Ihr Rechtsanwalt im Wettbewerbsrecht
Dr. Hermann-Josef Omsels*

Eine Darstellung des Gesetzes gegen den unlauteren Wettbewerb und wettbewerbsrechtlicher Nebengesetze



 


 

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e) Beweis eines Rechtsmissbrauchs

BGH, Urt. v. 26.1.2023, I ZR 111/22, Tz. 51 - Mitgliederstruktur

Es ist grundsätzlich Sache der beklagten Partei ist, Tatsachen für das Vorliegen eines Missbrauchs darzulegen und dafür Beweis anzubieten. Erst wenn die beklagte Partei in ausreichendem Umfang Indizien vorträgt, die für eine missbräuchliche Geltendmachung des Unterlassungsanspruchs sprechen, obliegt es dem Kläger, diese Umstände zu widerlegen.

Ebenso z.B. BGH, Vers-Urt. v. 23.3.2023, I ZR 17/22, Tz. 15 – Aminosäurekapseln; BGH, Urt. v. 17. 11 2005, I ZR 300/02, Tz. 21 - MEGA SALE, OLG Köln, Urt. v. 29.5.2013, 6 U 220/12, 256, OLG Hamm, Urt. v. 11.7.2013, 4 U 34/13; OLG Hamm, Urt. v. 23.1.2014, 4 U 118/13, Tz. 15; OLG Düsseldorf, Urt. v. 8.6.2017, I-15 U 68/16, B.I.1; OLG Nürnberg, Urt. v. 15.1.2019, 3 U 724/18, Tz. 25; OLG Köln, Urt. v. 5.4.2019, 6 U 151/18, Tz. 62; OLG Rostock, Beschl. v. 17.11.2020, 2 U 16/19, Tz. 3; OLG Brandenburg, Urt. v. 19.7.2022, 6 U 41/21, II.1.d.aa; s.a. OLG Frankfurt, Urt. v. 9.6.2022, 6 U 134/21, II.1.b; OLG Hamm, Urt. v. 3.11.2022, 4 U 201/21, Tz. 61; OLG Düsseldorf, Urt. v. 24.3.2015, I-20 U 187/14, Tz. 29; OLG Köln, Beschl. v. 25.8.2021, 6 U 67/21, Tz. 3

OLG Hamburg, Urt. v. 31.8.2023, 5 U 99/20, Tz. 71

Die Voraussetzungen für einen Rechtsmissbrauch sind von Amts wegen zu prüfen, der Verhandlungsgrundsatz ist insoweit jedoch nicht aufgehoben. Auch im Bereich der Prozessvoraussetzungen haben grundsätzlich die Parteien die Zulässigkeitsvoraussetzungen darzutun und die erforderlichen Nachweise zu beschaffen (BGH GRUR 2023, 585, 589 Rn. 46 – Mitgliederstruktur, m.w.N.).

Der Anspruchsberechtigte muss bei einem begründeten Verdacht allerdings darlegen, dass er einen berechtigten Grund dafür hat, sich so zu verhalten, dass sein Verhalten "auf den ersten Blick" wie ein Rechtsmissbrauch aussieht.

OLG Jena, Beschl. v. 4.3.2013, 2 W 502/12

§ 8 Abs. 4 UWG (a.F.) ist eine von Amts wegen zu beachtende Einwendung. Darlegungs- und beweisbelastet für das Vorliegen der Voraussetzungen des § 8 Abs. 4 UWG ist die Verfügungsbeklagte, da für das Bestehen der Prozessführungsbefugnis grundsätzlich eine Vermutung spricht, welche zu widerlegen ist.

Nach der UWG-Reform 2020 ist allerdings insofern zu differenzieren, als § 8c Abs. 2 UWG sieben Vermutungstatbestände nennt. Wenn eines davon erfüllt ist, obliegt es dem Anspruchsteller, die Indizwirkung zu entkräften. Allerdings handelt es beim Vorliegen eines Indiz nicht um eine gesetzliche Vermutung. Zwar heißt es in der ursprünglichen Gesetzesbegründung noch:

Gesetzesbegründung in BT-Drcks. 19/12084, Seite 29

Der Anspruchsteller kann die Vermutung entkräften, dass er missbräuchlich handelt. Dies kann zum Beispiel dadurch erfolgen, dass er nachvollziehbar darlegt, auf Grund welcher Umstände er davon ausgegangen ist, eine nach Nummer 3 bis 5 unangemessene Forderung rechtmäßig erheben zu dürfen.

Der Rechtsausschuss, dessen Änderungsvorschlag letztlich verabschiedet wurde, schrieb später jedoch:

In dem neuen § 8c Absatz 2 UWG-E wurden die Fallgruppen der missbräuchlichen Geltendmachung von Ansprüchen weiter konkretisiert und für die Praxis besser handhabbar gemacht. Mit der Formulierung des Einleitungssatzes „ist im Zweifel anzunehmen“ wird klargestellt, dass eine umfassende Würdigung der Gesamtumstände erforderlich ist. Die Erfüllung einer der genannten Konstellationen kommt lediglich eine Indizwirkung für einen Missbrauch zu. Der Abmahnende kann diese Indizien erschüttern. Es handelt sich nicht um eine Vermutung, die gemäß § 292 Zivilprozessordnung (ZPO) nur durch den Beweis des Gegenteils zu widerlegen wäre.

Es ist noch offen, welche Anforderungen in der Rechtsprechung an die Widerlegung der Missbrauchsindizien gestellt werden. Möglicherweise ist zwischen den verschiedenen Beispielstatbeständen zu unterscheiden. § 8c Abs. 2 Nr. 1 UWG und die beiden Varianten des Regelbeispiels in § 8c Abs. 2 Nr. 2 UWG umschreiben klare Fälle des Rechtsmissbrauchs. § 8c Abs. 2 Nr. 3 – 7 UWG lassen aber durch unbestimmte Rechtsbegriffe (‚offensichtlich überhöht‘ oder ‚offensichtlich zu weit‘, ‚unangemessen hoch‘) Raum für Wertungen des Gerichts, denen der Anspruchsteller glaubhaft entgegenhalten kann, dass er aus diesen oder jenen rechtlichen oder wirtschaftlichen Gründen eine andere Bewertung vorgenommen hat.

Da es sich beim Rechtsmissbrauch um eine von Amts wegen zu berücksichtigende Prozessvoraussetzung handelt, können die Umstände, die einen Rechtsmissbrauch begründen oder widerlegen, im Wege des Freibeweises ermittelt werden.

OLG Jena, Urt. v. 06.10.2010 - 2 U 386/10

Die Frage des Rechtsmissbrauchs ist im Wege des Freibeweises jederzeit von Amts wegen zu prüfen.

Ebenso OLG Hamm, Urt. v. 3.11.2022, 4 U 201/21, Tz. 61; OLG Düsseldorf, Urt. v. 8.6.2017, I-15 U 68/16, B.I.1; OLG Köln, Urt. v. 5.4.2019, 6 U 151/18, Tz. 62; OLG Köln, Beschl. v. 25.8.2021, 6 U 67/21, Tz. 3; OLG Frankfurt, Urt. v. 9.6.2022, 6 U 134/21, II.1.b; OLG Hamm. Urt. v. 3.11.2022, 4 U 201/21, Tz. 61

OLG Hamm. Urt. v. 3.11.2022, 4 U 201/21, Tz. 61

Ein non-liquet geht zu Lasten des Beklagten, da grundsätzlich von der Zulässigkeit der Geltendmachung des Anspruchs auszugehen ist (KG WRP 2008, 511; KG GRUR-RR 2010, 22 (23); Köhler/Feddersen in: Köhler/Bornkamm/Feddersen, 40. Auflage § 8c Rn. 42).