013, 649, Tz. 16 bei juris – Basisinsulin mit Gewichtsvorteil). Dieser Entscheidung ist uneingeschränkt auch auf Medizinprodukte anwendbar (ebenso KG, GRUR-RR 2016, 291).

OLG Nürnberg, Urt. v. 29.10.2019, 3 U 559/19, B.III.2.a

Gemäß § 3 Abs. 1 S. 2 Nr. 1 HWG liegt eine unzulässige irreführende Werbung insbesondere dann vor, wenn Arzneimitteln eine therapeutische Wirksamkeit oder Wirkungen beigelegt werden, die sie nicht haben. Dabei sind – wie allgemein bei gesundheitsbezogener Werbung – besonders strenge Anforderungen an die Richtigkeit, Eindeutigkeit und Klarheit der Werbeaussage zu stellen, da mit irreführenden gesundheitsbezogenen Angaben erhebliche Gefahren für das hohe Schutzgut des Einzelnen sowie der Bevölkerung verbunden sein können (BGH, Urt. v. 06.2.2013, I ZR 62/11, Tz. 15 - Basisinsulin mit Gewichtsvorteil).

Siehe allgemein zum Nachweis gesundheitsbezogener Werbung hier.

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Werbung mit nicht anerkannten Krankheitsbildern

Auch die Werbung mit nicht anerkannten Krankheitsbildern fällt in den Anwendungsbereich des § 3 HWG. Für sie gelten dieselben strengen Anforderungen an die Wahrheit der Werbeaussage wie bei sonstigen gesundheitsbezogenen Angaben (OLG Hamburg, Beschl. v. 5.11.12, 3 W 18/12, II.3.b.aa).

OLG Hamburg, Beschl. v. 5.11.12, 3 W 18/12, II.3.b.cc

Der Antragsteller hat mit der Vorlage der Stellungnahme der Gesellschaft für Neuropädia e.V. aus dem Jahr 2005, welche noch heute aufrechterhalten wird, dargelegt und glaubhaft gemacht, dass weder die Existenz der Krankheitsbilder KISS (Kopfgelenk-induzierte-Symmetrie-Störun) bzw. KIDD (Kopfgelenk-induzierte Dyspraxie und Dysgnosie) noch die Wirksamkeit der  Behandlung dieser Krankheitsbilder im Wege manueller Medizin, insbesondere Osteopathie hinreichend wissenschaftlich belegt sind.

OLG Celle, Urt. v. 4.10.2012, 13 U 36/12, II.1.b.bb.(3)

Das KISS/KIDD-Syndrom ist kein Krankheitsbild, von dessen allgemeiner Bekanntheit außerhalb der Fachwelt ausgegangen werden kann. Der Verfügungsbeklagte hätte den aktuellen Stand der wissenschaftlichen Diskussion darstellen müssen.

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Medizinprodukte

Bei der Werbung für Medizinprodukte ist Art. 7 Abs. 1 MDR die vorrangige Regelung. Dazu siehe hier.

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