Ihr Rechtsanwalt im Wettbewerbsrecht
Dr. Hermann-Josef Omsels*

Eine Darstellung des Gesetzes gegen den unlauteren Wettbewerb und wettbewerbsrechtlicher Nebengesetze



 


 

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4. Prozessuales

Literatur: Schlingloff, Jochen, Geheimnisschutz im Zivilprozess aufgrund der 'Know-how-Schutz-Richtlinie - Was muss sich im deutschen Prozessrecht ändern?, WRP 2018, 666; Laoutoumai, Sebastian/Baumfalk, Patrick Jan, Probleme im vorprozessualen Verfahren bei der Rechtsverfolgung von Ansprüchen aus dem GeschGehG, WRP 2018, 1300; Schregle, Ronja Marie, Neue Maßnahmen zum Geheimnisschutz in Geschäftsgeheimnisstreitsachen. Wegbereiter für den effektiven Rechtsschutz? GRUR 2019, 912; McGuire, Rose, Das neue Geschäftsgeheimnisrecht: In zehn Schritten zur internationalen Zuständigkeit und anwendbarem Recht, WRP 2023, 1

1. Vorgaben der Richtlinie

2. Geschäftsgeheimnisstreitsache

3. Eilbedürftigkeit in eV-Verfahren

4. Klageantrag

5. Zuständigkeit

6. Klagevortrag

7. Anordnung der Geheimhaltung

Vorgaben der Richtlinie

Artikel 9

Wahrung der Vertraulichkeit von Geschäftsgeheimnissen im Verlauf von Gerichtsverfahren

(1) Die Mitgliedstaaten stellen sicher, dass die Parteien, ihre Rechtsanwälte oder sonstigen Vertreter, Gerichtsbedienstete, Zeugen, Sachverständige und alle sonstigen Personen, die an einem Gerichtsverfahren beteiligt sind, das den rechtswidrigen Erwerb oder die rechtswidrige Nutzung oder Offenlegung eines Geschäftsgeheimnisses zum Gegenstand hat, oder die Zugang zu Dokumenten haben, die Teil eines solchen Gerichtsverfahrens sind, nicht befugt sind, ein Geschäftsgeheimnis oder ein angebliches Geschäftsgeheimnis zu nutzen oder offenzulegen, das von den zuständigen Gerichten aufgrund eines ordnungsgemäß begründeten Antrags einer interessierten Partei als vertraulich eingestuft worden ist und von dem sie aufgrund der Teilnahme an dem Verfahren oder des Zugangs zu den Dokumenten Kenntnis erlangt haben. Die Mitgliedstaaten können ferner die zuständigen Gerichte ermächtigen, solche Maßnahmen von Amts wegen zu ergreifen.
Die in Unterabsatz 1 genannte Verpflichtung besteht auch nach Abschluss des Gerichtsverfahrens weiter fort. Die Verpflichtung endet jedoch, wenn eine der folgenden Situationen eintritt:

a) Im Rahmen einer rechtskräftigen Entscheidung wird festgestellt, dass das angebliche Geschäftsgeheimnis nicht die in Artikel 2 Nummer 1 genannten Kriterien erfüllt, oder

b) im Laufe der Zeit werden die in Frage stehenden Informationen für Personen in den Kreisen, die üblicherweise mit der betreffenden Art von Informationen umgehen, allgemein bekannt oder ohne weiteres zugänglich.

(2) Die Mitgliedstaaten stellen des Weiteren sicher, dass die zuständigen Gerichte auf ordnungsgemäß begründeten Antrag einer Partei spezifische Maßnahmen treffen können, die erforderlich sind, um die Vertraulichkeit eines Geschäftsgeheimnisses oder eines angeblichen Geschäftsgeheimnisses zu wahren, das im Laufe eines Gerichtsverfahrens im Zusammenhang mit dem rechtswidrigen Erwerb oder der rechtswidrigen Nutzung oder Offenlegung eines Geschäftsgeheimnisses genutzt oder auf das in diesem Rahmen Bezug genommen wird. Die Mitgliedstaaten können ferner die zuständigen Gerichte ermächtigen, solche Maßnahmen von Amts wegen zu ergreifen.

Die in Unterabsatz 1 genannten Maßnahmen sehen mindestens die Möglichkeit vor,

a) den Zugang zu von den Parteien oder Dritten vorgelegten Dokumenten, die Geschäftsgeheimnisse oder angebliche Geschäftsgeheimnisse enthalten, ganz oder teilweise auf eine begrenzte Anzahl von Personen zu beschränken;

b) den Zugang zu Anhörungen, bei denen unter Umständen Geschäftsgeheimnisse oder angebliche Geschäftsgeheimnisse offengelegt werden, und zu der entsprechenden Aufzeichnung oder Mitschrift dieser Anhörungen auf eine begrenzte Anzahl von Personen zu beschränken;

c) Personen, die nicht der begrenzten Anzahl von Personen nach den Buchstaben a und b angehören, eine nicht vertrauliche Fassung einer gerichtlichen Entscheidung bereitzustellen, in der die Geschäftsgeheimnisse enthaltenden Passagen gelöscht oder geschwärzt wurden.

Die Anzahl der Personen nach Unterabsatz 2 Buchstaben a und b darf nicht größer sein, als zur Wahrung des Rechts der Verfahrensparteien auf einen wirksamen Rechtsbehelf und ein faires Verfahren erforderlich ist, und muss mindestens eine natürliche Person jeder Partei und ihre jeweiligen Rechtsanwälte oder sonstigen Vertreter dieser Gerichtsverfahrensparteien umfassen.

(3) Bei der Entscheidung über die Maßnahmen gemäß Absatz 2 und der Beurteilung ihrer Verhältnismäßigkeit berücksichtigen die zuständigen Gerichte die Notwendigkeit, das Recht auf einen wirksamen Rechtsbehelf und ein faires Verfahren zu gewährleisten, die legitimen Interessen der Parteien und gegebenenfalls etwaiger Dritter sowie den möglichen Schaden, der einer der Parteien und gegebenenfalls etwaigen Dritten durch die Gewährung oder Ablehnung dieser Maßnahmen entstehen kann.

(4) Jede Verarbeitung personenbezogener Daten gemäß den Absätzen 1, 2 oder 3 erfolgt gemäß der Richtlinie 95/46/EG.

Artikel 10

Vorläufige und vorbeugende Maßnahmen

(1) Die Mitgliedstaaten stellen sicher, dass die zuständigen Gerichte auf Antrag des Inhabers des Geschäftsgeheimnisses eine der folgenden vorläufigen und vorbeugenden Maßnahmen gegen den angeblichen Rechtsverletzer anordnen können:

a) vorläufige Einstellung oder gegebenenfalls vorläufiges Verbot der Nutzung oder Offenlegung des Geschäftsgeheimnisses;

b) Verbot des Herstellens, Anbietens, Vermarktens oder der Nutzung rechtsverletzender Produkte oder der Einfuhr, Ausfuhr oder Lagerung rechtsverletzender Produkte für diese Zwecke;

c) Beschlagnahme oder Herausgabe der mutmaßlich rechtsverletzenden Produkte, einschließlich eingeführter Produkte, um deren Inverkehrbringen oder ihren Umlauf im Markt zu verhindern.

(2) Die Mitgliedstaaten stellen sicher, dass die Gerichte als Alternative zu den in Absatz 1 genannten Maßnahmen die Fortsetzung der angeblich rechtswidrigen Nutzung eines Geschäftsgeheimnisses an die Stellung einer oder mehrerer Sicherheiten knüpfen können, die die Entschädigung des Inhabers des Geschäftsgeheimnisses sicherstellen sollen. Die Offenlegung eines Geschäftsgeheimnisses gegen die Stellung von Sicherheiten darf nicht erlaubt werden.

Artikel 11

Anwendungsbedingungen und Schutzmaßnahmen

(1) Die Mitgliedstaaten stellen sicher, dass die zuständigen Gerichte im Zusammenhang mit den in Artikel 10 genannten Maßnahmen befugt sind, dem Antragsteller aufzuerlegen, alle vernünftigerweise verfügbaren Beweise vorzulegen, um sich mit ausreichender Sicherheit davon überzeugen zu können, dass

a) tatsächlich ein Geschäftsgeheimnis vorliegt,

b) der Antragsteller der Inhaber dieses Geschäftsgeheimnisses ist und

c) das Geschäftsgeheimnis auf rechtswidrige Weise erworben wurde, auf rechtswidrige Weise genutzt oder offengelegt wird oder ein rechtswidriger Erwerb oder eine rechtswidrige Nutzung oder Offenlegung des Geschäftsgeheimnisses droht.

(2) Die Mitgliedstaaten stellen sicher, dass die zuständigen Gerichte bei der Entscheidung über die Gewährung oder Ablehnung eines Antrags und der Beurteilung der Verhältnismäßigkeit den besonderen Umständen des Falls Rechnung tragen müssen, gegebenenfalls einschließlich:

a) des Wertes und anderer spezifischer Merkmale des Geschäftsgeheimnisses,

b) zum Schutz des Geschäftsgeheimnisses getroffene Maßnahmen,

c) des Verhaltens des Antragsgegners bei Erwerb, Nutzung oder Offenlegung des Geschäftsgeheimnisses,

d) der Folgen der rechtswidrigen Nutzung oder Offenlegung des Geschäftsgeheimnisses,

e) der legitimen Interessen der Parteien und Auswirkungen, die die Gewährung oder Ablehnung der Maßnahmen für die Parteien haben könnte, 

f) der legitimen Interessen Dritter,

g) des öffentlichen Interesses und

h) des Schutzes der Grundrechte.

(3) Die Mitgliedstaaten stellen sicher, dass die in Artikel 10 genannten Maßnahmen auf Antrag des Antragsgegners aufgehoben oder auf andere Weise außer Kraft gesetzt werden, wenn 

a) der Antragsteller nicht innerhalb einer angemessenen Frist, die entweder von dem die Maßnahmen anordnenden Gericht festgelegt wird, sofern dies nach dem Recht des Mitgliedstaats zulässig ist, oder, wenn es nicht zu einer solchen Festlegung kommt, 20 Arbeitstage oder 31 Kalendertage, wobei der längere der beiden Zeiträume gilt, nicht überschreitet, bei dem zuständigen Gericht das Verfahren einleitet, das zu einer Sachentscheidung führt oder 

b) die in Frage stehenden Informationen aus Gründen, die dem Antragsgegner nicht zuzurechnen sind, nicht mehr die in Artikel 2 Nummer 1 genannten Kriterien erfüllen.

(4) Die Mitgliedstaaten stellen sicher, dass die zuständigen Gerichte die in Artikel 10 genannten Maßnahmen an die Stellung einer angemessenen Kaution oder die Leistung einer entsprechenden Sicherheit durch den Antragsteller knüpfen können, um eine etwaige Entschädigung des Antragsgegners oder einer etwaigen anderen von den Maßnahmen betroffenen Person sicherzustellen.

(5) Werden die in Artikel 10 genannten Maßnahmen auf der Grundlage von Absatz 3 Buchstabe a des vorliegenden Artikels aufgehoben oder werden sie aufgrund einer Handlung oder Unterlassung des Antragstellers hinfällig, oder wird in der Folge festgestellt, dass kein rechtswidriger Erwerb oder keine rechtswidrige Nutzung oder Offenlegung des Geschäftsgeheimnisses vorlag und auch nicht drohte, so sind die zuständigen Gerichte befugt, auf Antrag des Antragsgegners oder eines geschädigten Dritten anzuordnen, dass der Antragsteller dem Antragsgegner oder dem geschädigten Dritten angemessenen Ersatz für den durch diese Maßnahmen entstandenen Schaden zu leisten hat.

Die Mitgliedstaaten können vorsehen, dass der in Unterabsatz 1 genannte Antrag auf Schadensersatz Gegenstand eines getrennten Gerichtsverfahrens ist.

Den Vorgaben der Richtlinie wird das deutsche Zivilprozessrecht noch nicht gerecht. Deshalb sind im Gesetz über Geschäftsgeheimnisse auch prozessuale Regelungen enthalten.

§ 16 Geheimhaltung

(1) Bei Klagen, durch die Ansprüche nach diesem Gesetz geltend gemacht werden (Geschäftsgeheimnisstreitsachen) kann das Gericht der Hauptsache auf Antrag einer Partei streitgegenständliche Informationen ganz oder teilweise als geheimhaltungsbedürftig einstufen, wenn diese ein Geschäftsgeheimnis sein können.

(2) Die Parteien, ihre Prozessvertreter, Zeugen, Sachverständige, sonstige Vertreter und alle sonstigen Personen, die an Geschäftsgeheimnisstreitsachen beteiligt sind oder die Zugang zu Dokumenten eines solchen Verfahrens haben, müssen als geheimhaltungsbedürftig eingestufte Informationen vertraulich behandeln und dürfen diese außerhalb eines gerichtlichen Verfahrens nicht nutzen oder offenlegen, es sei denn, dass sie von diesen außerhalb des Verfahrens Kenntnis erlangt haben.

(3) Wenn das Gericht eine Entscheidung nach Absatz 1 trifft, darf Dritten, die ein Recht auf Akteneinsicht haben, nur ein Akteninhalt zur Verfügung gestellt werden, in dem die Geschäftsgeheimnisse enthaltenden Ausführungen unkenntlich gemacht wurden.

§ 19 Weitere gerichtliche Beschränkungen

(1) Zusätzlich zu § 16 Absatz 1 beschränkt das Gericht der Hauptsache zur Wahrung von Geschäftsgeheimnissen auf Antrag einer Partei den Zugang ganz oder teilweise auf eine bestimmte Anzahl von zuverlässigen Personen

1. zu von den Parteien oder Dritten eingereichten oder vorgelegten Dokumenten, die Geschäftsgeheimnisse enthalten können, oder

2. zur mündlichen Verhandlung, bei der Geschäftsgeheimnisse offengelegt werden könnten, und zu der Aufzeichnung oder dem Protokoll der mündlichen Verhandlung.

Dies gilt nur, soweit nach Abwägung aller Umstände das Geheimhaltungsinteresse das Recht der Beteiligten auf rechtliches Gehör auch unter Beachtung ihres Rechts auf effektiven Rechtsschutz und ein faires Verfahren übersteigt. Es ist jeweils mindestens einer natürlichen Person jeder Partei und ihren Prozessvertretern oder sonstigen Vertretern Zugang zu gewähren. Im Übrigen bestimmt das Gericht nach freiem Ermessen, welche Anordnungen zur Erreichung des Zwecks erforderlich sind.

(2) Wenn das Gericht Beschränkungen nach Absatz 1 Satz 1 trifft,

1. kann die Öffentlichkeit auf Antrag von der mündlichen Verhandlung ausgeschlossen werden und

2. gilt § 16 Absatz 3 für nicht zugelassene Personen.

(3) Die §§ 16 bis 19 Absatz 1 und 2 gelten entsprechend im Verfahren der Zwangsvollstreckung, wenn das Gericht der Hauptsache Informationen nach § 16 Absatz 1 als geheimhaltungsbedürftig eingestuft oder zusätzliche Beschränkungen nach Absatz 1 Satz 1 getroffen hat.

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Geschäftsgeheimnisstreitsache

BGH, Beschl. v. 9.11.2023, I ZB 32/23, Tz. 39

Unter die Geschäftsgeheimnisstreitsachen im Sinn des § 16 Abs. 1 GeschGehG fallen auch selbständige Beweisverfahren (einschließlich einer in diesem Rahmen durchgeführten Besichtigung), so dass die … Regelung des § 19 Abs. 1 GeschGehG anwendbar ist (vgl. Alexander in Köhler/Bornkamm/Feddersen, UWG, 41. Aufl., § 16 GeschGehG Rn. 13a; …). Bereits die Ausnahmeregelungen in § 145a Satz 1 PatG und § 26a Satz 1 GebrMG (…) sprechen dafür, dass der Gesetzgeber von der grundsätzlichen Anwendbarkeit der §§ 16 bis 20 GeschGehG auf die genannten Verfahren ausgegangen ist (vgl. Alexander in Köhler/Bornkamm/Feddersen aaO § 16 GeschGehG Rn. 13a). Zudem bieten die §§ 16 bis 20 GeschGehG eine adäquate Grundlage, um in einem vorgeschalteten Beweisverfahren die Geheimhaltungsinteressen beider Seiten, also auch des Antragstellers, zu berücksichtigen (vgl. BeckOK.GeschGehG/Gregor § 16 Rn. 16).

OLG Düsseldorf, Beschl. v. 11.1.2021, 20 W 68/20

Die Vorschriften der §§ 16 ff. GeschGehG sind nicht auf andere Verfahren analog anwendbar.

... Der Gesetzesentwurf (BT-Drs. 19/4724 S. 34) weist ausdrücklich darauf hin, dass „die Vorschriften … nur für Geschäftsgeheimnisstreitsachen und damit weder für Ansprüche, die auf anderen Gesetzen als dem GeschGehG beruhen, noch für Strafverfahren“ gelten.

OLG Düsseldorf, Beschl. v. 21.9.2021, 15 W 6/21, Tz. 20

Außerhalb des Anwendungsbereichs des GeschGehG kann die Definition des Geschäftsgeheimnisses nur dann unmittelbar Geltung beanspruchen, wenn sie ausdrücklich in Bezug genommen wird und/oder sich aus dem Schutzzweck und dem Regelungskontext einer Norm ergibt, dass ein begrifflicher Gleichlauf mit § 2 Nr. 1 GeschGehG besteht (Köhler/Bornkamm/Feddersen/Alexander GeschGehG § 2 Rn. 7).

Zur entsprechenden Anwendung in Patentstreitsachen siehe § 145a PatG.

Zum Verhältnis zum sog. "Düsseldorfer Verfahren" siehe OLG Düsseldorf, Beschl. v. 21.9.2021, 15 W 6/21, Tz. 18 ff.

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Eilbedürftigkeit in eV-Verfahren

OLG München, Beschl. v. 8.8.2019, 29 W 940/19, II.1 - Dringlichkeitsschädliche Sachbehandlung

Das GeschGehG selbst enthält – anders als etwa das UWG in § 12 Abs. 2 UWG – keine speziellen Bestimmungen für die Geltendmachung der dort vorgesehenen Ansprüche im einstweiligen Rechtsschutz, so dass entsprechend der Begründung zum RegE vom 04.10.2018 (BT-Drs 19/4724, dort S. 34) zu Abschnitt 3 die allgemeinen verfahrensrechtlichen Bestimmungen zur Anwendung kommen, also diejenigen aus GVG und ZPO (McGuire, in: Büscher, UWG, § 15 GeschGehG Rn. 7).

Es erscheint fraglich, ob § 12 Abs. 2 UWG analog angewendet werden kann, da dies eine planwidrige Regelungslücke voraussetzen würde und ferner, „dass der zu beurteilende Sachverhalt so weit mit dem Tatbestand vergleichbar ist, dass angenommen werden kann, der Gesetzgeber wäre bei einer Interessenabwägung, bei der er sich von den gleichen Grundsätzen hätte leiten lassen wie bei dem Erlass der herangezogenen Gesetzesvorschrift, zu dem gleichen Abwägungsergebnis gekommen“ (BGH, GRUR 2003, 622, 623 – Abonnementvertrag). Dass diese Voraussetzungen erfüllt sind, erscheint zweifelhaft, zumal sich aus der im engen zeitlichen Zusammenhang zum hiesigen Gesetzgebungsverfahren erfolgten expliziten Aufnahme der Dringlichkeitsvermutung im MarkenG zu ergeben scheint, dass der Gesetzgeber beim GeschGehG bewusst von spezifischen Regelungen zum Verfügungsverfahren abgesehen hat, während er andere prozessrechtliche Fragen – wie diejenige der weitgehenden Abschaffung des Tatortgerichtsstands (vgl. Ohly, GRUR 2019, 441, 450) – ausdrücklich im GeschGehG gesetzlich geregelt hat.

Offen gelassen in OLG Frankfurt, Beschl. v. 27.11.2020, 6 W 113/20, II.1

OLG Nürnberg, Urt. v. 6.7.2023, 3 U 889/23, Tz. 8 f

Der Senat schließt sich der Rechtsmeinung an, die eine analoge Anwendung der Dringlichkeitsvermutung des § 12 Abs. 1 UWG auf Unterlassungsansprüche nach § 6 GeschGehG mangels planwidriger Regelungslücke ablehnt (vgl. MüKoUWG/Krbetschek, 3. Aufl. 2022, GeschGehG § 6 Rn. 40; OLG München, GRUR-RR 2019, 443 Rn. 14 – Medizinisches Fachpersonal). Denn der Gesetzgeber dehnte die Dringlichkeitsvermutung anlässlich der Übernahme der §§ 17-19 UWG a.F. in das am 26.4.2019 in Kraft getretene GeschGehG in Kenntnis dieser Spezialregel nicht auf dieses Gesetz aus. Vielmehr führte er aus, dass es – soweit keine speziellen Bestimmungen für die Geltendmachung der dort vorgesehenen Ansprüche im einstweiligen Rechtsschutz getroffen wurden – bei den allgemeinen verfahrensrechtlichen Bestimmungen verbleibe (Begründung zum RegE vom 04.10.2018, BT-Drs. 19/4724, S. 34). Daraus ergibt sich, dass er im GeschGehG bewusst von spezifischen Regelungen zum Verfügungsverfahren absah, während er mit Wirkung zum 14.01.2019 – also im engen zeitlichen Zusammenhang zum hiesigen Gesetzgebungsverfahren – eine Dringlichkeitsvermutung in Kennzeichensachen einführte (§ 140 Abs. 3 MarkenG).

Darauf kommt es jedoch im Ergebnis nicht an. Denn bei Ansprüchen aufgrund der Verletzung von Geschäftsgeheimnissen ergibt sich die Dringlichkeit regelmäßig aus der Natur der Sache.

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Klageantrag

OLG Frankfurt, Beschl. v. 27.11.2020, 6 W 113/20, II.2

Die Hauptanträge sind mangels hinreichender Bestimmtheit unzulässig, da sie abstrakt auf „Geschäftsgeheimnisse“ Bezug nehmen, ohne diese jedoch genau zu bezeichnen. Für die Zulässigkeit des Verfügungsantrags ist wesentlich, dass die eingetretene, noch fortdauernde oder zukünftig bevorstehende Beeinträchtigung des Geschäftsgeheimnisses hinsichtlich der konkreten Verletzungsform bezeichnet wird (BeckOK GeschGehG/Spieker, 5. Ed. 15.3.2020, GeschGehG § 6 Rn 42-56).

OLG Stuttgart, Urt. v. 19.11.2020, 2 U 575/19, Tz. 154

In Klageantrag und Urteilsformel ist das Geheimnis im Wettbewerbsinteresse des Geheimnisinhabers nur so weit zu beschreiben, als dies für die Zwangsvollstreckung unerlässlich ist (…). Der Kläger ist nicht unter Hintanstellung seiner berechtigten Geheimhaltungsinteressen gezwungen, im Klageantrag Geschäfts- oder Betriebsgeheimnisse zu offenbaren.

OLG Stuttgart, Urt. v. 19.11.2020, 2 U 575/19, Tz. 155

Die Beklagten können sich nur dann erschöpfend verteidigen, wenn klargestellt ist, hinsichtlich welcher konkreten Rezepturen ihnen eine unbefugte Verwertung von Geschäftsgeheimnissen vorgeworfen wird. Die bloße Auflistung von ca. 2.700 Produktnamen ohne Darlegung, welche genauen Rezepturen damit bezeichnet werden, genügt den Bestimmtheitsanforderungen nicht.

Bei der Auflösung des Spannungsverhältnisses zwischen Bestimmtheitsgrundsatz und Geheimhaltungsschutz ist zu berücksichtigen, dass nach der Neuregelung in § 16 Absatz 1 GeschGehG auf Antrag einer Partei streitgegenständliche Informationen ganz oder teilweise als geheimhaltungsbedürftig eingestuft werden können. Durch eine solche Anordnung des Gerichts gemäß § 20 GeschGehG werden die Pflichten der Prozessbeteiligten zur vertraulichen Behandlung und Geheimhaltung gem. § 16 Absatz 2 GeschGehG ausgelöst, bei deren Verletzung gem. § 17 GeschGehG Ordnungsmittel verhängt werden können. Auch das Recht Dritter zur Akteneinsicht wird beschränkt (§ 16 Absatz 3 GeschGehG). Diese besonderen verfahrensrechtlichen Bestimmungen ermöglichen es dem Kläger, geheimhaltungsbedürftige Tatsachen, die er für eine hinreichend bestimmte Fassung des Klageantrags angeben muss, in das Verfahren einzuführen, ohne hierdurch seine Geheimhaltungsinteressen zu gefährden.

Aber:

OLG Schleswig, Urt. v. 28.4.2022, 6 U 39/21, Tz. 41

Nach § 16 Abs. 1, Abs. 2 GeschGehG kann das Gericht auf Antrag einer Partei streitgegenständliche Informationen als geheimhaltungsbedürftig einstufen, wenn diese ein Geschäftsgeheimnis sein können, mit der Folge, dass die Prozessbeteiligten diese vertraulich behandeln müssen und außerhalb eines gerichtlichen Verfahrens nicht nutzen oder offenlegen dürfen. Die Verschwiegenheitspflicht gilt jedoch nicht, wenn die Betreffenden von den Informationen bereits außerhalb des Verfahrens Kenntnis erlangt haben.

OLG Brandenburg, Urt. v. 20.10.2020, 6 U 42/19, Tz. 52

Wenn Ansprüche aus § 17 UWG geltend gemacht werden, treten Bestimmtheitsgrundsatz und Geheimschutz in einen nur schwer aufzulösenden Gegensatz. Der Bestimmtheitsgrundsatz darf in einem solchen Fall nicht dazu führen, dass der Kläger unter Hintanstellung seiner berechtigten Geheimhaltungsinteressen gezwungen ist, Geschäfts- oder Betriebsgeheimnisse zu offenbaren (BGH, Urt. v. 22.03.2018, I ZR 119/16 Tz. 19 - Hohlfasermembranspinnanlage II). Im Klageantrag und der Urteilsformel ist das Geheimnis im Wettbewerbsinteresse des Geheimnisinhabers deshalb nur so weit zu beschreiben, als dies für die Zwangsvollstreckung unerlässlich ist (Köhler/Bornkamm/Feddersen, 37. Aufl. 2019, § 17 UWG Rn 64).

OLG Schleswig, Urt. v. 28.4.2022, 6 U 39/21, Tz. 40

Es wäre mit dem Gebot effektiven Rechtsschutzes nicht vereinbar, wenn die Klägerin in dem Antrag - sei es unmittelbar, sei es durch Verweis auf eine Anlage - die Excel-Tabelle aktenkundig machen müsste, die der Beklagten nicht bekannt werden und die sie nicht verwenden soll.

OLG Stuttgart, Urt. v. 19.11.2020, 2 U 575/19, B.I.3

Solange das Gericht nicht über den Antrag der Klägerin nach § 16 Absatz 1 GeschGehG entschieden hat, können die Klageanträge nicht mangels ausreichender Bestimmtheit als unzulässig abgewiesen werden. Denn es muss zunächst geklärt werden, ob der Klägerin der Schutz des § 16 Absatz 2 GeschGehG zu gewähren ist, bevor ihr die Offenlegung von Informationen zur bestimmten Bezeichnung des Klagebegehrens abverlangt wird.

OLG Stuttgart, Urt. v. 19.11.2020, 2 U 575/19, B.II.1

Geht es um die Untersagung der Entwicklung, Weiterentwicklung, Herstellung, des Anbietens, des Vertreibens oder des sonstigen Inverkehrbringens hergestellter Produkte, so sind in dem Antrag nicht die Merkmale der Geschäftsgeheimnisse der Klägerin wiederzugeben, sondern diejenigen der als rechtsverletzend anzusehenden Produkte der Beklagten (BGH, Urt. v. 3.5.2001, I ZR 153/99, Tz. 74 – Spritzgießwerkzeuge), wobei die konkrete Bezugnahme auf die angegriffene Ausführungsform ausreicht.

Das LAG Düsseldorf hat einen Klageantrag für ausreichend gehalten, mit dem verboten werden sollte, private Notizen über Kunden etc., die während eines Arbeitsverhältnisses mir dem Geheimnisinhaber gemacht wurden, danach im geschäftlichen Verkehr zu verwenden (LAG Düsseldorf, Urt. v. 3.6.2020, 12 SaGa 7/20).

Zu einem Klageantrag unter Geltung des § 17 UWG:

BGH, Urt. v. 22.3.2018, I ZR 118/16, Tz. 19 - Hohlfasermembranspinnanlage II

Der Klageantrag ist nicht deshalb unbestimmt, weil er keine verbale Beschreibung der Umstände enthält, aus denen der Kläger eine Rechtsverletzung herleitet. Eine solche Beschreibung ist nicht erforderlich, wenn sich das vom Kläger begehrte Verbot gegen eine konkrete Verletzungsform richtet. Insoweit ist zu berücksichtigen, dass der Bestimmtheitsgrundsatz nicht dazu führen darf, dass der Kläger unter Hintanstellung seiner berechtigten Geheimhaltungsinteressen gezwungen ist, im Klageantrag Geschäfts- oder Betriebsgeheimnisse zu offenbaren.

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Zuständigkeit

OLG Karlsruhe, Beschl. v. 31.3.2022, 6 W 15/22, Tz. 9 f

Im Regelfall ist nach § 15 Abs. 2 Satz 1 GeschGehG das Gericht ausschließlich zuständig, in dessen Bezirk der Beklagte seinen allgemeinen Gerichtsstand hat. Hat der Beklagte im Inland keinen allgemeinen Gerichtsstand, ist nach § 15 Abs. 2 Satz 2 GeschGehG nur das Gericht zuständig, in dessen Bezirk die Handlung begangen worden ist. Damit sind sowohl der Handlungsort als auch der Erfolgsort bezeichnet (vgl. nur Alexander in Köhler/Bornkamm/Feddersen, UWG, 40. Aufl., GeschGehG § 15 Rn. 27).

Wie bei der insoweit übereinstimmend formulierten Regelung in § 32 ZPO ist ein Ort des Schadenseintritts Begehungsort nur, wenn der Schadenseintritt selbst zum Tatbestand der Rechtsverletzung gehört, wie etwa bei einer deliktischen Haftung nach § 826 BGB oder nach § 823 Abs. 2 BGB i.V.m. § 263 StGB, die den Eintritt eines Vermögensschadens erfordern (vgl. nur Zöller/Schultzky, ZPO, 34. Aufl., § 32 ZPO, Rn. 19 mit umfangreichen Nachweisen; Feddersen in Köhler/Bornkamm/Feddersen, UWG, 40. Aufl. § 14 Rn. 16). Eine „Rechtsverletzung“ im Sinn von § 6 UWG (siehe auch die Definition des Begriffs „Rechtsverletzer“ in § 2 Nr. 3 GeschGehG) liegt indes bereits bei einer Zuwiderhandlung gegen eines der in § 4 UWG normierten Handlungsverbote vor. Die Zuwiderhandlung setzt tatbestandsmäßig einen der dort genannten Erfolge voraus, der indes nicht etwa in einer „Verletzung“ des Geschäftsgeheimnisses im Sinn einer bei dessen Inhaber spürbaren Beeinträchtigung desselben, sondern unabhängig von der Wirkung auf den Inhaber bereits in der Erlangung, Nutzung oder Offenlegung des Geschäftsgeheimnisses liegt. Ein Bezug zum Inhaber des Geschäftsgeheimnisses besteht dabei lediglich insoweit, als ein Geschäftsgeheimnis als taugliches Tatobjekts denknotwendig bei einer bestimmten Person entstanden sein muss, was insbesondere nach § 2 Nr. 1 Buchst. b GeschGehG Geheimhaltungsmaßnahmen durch ihren rechtmäßigen Inhaber voraussetzt. Die (rechtmäßige) Schaffung des Tatobjekts durch den Inhaber ist freilich nicht Teil der Begehung im Sinn von § 15 Abs. 2 Satz 2 GeschGehG. Dass ferner auf Rechtsfolgenseite die Anspruchsberechtigung nach § 6 Satz 1 GeschGehG dem Inhaber des Geschäftsgeheimnisses zugewiesen ist, macht dessen Verletzung ebenfalls weder zu einem Element der verbotenen Handlung noch zu einem tatbestandnotwendigen Erfolg. Etwas Anderes folgt auch nicht daraus, dass die Verbote nach § 4 GeschGehG dem Schutz bestimmter Vermögenswerte des Inhabers des Geschäftsgeheimnisses dienen. Dies hat das Landgericht zutreffend erkannt. Entgegen der Ansicht der Beschwerde liegt dieser Beurteilung keine Fehlinterpretation des „Stahlexport“-Urteils des Bundesgerichtshofs (GRUR 1964, 316) zugrunde, auf das es insoweit nicht ankommt und das auch nicht – wie die Beschwerde meint – umgekehrt für die Zuständigkeit am Belegenheitsort des Geschäftsgeheimnisses spricht.

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Klagevortrag

Zu § 17 UWG

BGH, Urt. v. 22.3.2018, I ZR 118/16, Tz. 40 - Hohlfasermembranspinnanlage II

Für die Darlegung eines Betriebsgeheimnisses ist es nicht erforderlich, dass die Klägerin die als geheim behaupteten Tatsachen von einem redlich erworbenen Erfahrungswissen abgrenzt und dazu Vortrag hält. Für die Prüfung des Vorliegens eines Betriebsgeheimnisses ist es ohne Belang, ob ein Mitarbeiter die entsprechenden Umstände kennt. Der Geheimnischarakter einer Tatsache wird regelmäßig nicht dadurch aufgehoben, dass Vorgänge in einem Produktionsbetrieb den dort Beschäftigten bekannt werden. Ob ein (ehemaliger) Mitarbeiter fachliches Erfahrungswissen hat, das ihn auch ohne Benutzung von während seines Beschäftigungsverhältnisses erhaltenen oder selbst gefertigten Unterlagen in die Lage versetzt, das als Verletzung eines Betriebsgeheimnisses beanstandete Verhalten vorzunehmen, ist allenfalls für die Frage erheblich, welche Verwertungshandlungen rechtlich zulässig sind.

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Anordnung der Geheimhaltung

§ 16 Abs. 1 GeschGehG - Geheimhaltung

Bei Klagen, durch die Ansprüche nach diesem Gesetz geltend gemacht werden (Geschäftsgeheimnisstreitsachen) kann das Gericht der Hauptsache auf Antrag einer Partei streitgegenständliche Informationen ganz oder teilweise als geheimhaltungsbedürftig einstufen, wenn diese ein Geschäftsgeheimnis sein können.

§ 19 Abs. 1 - Weitere gerichtliche Beschränkungen

Zusätzlich zu § 16 Absatz 1 beschränkt das Gericht der Hauptsache zur Wahrung von Geschäftsgeheimnissen auf Antrag einer Partei den Zugang ganz oder teilweise auf eine bestimmte Anzahl von zuverlässigen Personen

1. zu von den Parteien oder Dritten eingereichten oder vorgelegten Dokumenten, die Geschäftsgeheimnisse enthalten können, oder

2. zur mündlichen Verhandlung, bei der Geschäftsgeheimnisse offengelegt werden könnten, und zu der Aufzeichnung oder dem Protokoll der mündlichen Verhandlung.

Ermessensentscheidung

OLG Düsseldorf, Beschl. v. 3.11.2022, 2 U 102/22, Tz. 10

Allein die Tatsache, dass eine Information ein Geschäftsgeheimnis darstellen kann, reicht für sich genommen für eine gerichtliche Schutzanordnung, gleich welchen Inhalts, nicht aus. Dies ergibt sich schon daraus, dass das Gesetz das Vorhandensein eines möglichen Geschäftsgeheimnisses nicht mit der unausweichlichen Pflicht des Gerichts zu einer das Geschäftsgeheimnis schützenden Anordnung verknüpft, sondern deren Erlass – trotz Vorliegens eines (potenziellen) Geschäftsgeheimnisses - in das Ermessen des Gerichts stellt. Über das mutmaßliche Geschäftsgeheimnis hinaus bedarf es deswegen in jedem Einzelfall konkret zu benennender Umstände, die eine dahingehende Ermessensausübung des Gerichts rechtfertigen. Das gilt schon für die grundlegenden Maßnahmen nach § 16 GeschGehG, die das Gericht nicht zwangsläufigerweise zu treffen hat, sondern nach seinem Ermessen anordnen kann, ganz besonders aber für solche nach § 19 GeschGehG, die § 19 Abs. 1 Satz 2 GeschGehG ausdrücklich davon abhängig macht, dass „nach Abwägung aller Umstände das Geheimhaltungsinteresse das Recht der Beteiligten auf rechtliches Gehör auch unter Beachtung ihres Rechts auf effektiven Rechtsschutz und ein faires Verfahren übersteigt“. Dem Gesetz liegt damit eindeutig nicht das Prinzip eines bedingungslosen Geheimnisschutzes um jeden Preis zugrunde, sondern die Notwendigkeit einer fairen Interessenabwägung, die die berechtigten Belange des durch die Schutzanordnung Verpflichteten mit in den Blick nimmt.

Bedürfnis

OLG Düsseldorf, Beschl. v. 3.11.2022, 2 U 102/22, Tz. 12

Der Inhalt einer einvernehmlichen Geheimhaltungsvereinbarung setzt dem Bedürfnis für eine gerichtliche Schutzanordnung abweichenden Inhalts Grenzen. Wenn die Parteien außergerichtlich keine Beschränkung auf bestimmte Wissensträger des Geheimnisempfängers vorgesehen haben, obwohl dies im Rahmen der Vertragsfreiheit ohne weiteres möglich gewesen wäre, so wird es bei ansonsten unveränderter Sachlage näherer Erläuterung bedürfen, wieso es für das Gerichtsverfahren dennoch einer über das vorgerichtlich für ausreichend Erachtete hinausgehenden Geheimnisschutzanordnung nach § 19 GeschGehG bedarf. Gleiches gilt, wenn die Vertraulichkeitsabsprache den Kreis der Wissensträger in bestimmter Weise eingrenzt, für eine davon abweichende Schutzanordnung nach § 19 GeschGehG. Mindestens unter dem Gesichtspunkt eines fairen Verfahrens ist es einer Partei ohne rechtfertigenden Grund nicht zuzumuten, sich den unterschiedlichen Bedingungen zweier Geheimhaltungsvorgaben zu beugen, deren Befolgung im Zweifel einen besonderen administrativen Aufwand und ein doppeltes Haftungsrisiko begründet. Solange es daher keine nachvollziehbaren Gründe dafür gibt, es für das Gerichtsverfahren nicht bei den zum Geheimnisschutz einvernehmlich vereinbarten Bedingungen der Vertraulichkeitsabrede bewenden zu belassen, besteht kein Anlass, eine vom vorgerichtlich Vereinbarten abweichende personelle Beschränkung der Wissensträger anzuordnen.

Vergleichbar LG Mannheim, Beschl. v. 14.4.2023, 7 O 91/22 (in einer Patentstreitsache, § 145a PatG)

Anderer Ansicht:

OLG Karlsruhe, Beschl. v. 4.10.2023, 6 U 122/22, Tz. 3 f

Dass die Parteien übereinstimmend von der Geheimhaltungsbedürftigkeit des Inhalts ihrer Lizenzverhandlungen ausgehen und deren Geheimhaltung vereinbart haben, steht der Zulässigkeit des Antrags nicht entgegen.

Das Rechtsschutzbedürfnis kann schon deshalb nicht verneint werden, weil die beantragte Einstufung als Geschäftsgeheimnis nach § 16 Abs. 1 GeschGehG unter anderem zur Folge hat, dass alle Personen, die an der Streitsache beteiligt sind oder zu deren Dokumenten Zugang haben, der mit Ordnungsmitteln bewehrten Pflicht zur vertraulichen Behandlung der als geheimhaltungsbedürftig eingestuften Informationen unterliegen (§ 16 Abs. 2, § 17 GeschGehG) und zudem Dritten, die ein Recht auf Akteneinsicht haben, nur ein Akteninhalt zur Verfügung gestellt werden darf, in dem die Geschäftsgeheimnisse enthaltenden Ausführungen unkenntlich gemacht wurden (§ 16 Abs. 3 GeschGehG; zwingend und insoweit über das aus § 299 Abs. 2 ZPO abstrakt abzuleitende Gebot einer Berücksichtigung von Geheimhaltungsinteressen hinaus; vgl. Alexander in Köhler/Bornkamm/Feddersen, UWG, 41. Aufl., GeschGehG § 16 Rn. 36; Kühnen, aaO Rn. 187). Es handelt sich dabei nicht um bloße, nicht von einem berechtigten Interesse des Antragstellers getragene Rechtsreflexe des Schutzes, den das Gesetz dem Geheimnisinhaber gewährt. Unabhängig davon, ob das Gesetz wertungsmäßig „primär“ die Gefahr einer Offenlegung durch den Prozessgegner im Auge hat, gehört es jedenfalls (auch) zu den nach der eindeutigen gesetzlichen Regelung bezweckten Rechtsfolgen, dass der Geheimnisinhaber mit einer von ihm zu beantragenden Einstufung erreichen kann, dass die Gefahr einer Offenlegung durch sonstige Personen in nach § 16 Abs. 2, 3, §§ 17, 18 GeschGehG vorgesehenen Weise gemindert wird. Der umfassende von der Geheimhaltungspflicht betroffene Personenkreis soll nach der Gesetzesbegründung den Schutz der Inhaber von Geschäftsgeheimnissen vor einer Offenlegung des Geschäftsgeheimnisses während eines öffentlichen Verfahrens ausdrücklich erweitern (BT-Drs. 19/4724, S. 35). Durch ein Geheimhaltungsabkommen der Parteien lässt sich anders als durch die Entscheidung nach dem Geschäftsgeheimnisgeheimnisgesetz beispielsweise nicht erreichen, dass der Vorstand des Gerichts bei der künftigen Entscheidung über ein Akteneinsichtsgesuch nach Abschluss des Verfahrens gem. § 299 Abs. 2 ZPO an die richterliche Einstufung bestimmter Informationen als geheimhaltungsbedürftig gebunden ist, diese Einstufung also – mit den Worten der Gesetzesbegründung – auf die Justizverwaltung „durchschlägt“ (BT-Drs. 19/4724, aaO). Die Einstufung geht damit über den sich bereits aus anderen zivil-, straf- oder öffentlich-rechtlichen Bestimmungen ergebenden Schutz hinaus.

OLG Düsseldorf, Beschl. v. 3.11.2022, 2 U 102/22, Tz. 13

Der Umstand, dass die vorgerichtliche Vertraulichkeitsvereinbarung den Wissensempfänger nur für einen gewissen Zeitraum zur Geheimhaltung verpflichtet und die geheime Information danach freistellt, … spricht dafür, das Verhaltensregime nicht durch eine gerichtliche Schutzanordnung (für die es wegen der geltenden Vertraulichkeitsabrede ansonsten keinen sachlichen Grund gibt) zu verschärfen.

Anfechtung

BGH, Beschl. v. 9.11.2023, I ZB 32/23, Tz. 25

Die Vorschrift des § 20 Abs. 5 Satz 4 GeschGehG ist auf in einem selbständigen Beweisverfahren ergangene Anordnungen nach § 16 Abs. 1 GeschGehG und § 19 Abs. 1 GeschGehG generell nicht anwendbar.

OLG Düsseldorf, Beschl . v. 23.1.2023, 15 W 1/23

Die Anfechtbarkeit von Beschlüssen nach § 16 Abs. 1 GeschGehG und § 19 Abs. 1 GeschGehG ist in § 20 Abs. 5 S. 4 und 5 GeschGehG geregelt. Nach § 20 Abs. 5 S. 4 GeschGehG können die Einstufung von Informationen als geheimhaltungsbedürftig nach § 16 Abs. 1 GeschGehG und die Anordnung der Beschränkung des Zugangs zu Dokumenten, zur Verhandlung oder zu der Aufzeichnung oder dem Protokoll der Verhandlung nach § 19 Abs. 1 GeschGehG nur gemeinsam mit dem Rechtsmittel in der Hauptsache angefochten werden. Gemäß § 20 Abs. 5 S. 5 GeschGehG findet (nur) im Übrigen die sofortige Beschwerde statt. ...

Ist der Schutz des Geheimnisses gewährleistet, soll die Beeinträchtigung der von der Geheimnisschutzanordnung betroffenen Prozesspartei nach dem Willen des Gesetzgebers hingenommen werden. Nur wenn das erstinstanzliche Gericht Maßnahmen nach § 16 GeschGehG ablehnt, gerät das Geschäftsgeheimnis in Gefahr und die ablehnende Entscheidung soll zunächst durch sofortige Beschwerde überprüft werden können (RegE eines Gesetzes zur Umsetzung der RL (EU) 2016/943 zum Schutz von Geschäftsgeheimnissen vor rechtswidrigem Erwerb sowie rechtswidriger Nutzung und Offenlegung, BT-Drs. 19/4724, S. 38). Die gespaltene Anfechtbarkeit dient damit einem an Sinn und Zweck der materiellen Regelungen orientierten Rechtsweg.

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