Ihr Rechtsanwalt im Wettbewerbsrecht
Dr. Hermann-Josef Omsels*

Eine Darstellung des Gesetzes gegen den unlauteren Wettbewerb und wettbewerbsrechtlicher Nebengesetze



 


 

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(1) Vermutung der Eilbedürftigkeit

Außerhalb des Wettbewerbsrechts sind Anträge auf Erlass einer einstweiligen Verfügung nur zulässig, wenn ein sog. Verfügungsgrund vorliegt. Das bedeutet, dass der Erlass einer einstweiligen Verfügung eilbedürftig sein muss. Es darf dem Antragsteller nicht zugemutet werden können, den Ablauf eines wesentlich langwierigeren Klageverfahrens abzuwarten.  Die gerichtliche Intervention muss dringlich sein. Diese Dringlichkeit hat der Antragssteller unter Beweis zu stellen, indem er schnell handelt und gerichtliche Hilfe beantragt. Wer zu lange wartet, hat es offensichtlich nicht eilig. Eine zu lange Wartezeit kann auch schon nach wenigen Tagen angenommen werden. Der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung wird dann unzulässig.

Diese Zulässigkeitsvoraussetzung für einen Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung besteht für Unterlassungsansprüche im Wettbewerbsrecht nicht in dieser Form. Aus § 12 Abs. 2 UWG

"Zur Sicherung der in diesem Gesetz bezeichneten Ansprüche auf Unterlassung können einstweilige Verfügungen auch ohne die Darlegung und Glaubhaftmachung der in den §§ 935 und 940 der Zivilprozessordnung bezeichneten Voraussetzungen erlassen werden."

wird herausgelesen, dass das Bedürfnis nach einer Eilentscheidung bei Unterlassungsansprüchen vermutet und nicht besonders begründet werden muss. Bei anderen als Unterlassungsansprüchen findet § 12 Abs. 2 UWG aber keine Anwendung.

OLG Köln, Beschl. v. 12.4.2019, 6 W 22/19, Tz. 3

Grundsätzlich hat der Antragsteller die Dringlichkeit darzulegen und glaubhaft zu machen, wobei jedoch § 12 Abs. 2 UWG eine widerlegliche tatsächliche Vermutung zugunsten des Antragstellers begründet (stRspr. s. BGH GRUR 2000, 151, 152 – Späte Urteilsbegründung). Ist diese widerlegt, bleibt es bei der allgemeinen Darlegungs- und Glaubhaftmachungslast. Da der Antragsgegner in der Regel keine Kenntnis von der (möglichen) Kenntniserlangung des Antragstellers hat, genügt es, dass er gewichtige Umstände vorträgt, die den Schluss auf eine dringlichkeitsschädliche Kenntniserlangung zulassen. Alsdann muss der Antragsteller darlegen, wann er tatsächlich Kenntnis erlangt hat (OLG Stuttgart GRUR-RR 2009, 343, 345).

Die Vermutung der Eilbedürftigkeit kann der Antragsteller durch sein eigenes Verhalten widerlegen. Dann ist die einstweilige Verfügung auch im Wettbewerbsverfahren unzulässig.

Wie lange die Vermutung der Eilbedürftigkeit gilt entscheiden die Oberlandesgerichte jeweils für ihre örtliche Zuständigkeit. Einzelheiten dazu finden sich hier. Das regionale Gefälle ist erheblich. Bei manchen Gerichten ist ein Abwarten von einen Tag über einen Monat hinaus zzu spät, bei anderen ist auf den Tag genau zwei Monate noch schnell genug.

Ergänzend kommt hinzu, dass die Vermutung Eilbedürftigkeit auch durch andere Umstände widerlegt werden kann. Zwar darf der Antragsteller Fristen, die ihm das Gesetz gewährt, ausschöpfen. Darüber hinaus darf er aber - jedenfalls solange er nicht durch eine einstweilige Verfügung gesichert ist - nichts tun, was das Verfahren verzögern könnte. Einzelheiten dazu finden sich hier. Auch insofern gilt, dass die Rechtsprechung der insoweit allein maßgeblichen Oberllandesgerichte nicht in allen Fällen einheitlich ist.

Fraglich ist, ob - ausnahmsweise - kein Verfügungsgrund vorliegt, wenn mit Rücksicht auf die Interessen des Antragsgegners eine einstweilige Verfügung unbillig wäre.

OLG Köln, Urt. v. 29.6.2018, 6 U 60/18, Tz. 117

Der Verfügungsgrund … kann auch dann nicht bestehen, wenn die Interessen des Antragsgegners im Einzelfall gegen eine Entscheidung im Rahmen des einstweiligen Rechtsschutzes sprechen. Dies kann angenommen werden, wenn in der höchstrichterlichen Rechtsprechung nicht geklärte Frage zu entscheiden sind oder sonstige Gründe dazu führen, dass die Interessen des Antragsgegners, eine Entscheidung im Rahmen des Eilrechtsschutzes zu treffen, zurücktreten (vgl. Singer in Ahrens, Der Wettbewerbsprozess, 8. Aufl., Kap. 45 Rn. 55, mwN).

In der Praxis kommen solche Fälle so gut wie nicht vor.