Ihr Rechtsanwalt im Wettbewerbsrecht
Dr. Hermann-Josef Omsels*

Eine Darstellung des Gesetzes gegen den unlauteren Wettbewerb und wettbewerbsrechtlicher Nebengesetze



 


 

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(8) Biozidprodukte

Zur Biozid-Verordnung siehe auch hier

EuGH, Urt. v. 19.1.2023, C‑147/21, Tz. 62 f - CIHEF

In Art. 72 Abs. 1 der Verordnung Nr. 528/2012 heißt es, dass jede Werbung die Verordnung Nr. 1272/2008 einhalten und einen genauen Hinweis enthalten muss, der sich von der eigentlichen Werbung deutlich abheben und gut lesbar sein muss. Dieser Hinweis lautet: „Biozidprodukte vorsichtig verwenden. Vor Gebrauch stets Etikett und Produktinformationen lesen“. Nach Abs. 2 dieses Artikels darf in der Werbung das Wort „Biozidprodukte“ in dem Hinweis durch den eindeutigen Verweis auf die beworbene Produktart ersetzt werden. Gemäß Abs. 3 des Artikels darf in der Werbung für Biozidprodukte das Produkt nicht in einer Art und Weise dargestellt werden, die hinsichtlich der Risiken des Produkts für die Gesundheit von Mensch oder Tier oder für die Umwelt oder seiner Wirksamkeit irreführend ist, und Angaben wie „Biozidprodukt mit niedrigem Risikopotenzial“, „ungiftig“ oder „umweltfreundlich“ sind verboten.

Daraus folgt, dass der Unionsgesetzgeber mit Art. 72 der Verordnung Nr. 528/2012 die Formulierung der Angaben über die mit der Verwendung von Biozidprodukten verbundenen Risiken in der Werbung für diese Erzeugnisse eingehend und umfassend regeln wollte, da dieser Artikel einen obligatorischen Hinweis vorsieht, ausdrücklich bestimmte Angaben verbietet und ganz allgemein darauf abzielt, jede hinsichtlich der Risiken solcher Erzeugnisse irreführende Werbeaussage zu verbieten.

EuGH, Urt. v. 19.1.2023, C‑147/21, Tz. 67 - CIHEF

Art. 72 der Verordnung Nr. 528/2012 ist dahin auszulegen, dass er einer nationalen Regelung entgegensteht, die die Anbringung eines Hinweises – zusätzlich zu dem in diesem Artikel vorgesehenen – auf der an Fachleute gerichteten Werbung für Biozidprodukte der Produktarten 2 und 4 sowie der Produktarten 14 und 18 vorschreibt.

EuGH, Urt. v. 19.1.2023, C‑147/21, Tz. 84 - CIHEF

Art. 72 der Verordnung Nr. 528/2012 ist dahin auszulegen, dass er einer nationalen Regelung nicht entgegensteht, die an die breite Öffentlichkeit gerichtete Werbung für Biozidprodukte der Produktarten 2 und 4 sowie der Produktarten 14 und 18 verbietet. Dies gilt auch für die Art. 34 und 36 AEUV, wenn diese Regelung durch die Ziele des Schutzes der Gesundheit und des Lebens von Menschen sowie der Umwelt gerechtfertigt ist, die Erreichung dieser Ziele zu gewährleisten geeignet ist und nicht über das hinausgeht, was zur Erreichung der Ziele erforderlich ist, was zu überprüfen Sache des vorlegenden Gerichts ist.

OLG Karlsruhe, Urt. v. 8.6.2022, 6 U 95/21, Tz. 44

Die Regelung in Art. 72 Abs. 3 Biozid-VO überträgt die ebenfalls im Abschnitt „Information über die Biozidprodukte“ enthaltenen, an die Etikettierung durch den Zulassungsinhaber gestellten Anforderungen aus Art. 69 Abs. 2 Unterabs. 2 Satz 1 Biozid-VO sinngemäß auf die Werbung. Beide Regelungen untersagen zunächst eine Darstellung, die hinsichtlich der Risiken des Produkts für die Gesundheit von Mensch oder Tier oder für die Umwelt oder seiner Wirksamkeit irreführend ist (Art. 69 Abs. 2 Unterabs. 2 Satz 1 Var. 1, Art. 72 Abs. 3 Satz 1 Biozid-VO). Daneben verbieten beide Regelungen die Angaben „Biozidprodukt mit niedrigem Risikopotenzial“, „ungiftig“, „unschädlich“, „natürlich“, „umweltfreundlich“, „tierfreundlich“ oder ähnliche Hinweise (Art. 69 Abs. 2 Unterabs. 2 Satz 1 Var. 2, Art. 72 Abs. 3 Satz 2 Biozid-VO; ...). Sie richten sich damit gegen dieselben Angaben.

Im Anschluss daran legt der BGH dem EuGH vor:

BGH, Beschl. v. 20.4.2023, I ZR 108/22 - Hautfreundliches Desinfektionsmittel

Sind "ähnliche Hinweise" im Sinne von Art. 72 Abs. 3 Satz 2 der Verordnung (EU) Nr. 528/2012 nur solche in einer Werbung enthaltenen Hinweise, die genauso wie die in dieser Vorschrift ausdrücklich aufgezählten Begriffe die Eigenschaften des Biozids hinsichtlich der Risiken des Produkts für die Gesundheit von Mensch oder Tier oder für die Umwelt oder seiner Wirksamkeit in pauschaler Weise verharmlosen, oder fallen unter "ähnliche Hinweise" alle Begriffe, die hinsichtlich der Risiken des Produkts für die Gesundheit von Mensch oder Tier oder für die Umwelt oder seiner Wirksamkeit einen den konkret aufgezählten Begriffen vergleichbaren verharmlosenden, nicht aber zwingend auch einen generalisierenden Gehalt wie diese aufweisen?

OLG Karlsruhe, Urt. v. 8.6.2022, 6 U 95/21, Tz. 45

Schon aus Art. 72 Abs. 3 Biozid-VO selbst und erst recht in der Gesamtschau mit Art. 69 Abs. 2 Unterabs. 2 Satz 1 Biozid-VO folgt, dass das im zweiten Teil der Regelungen unbedingt angeordnete Verbot („keinesfalls“ bzw. „in keinem Fall“) bestimmter Angaben unabhängig davon gilt, ob diese (tatsächlich) einen irreführenden Charakter im Sinn des ersten Teils der Regelungen haben. Es statuiert gleichsam eine „schwarze Liste“ verbotener Hinweise.

OLG Karlsruhe, Urt. v. 9.11.2022, 6 U 322/21 , II.2 (WRP 2023, 222)

Die Regelungen in Art. 72 Abs. 3 und Art. 69 Abs. 2 Unterabs. 2 S. 1 Biozid-VO sind mit Blick auf das Verbot ähnlicher Hinweise wie folgt auszulegen (vgl. bereits Senat, Urteil vom 8. Juni 2022 – 6 U 95/21, GRUR 2022, 1620 Rn. 33 ff. [= WRP 2022, 1289] zur Angabe „hautfreundlich“):

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Die Regelung in Art. 72 Abs. 3 Biozid-VO überträgt die ebenfalls im Abschnitt „Information über die Biozidprodukte“ enthaltenen, an die Etikettierung durch den Zulassungsinhaber gestellten Anforderungen aus Art. 69 Abs. 2 Unterabs. 2 S. 1 Biozid-VO sinngemäß auf die Werbung. Beide Regelungen untersagen zunächst eine Darstellung, die hinsichtlich der Risiken des Produkts für die Gesundheit von Mensch oder Tier oder für die Umwelt oder seiner Wirksamkeit irreführend ist (Art. 69 Abs. 2 Unterabs. 2 S. 1 Var. 1, Art. 72 Abs. 3 S. 1 Biozid-VO). Daneben verbieten beide Regelungen die Angaben „Biozidprodukt mit niedrigem Risikopotenzial“, „ungiftig“, „unschädlich“, „natürlich“, „umweltfreundlich“, „tierfreundlich“ oder ähnliche Hinweise (Art. 69 Abs. 2 Unterabs. 2 S. 1 Var. 2, Art. 72 Abs. 3 S. 2 Biozid-VO; in der englischen Fassung: „low-risk biocidal product“ „nontoxic“, „harmless“, „natural“, „environmentally friendly“, „animal friendly“ or any similar indication; in der französischen Fassung: „produit biocide à faible risqué“, „non toxique“, „ne nuit pas à la santé“, „naturel“, „respectueux de l’environnement“, „respectueux des animaux“ ou toute autre indication similaire). Sie richten sich damit gegen dieselben Angaben, wobei die geringfügig voneinander abweichenden Formulierungen beider Bestimmungen insoweit ersichtlich keinen unterschiedlichen Regelungsgehalt begründen sollen. Die nur sprachlich weitere Fassung von Art. 69 Abs. 2 Unterabs. 2 S. 1 Var. 2 Biozid-VO, wonach schon die Einleitung der Aufzählung deren beispielhaften Charakter klarstellt („Angaben wie (…)“), bedingt keine Abweichung von Art. 72 Abs. 3 S. 2 Biozid-VO; vielmehr sind die (auch dort erwähnten) „ähnliche[n] Hinweise“ solche, die im Sinne von Art. 69 Abs. 2 Unterabs. 2 S. 1 Var. 2 Biozid-VO „wie“ die beispielhaft aufgezählten Angaben sind.

Schon aus Art. 72 Abs. 3 Biozid-VO selbst und erst recht in der Gesamtschau mit Art. 69 Abs. 2 Unterabs. 2 S. 1 Biozid-VO folgt, dass das im zweiten Teil der Regelungen unbedingt angeordnete Verbot („keinesfalls“ bzw. „in keinem Fall“) bestimmter Angaben unabhängig davon gilt, ob diese (tatsächlich) einen irreführenden Charakter im Sinn des ersten Teils der Regelungen haben. Es statuiert gleichsam eine „schwarze Liste“ verbotener Hinweise. Insoweit gilt nichts Besonderes hinsichtlich der letzten Variante der genannten Vorschriften, die dieses unbedingte Verbot auf Angaben erstreckt, die im Vergleich zu den vorangestellten Beispielen als „ähnliche Hinweise“ anzusehen sind. Die Variante „ähnliche Hinweise“ in Art. 72 Abs. 3 S. 2 Biozid-VO wäre auch bei einer Beschränkung auf irreführende Werbung überflüssig, die bereits nach Art. 72 Abs. 3 S. 1 Biozid-VO verboten ist. Dass es für die keinesfalls zulässigen Angaben („schwarze Liste“) nicht auf die konkrete Irreführung ankommt, zeigt sich besonders deutlich in Art. 69 Abs. 2 Unterabs. 2 S. 1 Biozid-VO, wo dieses Verbot nach dem Wortlaut („und“) klar zusätzlich neben das Irreführungsverbot gestellt ist.

Dabei liegt den Verboten in Art. 69 Abs. 2 Unterabs. 2 S. 1 Var. 2, Art. 72 Abs. 3 S. 2 Biozid-VO die Erwägung zugrunde, dass in den dort genannten Fällen typischerweise diejenigen Gefahren bestehen, die eine Irreführung hinsichtlich der Risiken des Produkts für die Gesundheit von Mensch oder Tier oder für die Umwelt oder seiner Wirksamkeit kennzeichnen, welche vermieden werden soll. Art. 69 Abs. 2 Unterabs. 2 S. 1 Var. 2 und Art. 72 Abs. 3 S. 2 Biozid-VO verbieten die dort genannten und ähnlichen Angaben schlechthin und unabhängig davon, inwieweit solche schädlichen Wirkungen beim konkreten Produkt tatsächlich bestehen und Fehlvorstellungen des Verkehrs diesbezüglich eintreten.

Nach dem klaren Verordnungswortlaut ist die Verwendung der in Art. 69 Abs. 2 Unterabs. 2 S. 1 Var. 2, Art. 72 Abs. 3 S. 2 Biozid-VO genannten Angaben auf dem Etikett oder in der Werbung für Biozidprodukte auch unabhängig vom Äußerungszusammenhang verboten, wenn eine solche Angabe gerade derart in Alleinstellung verwendet wird, dass der Verkehr ihr einen entsprechenden, für sich abgeschlossenen Aussagegehalt über eine Eigenschaft des Produkts entnimmt. Umgekehrt führt es nicht aus dem Verbot, wenn eine in Alleinstellung, mit für sich genommen abschließendem Sinngehalt verwendete Angabe aus der Menge der in der Vorschrift genannten Angaben an anderer Stelle der Werbung (sei es auch in der Nähe) erläutert wird. Entsprechendes gilt bei der Beurteilung der Zulässigkeit „ähnliche[r] Hinweise“. Denn das Verbot stellt allein auf die Ähnlichkeit zu den beispielhaft genannten Begriffen ab und statuiert insoweit nicht etwa für die Variante „ähnliche Hinweise“ einen Vorbehalt der Berücksichtigung des Äußerungszusammenhangs. Dieser ist daher auch insoweit nur für die vorgelagerte Frage in den Blick zu nehmen, worin die in ihrem Sinngehalt (unabhängig von etwaigen weiteren Erläuterungen) abgeschlossene Eigenschaftsangabe, also der „Hinweis“ besteht, dessen Unzulässigkeit dann allein noch davon abhängt, ob er für sich genommen den in der Verordnung aufgezählten Beispielen „ähnlich“ ist (vgl. bereits Senat, Urt. v. 8.6.2022, 6 U 95/21, Tz. 36).

Unter den Begriff „ähnliche Hinweise“ fallen nicht nur solche Angaben, die mit den in der Vorschrift zunächst einzeln aufgezählten Angaben inhaltlich übereinstimmen. Er soll insbesondere solche, gegebenenfalls inhaltlich abweichende Angaben erfassen, deren hinweisender Gehalt (nur) in der Weise ähnlich ist, dass sie ausgehend vom Schutzzweck des Verbots wertungsmäßig gleichstehen, indem ihr Sinngehalt die charakteristischen Züge teilt, die dem Unwerturteil der Verordnung hinsichtlich der ausdrücklich genannten Begriffe zugrunde liegen.

Dabei kann der Beklagten nicht darin gefolgt werden, wenn sie auf das geringe Gefährdungspotential ihres Biozids und das vereinfachte Genehmigungsverfahren abstellt. Der Kreis der Angaben, die als „ähnliche Hinweise“ verboten sind, ist nicht relativ nach dem Gefährdungspotenzial der betroffenen Biozidproduktart (Art. 2 Abs. 1 S. 2 Biozid-VO i.V.m. Anh. V) zu bestimmen (vgl. näher bereits Senat, Urt. v. 8.6.2022, 6 U 95/21, Tz. 40). Eine solche Auslegung wäre mit dem Verordnungswortlaut und der Systematik nicht in Einklang zu bringen. Die Erwägungsgründe (etwa 38, 69) der Verordnung haben, wie auch der Kläger im Ausgangspunkt zutreffend anführt, im Blick, dass es Biozidprodukte gibt, die geringere Risiken für Mensch, Tier und Umwelt als andere bzw. ein niedriges Risikopotenzial aufweisen. Weiter erkennt die Biozid-Verordnung, dass es spezifisch Biozid-Produkte geben kann, die auf der Haut angewendet werden und deshalb auch den Vorschriften über Kosmetika genügen müssen (vgl. Art. 19 Abs. 9 Biozid-VO). Den in Art. 69, 72 Biozid-VO klar dokumentierten Willen des Verordnungsgebers, gleichwohl ein unterschiedslos für alle vom Anwendungsbereich der Verordnung umfassten Biozide geltendes Verbot insbesondere bestimmter (aufgezählter und ähnlicher) Angaben zu schaffen, darf die Rechtsanwendung nicht außer Acht lassen.

Die Verordnung will indes nicht schlechthin Angaben – unabhängig von ihrem am Irreführungsverbot zu messenden Wahrheitsgehalt – verhindern, die sich mit dem Vorhandensein und gegebenenfalls Ausmaß oder Fehlen bestimmter Gefahren, Wirkungen des Produkts hinsichtlich Gesundheit von Mensch oder Tier oder für die Umwelt oder dessen Wirksamkeit befassen und die für den Verkehr folglich entscheidungsrelevant sein können. Sonst liefen die Irreführungstatbestände leer. Die Verordnung lässt auch nicht erkennen, dass sie von den erlaubten (insbesondere nicht irreführenden) Angaben sämtliche, also auch substantiierte spezifische Hinweise ausnehmen will, die sich auf fehlende oder geringe Risiken oder gar günstige Wirkungen des Produkts in bestimmter Hinsicht beziehen. Derartiges hätte der Verordnungsgeber einfach durch eine abstrakte Regelung anordnen können, anstatt – wie geschehen – den Verbotsbereich durch eine nicht abschließende Auflistung einzelner Begriffe zu umschreiben. Auch dies spricht für eine enge Auslegung des Merkmals „ähnliche Hinweise“ dahin, dass sämtliche den beispielhaften Begriffen der Aufzählung gemeinsamen Eigenschaften, also nicht nur deren verharmlosender Gehalt, sondern gerade auch, worauf das Landgericht zutreffend abstellt, deren Pauschalität, vorliegen müssen. Dem Kläger kann auch nicht darin gefolgt werden, der Verkehr werde die Angabe stets auf die eigene Anwendung beziehen und nicht auf sonstige Umweltfaktoren. Die jeweiligen Begriffe sind gerade unabhängig vom Anwendungskontext untersagt.

Die in der Verordnung aufgezählten Begriffe haben, wie das Landgericht zutreffend erkannt hat, gemein, dass sie die Eigenschaften des Biozids hinsichtlich der Risiken des Produkts für die Gesundheit von Mensch oder Tier oder für die Umwelt oder seiner Wirksamkeit (vgl. Art. 69 Abs. 2 Unterabs. 1 S. 1; Art. 72 Abs. 3 S. 1 Biozid-VO) mit einer pauschalen Angabe verharmlosen und sind sich auch untereinander nur nach Maßgabe dieser Auslegung alle ähnlich. Darauf stellt im Grundsatz auch der Kläger ab, wenn er darin – in Abgrenzung zum allgemeinen Irreführungsverbot des Satzes 1 – ein besonderes Verharmlosungsverbot sieht. Die beispielhaft verbotenen Angaben zielen auf eine Abwesenheit („ungiftig“, „unschädlich“) oder eine Begrenzung („mit geringem Risikopotential“) solcher Risiken, auf eine hinsichtlich allgemein auf Tier oder Umwelt in nicht bezeichneter Weise günstige Wirkung („umweltfreundlich“, „tierfreundlich“) oder auf einen allgemeinen Einklang mit der Ökologie („natürlich“). Als „ähnlich“ vom Verbot erfasst sind danach Hinweise auf die Eigenschaften des Biozids hinsichtlich der Risiken des Produkts für die Gesundheit von Mensch oder Tier oder für die Umwelt oder seiner Wirksamkeit, die in ihrer pauschalen Verharmlosung den beispielhaft genannten Angaben gleichstehen. Zu Recht hat das Landgericht demgegenüber erkannt, dass es zur Feststellung des generalisierenden Gehalts des Hinweises, der den Verbotstatbestand mithin kennzeichnet, noch nicht genügt, wenn der in Rede stehende Hinweis sich einer der beispielhaft genannten Angaben in der Weise zuordnen lässt, dass Letztere den Oberbegriff bildet (vgl. bereits Senat, Urt. v. 8.6.2022, 6 U 95/21, Tz. 37). Dass die Verordnung auch – über irreführende Angaben hinaus, ungeachtet des jeweiligen Äußerungszusammenhangs und unabhängig von den insoweit etwa relevanten wirklichen Eigenschaften des Produkts – weitgehend substanzlose Werbeaussagen schlechthin verbieten soll, ist hiernach nicht zu erkennen.

OLG Karlsruhe, Urt. v. 8.6.2022, 6 U 95/21, Tz. 48

Unter den Begriff „ähnliche Hinweise“ fallen nicht nur solche Angaben, die mit den in der Vorschrift zunächst einzeln aufgezählten Angaben inhaltlich übereinstimmen. Er soll insbesondere solche, gegebenenfalls inhaltlich abweichende Angaben erfassen, deren hinweisender Gehalt (nur) in der Weise ähnlich ist, dass sie ausgehend vom Schutzzweck des Verbots wertungsmäßig gleichstehen, indem ihr Sinngehalt die charakteristischen Züge teilt, die dem Unwerturteil der Verordnung hinsichtlich der ausdrücklich genannten Begriffe zugrunde liegen. Die in der Verordnung aufgezählten Begriffe haben gemein, dass sie die Eigenschaften des Biozids hinsichtlich der Risiken des Produkts für die Gesundheit von Mensch oder Tier oder für die Umwelt oder seiner Wirksamkeit (vgl. Art.69 Abs. 2 Unterabs. 1 Satz 1; Art. 72 Abs. 3 Satz 1 Biozid-VO) mit einer pauschalen Angabe verharmlosen. Die beispielhaft verbotenen Angaben zielen auf eine Abwesenheit („ungiftig“, „unschädlich“) oder eine Begrenzung („mit geringem Risikopotential“) solcher Risiken, auf eine hinsichtlich allgemein auf Tier oder Umwelt in nicht bezeichneter Weise günstige Wirkung („umweltfreundlich“, „tierfreundlich“) oder auf einen allgemeinen Einklang mit der Ökologie („natürlich“). Als „ähnlich“ vom Verbot erfasst sind danach Hinweise auf die Eigenschaften des Biozids hinsichtlich der Risiken des Produkts für die Gesundheit von Mensch oder Tier oder für die Umwelt oder seiner Wirksamkeit, die in ihrer pauschalen Verharmlosung den beispielhaft genannten Angaben gleichstehen. Zur Feststellung des generalisierenden Gehalts des Hinweises, der den Verbotstatbestand mithin kennzeichnet, genügt es noch nicht, wenn der in Rede stehende Hinweis sich einer der beispielhaft genannten Angaben in der Weise zuordnen lässt, dass Letztere den Oberbegriff bildet.

Beispiele

OLG Karlsruhe, Urt. v. 8.6.2022, 6 U 95/21, Tz. 56

Die Angabe „ökologisch“ in der in der hier angegriffenen Bezeichnung „Ökologisches Universal-Breitband Desinfektionsmittel“ ist nach der genannten Vorschrift unzulässig.

OLG Karlsruhe, Urt. v. 8.6.2022, 6 U 95/21, Tz. 62

Die Angabe „Bio“ für ein Desinfektionsmittel ist entsprechend den vorstehenden Erwägungen ebenfalls unzulässig.

OLG Karlsruhe, Urt. v. 8.6.2022, 6 U 95/21, Tz. 68, 73

Ob die Tatbestandsvariante „ähnliche Hinweise“ in Art. 69 Abs. 2 Unterabs. 1 Satz 1 und Art. 72 Abs. 3 Satz 2 Biozid-VO wie hier in Rede stehende Angaben zu Hautverträglichkeit oder –freundlichkeit erfasst, ist umstritten. ...

Der angesprochene Durchschnittsverbraucher knüpft an eine „hautfreundliche“ Qualität eines Desinfektionsmittels die Erwartung, dass dessen Anwendung die Haut in irgendeiner Weise und nicht näher bestimmtem Ausmaß schone, wobei sie möglicherweise, aber nicht notwendig die Haut sogar (überhaupt) nicht schädige. Entgegen der Ansicht des Landgerichts entnimmt der angesprochene Verbraucher dieser Angabe zu einem Desinfektionsmittel nicht darüber hinaus, dass sich das Produkt auf seine Haut positiv, also die Gesundheit oder das Wohlbefinden über den status quo hinaus fördernd auswirke.

OLG Karlsruhe, Urt. v. 9.11.2022, 6 U 322/21 , II.2(WRP 2023, 222)

Die angegriffenen Angaben „sanft zur Haut“„hautfreundliche Produktlösung als Schaum“ und „100 % bestätigen die Hautverträglichkeit“ sind nicht als „ähnlicher Hinweis“ gemäß Art. 69 Abs. 2 S. 1 Biozid-VO, Art. 72 Abs. 3 S. 2 Biozid-VO untersagt (vgl. bereits Senat, Urt. v. 8.6.2022, 6 U 95/21, Tz. 61 ff. zur Angabe „hautfreundlich“). Zu Recht hat das Landgericht dies nicht unter das Verbot ähnlicher Hinweise im Sinne des Art. 72 Abs. 3 S. 2 Biozid-VO subsumiert, sondern angenommen, Aussagen, die einem Biozid hautfreundliche und -verträgliche Eigenschaften zuschreiben, fielen nicht unter das Verbot ähnlicher Hinweise im Sinne des Art. 72 Abs. 3 S. 2 Biozid-VO, weil sie eine konkrete Produktwirkung auf ein spezifisches Organ des Menschen herausgriffen, ohne das Risikopotential des Biozid-Produkts verallgemeinernd mit einem den ausdrücklich verbotenen Hinweisen vergleichbaren Generalisierungsgrad in Abrede zu stellen.

OLG Köln, Hinweisbeschl. gern. § 522 II ZPO v. 25.01.2022, 6 U 180/21 (MD 2023, 326)

Nach Art. 72 Abs. 3 BiozidVO darf für ein Biozid nicht in einer Weise geworben werden, die hinsichtlich der Risiken irreführend ist. Die Werbung darf danach auf keinen Fall die Angaben „ungiftig" oder „unschädlich" oder ähnliche Hinweise enthalten.

OLG Köln, Hinweisbeschl. gern. § 522 II ZPO v. 25.01.2022, 6 U 180/21 (MD 2023, 326)

Die Bezeichnung „keine giftigen Rückstände" ist gleichzusetzen mit dem beispielhaft aufgeführten Begriff „ungiftig". Die Bezeichnung „keine ätzenden Rückstände" ist gleichzusetzen mit dem beispielhaft aufgeführten Begriff „unschädlich".

OLG Köln, Hinweisbeschl. gern. § 522 II ZPO v. 25.01.2022, 6 U 180/21 (MD 2023, 326)

Die Bezeichnung „Schleimhäute werden nicht angegriffen" ist gleichzusetzen mit dem beispielhaft aufgeführten Begriff „unschädlich". Die Werbung mit einer Unschädlichkeit des Produkts für die Schleimhäute ist in jedem Fall verboten, unabhängig von der Richtigkeit oder Unrichtigkeit der Aussage.