Ihr Rechtsanwalt im Wettbewerbsrecht
Dr. Hermann-Josef Omsels*

Eine Darstellung des Gesetzes gegen den unlauteren Wettbewerb und wettbewerbsrechtlicher Nebengesetze



 


 

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Verletzung von Verkehrspflichten/Garantenstellung

1. Garantenstellung

2. Verletzung von Verkehrspflichten als unzulässige geschäftliche Handlung

3. Schutz von anderen als wettbewerbsrechtlich geschützten Interessen

4. Prüf-, Überwachungs- und Eingreifpflichten

5. Proaktive Verkehrssicherungs- oder Prüfungspflichten

6. Umfang der Verkehrspflichten

7. Vertragliche Übernahme von Verkehrspflichten

8. Einzelfälle

a. Suchmaschine

b. Telediensteanbieter

c. Hyperlinks

d. Medien (Rundfunk/Fernsehen/Print)

e. Radiosender in Gesundheitssendung mit Hörerbeteiligung

f. Verwendung von Mailinglisten

g. Keine Haftung der Post für 'anonyme' Postfächer

h. Angabe im Impressum

i. Internetportalbetreiber

j. Händler bei amazon etc.

k. Domainverpächter

l. Kenntnis von einem rechtswidrigen Zustand

m. Schutzrechtsprogramme

Garantenstellung

BGH, Urt. v. 20.2.2020, I ZR 193/18, Tz. 34 f - Kundenbewertungen auf Amazon

Ein Unterlassen kann positivem Tun nur gleichgestellt werden, wenn der Täter rechtlich dafür einzustehen hat, dass der tatbestandliche Erfolg nicht eintritt, und dieses Unterlassen der Verwirklichung des gesetzlichen Tatbestands durch ein Tun entspricht. Erforderlich ist eine Garantenstellung des Täters, die ihn nach einer wertenden Betrachtung verpflichtet, den deliktischen Erfolg abzuwenden. Eine Garantenstellung kann sich aus vorhergehendem gefährdenden Tun (Ingerenz), Gesetz, Vertrag oder der Inanspruchnahme von Vertrauen ergeben. Sie muss gegenüber dem außenstehenden Dritten bestehen, der aus der Verletzung der Pflicht zur Erfolgsabwendung Ansprüche herleitet.

Ob eine Garantenstellung besteht, die es rechtfertigt, das Unterlassen der Erfolgsabwendung dem Herbeiführen des Erfolgs gleichzustellen, ist nicht nach abstrakten Maßstäben zu bestimmen. Mit der Qualifizierung einer Tätigkeit als vorangegangenes gefährliches Verhalten ist für sich genommen noch kein Unwerturteil verbunden. Auch erlaubte, sozial erwünschte oder verfassungsrechtlich besonders geschützte Tätigkeiten können Gefahrenquellen eröffnen und Abwendungspflichten mit sich bringen (Goldmann in Harte/Henning, UWG, 4. Aufl., § 8 Rn. 384). Es gibt jedoch keinen Automatismus dergestalt, dass ein Garant ohne weiteres für jede rechtswidrige Handlung Dritter einzustehen hat. Wie weit die jeweilige Garantenpflicht geht, bestimmt sich nach allen Umständen des konkreten Einzelfalls. Dabei bedarf es einer Abwägung unter Berücksichtigung der Interessenlage und den konkreten Verantwortungsbereichen der Beteiligten sowie der Möglichkeit und Zumutbarkeit von entsprechenden Kontroll- oder Sicherungsmaßnahmen (vgl. BGH, Urt. v. 10.7.2012, VI ZR 341/10, Tz. 19 mwN; Goldmann in Harte/Henning aaO § 8 Rn. 385; Löffler in Festschrift Bornkamm, 2014, S. 37, 47 f.). In diese Abwägung können auch übergeordnete Aspekte wie die soziale Nützlichkeit eines Geschäftsmodells oder rechtliche Grundwertungen wie der Schutz der Presse- und Meinungsfreiheit durch Art. 5 Abs. 1 Satz 1 und 2 GG, aber auch der vom Heilmittelwerbegesetz verfolgte Gesundheitsschutz einfließen (vgl. Goldmann in Harte/Henning aaO § 8 Rn. 386 mwN).

Verletzung von Verkehrspflichten als unzulässige geschäftliche Handlung

Eine besonders wichtige Fallgruppe einer unlauteren geschäftlichen Handlung gemäß § 3 Abs. 1 UWG ist die Verletzung von wettbewerblichen Verkehrspflichten. Wer die organisatorischen Voraussetzungen dafür schafft, dass Dritte rechtswidrige geschäftliche Handlungen vornehmen können, ist im Rahmen des Möglichen und Zumutbaren verpflichtet, dafür Sorge zu tragen, dass rechtswidrige geschäftlichen Handlungen in seinem Herrschaftsbereich unterbleiben. In gleicher Weise kann derjenige für das Verhalten Dritter verantwortlich sein, der durch sein Verhalten die Gefahr der Verbreitung etwaiger rechtswidriger Inhalte erhöht, ohne dieser Gefahr entgegenzuwirken. Wer die möglichen und zumutbaren Maßnahmen nicht ergreift, handelt unlauter.

Dieses Fallbeispiel wurde vom BGH am Beispiel der Handelsplattform eBay entwickelt.

BGH, Urt. v. 12.7.2007, I ZR 18/04 – Jugendgefährdende Medien bei eBay

Wer durch sein Handeln im geschäftlichen Verkehr die Gefahr schafft, dass Dritte durch das Wettbewerbsrecht geschützte Interessen von Marktteilnehmern verletzen, ist wettbewerbsrechtlich dazu verpflichtet, diese Gefahr im Rahmen des Möglichen und Zumutbaren zu begrenzen. Im Bereich der deliktischen Haftung nach § 823 Abs. 1 BGB sind Verkehrspflichten als Verkehrssicherungspflichten in ständiger Rechtsprechung anerkannt. Verkehrspflichten hat der Bundesgerichtshof auch bereits im Immaterialgüterrecht sowie der Sache nach im Wettbewerbsrecht angenommen. Dieser Rechtsprechung aus unterschiedlichen Rechtsbereichen ist der allgemeine Rechtsgrundsatz gemeinsam, dass jeder, der in seinem Verantwortungsbereich eine Gefahrenquelle schafft oder andauern lässt, die ihm zumutbaren Maßnahmen und Vorkehrungen treffen muss, die zur Abwendung der daraus Dritten drohenden Gefahren notwendig sind. Wer gegen eine wettbewerbsrechtliche Verkehrspflicht verstößt, ist Täter einer unlauteren Wettbewerbshandlung.

Ebenso BGH, Urt. v. 22.7.2021, I ZR 194/20, Tz. 68 - Rundfunkhaftung; BGH, Urt. v. 12.7.2012, I ZR 54/11, Tz. 51 - Solarinitiative; OLG Düsseldorf, Urt. v. 3.12.2015, 15 U 140/14, Tz. 62; OLG Frankfurt, Urt. v. 24.6.2021, 6 U 244/19, II.2.h.dd; OLG Köln, Urt. v. 23.9.2022, 6 U 70/22, Tz. 141

BGH, Urt. v. 19.3.2015, I ZR 94/13, Tz. 42 - Hotelbewertungsportal

Der Haftung wegen Verletzung wettbewerbsrechtlicher Verkehrspflichten liegt der Gedanke zugrunde, dass derjenige, der in seinem Verantwortungsbereich eine Gefahrenquelle schafft oder andauern lässt, die ihm zumutbaren Maßnahmen und Vorkehrungen treffen muss, die zur Abwendung der Dritten daraus drohenden Gefahren notwendig sind.

Ebenso OLG Düsseldorf, Urt. v. 3.12.2015, 15 U 140/14, Tz. 62

KG, Beschl. v. 15.7.2011, 5 U 193/10

Aus dem allgemeinen Rechtsgrundsatz, dass jeder, der in seinem Verantwortungsbereich eine Gefahrenquelle schafft oder andauern lässt, die ihm zumutbaren Maßnahmen und Vorkehrungen treffen muss, die zur Abwendung der daraus Dritten drohenden Gefahren notwendig sind, ist grundsätzlich abzuleiten, dass derjenige, der durch sein Handeln im geschäftlichen Verkehr die Gefahr schafft, dass Dritte wettbewerbsrechtlich geschützte Interessen anderer verletzen, dazu verpflichtet ist, diese Gefahr im Rahmen des Möglichen und Zumutbaren zu begrenzen.

OLG Frankfurt, Urt. v. 24.6.2021, 6 U 244/19

Voraussetzung für eine täterschaftliche Haftung nach § 3 Abs. 1 UWG unter dem Gesichtspunkt der Verletzung einer wettbewerbsrechtlichen Verkehrspflicht ist, dass die Eröffnung einer Gefahrenquelle bzw. ein Verhalten des Schuldners die ernsthafte Gefahr begründet, dass Dritte durch das Wettbewerbsrecht geschützte Interessen von Marktteilnehmern verletzen. Die wettbewerbsrechtliche Verkehrspflicht eines Teledienstanbieters hinsichtlich rechtsverletzender fremder Inhalte konkretisiert sich als Prüfungspflicht. Deren Bestehen wie Umfang richten sich im Einzelfall nach einer Abwägung aller betroffenen Interessen und relevanten rechtlichen Wertungen (vgl. BGH, Urteil vom 18.6.2015 - I ZR 74/14, Rn 23 - Haftung für Hyperlink; BGHZ 173, 188Rn 36 ff. - Jugendgefährdende Medien bei eBay).

OLG Köln, Urt. v. 23.9.2022, 6 U 70/22, Tz. 142

Eine Verkehrspflicht besteht nur dann, wenn von einer geschäftlichen Handlung erkennbar die Gefahr ausgeht, dass Dritte durch das Lauterkeitsrecht geschützte Interessen von Marktteilnehmern verletzen (vgl. Köhler/Feddersen in Köhler/Bornkamm/Feddersen aaO, § 8 Rn. 2.6). Der Verletze muss schutzbedürftig sein, was unter Berücksichtigung der Umstände des Einzelfalls zu beurteilen ist (vgl. Köhler/Feddersen in Köhler/Bornkamm/Feddersen aaO, § 8 Rn. 2.11, mwN).

OLG Düsseldorf, Urt. v. 3.12.2015, 15 U 140/14, Tz. 63

Voraussetzung für das Entstehen einer wettbewerbsrechtlichen Verkehrspflicht ist eine geschäftliche Handlung, von der erkennbar die ernsthafte Gefahr ausgeht, dass Dritte durch das Lauterkeitsrecht geschützte Interessen von Marktteilnehmern verletzen. Daher muss in der Person des Dritten Erstbegehungs- oder Wiederholungsgefahr eines Wettbewerbsverstoßes bestehen. Die Verkehrspflicht ist ihrem Inhalt nach darauf gerichtet die Zuwiderhandlung des Dritten abzuwenden. Was im Einzelnen geschuldet ist, hängt von den Umständen des Einzelfalls ab.

Die Verletzung wettbewerblicher Verkehrspflicht als eigenständige unlautere geschäftliche Handlung ist nicht deckungsgleich mit der im Wettbewerbsrecht zwischenzeitlich aufgegebenen Störerhaftung. Der Anwendungsbereich ist vielmehr wesentlich enger.

OLG Hamm, Urt. v. 17.12.2013, 4 U 100/13, Tz. 53, 57

Zwar ist anerkannt, dass auch nach Aufgabe der Störerhaftung derjenige, der durch sein Handeln im geschäftlichen Verkehr die ernsthafte Gefahr begründet hat, dass Dritte durch das Wettbewerbsrecht geschützte Interessen von Marktteilnehmern verletzen, verpflichtet ist, den Eintritt einer Schädigung zu verhindern, sofern ihm dies möglich und zumutbar ist (BGH GRUR 2007, 890 – Jugendgefährdende Medien bei Ebay). Eine solche Haftung hat aber erkennbar Ausnahmecharakter. Insbesondere darf über die Hintertür der Verkehrspflichtendogmatik nicht im Ergebnis die Störerhaftung wieder eingeführt werden. ...

Der Bundesgerichtshof war anlässlich der Aufgabe des Konzepts der Störerhaftung im Wettbewerbsrecht ersichtlich darum bemüht, die Haftungsgrenze für Intermediäre und Infrastrukturdienstleister heraufzusetzen. Daher können die Voraussetzungen des aufgegebenen Konzepts nicht identisch auf die Unterlassungshaftung übertragen werden. Gerade vor diesem Hintergrund stellt der BGH in der Entscheidung „Jugendgefährdende Schriften bei Ebay“ die zusätzliche Voraussetzung auf, dass es um die Gefährdung eines „Rechtsgut(s) von hoher Bedeutung“ geht und der Umfang der Verkehrspflicht dem Gewicht dieses Rechtsguts ebenso wie der Eindeutigkeit des Verstoßes entspricht.

In BGH, Urt. v. 5.10..2017, I ZR 184/16, Tz. 37 – Betriebspsychologe weist der BGH darauf hin, dass eine Verantwortlichkeit unter dem Gesichtspunkt einer Verletzung von Verkehrspflichten unter engen Voraussetzungen steht, um eine Haftung für eigenverantwortliches Handeln Dritter nicht unangemessen auszuweiten.

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Schutz von anderen als wettbewerbsrechtlich geschützten Interessen

OLG München, Urt. v. 29.9.2011, 29 U 1747/11, II.1.a.cc.2 (S. 12) – Internet-Branchenverzeichnis

Eine wettbewerbsrechtliche Verkehrspflicht trifft nur denjenigen, der durch sein Handeln im geschäftlichen Verkehr in einer ihm zurechenbaren Weise gerade die Gefahr eröffnet, dass Dritte Interessen von Marktteilnehmern verletzen, die durch das Wettbewerbsrecht geschützt sind. Bei Vorschriften zum Schutz des Eigentums, des geistigen Eigentums und des Persönlichkeitsrechts, welches auch das Namensrecht umfasst, handelt es sich jedoch um Regelungen ohne Marktbezug (vgl. Köhler in: Köhler/Bornkamm, UWG, 29. Aufl. 2011, § 4 RdNrn. 11.40, 11.43, je m.w.N.), deren Verletzung deshalb eine wettbewerbsrechtliche Verkehrspflicht nicht begründen kann.

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Prüf-, Überwachungs- und Eingreifpflichten

BGH, Urt. v. 18.6.2014, I ZR 242/12, Tz. 21 - Geschäftsführerhaftung

Im Zusammenhang mit der Haftung von Betreibern von Internethandelsplattformen für rechtsverletzende fremde Inhalte konkretisiert sich die wettbewerbsrechtliche Verkehrspflicht als Prüfpflicht (vgl. BGH, Urt. v. 12.7.2007, I ZR 18/04, Tz. 22, 36 - Jugendgefährdende Medien bei eBay; Urt. v. 12.5.2010, I ZR 121/08, Tz. 13 - Sommer unseres Lebens).

Ebenso BGH, Urt. v. 19.3.2015, I ZR 94/13, Tz. 42 - Hotelbewertungsportal

BGH, Urt. v. 18.6.2014, I ZR 242/12, Tz. 21 - Geschäftsführerhaftung

Die Haftung wegen Verletzung wettbewerbsrechtlicher Verkehrspflichten ist nicht auf die Verletzung von Prüfpflichten beschränkt (vgl. auch Bergmann/Goldmann in Harte/Henning, UWG, § 8 Rn. 81). Wettbewerbsrechtliche Verkehrspflichten können sich ebenso als Überwachungs- und Eingreifpflichten konkretisieren (vgl. Köhler in Köhler/Bornkamm, UWG, § 8 Rn. 2.10).

OLG Frankfurt, Urt. v. 18.8.2022, 6 U 56/22, II.8.c.2

Wettbewerbsrechtliche Verkehrspflichten können zwar auch in Überwachungs- und Eingreifpflichten bestehen. In den meisten Fällen konkretisiert sich die Verkehrspflicht indes als Prüfungspflicht. Über den Umfang und die Intensität der Prüfung entscheiden im Rahmen der Prüfung der Zumutbarkeit in einer Güter- und Interessenabwägung die Umstände des Einzelfalles.

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Umfang der Verkehrspflichten

BGH, Urt. v. 22.7.2021, I ZR 194/20, Tz. 82 - Rundfunkhaftung

In welchem Umfang dem in Anspruch Genommenen eine Prüfung zuzumuten ist, richtet sich nach den Umständen des Einzelfalls unter Berücksichtigung der Funktion und Aufgabenstellung des in Anspruch Genommenen sowie mit Blick auf die Eigenverantwortung desjenigen, der den Rechtsverstoß selbst unmittelbar begangen hat. In diesem Zusammenhang kann es darauf ankommen, ob die geförderte Rechtsverletzung eines Dritten aufgrund einer unklaren Rechtslage erst nach eingehender rechtlicher oder tatsächlicher Prüfung festgestellt werden kann oder aber für den in Anspruch Genommenen offenkundig und unschwer zu erkennen ist. Die Auslösung der Prüfungspflicht hat allerdings nicht zur Voraussetzung, dass die Rechtsverletzung aus dem beanstandeten Angebot selbst ersichtlich ist.

BGH, Urt. v. 22.7.2021, I ZR 194/20, Tz. 83 - Rundfunkhaftung

Diese Kriterien gelten auch für die Prüfungspflicht eines Presseunternehmens oder eines Rundfunkveranstalters. Im Rahmen der Zumutbarkeit einer Prüfung ist zu berücksichtigen, dass seine Arbeit im Interesse der Presse- oder Rundfunkfreiheit (Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG) nicht unverhältnismäßig erschwert werden darf. Die Verantwortlichkeit eines Presseunternehmens oder eines Rundfunkveranstalters für Rechtsverstöße setzt daher voraus, dass sich ihm die Wettbewerbswidrigkeit einer Werbeanzeige oder eines Werbespots aufgrund der in der Abmahnung mitgeteilten oder sonst bekannt gewordenen Umstände unschwer erschließt.

OLG Frankfurt, Urt. v. 18.8.2022, 6 U 56/22, II.8.c.2

Über den Umfang und die Intensität der Prüfung entscheiden im Rahmen der Prüfung der Zumutbarkeit in einer Güter- und Interessenabwägung die Umstände des Einzelfalles. Man kann zwischen Pflichten unterschiedlicher Reichweite unterscheiden, die zueinander in einem Stufenverhältnis stehen. Die Pflicht, einzelne erkannte Verletzungen im Sinne eines „notice and take down“ des konkret benannten Inhalts abzustellen, trifft grundsätzlich jeden, der im geschäftlichen Verkehr handelt. Hierfür muss entweder ein automatischer Mechanismus eingerichtet oder es müssen Mitarbeiter dazu bestimmt werden, Beanstandungen innerhalb kürzester Zeit zu prüfen und berechtigten Beanstandungen abzuhelfen. Eine Verkehrspflicht zur Prüfung entsteht regelmäßig erst dann, wenn auf eine klare und eindeutige Rechtsverletzung bzw. ein klar wettbewerbswidriges Angebot hingewiesen worden ist. Das Risiko einer schleppenden bzw. einer tatsächlich oder rechtlich fehlerhaften Prüfung trägt der Prüfungspflichtige. Nach der Rechtsprechung. ist der Betreiber einer Internetplattform aber in der Regel nicht gehalten, komplizierte Beurteilungen im Einzelfall durchzuführen und dazu rechtlichen Rat einzuholen, um festzustellen, ob das Angebot des Dritten tatsächlich wettbewerbswidrig ist. Die Hinzuziehung eines mit der Materie vertrauten Juristen soll nicht zumutbar sein.

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Proaktive Verkehrssicherungs- oder Prüfungspflichten

Es wurde von der Rechtsprechung noch nicht abschließend ausgelotet, ob derjenige, der eine Gefahrenquelle für die Verletzung von Rechten und Interessen Dritter schafft, versuchen muss, ohne Hinweise auf eine konkrete Rechtsverletzungen aktiv vorbeugend Rechtsverletzungen zu verhindern, oder ob er erst aktiv werden muss, nachdem er auf eine konkrete Rechtsverletzung hingewiesen wurde. Die Trennlinie verläuft im wesentlichen zwischen legitimen, wenn auch gefahrträchtigen Geschäftsmodellen, in denen keine proaktive Pflicht zur Verhinderung von Rechtsverletzungen besteht und Geschäftsmodellen, die auf die Verletzung von Rechten Dritter aufbauen.

Im Zusammenhang mit der Störerhaftung bei der Verletzung von Ausschließlichkeitsrechten (Urheberrecht, Patent, Marke, Geschmacksmuster, Gebrauchsmuster etc.), die deutliche Parallelen zum Unlauterkeitstatbestand der Verletzung wettbewerblicher Verkehrspflichten hat, führt der BGH aus:

BGH, Urt. v. 18.11.2010, I ZR 155/09, Tz. 45 - Sedo

Ist das Geschäftsmodell eines Gewerbetreibenden von vornherein auf Rechtsverletzungen durch die Nutzer seiner Leistung angelegt oder fördert der Gewerbetreibende durch eigene Maßnahmen die Gefahr einer Nutzung, die in Rechte Dritter eingreift, ist er verpflichtet, die Gefahr auszuräumen (vgl. BGH, Urteil vom 15. Januar 2009 - I ZR 57/07 - Cybersky). Handelt es sich hingegen um ein von der Rechtsordnung gebilligtes Geschäftsmodell, dürfen dem Diensteanbieter keine Kontrollmaßnahmen auferlegt werden, die sein Geschäftsmodell gefährden oder seine Tätigkeit unverhältnismäßig erschweren.

BGH, Urt. v. 15.8.2013, I ZR 80/12, Tz. 31 - File-Hosting-Dienst

Weitergehende Prüfungspflichten können bei einer besonderen Gefahrengeneigtheit des angebotenen Dienstes bestehen. Eine solche ist anzunehmen, wenn das Geschäftsmodell von vornherein auf Rechtsverletzungen durch die Nutzer angelegt ist oder der Gewerbetreibende durch eigene Maßnahmen die Gefahr einer rechtsverletzenden Nutzung fördert (vgl. BGH, GRUR 2009, 841 Rn. 21 f. - Cybersky; BGHZ 194, 339 Rn. 22 - Alone in the Dark).

BGH, Urt. v. 15.8.2013, I ZR 80/12, Tz. 44 - File-Hosting-Dienst

Der Umfang der Prüfpflichten desjenigen, der als Störer in Anspruch genommen wird, bestimmt sich danach, ob und inwieweit ihm nach den Umständen eine Prüfung zuzumuten ist. Da die Beklagte durch eigene Maßnahmen die Gefahr einer rechtsverletzenden Nutzung ihres Dienstes fördert, obliegen ihr im Rahmen der Störerhaftung grundsätzlich weitgehende Prüfungspflichten. Dennoch ist es ihr - soweit sie als Störerin in Anspruch genommen wird - nicht zuzumuten, jede von Nutzern auf ihren Servern hochgeladene Datei auf rechtsverletzende Inhalte zu untersuchen. Denn dies würde ihr Geschäftsmodell gefährden, das nicht von vornherein auf Rechtsverletzungen durch die Nutzer angelegt ist, sondern in vielfältiger Weise auch legal genutzt werden kann, und für das grundsätzlich das Haftungsprivileg des § 10 Satz 1 TMG gilt.

OLG Düsseldorf, Urt. v. 3.12.2015, 15 U 140/14, Tz. 63

Die Gefahrabwendungsmaßnahmen müssen dem Handelnden möglich und zumutbar sein. Die Zumutbarkeit hängt einerseits davon ab, wie groß die vom Dritten ausgehende Verletzungsgefahr und wie gewichtig das verletzte Interesse ist, andererseits davon, welches wirtschaftliche Eigeninteresse der Verpflichtete hat und welcher Aufwand für die Gefahrenabwehr erforderlich ist. Dabei besteht eine Wechselwirkung zwischen dem Grad der Schutzbedürftigkeit des Verletzten einerseits und dem Ausmaß der Prüfungs- und Handlungspflichten andererseits (Köhler in: Köhler/Bornkamm, UWG, 33. Aufl., § 8 UWG Rn. 2.10; BGH, GRUR 2009, 1142 – MP3-Player-Import).

OLG Brandenburg, Urt. v. 30.3.2021, 6 U 108/19, II.3

Die ihrem Inhalt nach auf die Abwendung des wettbewerbswidrigen Erfolges gerichtete Verkehrspflicht setzt die Schutzbedürftigkeit des Verletzten voraus. Daran fehlt es, wenn dem Verletzten ein unmittelbares Vorgehen gegen den eigentlichen Verletzer möglich und zumutbar ist (vgl. Köhler/Bornkamm/Feddersen, UWG, 39. Aufl. 2021, § 8 Rn 2.11).

Bei legitimen Geschäftsmodellen, z.B. dem Betrieb einer Handelsplattform im Internet (ebay) stellt sich die Frage, wann, wie, durch wen und mit welchem Inhalt der Betreber auf eine Rechtsverletzung hingewiesen werden muss, bevor er aktiv einschreiten muss. Dazu Näheres hier.

Darüber hinaus ist zu beachten, dass der Betreiber eines legitimen Geschäftsmodells dann nach strengeren Maßstäben für Rechtsverletzungen verantwortlich ist, wenn er die Rechtsverletzungen, wenn vielleicht auch unwissentlich, aktiv unterstützt (BGH, Urt. v. 17.8.2011, I ZR 57/09, Tz. 24 - Stiftparfum; näheres dazu hier).

OLG Düsseldorf, Urt. v. 18.06.2013, I-20 U 145/12, Tz. 35

Was im Einzelnen auf der Grundlage der Verkehrspflicht vom Anbieter geschuldet wird, um den möglichen wettbewerbswidrigen Erfolg abzuwenden, hängt von den Umständen des Einzelfalls ab (Köhler in: Köhler/Bornkamm, § 8 UWG, Rn. 2.10). Es kann sich insoweit um Prüfungs-, Überwachungs- und Eingreifpflichten handeln; jedoch sind nur solche Gefahrabwendungsmaßnahmen geschuldet, deren Erfüllung dem Handelnden möglich und zumutbar ist. Die Zumutbarkeit hängt einerseits davon ab, wie groß die vom Dritten ausgehende Verletzungsgefahr und wie gewichtig das verletzte Interesse ist, andererseits davon, welches Eigeninteresse der Verpflichtete hat und welcher Aufwand für die Gefahrenabwehr erforderlich ist. Dabei dürfen Portalbetreibern keine Anforderungen auferlegt werden, die ihr von der Rechtsordnung gebilligtes Geschäftsmodell gefährden oder ihre Tätigkeit unverhältnismäßig erschweren.

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Vertragliche Übernahme von Verkehrspflichten

BGH, Urt. v. 22.7.2021, I ZR 194/20, Tz. 72 - Rundfunkhaftung

Die wettbewerbsrechtlichen Verkehrspflichten sind den deliktischen Verkehrssicherungspflichten aufgrund Schaffung oder Aufrechterhaltung einer Gefahrenlage entlehnt. Deliktische Verkehrssicherungspflichten können vertraglich auf einen anderen mit der Folge übertragen werden, dass der die Verkehrssicherungspflicht Übernehmende selbst gegenüber Dritten deliktsrechtlich verantwortlich werden kann. Soweit eine Gefahrenquelle dem Einflussbereich des zunächst Verkehrssicherungspflichtigen ganz oder teilweise entzogen ist, kann sich eine neue Zuständigkeitsverteilung ergeben. Wer aufgrund vertraglicher Vereinbarung den Gefahrenbereich nunmehr beherrscht, kann nach allgemeinen Deliktsgrundsätzen für die erforderlichen Sicherungsmaßnahmen verantwortlich sein. In diesem Fall verengt sich die Verkehrssicherungspflicht des ursprünglich Verantwortlichen auf Auswahl- und Überwachungspflichten.

Ebenso BGH, Urt. v. 23.2.2023, I ZR 155/21, Tz. 37 - Rundfunkhaftung II

BGH, Urt. v. 23.2.2023, I ZR 155/21, Tz. 37 - Rundfunkhaftung II

Nach diesen Grundsätzen hat ein Konzernunternehmen, das aufgrund der konzerninternen Aufgabenverteilung die wettbewerbsrechtliche Prüfungspflicht eines konzernangehörigen Rundfunkveranstalters übernimmt, für die Ausstrahlung rechtswidriger Werbung einzustehen, wenn es das Ergebnis seiner Rechtsprüfung innerhalb des Konzerns durchsetzen und die weitere Ausstrahlung rechtswidriger Werbespots unterbinden kann (vgl. BGH, GRUR 2021, 1534 [Rn. 73 bis 76] sowie Leitsatz 3 - Rundfunkhaftung I).

Diese Grundsätze sind auch für die wettbewerbsrechtlichen Verkehrspflichten heranzuziehen.

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Einzelfälle

Suchmaschine

Haftung der Suchmaschine

OLG München, Urt. v. 29.9.2011, 29 U 1747/11, II.1.a.cc (S. 12 f) – Internet-Branchenverzeichnis

Eine Haftung der Suchmaschinenbetreiberin als Täterin eines Wettbewerbsverstoßes käme allenfalls dann in Betracht, wenn sie eine wettbewerbsrechtliche Verkehrspflicht verletzt hätte. Dies erfordert, dass sie auf klare Rechtsverletzungen hingewiesen worden ist.

Die Suchmaschinenbetreiberin als Diensteanbieter ist jedoch nicht verpflichtet, komplizierte Beurteilungen im Einzelfall durchzuführen, ob ein als rechtsverletzend beanstandetes Suchergebnis ein Recht der Antragstellerin tatsächlich verletzt oder sich als wettbewerbswidrig erweist. Dies würde ansonsten die Hinzuziehung eines mit der Materie vertrauten Juristen erfordern, was ihr nicht zuzumuten ist.

Haftung für Suchergebnisse

OLG Frankfurt, Urt. v. 22.8.2019, 6 U 83/19

Analog zum Umfang der Unterlassungsverpflichtung aus einem Unterlassungstitel umfasst die wettbewerbsrechtliche Verkehrspflicht auch hier die Pflicht der Antragsgegnerin, i.R.d. ihm Möglichen und Zumutbaren beim Betreiber der Suchmaschine Google auf eine Löschung des streitgegenständlichen Eintrags hinzuwirken, wobei sich diese Verpflichtung auch auf die Entfernung aus dem Cache erstreckt. Zwar hat ein Schuldner für das selbstständige Handeln Dritter grds. nicht einzustehen. Er ist jedoch gehalten, auf Dritte, deren Handeln ihm wirtschaftlich zugutekommt, einzuwirken, wenn er mit einem Verstoß ernstlich rechnen muss und zudem rechtliche und tatsächliche Einwirkungsmöglichkeiten auf das Verhalten der Dritten hat (BGH GRUR 2014, 595 - Vertragsstrafenklausel).

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Telediensteanbieter

KG, Beschl. v. 15.7.2011, 5 U 193/10

Die wettbewerbsrechtliche Verkehrspflicht eines Telediensteanbieters hinsichtlich rechtsverletzender fremder Inhalte konkretisiert sich als Prüfungspflicht. Voraussetzung einer Haftung des Telediensteanbieters ist daher eine Verletzung von Prüfungspflichten. Deren Bestehen wie Umfang richtet sich im Einzelfall nach einer Abwägung aller betroffenen Interessen und relevanten rechtlichen Wertungen. Überspannte Anforderungen dürfen im Hinblick darauf, dass es sich um eine erlaubte Teilnahme am geschäftlichen Verkehr handelt, nicht gestellt werden. Entsprechend den zur Störerhaftung entwickelten Grundsätzen kommt es entscheidend darauf an, ob und inwieweit dem in Anspruch Genommenen nach den Umständen eine Prüfung zuzumuten ist. Damit wird einer unangemessenen Ausdehnung der Haftung für Rechtsverstöße Dritter entgegengewirkt. (vgl. BGH GRUR 2007, 890 – Jugendgefährdende Medien bei eBay, Rn 38)

Der Antragsgegnerin dürfen jedoch keine Anforderungen auferlegt werden, die ihr von der Rechtsordnung gebilligtes Geschäftsmodell gefährden oder ihre Tätigkeit unverhältnismäßig erschweren. In diesem Zusammenhang ist die Regelung des § 7 Abs. 2 TMG zu beachten, der Art. 15 Abs. 1 der Richtlinie 2000/31/EG über den elektronischen Geschäftsverkehr in das deutsche Recht umsetzt. Danach sind Diensteanbieter nicht verpflichtet, die von ihnen übermittelten oder gespeicherten Informationen zu überwachen oder nach Umständen zu forschen, die auf eine rechtswidrige Tätigkeit hindeuten.

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Hyperlinks

BGH, Urt. v. 18.6.2015, I ZR 74/14, Tz. 23ff - Haftung für Hyperlink

Eine Rechtspflicht zur Prüfung und zur Abwendung einer Rechtsverletzung kann sich auch aus dem Gesichtspunkt eines gefahrerhöhenden Verhaltens ergeben, insbesondere aus der Verletzung von Verkehrspflichten (vgl. BGHZ 173, 188 Rn. 36 ff. - Jugendgefährdende Medien bei eBay). Ein solches gefahrerhöhendes Verhalten kann sich grundsätzlich auch aus dem Setzen eines Hyperlinks auf die Internetseite eines Dritten ergeben (vgl. OLG München, MMR 2002, 625). Der Hyperlink erhöht die Gefahr der Verbreitung etwaiger rechtswidriger Inhalte, die sich auf den Internetseiten Dritter befinden. Aus dieser Gefahrerhöhung für eine Verletzung durch das Wettbewerbsrecht geschützter Interessen von Marktteilnehmern folgt die Verpflichtung desjenigen, der den Link setzt, diese Gefahr im Rahmen des Möglichen und Zumutbaren zu begrenzen. Wie bei einem Telediensteanbieter (vgl. BGHZ 173, 188 Rn. 38 - Jugendgefährdende Medien bei eBay) konkretisiert sich auch für den geschäftlich einen Hyperlink setzenden Unternehmer die wettbewerbsrechtliche Verkehrspflicht hinsichtlich rechtsverletzender fremder Inhalte als Prüfungspflicht. Deren Bestehen und Umfang richtet sich im Einzelfall nach einer Abwägung aller betroffenen Interessen und relevanten rechtlichen Wertungen. Dabei kommt es entscheidend darauf an, ob und inwieweit dem in Anspruch Genommenen nach den Umständen eine Prüfung zuzumuten ist. Damit wird einer unangemessenen Ausdehnung der Haftung für Rechtsverstöße Dritter entgegengewirkt.

Der Umfang der Prüfungspflichten, die denjenigen treffen, der einen Hyperlink setzt oder aufrechterhält, richtet sich insbesondere nach dem Gesamtzusammenhang, in dem der Hyperlink verwendet wird, dem Zweck des Hyperlinks sowie danach, welche Kenntnis der den Link Setzende von Umständen hat, die dafür sprechen, dass die Webseite oder der Internetauftritt, auf die der Link verweist, rechtswidrigem Handeln dienen, und welche Möglichkeiten er hat, die Rechtswidrigkeit dieses Handelns in zumutbarer Weise zu erkennen. Auch dann, wenn beim Setzen des Hyperlinks keine Prüfungspflicht verletzt wird, kann eine Haftung begründet sein, wenn ein Hyperlink aufrechterhalten bleibt, obwohl eine nunmehr zumutbare Prüfung, etwa nach einer Abmahnung oder Klageerhebung, ergeben hätte, dass mit dem Hyperlink ein rechtswidriges Verhalten unterstützt wird.

Wenn Hyperlinks nur den Zugang zu ohnehin allgemein zugänglichen Quellen erleichtern, dürfen allerdings im Interesse der Meinungs- und Pressefreiheit (Art. 5 Abs. 1 GG) an die nach den Umständen erforderliche Prüfung keine zu strengen Anforderungen gestellt werden. Dabei ist zu berücksichtigen, dass die sinnvolle Nutzung der unübersehbaren Informationsfülle im Internet ohne den Einsatz von Hyperlinks zur Verknüpfung der dort zugänglichen Dateien weitgehend eingeschränkt wäre (vgl. BGHZ 158, 343, 352 f. - Schöner Wetten). Diese Haftungsgrundsätze für Hyperlinks gelten auch im Rahmen der … bei der Verletzung wettbewerbsrechtlicher Verhaltenspflichten maßgeblichen Haftung aufgrund einer wettbewerbsrechtlichen Verkehrspflicht, selbst wenn die Maßstäbe im Zusammenhang mit der inzwischen im Wettbewerbsrecht aufgegebenen Störerhaftung entwickelt worden sind. Die Auswechslung der dogmatischen Grundlage der Haftung hat die Prüfungspflichten für das Setzen von Hyperlinks inhaltlich nicht verändert.

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Medien (Rundfunk/Fernsehen/Print)

BGH, Urt. v. 23.2.2023, I ZR 155/21, Tz. 37 - Rundfunkhaftung II

Die Beklagte traf die wettbewerbsrechtliche Verkehrspflicht zu prüfen, ob die Werbung gegen gesetzliche Vorschriften verstieß, wobei sich ihre Prüfungspflicht mit Blick auf die durch Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG gewährleistete Rundfunkfreiheit auf grobe und offensichtliche Rechtsverstöße beschränkte (vgl. BGH, GRUR 2021, 1534 [Rn. 67 bis 69] - Rundfunkhaftung I, mwN). Eine Verletzung dieser Prüfungspflicht kommt deshalb nur in Betracht, wenn anhand der vorgerichtlichen Beanstandungen des Klägers offenkundig und unschwer erkennbar war, dass die Fernsehspots Werbung für die unerlaubten Glücksspiele auf den Internetseiten "..." enthielten. Eine aufwändige Prüfung der Sach- und Rechtslage unter Einbeziehung höchstrichterlich nicht geklärter Rechtsfragen war der Beklagten als Rundfunkveranstalterin nicht zumutbar (vgl. BGH, GRUR 2021, 1534 [Rn. 81 bis 83] - Rundfunkhaftung I, mwN).

BGH, Urt. v. 22.7.2021, I ZR 194/20, Tz. 67 ff - Rundfunkhaftung

Rundfunkveranstalter trifft die wettbewerbsrechtliche Verkehrspflicht, ausgestrahlte Fernsehspots auf grobe und offensichtliche Rechtsverstöße zu überprüfen.

Der Haftung wegen Verletzung wettbewerbsrechtlicher Verkehrspflichten liegt der Gedanke zugrunde, dass derjenige, der in seinem Verantwortungsbereich eine Gefahrenquelle für Marktteilnehmer schafft oder andauern lässt, die ihm zumutbaren Maßnahmen und Vorkehrungen treffen muss, die zur Abwendung der Dritten daraus drohenden Gefahren notwendig sind. Die hieraus erwachsenden Verkehrspflichten können sich insbesondere als Prüfungspflicht konkretisieren.

Nach diesen Maßstäben kann für die Verbreitung einer wettbewerbswidrigen Werbung in Medien neben dem Werbenden selbst auch ein an der Verbreitung beteiligtes Presse- oder Sendeunternehmen haften. Ein Presseunternehmen hat für die Veröffentlichung gesetzwidriger Werbeanzeigen Dritter einzustehen, wenn es gegen seine wettbewerbsrechtliche Verkehrspflicht zur Prüfung verstoßen hat, ob die Veröffentlichung der Anzeigen gegen gesetzliche Vorschriften verstößt. Um die Arbeit von Presseunternehmen nicht über Gebühr zu erschweren und die Verantwortlichen nicht zu überfordern, besteht mit Blick auf die Gewährleistung der Pressefreiheit gemäß Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG allerdings nur eine eingeschränkte Prüfungspflicht. Sie beschränkt sich auf grobe und unschwer erkennbare Rechtsverstöße. Diese Grundsätze sind auf die Ausstrahlung von Werbung durch einen den Schutz von Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG genießenden Rundfunkveranstalter übertragbar.

BGH, Urt. v. 22.7.2021, I ZR 194/20, Tz. 83 - Rundfunkhaftung

Im Rahmen der Zumutbarkeit einer Prüfung ist zu berücksichtigen, dass seine Arbeit im Interesse der Presse- oder Rundfunkfreiheit (Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG) nicht unverhältnismäßig erschwert werden darf. Die Verantwortlichkeit eines Presseunternehmens oder eines Rundfunkveranstalters für Rechtsverstöße setzt daher voraus, dass sich ihm die Wettbewerbswidrigkeit einer Werbeanzeige oder eines Werbespots aufgrund der in der Abmahnung mitgeteilten oder sonst bekannt gewordenen Umstände unschwer erschließt.

OLG Köln, Urt. v. 27.8.2010, 6 U 43/10 (Leitsatz)

Der Verleger haftet bei einer Veröffentlichung von Anzeigen, die eindeutige, leicht erkennbare Wettbewerbsverstöße (hier: irreführende Angaben über die Wirkung eines Schlankheitsmittels) enthalten, wegen der Verletzung von wettbewerbsrechtlichen Verkehrspflichten als Täter. Die aus diesem Grunde bestehende Kontrollpflicht des Verlegers setzt nicht erst mit dessen Kenntnis von dem wettbewerbswidrigen Inhalt einer Anzeige ein, sondern besteht bei jedem Anzeigenauftrag. Die mit der Eliminierung von Anzeigenaufträgen, die eindeutige Wettbewerbsverstöße enthalten, verbundenen Belastungen des Verlegers sind diesem zumutbar.

OLG Köln, Urt. v. 3.2.12, 6 U 76/11

Die Haftung des Presseorgans ergibt sich unter dem Gesichtspunkt des gefahrerhöhenden Verhaltens aus der Verletzung einer Verkehrspflicht. Diese konkretisiert sich bei Presseunternehmen in der Pflicht zur Prüfung, ob eine zur Veröffentlichung entgegengenommene Anzeige gegen gesetzliche Vorschriften verstößt; weil an diese Pflicht keine überspannten Anforderungen gestellt werden dürfen, kommt es entscheidend darauf an, ob und inwieweit dem Verleger oder Anzeigenredakteur nach den Umständen eine Prüfung zuzumuten ist. Die von der Rechtsprechung zur sogenannten Störerhaftung der Medien entwickelten Kriterien können, obwohl die Rechtsfigur der Störerhaftung für das Lauterkeitsrecht inzwischen aufgegeben worden ist, für diese Beurteilung weiter herangezogen werden. Danach beschränkt sich die Prüfpflicht angesichts der Pressefreiheit (Art. 5 1 S. 2 GG) und wegen des im Anzeigengeschäft herrschenden Zeitdrucks grundsätzlich auf die Vermeidung grober und eindeutiger, unschwer erkennbarer Verstöße.

Erhöhte Pflichten können sich allerdings ergeben, sobald das die fremden Äußerungen verbreitende Unternehmen auf deren Wettbewerbswidrigkeit aufmerksam gemacht wurde; denn maßgeblich für die Zumutbarkeit sind jeweils die Umstände des Einzelfalls.

Wie der Senat kurz vor Veröffentlichung der streitbefangenen Anzeige in einem zwischen denselben Parteien geführten Berufungsverfahren ausgesprochen hat, ist dem Verleger oder Anzeigenredakteur eines wöchentlich erscheinenden Printmediums in der Regel schon im Voraus eine manuelle Kontrolle der in Auftrag gegebenen Anzeigen möglich und zumutbar. Dies gilt jedenfalls dann, wenn es sich um großformatige Anzeigen handelt, die den sensiblen Bereich der Gesundheitsvorsorge berühren; grob irreführende und leicht als eindeutig wettbewerbswidrig zu erkennende Werbeangaben, wie sie im Bereich der Schlankheitswerbung erfahrungsgemäß immer wieder vorkommen, müssen hier auch ohne konkreten Hinweis von dritter Seite unterbunden und diesbezügliche Anzeigenaufträge notfalls abgelehnt werden.

Ob diese Rechtsprechung mit der Entscheidung EuGH, Urt. v. 17.10.2013, C-391/12 - Good News zu vereinbaren ist, ist unklar. Darin hat der EuGH angenommen, dass ein Verleger jedenfalls über Nr. 11 des Anhangs zu § 3 Abs. 3 UWG nicht verpflichtet ist, den Inserenten von Wettbewerbsverstößen abzuhalten.

OLG Frankfurt, Beschl. v. 5.1.2016, 6 W 106/15

Eine Haftung des Herausgebers eines Telefonteilnehmerverzeichnisses käme nur dann in Betracht, wenn er der Fa. X Beihilfe zu deren vermeintlich wettbewerbswidrigen Handlungen geleistet oder wenn er seine Verkehrspflichten bei der Veröffentlichung der Standardeinträge bzw. der Werbeanzeigen verletzt hätte (vgl. OLG Köln v. 3. 2. 2012, 6 U 76/11 = WRP 2012, 1127). Dabei kommt es entscheidend darauf an, ob der Antragsgegnerin als Herausgeberin der Fernsprechverzeichnisse eine Prüfung dieser Einträge bzw. Werbeanzeigen auf ihre inhaltliche Richtigkeit zuzumuten war.

Sowohl bei den Standardeinträgen, die der Antragsgegnerin von der Deutschen Telekom AG zugeleitet werden und die sie in öffentlichen Teilnehmerverzeichnissen einstellt, als auch bei den Werbeanzeigen von Anschlussinhabern, die von der Antragsgegnerin in das Verzeichnis "gelbe Seiten.de" eingestellt werden, handelt es sich um ein "Massengeschäft" der Antragsgegnerin, weswegen sie schon aus organisatorischen Gründen vor der Veröffentlichung gar nicht sicherstellen kann, dass die Einträge bzw. Werbeanzeigen wahrheitsgemäß sind.

Eine erweiterte Prüfpflicht kann sich auch nicht daraus ergeben, dass die Antragsgegnerin vom Antragsteller ... auf die vermeintlichen Rechtsverstöße hingewiesen worden ist. Auch in einem solchen Fall kann von der Antragsgegnerin lediglich verlangt werden, solchen Rechtsverstößen nachzugehen, die ohne weitere Nachforschungen zweifelsfrei und unschwer zu erkennen sind (vgl. BGH, Urt. v. 17.5.2001, I ZR 251/99, Tz. 28 - ambiente.de; BGH, Urt. v. 10.4.1997, I ZR 3/95 - Branchenbuch-Nomenklatur).

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Radiosender in Gesundheitssendung mit Hörerbeteiligung

KG, Beschl. v. 22 5.2009, 5 U 90/06, Tz. 46 (=AfP 2010, 488)

Unter diesen Umständen haben die Veranstalter der Werbesendung mit den herausgeforderten Telefonanrufen der Zuschauer wettbewerbsrechtlich eine Gefahrenquelle eröffnet. Es oblag ihnen daher im Rahmen ihrer Verkehrspflicht, aktiv krankheitsbezogenen Äußerungen der Zuschauer wirksam entgegenzutreten.

Wer zu Werbezwecken von einem Dritten Adresslisten erwirbt, hat aufgrund seiner wettbewerblichen Verkehrspflichten sicherzustellen, dass den auf der Liste genannten Personen nur dann E-Mail-Werbung zugeschickt wird, wenn deren ausdrückliche Einwilligung in den Erhalt solcher Werbung vorliegt.

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Verwendung von Mailinglisten

OLG Düsseldorf, Urt. v. 24.11.2009, I-20 U 137/09, 20 U 137/09, Tz. 4 (= MMR 2010, 99)

Eine Verletzung einer wettbewerbsrechtlichen Verkehrspflicht ist anzunehmen, wenn der Geschäftsführer und gesetzliche Vertreter der Betreibergesellschaft keine betriebsorganisatorische Maßnahmen ergriffen hat, die sicherstellen, dass Werbe-Emails nur an Empfänger versendet werden, von denen eine ausdrückliche Einwilligung vorliegt. Es ist nicht ausreichend, wenn er sich insofern mit einer allgemein gehaltenen Versicherung des Veräußerers des Adressbestandes begnügt.

OLG Dresden, Urt. v. 26.4.2016, 14 U 1773/15

Auch wenn nicht die Beklagte, sondern die Muttergesellschaft bzw. das beauftragte Marktforschungsunternehmen die E-Mails versandt hat, hat sie die Nutzung der von ihr gewonnenen Daten angesichts drohender Wettbewerbsverstöße aus der Hand gegeben. Damit hat sie im geschäftlichen Verkehr in einer ihr zurechenbaren Weise die Gefahr eröffnet, dass Dritte Interessen von Marktteilnehmern verletzen, die durch das Wettbewerbsrecht geschützt sind, und diese Gefahr nicht im Rahmen des Möglichen und Zumutbaren begrenzt (vgl. BGHZ 173, 188 Rn 22 - Jugendgefährdende Medien bei eBay).

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Keine Haftung der Post für 'anonyme' Postfächer

OLG Köln, Urt. v. 23.2.2011, 6 W 199/10

Täter einer unlauteren Wettbewerbshandlung kann auch sein, wer durch sein Handeln die ernsthafte Gefahr begründet, dass Dritte durch das Wettbewerbsrecht geschützte Interessen von Marktteilnehmern verletzen, und gegen seine daraus folgende wettbewerbsrechtliche Verkehrspflicht verstößt, indem er diese Gefahr nicht auf die ihm mögliche und zumutbare Weise begrenzt, was insbesondere bei einer Verletzung eigener Prüfpflichten anzunehmen sein kann. Im Streitfall hat die Antragsgegnerin bei der Überlassung der Postfächer jedoch schon keine Prüfpflichten verletzt, so dass es im Ergebnis nicht darauf ankommt, ob in der Überlassung überhaupt eine geschäftliche Handlung.

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Angabe im Impressum

Das OLG Schleswig hat das Haftungsmodell in einem Fall angewendet, in der eine Person im Imprssum als Verantwortlicher genannt wurde, aber behauptete, die Website würde von einer anderen Person betrieben.

OLG Schleswig, Urt. v. 22.3.2013, 6 U 27/12, II.2.a

Die Namensangabe im Impressum verfolgt den Zweck, Nutzern der Internetseite darüber Auskunft zu erteilen, wer Ansprechpartner für die Internetanzeige ist. Ob der im Impressum Genannte zugleich Inhaber des Gewerbes ist, ist in diesem Zusammenhang nicht von Belang (vgl. OLG Bamberg, Urt. v. 11.5.2011, 3 U 20/11). Derjenige, der durch sein Handeln im geschäftlichen Verkehr in einer ihm zurechenbaren Weise die Gefahr eröffnet, dass Dritte (in diesem Falle die für die Vermietung verantwortliche Person) Interessen von Marktteilnehmern verletzen, die durch das Wettbewerbsrecht geschützt sind, kann eine unlautere Wettbewerbshandlung begehen, wenn er diese Gefahr nicht im Rahmen des Möglichen und Zumutbaren begrenzt (BGH GRUR 2007, 890 Tz. 22).

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Internetportalbetreiber

BGH, Urt. v. 19.3.2015, I ZR 94/13, Tz. 42 - Hotelbewertungsportal

Im Zusammenhang mit der Haftung von Betreibern von Internetplattformen konkretisiert sich die wettbewerbsrechtliche Verkehrspflicht insbesondere als Prüfungspflicht. Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs besteht allerdings keine allgemeine Pflicht, jeden fremden Inhalt vor der Zugänglichmachung im Internet auf mögliche Rechtsverletzungen hin zu untersuchen. Erst der Hinweis auf eine klare Rechtsverletzung verpflichtet den Betreiber zur unverzüglichen Sperrung des konkreten Angebots oder der konkreten Bewertung und zur Vorsorge gegen zukünftige derartige Rechtsverletzungen. Daraus ergibt sich, dass eine Verhaltenspflicht des nicht zur präventiven Kontrolle verpflichteten Betreibers, deren Verletzung eine Wiederholungsgefahr begründen kann, erst nach Erlangung der Kenntnis von der Rechtsverletzung entstehen kann. In derjenigen Handlung, die Gegenstand einer Abmahnung oder sonstigen Mitteilung ist, mit der der Betreiber der Internet-Plattform erstmalig Kenntnis von einer Rechtsverletzung erlangt, liegt also keine Verletzungshandlung, die eine Wiederholungsgefahr im Sinne eines Verletzungsunterlassungsanspruchs begründet. Für die Annahme von Wiederholungsgefahr ist vielmehr eine vollendete Verletzung nach Begründung der Pflicht zur Verhinderung weiterer derartiger Rechtsverletzungen erforderlich.

OLG Frankfurt, Urt. v. 24.6.2021, 6 U 244/19, II.2.h.dd

Der Betreiber eines Online-Marktplatzes muss, wenn er auf eine klare Rechtsverletzung hingewiesen worden ist, das konkrete Angebot unverzüglich sperren (sog. „notice and take down“-Prinzip). Er muss darüber hinaus auch Vorsorge treffen, dass es möglichst nicht zu weiteren derartigen Schutzrechtsverletzungen kommt (zum Markenrecht: EuGH GRUR 2011, 1025 Rn 119 und Rn 141 bis 143 - L'Oréal/eBay; BGH GRUR 2008, 702Rn 51 - Internet-Versteigerung III; BGHZ 191, 19Rn 21 f. - Stiftparfüm). Ihn trifft - jedenfalls bei Schutzrechtsverletzungen - die durch einen Unterlassungsanspruch durchsetzbare Verpflichtung, zukünftig derartige Verletzungen zu verhindern. ...

Der BGH hat in der Vergangenheit auch im Lauterkeitsrecht eine - über die „notice and take down“-Verpflichtung hinausgehende - Erfolgsabwendungspflicht der Beklagten für den Vertrieb jugendgefährdender, volksverhetzender und gewaltverherrlichender Medien angenommen. Grund hierfür war die große Gefahr, die für den Vertrieb dieser verbotenen Produkte von der Internetplattform der Beklagten wegen der Anonymität der Verkäufer, der problemlosen Abwicklung im Fernabsatz und der für das Internet typischen, deutlich herabgesetzten Hemmschwelle potentieller Käufer ausgeht (vgl. BGHZ 173, 188Tz 25 - Jugendgefährdende Medien bei eBay). ... Inwieweit sich diese Grundsätze auf die Verletzung anderer Verbotstatbestände übertragen lassen, ist noch nicht abschließend geklärt (vgl. BGH GRUR 2011, 223 Rn 36 - Kinderhochstühle im Internet I). Eine täterschaftliche Verletzung einer wettbewerbsrechtlichen Verkehrspflicht soll nur unter engen Voraussetzungen anzunehmen sein, um eine unangemessene Ausdehnung der Haftung für Rechtsverstöße Dritter entgegenzuwirken (BGH GRUR 2018, 203 Rn 37 - Betriebspsychologe). Was im Einzelnen zu verlangen ist, hängt von den Umständen des Einzelfalls ab. Es sind nur Gefahrabwendungsmaßnahmen geschuldet, deren Erfüllung dem Handelnden möglich und zumutbar sind. Die Zumutbarkeit hängt von der Gewichtung der verletzten Interessen ab (Köhler/Bornkamm/Feddersen UWG, 38. Aufl., § 8 Rn 2.10).

Mit weiteren Erwägungen zur Gefahrenlage und Zumutbarkeit hat das OLG Frankfurt ebay verpflichtet, aktiv Angebote von Händlern zu verhindern, die dort persönliche Schutzausrüstungen ohne CE-Kennzeichen anbieten, nachdem ebay mehrfach auf diese Angebote hingewiesen wurde. (OLG Frankfurt, Urt. v. 24.6.2021, 6 U 244/19, II.2.h.dd)

OLG Frankfurt, Urt. v. 24.6.2021, 6 U 244/19

Für Betreiber von Internet-Marktplätzen ist zunächst die Privilegierung des § 7 Abs. 2 Satz 1 TMG zu beachten, die einer allgemeinen Prüfungspflicht von Diensteanbietern im Sinne der §§ 8 bis 10 TMG für die von Nutzern auf ihre Server eingestellten Dateien entgegensteht (BGH, Urteil vom 18.6.2015 - I ZR 74/14, Rn 23 - Haftung für Hyperlink). Danach sind Diensteanbieter nicht verpflichtet, die von ihnen übermittelten oder gespeicherten Informationen zu überwachen oder nach Umständen zu forschen, die auf eine rechtswidrige Tätigkeit hindeuten. Ebay als Betreiberin einer Internethandelsplattform ist es daher insbesondere nicht zuzumuten, jedes Angebot vor Veröffentlichung im Internet auf eine mögliche Rechtsverletzung hin zu untersuchen (vgl. EuGH, GRUR 2011, 1025 Rn 109 ff. und 139 - L'Oréal/eBay; BGHZ 191, 19Rn 21 - Stiftparfüm). Daran ändert auch die EuGH-Rechtsprechung nichts, wonach die Haftungsprivilegierung für Zugangsprovider einen zivilrechtlichen Unterlassungsanspruch nicht ausschließt (EuGH GRUR 2016, 1146 Rn 79 - McFadden/Sony Music). Für Host-Provider wie ebay sieht Art. 14 Abs. 1 der E-Commerce-Richtlinie (RL 2000/31/EG) vor, dass sie für die im Auftrag eines Nutzers gespeicherten Informationen grundsätzlich nicht verantwortlich sind, solange sie keine Kenntnis von ihrem rechtswidrigen Inhalt erlangt haben. Nicht ausgeschlossen sind dagegen Überwachungspflichten in spezifischen Fällen (Köhler/Bornkamm/Feddersen UWG, 38. Aufl., § 8 Rn 2.28). Diensteanbieter, die von Nutzern bereitgestellte Informationen speichern, müssen die nach vernünftigem Ermessen von ihnen zu erwartende Sorgfalt aufwenden, um bestimmte Arten rechtswidriger Tätigkeiten aufzudecken und zu verhindern (BGH, Urteil vom 5.2.2015 - I ZR 240/12 = GRUR 2015, 485 Rn 51 - Kinderhochstühle im Internet III).

Der Betreiber eines Online-Marktplatzes muss daher, wenn er auf eine klare Rechtsverletzung hingewiesen worden ist, das konkrete Angebot unverzüglich sperren (sog. „notice and take down“-Prinzip). Er muss darüber hinaus auch Vorsorge treffen, dass es möglichst nicht zu weiteren derartigen Schutzrechtsverletzungen kommt (zum Markenrecht: EuGH GRUR 2011, 1025 Rn 119 und Rn 141 bis 143 - L'Oréal/eBay; BGH GRUR 2008, 702Rn 51 - Internet-Versteigerung III; BGHZ 191, 19Rn 21 f. - Stiftparfüm). Ihn trifft - jedenfalls bei Schutzrechtsverletzungen - die durch einen Unterlassungsanspruch durchsetzbare Verpflichtung, zukünftig derartige Verletzungen zu verhindern. Dabei obliegt es der Klägerin vorzutragen, aufgrund welcher Umstände die Beklagte die beanstandeten Verhaltensweisen für das Vorliegen eines Handelns im geschäftlichen Verkehr problemlos und zweifelsfrei feststellen kann (BGH GRUR 2008, 702Rn 55 - Internet-Versteigerung III).

OLG Frankfurt, Urt. v. 24.6.2021, 6 U 244/19

Die Beklagte ist als Diensteanbieter nicht verpflichtet, im Einzelfall komplizierte Beurteilungen durchzuführen, ob sich ein beanstandetes Angebot tatsächlich als wettbewerbswidrig erweist. Die Hinzuziehung eines mit der Materie vertrauten Juristen ist ihr nicht zuzumuten (BGH GRUR 2011, 223 Rn 48 - Kinderhochstühle im Internet I).

Das OLG Frankfurt hat es aber für nicht schwierig gehalten, sich alle Produktfotos zu einem Angebot anzusehen, um einen Verstoß gegen eine CE-Kennzeichnungspflicht festzustellen.

OLG Düsseldorf, Urt. v. 18.06.2013, I-20 U 145/12, Tz. 36

Einem Portalbetreiber ist es nicht zuzumuten, sämtliche Angebote auf dem von ihr betriebenen Portal vor der Einstellung darauf zu überprüfen, ob sie die nach § 5 TMG erforderlichen Angaben beinhalten.

Anders aber, soweit der Portalbetreiber die Gestaltung der Inhalt 'mitbestimmt' oder mitbestimmen kann, z.B. durch Eingabemasken.

OLG Düsseldorf, Urt. v. 18.06.2013, I-20 U 145/12, Tz. 38 f

Von einem Portalbetreiber kann aber verlangt werden, dass er seine Angebotsmaske … anpasst und beispielsweise so gestaltet, dass die genaue Bezeichnung der gesetzmäßigen Firmierung sowie die streitgegenständlichen Angaben zum Handelsregister im Einzelnen abgefragt werden und im Falle des Freibleibens der Felder eine mit einer Belehrung über die Impressumspflicht versehene Aufforderung zur Überprüfung erscheint. ...

An der Beachtung der Impressumspflicht nach § 5 Abs. 1 besteht ein nicht unerhebliches Allgemeininteresse, da der Rechtsverkehr auf diese Weise in die Lage versetzt wird, sich über die Identität eines gewerblichen Anbieters in elektronischen Medien Klarheit zu verschaffen. Angaben wie Identität, Rechtform und Anschrift des Vertragspartners, für deren Verifizierung wiederum die Handelsregisterinformationen nützlich sind, haben bestimmenden Einfluss auf den Vertragsschluss und entlasten zugleich auch die Marktteilnehmer von den Kosten einer eigenen Informationenbeschaffung (Köhler in: Köhler/Bornkamm, § 4 Rn. 11.157a). Auch wenn die Impressumspflicht innerhalb der Vielzahl anderer Verpflichtungen, die beim Angebot gewerblicher Waren und Dienstleistungen zu beachten sind, keine besonders hervorgehobene Stellung einnimmt …, kann von der Beklagten verlangt werden, dass sie die vorbeschriebenen einmaligen und zudem nicht besonders aufwendigen Maßnahmen ergreift, um der Gefahr von Impressumsverstößen entgegenzuwirken.

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Händler bei amazon etc.

Wer als Händler auf Internetportalen aktiv ist, muss die Gefahren beachten, die sich aus der Funktionsweise des Portals ergeben. Bei amazon ist es bspw. möglich, dass sich die Angaben zu einem Produkt, das ein Händler eingestellt hat, nachträglich durch die Bearbeitung der Angaben zum Produkt durch andere Händler ändern. Dadurch kann ein rechtmäßiges Angebot rechtswidrig werden.

Im Falle einer nachträglichen unzulässigen Markenbenutzung hat der BGH einen Händler zur Verantwortung gezogen, in dessen Angebot die Marke des Dritten ursprünglich nicht enthalten war. Er hat zwar auf eine Störerhaftung abgestellt, die es im Wettbewerbsrecht nicht gibt. Die Ausführungen lesen sich aber so, dass wettbewerbsrechtlich von einer Verletzung von Verkehrspflichten ausgegangen werden kann.

BGH, Urt. v. 3.3.2016, I ZR 140/14, Tz. 22 ff - Angebotsmanipulation bei Amazon

Außer aus Gesetz oder vertraglichen Regelungen kann sich eine Rechtspflicht zur Prüfung und zur Abwendung einer Rechtsverletzung auch unter dem Gesichtspunkt eines gefahrerhöhenden Verhaltens ergeben (BGH, GRUR 2012, 304 Rn. 60 - Basler Haar-Kosmetik). Die Tätigkeit als Händler auf Amazon Marketplace bringt die Gefahr von Rechtsverletzungen mit sich, weil Dritte die Produktbeschreibung ändern können.

Auf der Verkaufsplattform Amazon Marketplace können Angebote für ein bestimmtes Produkt durch andere Händler geändert werden, wobei diese Möglichkeit in Händlerkreisen bekannt ist. Dadurch besteht die Gefahr, dass ursprünglich richtige und zulässige Angebote durch Handlungen Dritter in rechtsverletzender Weise geändert werden.

Unter diesen Umständen ist dem Beklagten zuzumuten, ein von ihm dauerhaft oder über einen längeren Zeitraum bei Amazon Marketplace eingestelltes Angebot regelmäßig darauf zu überprüfen, ob rechtsverletzende Änderungen vorgenommen worden sind. Kommt er dieser Prüfungspflicht nicht nach, haftet er für durch solche Veränderungen seines Angebots bewirkte Rechtsverletzungen als Störer auf Unterlassung.

... Dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit ist im Rahmen der Frage der Zumutbarkeit bei der Bestimmung von Häufigkeit und Umfang der erforderlichen Prüfungen Rechnung zu tragen.

BGH, Urt. v. 3.3.2016, I ZR 140/14, Tz. 20 - Angebotsmanipulation bei Amazon

Den Beklagten, der auf der Handelsplattform Amazon als Verkäufer von Waren auftritt, trifft unmittelbar die Verpflichtung, für die angebotenen Produkte nicht mit unzutreffenden Angaben zu werben …. Dieser Verpflichtung kann er sich nicht abschließend entledigen, indem er sich als Erstanbieter eines Produkts auf der Plattform amazon.de vergewissert, dass die unter der neu angelegten ASIN hinterlegte Produktbeschreibung in jeder Hinsicht zutrifft. Vielmehr trifft ihn eine Überwachungs- und Prüfungspflicht, wenn er unter der ASIN dauerhaft oder nach zeitlicher Unterbrechung erneut Artikel anbiete. Dies ergibt sich unter dem Gesichtspunkt eines gefahrerhöhenden Verhaltens in Form der Tätigkeit als Anbieter auf der Handelsplattform Amazon. Wenn andere Verkäufer dort die tatsächliche Möglichkeit haben, die Produktbeschreibung des Erstanbieters inhaltlich unbeschränkt zu ändern, liegt es auf der Hand, dass davon Gebrauch gemacht wird. Vor diesem Hintergrund und angesichts der schutzwürdigen Interessen vor allem der Verbraucher … kann der Beklagte nicht darauf vertrauen, dass es allein wegen wettbewerbsrechtlicher Vorschriften oder der Teilnahmebedingungen des Plattformbetreibers nicht zu Veränderungen der ursprünglichen Produktbeschreibung kommt, durch die diese einen unzutreffenden Inhalt erhält.

Anders sieht es bei Kundenbewertungen aus, die für die Nutzer nicht vom Händler stammen.

BGH, Urt. v. 20.2.2020, I ZR 193/18, Tz. 37 - Kundenbewertungen auf Amazon

Gegen eine Garantenstellung der Beklagten spricht, dass die hier als wettbewerbswidrig beanstandeten Kundenbewertungen aus Bewertungsmöglichkeiten resultieren, die als regelmäßiger Bestandteil von Online-Marktplätzen und wichtiger Beitrag zur Verbraucherinformation im Online-Handel gesellschaftlich erwünscht sind. Das gilt auch für Kundenbewertungen von Medizinprodukten, wenn diese auf Amazon angeboten und verkauft werden dürfen. Die Sozialadäquanz von Kundenbewertungssystemen folgt daraus, dass ihr Nutzen im Online-Handel wegen der damit einhergehenden verbesserten Informations- und Kommunikationsmöglichkeiten für Verbraucherinnen und Verbraucher die mit ihnen ebenfalls verbundene Steigerung der Gefahr einer Verletzung von durch das Wettbewerbsrecht geschützten Interessen Dritter regelmäßig ausgleicht.

Einer Garantenstellung der Beklagten für die Kundenbewertungen steht weiter entgegen, dass die unter ihrem Angebot von Kinesiologie-Tapes abrufbaren Bewertungen verfassungsrechtlich von der Meinungs- und Informationsfreiheit des Art. 5 Abs. 1 Satz 1 GG geschützt sind. Die Möglichkeit, ein im Internet angebotenes Produkt zu bewerten und sich mit Hilfe von Bewertungen anderer zu informieren, eröffnet ein Kommunikations- und Informationsforum für Verbraucherinnen und Verbraucher, das ihrer Information im Vorfeld einer geschäftlichen Entscheidung dient und unabhängig von den werbenden Angaben des Verkäufers ist. Der Umstand, dass diese Informationen erkennbar subjektiv gefärbt sind und ihnen deshalb eine Gefahr der Fehl- und Falschinformation innewohnt, wird dabei erkannt, aber ebenso in Kauf genommen und bei der geschäftlichen Entscheidung berücksichtigt wie die systemimmanente Gefahr gefälschter Bewertungen. Diese Verbraucherkommunikation im Internet, die maßgeblich durch Elemente der Stellungnahme und des Dafürhaltens geprägt ist, fällt in den Schutzbereich der Meinungs- und Informationsfreiheit aus Art. 5 Abs. 1 Satz 1 GG (vgl. BVerfG, Beschl. v. 4.8.2016, 1 BvR 2619/13, juris Rn. 13) sowie des Art. 10 Abs. 1 Satz 1 EMRK und Art. 11 Abs. 1 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union.

Der Meinungsaustausch anhand von Produktbewertungen ist schließlich geeignet, den freien Preis- und Leistungswettbewerb zu fördern.

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Domainverpächter

OLG Hamm, Urt. v. 17.12.2013, 4 U 100/13, Tz. 54

Ein pflichtwidriges Unterlassen kann durchaus darin liegen, dass durch die Anmeldung einer Domain, über welche ein Dritter kommerzielle Angebote verbreitet, gesetzlich geschuldete Informationen vorenthalten werden. Die hieraus folgenden Verkehrspflichten konkretisieren sich als Prüfpflichten und sind davon abhängig, ob und inwieweit dem in Anspruch Genommenen nach den Umständen eine Prüfung zuzumuten ist. Eine allgemeine Prüfpflicht besteht dabei ebenso wenig wie für die Störerhaftung, so dass allein die Zurverfügungstellung der Domain noch nicht zur Haftung führt. Eine Handlungspflicht wird erst dadurch aktiviert, dass der Verkehrspflichtige Kenntnis von einer klaren und konkreten Verletzung für ein Rechtsgut erhält und daraufhin das Angebot nicht unverzüglich sperrt.

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Kenntnis von einem rechtswidrigen Zustand

Siehe auch Aktivierung von Prüfungspflichten

OLG Köln, Urt. v. 12.12.2014, 6 U 101/14, Tz. 21

Die Antragsgegnerin haftet wegen Verletzung einer wettbewerblichen Verkehrspflicht für die fehlerhaften Einträge. Unstreitig war ihr aufgrund der Beanstandung der Ordnungsbehörde Anfang 2013 bekannt, dass die für sie geschalteten Einträge in den Verzeichnissen fehlerhaft waren und einen Verstoß gegen § 49 Abs. 4 S. 5 PBefG darstellten. Dann entsprach es aber dem Gebot fachlicher Sorgfalt (§ 3 Abs. 2 S. 1 UWG), dafür zu sorgen, dass die Einträge berichtigt wurden. … Wenn die Antragsgegnerin eine Pflicht traf, den in ihrem Namen geschalteten fehlerhaften Eintrag zu korrigieren, dann war sie auch verpflichtet, die Einhaltung ihrer Weisungen zu kontrollieren. … Wenn dennoch rechtswidrige Einträge ein Jahr in öffentlichen Verzeichnissen verbleiben konnten, ist die Antragsgegnerin hierfür verantwortlich.

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Schutzrechtsprogramme

Wer sich bei einem Schutzrechtsprogramm (bspw. VeRI) anmeldet, um dem Betreiber einer Online-Handelsplattform die Verletzung eines Schutzrechts melden zu können, haftet als Täter unter dem Aspekt der Verletzung von Verkehrspflichten für die Meldung von Schutzrechtsverletzungen durch Dritte, denen er solche Meldungen gestattet hat.

OLG Düsseldorf, Urt. v. 3.12.2015, 15 U 140/14, Tz. 58, 60, 65 f

Die Beanstandung der Angebote des Klägers und die Verweigerung der Zustimmung zur erneuten Zulassung der Angebote ist wettbewerbsrechtlich einer Gesamtwürdigung zu unterziehen (vgl. BGH, GRUR 2015, 607 – Uhrenankauf im Internet). Dabei ist dem Beklagten die Beanstandung zuzurechnen, selbst wenn man zu seinen Gunsten unterstellt, dass nicht er persönlich, sondern Lizenznehmer von ihm diese Meldung an B durchgeführt haben. ...

Die Haftung des Beklagten ergibt sich unter dem Aspekt der Verletzung einer wettbewerbsrechtlichen Verkehrspflicht. ...

Nach Maßgabe dieser Grundsätze ergibt sich die Haftung des Beklagten als Täter daraus, dass er sich als Rechteinhaber zum VeRI-Programm bei B angemeldet und seinen Lizenznehmern damit die Möglichkeit eröffnet hat, Verletzungen seiner Rechte zu melden und er nach der ersten Meldung nicht das ihm Mögliche und Zumutbare getan hat, um weitere unrechtmäßige Beanstandungen zu verhindern. (wird eingehend aisgeführt)

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Zitiervorschlag zur aktuellen Seite

Omsels, Online-Kommentar zum UWG:

http://www.webcitation.org/6wO1j5ESR