EuGH, Urt. v. 20.6.2024, C-296/23, Tz. 40 – Zentrale/dm-drogerie markt
Was das mit der Verordnung Nr. 528/2012 verfolgte Ziel betrifft, soll diese, wie sich aus Art. 1 Abs. 1 in Verbindung mit dem dritten Erwägungsgrund dieser Verordnung ergibt, das Funktionieren des Binnenmarkts durch die Harmonisierung der Vorschriften für die Bereitstellung auf dem Markt und die Verwendung von Biozidprodukten bei gleichzeitiger Gewährleistung eines hohen Schutzniveaus für die Gesundheit von Mensch und Tier und für die Umwelt verbessern, wobei die Bestimmungen dieser Verordnung auf dem Vorsorgeprinzip beruhen, mit dem der Schutz der Gesundheit von Mensch und Tier sowie der Umwelt sichergestellt werden soll (Urteil vom 14. Oktober 2021, Biofa, C‑29/20, EU:C:2021:843, Rn. 35 und die dort angeführte Rechtsprechung).
Was sind Biozidprodukte?
BGH, Urt. v. 10.11.2022, I ZR 16/22, Tz. 24 f - Stickstoffgenerator
Nach Art. 3 Abs. 1 Buchst. a, erster Gedankenstrich BiozidVO bezeichnet der Ausdruck Biozidprodukt für die Zwecke dieser Verordnung jeglichen Stoff (ebenso jegliches Gemisch) in der Form, in der er zum Verwender gelangt, und der aus einem oder mehreren Wirkstoffen besteht, diese enthält oder erzeugt, der dazu bestimmt ist, auf andere Art als durch bloße physikalische oder mechanische Einwirkung Schadorganismen zu zerstören, abzuschrecken, unschädlich zu machen, ihre Wirkung zu verhindern oder sie in anderer Weise zu bekämpfen.
Der Ausdruck Biozidprodukt bezeichnet nach Art. 3 Abs. 1 Buchst. a, zweiter Gedankenstrich BiozidVO auch jeglichen Stoff (ebenso jegliches Gemisch), der aus Stoffen oder Gemischen erzeugt wird, die selbst nicht unter den ersten Gedankenstrich fallen, und der dazu bestimmt ist, auf andere Art als durch bloße physikalische oder mechanische Einwirkung Schadorganismen zu zerstören, abzuschrecken, unschädlich zu machen, ihre Wirkung zu verhindern oder sie in anderer Weise zu bekämpfen.
S.a. OLG Köln, Urt. v. 17.11.2023, 6 U 105/23, Tz. 33
Zur Abgrenzung von Lebensmitteln und Biozidprodukten siehe hier.
Wirkstoff, Zweckbestimmung, Art der Einwirkung
BGH, Urt. v. 10.11.2022, I ZR 16/22, Tz. 27 - Stickstoffgenerator
Nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union handelt es sich bei der Eigenschaft als (Wirk-)Stoff, der Zweckbestimmung und der Art der Einwirkung um drei kumulative Voraussetzungen, die für die Einstufung als Biozidprodukt erfüllt sein müssen. Es ist Sache des zuständigen nationalen Gerichts zu prüfen, ob das betreffende Produkt alle in dieser Vorschrift für eine Subsumtion unter diesen Begriff vorgesehenen Voraussetzungen erfüllt (vgl. EuGH, Urt. v. 14.10.2021, C-29/20, Tz. 23 und 26 - Biofa).
BGH, Urt. v. 10.11.2022, I ZR 16/22, Tz. 26 - Stickstoffgenerator
Unter den Begriff des Wirkstoffs fallen nach Art. 3 Abs. 1 Buchst. c BiozidVO unter anderem Stoffe, die eine Wirkung auf oder gegen Schadorganismen entfalten. Ein Stoff ist nach Art. 3 Abs. 2 Buchst. a BiozidVO, Art. 3 Nr. 1 Verordnung (EG) Nr. 1907/2006 zur Registrierung, Bewertung, Zulassung und Beschränkung chemischer Stoffe ein chemisches Element und seine Verbindungen in natürlicher Form oder gewonnen durch ein Herstellungsverfahren, einschließlich der zur Wahrung seiner Stabilität notwendigen Zusatzstoffe und der durch das angewandte Verfahren bedingten Verunreinigungen, aber mit Ausnahme von Lösungsmitteln, die von dem Stoff ohne Beeinträchtigung seiner Stabilität und ohne Änderung seiner Zusammensetzung abgetrennt werden können. Als Gemisch werden nach Art. 3 Abs. 2 Buchst. b BiozidVO, Art. 3 Nr. 2 Verordnung (EG) Nr. 1907/2006 Gemenge, Gemische oder Lösungen, die aus zwei oder mehr Stoffen bestehen, bezeichnet.
BGH, Urt. v. 10.11.2022, I ZR 16/22, Tz. 34 - Stickstoffgenerator
Der Begriff "Biozidprodukt" umfasst nicht nur unmittelbare, sondern auch mittelbare Wirkungen eines Produkts gegen Schadorganismen, sofern die Einwirkung Teil einer Kausalitätskette ist, die bei diesen Schadorganismen eine Hemmwirkung hervorrufen soll (vgl. EuGH, Urt. v. 19.12.2019, C-592/18, Tz. 30 bis 34 und 39 - Darie).
BGH, Urt. v. 10.11.2022, I ZR 16/22, Tz. 34 - Stickstoffgenerator
Anders als bei der Vorgängervorschrift in Art. 2 Abs. 1 Buchst. a der Richtlinie 98/8/EG über das Inverkehrbringen von Biozid-Produkten, die eine Einwirkung auf chemischem oder biologischem Wege verlangt hat, reicht nach Art. 3 Abs. 1 Buchst. a BiozidVO jede Einwirkung auf andere Art als durch bloße physikalische oder mechanische Einwirkung (vgl. EuGH, Urt. v. 19.12.2019, C-592/18, Tz. 35 - Darie).
Zulassung
BGH, Urt. v. 10.11.2022, I ZR 16/22, Tz. 14 - Stickstoffgenerator
Nach Art. 17 Abs. 1 BiozidVO dürfen Biozidprodukte nur auf dem Markt bereitgestellt oder verwendet werden, wenn sie gemäß dieser Verordnung zugelassen wurden. In diesem Sinne erfasst "Bereitstellung auf dem Markt" jede entgeltliche oder unentgeltliche Abgabe eines Biozidprodukts oder einer behandelten Ware zum Vertrieb oder zur Verwendung im Rahmen einer gewerblichen Tätigkeit (Art. 3 Abs. 1 Buchst. i BiozidVO); "Verwendung" schließt alle mit einem Biozidprodukt durchgeführten Maßnahmen ein, einschließlich Lagerung, Handhabung, Mischung und Anwendung, außer Maßnahmen, die zur Ausfuhr des Biozidprodukts oder der behandelten Ware aus der Union stattfinden (Art. 3 Abs. 1 Buchst. k BiozidVO).
OLG Köln, Urt. v. 17.11.2023, 6 U 105/23, Tz. 28
Der Begriff des „Bereitstellens auf dem Markt“ umfasst die Bewerbung mit dem unmittelbaren Ziel des Absatzes. Dies hat der Bundesgerichtshof für den diese Wendung ebenfalls enthaltenden Art. 17 Abs. 1 der Verordnung (EU) Nr. 582/2012 (Biozidprodukte-VO) ausdrücklich bestätigt (vgl. BGH GRUR 2023, 416, 421 Rn. 54 - Stickstoffgenerator; vgl. auch VG Berlin, Beschl. v. 16.7.2015, VG 4 L 167.15, BeckRS 2015, 48967).
BGH, Urt. v. 10.11.2022, I ZR 16/22, Tz. 34 - Stickstoffgenerator
Art. 17 Abs. 1 BiozidVO stellt eine Marktverhaltensregelung im Sinne des § 3a UWG dar. Die Vorschrift macht insbesondere die entgeltliche oder unentgeltliche Abgabe eines Biozidprodukts zum Vertrieb oder zur Verwendung im Rahmen einer gewerblichen Tätigkeit und die Anwendung von Biozidprodukten innerhalb der Europäischen Union von einer behördlichen Zulassung abhängig. Die Biozidverordnung und insbesondere das in ihrem Art. 17 Abs. 1 geregelte Zulassungserfordernis bezwecken, ein hohes Schutzniveau für die Gesundheit von Mensch und Tier und für die Umwelt zu gewährleisten (vgl. Erwägungsgründe 1, 2 und 3 Satz 1 BiozidVO). Die Regelung dient daher dem Schutz der Verbraucher und sonstigen Marktteilnehmer auf der Nachfrageseite bei dem Abschluss und der Durchführung von Austauschverträgen über den Erwerb von Biozidprodukten oder die Erbringung von Dienstleistungen unter Einsatz von Biozidprodukten.
Die Werbung für ein Biozidprodukt mit einer Anwendung außerhalb der Zulassung ist irreführend (OLG Köln, Hinweisbeschl. gern. § 522 II ZPO v. 25.01.2022, 6 U 180/21 (MD 2023, 326)).
Zu Werberegeln für Biozidprodukte siehe hier.