Ein Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung setzt voraus, dass eine Entscheidung des Gerichts für den Antragsteller eilig ist, weil es ihm nicht zumutbar ist, den normalen Weg des Klageverfahrens abzuwarten, um eine gerichtliche Entscheidung zu erhalten (sog. Verfügungsgrund).
OLG München, Beschl. v. 16.9.2021, 29 U 3437/21 Kart
Die nahezu einhellige Meinung behandelt den Verfügungsgrund als Zulässigkeitsvoraussetzung zur Rechtfertigung des Vorgehens im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes. Als Prozessvoraussetzung ist sein Vorliegen von Amts wegen zu prüfen und ist der Disposition der Parteien entzogen. Fehlt dieses besondere Rechtsschutzbedürfnis für die Durchführung eines Eilverfahrens, ist der Antrag als unzulässig abzuweisen (Retzer, in: Harte-Bavendamm/Henning-Bodewig, UWG, 4. Aufl., § 12 Rn. 299 m. w. N.; Senat, WRP 2020, 109 Rn. 3).
Auch bei einem gerichtlichen Vorgehen gegen einen Verstoß gegen das Wettbewerbsrecht setzt ein Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung voraus, dass die Angelegenheit für den Antragsteller eilbedürftig ist. Allerdings wird im Wettbewerbsrecht – anders als in allen anderen Rechtsgebieten – von Gesetzes wegen vermutet, dass der gerichtliche Erlass eines Verbots der wettbewerbswidrigen Handlung eilig ist. Der Antragsteller muss deshalb nicht eigens darlegen, weshalb ihm nicht zumutbar ist, bis zum Abschluss eines Klageverfahrens abzuwarten.
OLG Hamm, Urt. v. 19.8.2021, 4 U 57/21, Tz. 83
Der Darlegung und Glaubhaftmachung des Verfügungsgrundes bedurfte es – abweichend von §§ 936, 920 Abs. 2 ZPO – aufgrund der zugunsten der Verfügungsklägerin streitenden Dinglichkeitsvermutung des § 12 Abs. 1 UWG n. F. zunächst nicht. Erst wenn der Antragsgegner/Verfügungsbeklagte Tatsachen vorträgt, die den Schluss auf eine Kenntniserlangung zu einem bestimmten Zeitpunkt zulassen, muss der Antragsteller/Verfügungskläger darlegen und glaubhaft machen, wann er tatsächlich Kenntnis erlangt hat.
Der Antragsteller kann durch sein eigenes Verhalten die gesetzliche Vermutung der Eilbedürftigkeit widerlegen. Das ist zum einen dadurch möglich,
- dass er sich mit seinem Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung zu lange Zeit lässt.
Der Antragsteller kann die Eilbedürftigkeit aber auch
- durch sein Verhalten während des Verfahrens widerlegen.
Zwischen den Oberlandesgerichten herrscht Uneinigkeit bezüglich der Frage, ob die Vermutung der Eilbedürftigkeit des § 12 Abs. 2 UWG bei Anträgen wegen der Verletzung eines nach dem Markengesetz geschützten Kennzeichens entsprechende Anwendung findet. Große praktische Auswirkungen hat der Streit nicht. Sofern eine analoge Anwendung der Vermutungswirkung abgelehnt wird, muss zwar im Antrag auf Erlaß einer einstweiligen Verfügung begründet werden, warum deren Erlass dringlich ist. Die Anforderungen an den entsprechenden Vortrag sind aber gering. In der Regel genügt der Hinweis, dass es dem Antragsteller nicht zuzumuten ist, bis zu einer rechtskräftigen Entscheidung in einem Klageverfahren zusehen zu müssen, dass sein Eigentum, und darum handelt es sich etwa bei einer eingetragenen Marke, weiterhin verletzt wird.
Für Anträge auf Erlass einer einstweiligen Verfügung wegen der Verletzung anderer Schutzrechte (Patent, Urheberrecht, Designrecht etc.) gilt dies entsprechend. Allerdings bestehen zwischen einzelnen Gerichten unterschiedliche Ansichten dazu, ob bei Markenrechtsverletzungen § 12 Abs. 2 UWG (=Dringlichkeitsvermutung) entsprechend angewendet werden kann. Im Zweifelsfall sollte die Dringlichkeit gegenüber dem Gericht begründet werden. Die Anforderungen sind aber sehr gering.
Außerdem besteht bei der Verletzung von Schutzrechten eine unterschiedliche Auffassung darüber, ob die Gefahr der Verletzung des Schutzrechts für die Annahme einer Dringlichkeit ausreiche, oder ob zusätzlich die Verwirklichung des Schutzrechts erschwert werden müsse. In der Praxis hat auch dieser Disput keine spürbare Relevanz.
OLG Frankfurt, Urt. v. 27.3.2014, 6 U 243/13, Tz. 27
Der Senat vermag sich der Ansicht, die §§ 935, 940 ZPO seien mit Rücksicht auf Art. 2, 9 Abs. 1 lit. a der sog. Durchsetzungsrichtlinie (Richtlinie 2004/48/EG) so auszulegen, dass ein Eilantrag bereits dann zulässig sei, wenn die Verletzung eines Markenrechts lediglich drohe, ohne dass es darauf ankäme, ob zu besorgen sei, dass die Verwirklichung des Markenrechts vereitelt oder wesentlich erschwert werde, nicht anzuschließen (ebenso: OLG Düsseldorf, Beschl. v. 22.8.2008, I-2 W 35/08, Tz. 2 ff). Die §§ 935, 940 ZPO setzen vielmehr die vorgenannte Bestimmung in nationales Recht um, in dem sie effektiven Rechtsschutz durch einstweilige Verfügungen zur Sicherung und Teilverwirklichung von Unterlassungsansprüchen bei Wiederholungs- bzw. Erstbegehungsgefahr von Kennzeichenverletzungen ermöglichen (vgl. Ingerl/Rohnke, Markengesetz, Vor §§ 14 - 19d, Rdn. 189).