Ihr Rechtsanwalt im Wettbewerbsrecht
Dr. Hermann-Josef Omsels*

Eine Darstellung des Gesetzes gegen den unlauteren Wettbewerb und wettbewerbsrechtlicher Nebengesetze



 


 

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Wissenschaft

Die wissenschaftliche Tätigkeit steht in der Regel nicht in einem objektiven Zusammenhang mit der Förderung des Absatzes oder Bezugs von Waren oder Dienstleistungen, auch wenn bestimmte Handlungen wie etwa die Veröffentlichung von Aufsätzen, die Erstellung fachlicher Gutachten etc. den Absatz oder Bezug von Waren oder Dienstleistungen einzelner objektiv fördern können. Die Veröffentlichung von Ergebnissen wissenschaftlicher Tätigkeit wird auch dann nicht zur geschäftlichen Handlung, wenn die Ergebnisse im Rahmen eines Forschungsauftrags eines Unternehmens oder sogar in der Forschungsabteilung eines Unternehmens gewonnen wurden.

BGH, Urt. v. 9.9.2021, I ZR 90/20, Tz. 31 - Influencerin I

Weltanschauliche, wissenschaftliche, redaktionelle oder verbraucherpolitische Äußerungen von Unternehmen oder anderen Personen, die nicht in funktionalem Zusammenhang mit der Absatz- oder Bezugsförderung stehen, unterfallen nicht dem Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb (vgl. BGH, GRUR 2016, 710 Rn. 12 - Im Immobiliensumpf).

Wissenschaftliche Handlungen können aber dann auch geschäftliche Handlungen sein, wenn sie objektiv den Eindruck machen, dass es ihnen nicht nur um den des wissenschaftlichen Fortschritt, sondern nicht zuletzt auch um die Förderung eines bestimmten Unternehmens und/oder des Absatzes oder Bezugs seiner Waren oder Dienstleistungen geht.

OLG Frankfurt, Urt. v. 11.5.2017, 6 U 76/16, II.1.b.aa

Weltanschauliche, wissenschaftliche, redaktionelle oder verbraucherpolitische Äußerungen von Unternehmen oder anderen Personen, die nicht in funktionalem Zusammenhang mit der Absatz- oder Bezugsförderung stehen, unterfallen demnach nicht dem UWG (vgl. RegE UWG 2008, BT-Drucks. 16/10145, S. 21; BGH GRUR 2016, 710 Rn. 12 [BGH 31.03.2016 - I ZR 160/14] - Im Immobiliensumpf m.w.N.).

OLG Frankfurt, Urt. v. 11.5.2017, 6 U 76/16, II.1.b.cc

Etwas anderes gilt, wenn die wissenschaftliche Zielsetzung nur vorgeschoben ist und es in Wahrheit vorrangig um die Absatzförderung der Produkte der A-Gruppe geht (vgl. BGH GRUR 2016, 710 Rn. 16 - Im Immobiliensumpf). Dies könnte nur dann angenommen werden, wenn der Beklagte nur die Form eines wissenschaftlichen Beitrags gewählt hätte, um tatsächlich - jedenfalls auch - Werbung für ein von ihm unterstütztes Produkt zu machen.

OLG Frankfurt, Urt. v. 11.5.2017, 6 U 76/16, II.1.b.cc.(2)

Ein Indiz für eine geschäftliche Handlung kann es sein, wenn eine Veröffentlichung in bewusst irreführender Weise auf die geschäftliche Entscheidung der Abnehmer Einfluss nimmt (vgl. Köhler/Bornkamm, 35. Aufl., § 2 Rn. 51 m.w.N.). Dazu müsste die Äußerung jedoch objektiv derart falsch oder schlechterdings unvertretbar sein, dass dem Beklagten das Anliegen, seine wissenschaftliche Meinung darzustellen, nicht mehr abgenommen werden könnte.

OLG Frankfurt, Beschl. v. 27.7.2021, 6 W 64/21

Von einer geschäftlichen Handlung kann nur ausgegangen werden, wenn das beanstandete Verhalten bei der gebotenen objektiven Betrachtung dem Ziel der Förderung des Absatzes oder Bezugs von Waren oder Dienstleistungen dient. Dient die Handlung vorrangig anderen Zielen als der Beeinflussung der geschäftlichen Entscheidung von Verbrauchern in Bezug auf Produkte und wirkt sie sich lediglich reflexartig auf die Absatz- oder Bezugsförderung aus, so stellt sie keine geschäftliche Handlung dar. Vorrangige andere Ziele sind die Unterrichtung der Öffentlichkeit oder die Verfolgung weltanschaulicher, wissenschaftlicher, redaktioneller oder verbraucherpolitischer Äußerungen von Unternehmen oder anderen Personen, die nicht in funktionalem Zusammenhang mit der Absatz- oder Bezugsförderung stehen. Sie unterfallen demnach nicht dem UWG.

Der Antragsgegner hat die angegriffenen Äußerungen als Fachmann und Wissenschaftler getätigt. Sie erfolgten gegenüber einer führenden Tageszeitung im Rahmen eines redaktionellen, kritischen Artikels über die True-Crime-Fernsehsendung, in der die Antragstellerin auftritt. Bei der gebotenen objektiven Betrachtung dient das Verhalten des Antragsgegners damit nicht vorrangig der Förderung der von ihm selbst bzw. der von ihm geleiteten Forschungseinrichtung angebotenen Leistungen, sondern der redaktionellen Unterrichtung der Öffentlichkeit. Sollte sich die geäußerte Kritik an den Leistungen der Antragstellerin als eine Art Reflex förderlich auf die Vortrags- oder Gutachtertätigkeit des Antragsgegners auswirken, würde dies nicht zur Einordnung als geschäftliche Handlung führen, da die Äußerungen darauf erkennbar nicht abzielen. Es kann nicht angenommen werden, dass die fachlich-wissenschaftliche Zielsetzung der Äußerungen nur vorgeschoben ist und es dem Antragsgegner in Wahrheit doch vorrangig um die Absatzförderung eigener Leistungen geht (vgl. dazu BGH GRUR 2016, 710 Rn. 16 - Im Immobiliensumpf). Hierfür fehlt es an jeglichen Anhaltspunkten. Insbesondere kann aus der Art der Äußerungen nicht auf eine derartige Zielsetzung geschlossen werden. Die geäußerte Kritik mag deutlich und direkt sein, lässt jedoch in keiner Weise den sachlichen Bezug zu der fraglichen Sendung als Bezugspunkt des Artikels vermissen. Der Antragsgegner kritisiert die Verpflichtung der Antragsgegnerin durch das Sendeunternehmen, da sie nicht über die seiner Meinung nach notwendige forensisch-psychologische Qualifikation verfügt und trotz unwissenschaftlicher Herangehensweise pseudo-wissenschaftliche Begriffe verwende. Aus dem Kontext der fraglichen Äußerungen ergibt sich für den durchschnittlich informierten und aufmerksamen Leser ohne weiteres, dass nicht pauschal die Leistungen der Antragstellerin als Marktteilnehmerin, sondern ihre Tätigkeit für die Sendung auf dem Prüfstand stehen.