Ihr Rechtsanwalt im Wettbewerbsrecht
Dr. Hermann-Josef Omsels*

Eine Darstellung des Gesetzes gegen den unlauteren Wettbewerb und wettbewerbsrechtlicher Nebengesetze



 


 

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Kerntheorie

1. Verfassungsmäßige Grundlagen und Grenzen der Kerntheorie

2. Inhalt der Kerntheorie

3. Eng gefasste Verbote (Beschränkung auf konkrete Verletzungsform)

4. Beschlussverfügung ohne Gründe

5. Beispiele

Verfassungsmäßige Grundlagen und Grenzen der Kerntheorie

BVerfG, Beschl. v. 13.04.2022, 1 BvR 1021/17, Tz. 17

Gegen den allgemeinen Gleichheitssatz in seiner Ausprägung als Verbot objektiver Willkür (Art. 3 Abs. 1 GG) verstößt ein Richterspruch, wenn er unter keinem denkbaren Aspekt rechtlich vertretbar ist und sich daher – ohne dass es auf schuldhaftes Handeln ankäme – der Schluss aufdrängt, dass er auf sachfremden Erwägungen beruht. Das ist anhand objektiver Kriterien festzustellen. Fehlerhafte Rechtsanwendung allein macht eine Gerichtsentscheidung allerdings noch nicht objektiv willkürlich. Schlechterdings unhaltbar ist eine fachgerichtliche Entscheidung vielmehr erst dann, wenn eine offensichtlich einschlägige Norm nicht berücksichtigt, der Inhalt einer Norm in krasser Weise missverstanden oder sonst in nicht mehr nachvollziehbarer Weise angewendet wird (vgl. BVerfGE 89, 1 <13 f.>; 96, 189 <203>; stRspr).

BVerfG, Beschl. v. 13.04.2022, 1 BvR 1021/17, Tz. 22

Es ist unbedenklich, bei der Auslegung eines Unterlassungstitels die in ständiger fachgerichtlicher Rechtsprechung entwickelte „Kerntheorie” zur Anwendung zu bringen, wonach der Schutzumfang eines Unterlassungsgebots dem Schuldner erkennbar nicht nur die Verletzungsfälle, die mit der verbotenen Form identisch sind, sondern auch solche kerngleichen Verletzungshandlungen umfassen kann, in denen ungeachtet etwaiger Abweichungen im Einzelnen das Charakteristische der ursprünglichen Verletzungshandlung zum Ausdruck kommt (vgl. BVerfG, Beschluss der 3. Kammer des Zweiten Senats vom 30. November 1990 - 2 BvR 1353/90 -Beschluss der 3. Kammer des Ersten Senats vom 9. Juli 1997 - 1 BvR 730/97-Beschluss der 1. Kammer des Ersten Senats vom 4. Dezember 2006 - 1 BvR 1200/04 -, NJW-RR 2007, S. 860 <862 Rn. 20>).

BVerfG, Beschl. v. 13.04.2022, 1 BvR 1021/17, Tz. 25

Ungeachtet der Auswirkungen des rechtsstaatlichen Bestimmtheitsgebots findet eine Auslegung ihre Grenze aber jedenfalls dann, wenn dem Titel im Wege der Auslegung ein Umfang zugemessen wird, der nicht zumindest implizit Gegenstand des Erkenntnisverfahrens war (vgl. BVerfG, Beschl. v. 30.11.1990, 2 BvR 1353/90BGH, Beschl. v. 6.2.2013, I ZB 79/11, Tz. 18 - Umsatzangaben; Beschl. v. 3.4.2014, I ZB 42/11, Tz. 12 f – Reichweite des Unterlassungsgebots).

BVerfG, Beschl. v. 13.04.2022, 1 BvR 1021/17, Tz. 27 f

Stets muss im Vollstreckungsverfahren erkennbar sein, welche Verhaltensweisen vom Verbot erfasst und welche ausgenommen sind (vgl. BGH, Urt. v. 11.2.2021, I ZR 227/19, Tz. 20 – Rechtsberatung durch Architektin). Anderenfalls ist der Betroffene dem Druck ausgesetzt, zur Vermeidung einer Vollstreckungsmaßnahme nach § 890 ZPO auch Verhaltensweisen zu unterlassen, die unbedenklich sind. Rechtsstaatliche Funktion der Rechtskraft richterlicher Entscheidungen ist es indes, durch die Maßgeblichkeit und Rechtsbeständigkeit des Inhalts der Entscheidung über den Streitgegenstand die Rechtslage verbindlich zu klären und damit dem Rechtsfrieden zwischen den Beteiligten zu dienen, ihnen insbesondere zu ermöglichen, ihr Verhalten gemäß dieser Rechtslage einzurichten (vgl. BVerfGE 47, 146 <161>).

Zweifel bei der Auslegung im Vollstreckungsverfahren gehen folglich zu Lasten des Titelinhabers, der durch entsprechende Antragsformulierung im Erkenntnisverfahren etwa notwendige Verallgemeinerungen oder Konkretisierungen des Verbots herbeiführen kann (vgl. Ehricke/Könen, in: Münchener Kommentar zum Lauterkeitsrecht, 3. Aufl. 2022, Vorbem. vor §§ 12 ff. UWG, Rn. 155 m.w.N.).

BVerfG, Beschl. V. 4.12.2006, 1 BvR 1200/04

Die "Kerntheorie", wonach der Schutzumfang eines Unterlassungsgebots nicht nur die Verletzungsfälle, die mit der verbotenen Form identisch sind, sondern auch solche gleichwertigen Äußerungen umfasst, die ungeachtet etwaiger Abweichungen im Einzelnen den Äußerungskern unberührt lassen, ist verfassungsrechtlich unbedenklich. Sie dient der effektiven Durchsetzung von auf Unterlassung gerichteten Ansprüchen, die wesentlich erschwert wäre, falls eine Verletzung von Unterlassungstiteln nur in Fällen anzunehmen wäre, in denen die Verletzungshandlung dem Wortlaut des Titels genau entspricht. Dass ein Unterlassungsgebot sich auf den Inhalt der zu unterlassenden Behauptung bezieht und weniger auf ihre konkrete Formulierung im Einzelfall, ist auch für den Unterlassungsschuldner erkennbar. Zudem hat dieser die Möglichkeit, bereits im Erkenntnisverfahren auf eine sachgerechte Formulierung des Titels hinzuwirken und so etwaigen fehlerhaften und ausufernden Deutungen des Entscheidungstenors vorzubeugen. (Tz. 20; s.a. Leitsatz 2 b))

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Inhalt der Kerntheorie

Eine Ordnungsstrafe kann nur verhängt werden, wenn der Schuldner gegen ein gerichtliches Verbot (schuldhaft) verstoßen hat. Bei der Kerntheorie geht es darum festzustellen, wieweit ein gerichtliches Unterlassungsurteil reicht und wo seine Grenzen liegen.

Dabei gehen die Gerichte von dem Grundsatz aus, dass ein Unterlassungsurteil nicht nur die Wiederholung identischer Handlungen verbietet, sondern alles, was mit der verbotenen Handlung im 'Kern' gleich ist. Dazu muss bestimmt werden, worin der Kern des ergangenen gerichtlichen Verbots liegt. Handlungen, die vom Kern nicht erfasst werden, mögen ebenfalls wettbewerbswidrig sein. Sie verstoßen aber nicht gegen das bereits erlassene gerichtliche Verbot, sondern müssten zum Anlass eines neuen Verfahrens gemacht werden.

BGH, Beschl. v. 3.4.2014, I ZB 42/11, Tz. 11 - Reichweite des Unterlassungsgebots

Das in einem Unterlassungstitel ausgesprochene Verbot erfasst über die mit der verbotenen Form identischen Handlungen hinaus auch im Kern gleichartige Abwandlungen, in denen das Charakteristische der konkreten Verletzungsform zum Ausdruck kommt.

Ebenso OLG Frankfurt, Beschl. v. 5.6.2018, 6 W 43/18, II.1; KG, Beschl. v. 15.10.2020, 5 W 1100/20 (MD 2020, 1029); KG, Beschl. v. 5.3.2021, 5 W 1135/20, Tz. 12; KG, Beschl. v. 25.3.2021, 5 W 1135/200, Tz. 7, 12; KG, Beschl. v. 17.5.2021, 5 W 56/21 (MD 2021, 730); KG Berlin, Beschl. v. 9.2.2022, 5 W 158/21, Tz. 21; OLG Hamm, Urt. v. 1.6.2023, 4 U 225/22, Tz. 98

BGH, Urt. v. 30.3.1989, I ZR 85/87 – Bioäquivalenz-Werbung (= NJW 1989, 2327)

Zwar kann aus einem Unterlassungstitel gegen Verstöße nicht nur in der konkret titulierten Verletzungsform, sondern auch in Abwandlungen vorgegangen werden, wenn in diesen das Charakteristische, der "Kern", der titulierten Form zum Ausdruck kommt, da es sich hierbei nur darum handelt, ein im "Kern" feststehendes und bei dessen sachgerechter Auslegung auch die abweichende Handlung bereits umfassendes Verbot auf letztere anzuwenden. Voraussetzung dafür ist jedoch, dass der Verbotstitel den maßgeblichen "Kern" bzw. das für seinen Gehalt Charakteristische zweifelsfrei erkennen lässt, da nur dann der Umfang der Rechtskraft sicher feststellbar ist und eine den Bestimmtheitsanforderungen genügende Grundlage für die Vollstreckung auch bei abweichenden Handlungsformen vorliegt.

KG, Beschl. v. 26.2.2013, 5 W 16/13, Tz. 3

Ob das Verhalten eine Zuwiderhandlung darstellt, bestimmt sich nach der durch Auslegung zu ermittelnden Reichweite des Unterlassungstitels. Zur Auslegung der Urteilsformel können Tatbestand und Entscheidungsgründe, erforderlichenfalls auch Parteivorbringen, herangezogen werden (Köhler in: Köhler/Bornkamm, Wettbewerbsrecht, § 12 UWG, Rdn. 6.4). Der Verbotsumfang ist nicht auf die im Urteil beschriebene sogenannte konkrete Verletzungsform begrenzt. Sofern der Titel das Charakteristische oder den "Kern" der Verletzungsform zweifelsfrei zum Ausdruck bringt, werden auch abgewandelte, aber denselben Kern enthaltende Verletzungsformen erfasst. Jedenfalls im Kern muss eine Identität bestehen. Eine im Charakteristischen nur ähnliche Handlungsform genügt nicht (Köhler a.a.O.). Eine weitergehende, durch eine Analogie erweiternde Titelauslegung ist schon auf Grund des strafähnlichen Charakters der Ordnungsmittel des § 890 ZPO (BVerfG NJW 1981, 2457) unstatthaft (Art. 103 Abs. 2 GG; BGH NJW 1989, 2327 - Bioäquivalenz-Werbung).

Ebenso KG, Beschl. v. 29.1.2019, 5 W 167/18, Tz. 3; KG, Beschl. v. 15.10.2020, 5 W 1100/20 (MD 2020, 1029); OLG Hamm, Beschl. v. 9.3.2023, 4 W 10/23, Tz. 51

OLG Düsseldorf, Beschl. v. 21.3.2011, I-20 146/10

Ob eine Handlung eine Zuwiderhandlung gegen ein gerichtliches Verbot darstellt, bestimmt sich nach der durch Auslegung zu ermittelnden Reichweite des Unterlassungstitels. Dabei ist von der Urteilsformel auszugehen. Zu deren Auslegung können aber auch Tatbestand und Entscheidungsgründe herangezogen werden. Der Verbotsumfang ist dabei im Regelfall nicht auf die im Urteil beschriebene konkrete Verletzungsform begrenzt. Sofern der Titel das charakteristische, den so genannten "Kern" der Verletzungsform zweifelsfrei zum Ausdruck bringt, werden nicht nur die mit der verbotenen konkrete Verletzungsform identischen, sondern auch abgewandelte, aber im Kern gleichartige Handlungsformen erfasst. Das ist insbesondere dann anzunehmen, wenn neben der in Bezug genommenen konkreten Verletzungshandlung zur Beschreibung abstrakt formulierten Merkmale verwendet werden. Sie haben dann die Funktion, den Kreis der Varianten näher zu bestimmen, die von dem Verbot als kerngleiche Handlungen erfasst sein sollen. Eine weitergehende Titelauslegung ist dagegen schon aufgrund des strafähnlichen Charakters der Ordnungsmittel des § 890 ZPO unstatthaft. Zweifel gehen zulasten des Titelinhabers, da er durch entsprechende Formulierung die notwendige Verallgemeinerung des Verbots herbeiführen kann und das Vollstreckungsverfahren nicht mit Ungewissheiten belastet werden soll, die besser im Erkenntnisverfahren geklärt werden.

Wenn der Unterlassungstitel auf die Verletzung von Schutzrechten gestützt wird, erstreckt sich der Kern nur auf Schutzrechte, die bereits Gegenstand des Erkenntnisverfahrens waren - auch wenn deren Verletzung darin evtl. nicht nachgewiesen werden konnte.

BGH, Beschl. v. 3.4.2014, I ZB 42/11, Tz. 12 f - Reichweite des Unterlassungsgebots

Die Verletzung eines bestimmten Schutzrechts kann die Vermutung der Wiederholungsgefahr nicht nur für Verletzungen desselben Schutzrechts, sondern auch für Verletzungen anderer Schutzrechte begründen, soweit die Verletzungshandlungen trotz Verschiedenheit der Schutzrechte im Kern gleichartig sind. Voraussetzung dafür ist jedoch, dass die kerngleichen Verletzungshandlungen in das Erkenntnisverfahren und die Verurteilung einbezogen sind. In dem Fall "Restwertbörse II" traf das zu, weil sich der Kläger gegen die Verwertung von Lichtbildern eines von ihm erstellten Gutachtens gewandt hatte, das er insgesamt zum Gegenstand der Klage gemacht hatte, eine unberechtigte Verwertung jedoch allein für fünf von 34 Lichtbildern erwiesen war. Ebenso hat der Senat im Fall "Markenparfümverkäufe" den aufgrund der Verletzung einer Marke begründeten Unterlassungsanspruch auf alle im Klageantrag genannten Marken erstreckt. Eine noch ausreichende Einbeziehung kerngleicher Verletzungshandlungen in das Verfahren lag auch in der Sache "SPIEGEL-CD-ROM" vor, in der die Beklagte dazu verurteilt worden ist, es zu unterlassen, die Aufnahmen von 63 in einer Anlage aufgeführten Fotografen auf CD-ROM (SPIEGEL-Jahrgänge 1989 bis 1993) zu verbreiten oder verbreiten zu lassen. Durch den Verweis auf konkrete Fotografen und erschienene Jahrgänge einer Zeitschrift waren die in den Rechtsstreit einbezogenen Schutzrechte hier abschließend bestimmt.

Die Kerntheorie erlaubt jedoch nicht, die Vollstreckung aus einem Unterlassungstitel auf Schutzrechte zu erstrecken, die nicht Gegenstand des vorhergehenden Erkenntnisverfahrens gewesen sind. Insbesondere kommt keine Vollstreckung von Ordnungsmitteln wegen der Verletzung solcher Schutzrechte in Betracht, die zur Zeit des Erkenntnisverfahrens noch nicht einmal entstanden waren. Denn dies wäre eine wegen des Sanktionscharakters der Ordnungsmittel des § 890 ZPO unzulässige Titelerweiterung. Demgegenüber beschränkt sich die Kerntheorie darauf, ein im "Kern" feststehendes und bei dessen sachgerechter Auslegung auch eine abweichende Handlung bereits umfassendes Verbot auf Letztere anzuwenden. Das rechtlich Charakteristische der konkreten Verletzungsform, das für die Bestimmung des Kerns der verbotenen Handlung maßgeblich ist, ist daher auf das beschränkt, was bereits Prüfungsgegenstand im Erkenntnisverfahren gewesen ist. Da jedes Schutzrecht im Streitfall jedes vom Gläubiger angefertigte Lichtbild einen eigenen Streitgegenstand darstellt, kann sich das rechtlich Charakteristische der konkreten Verletzungsform nicht über die konkreten Schutzrechte hinaus erstrecken, die Gegenstand des Erkenntnisverfahrens waren. Eine Ausnahme davon ist auch dann nicht gerechtfertigt, wenn es sich um gleichartige Schutzrechte desselben Rechtsinhabers handelt. Nur so ist der Umfang der Rechtskraft sicher feststellbar und eine Grundlage der Vollstreckung gegeben, die den Bestimmtheitsanforderungen genügt.

Ebenso KG, Beschl. v. 5.3.2021, 5 W 1135/20, Tz. 16

OLG Köln, Beschl. v. 28.9.2017, 6 W 96/17 (MD 2018, 1205)

Bei richtigem Verständnis der Kerntheorie sind alle Verstöße, die den identischen und für die Beurteilung allein maßgeblichen Kern enthalten, bereits (implizit) mit geprüft. ...

Nach der sogenannten Kerntheorie … kommt es bei der Prüfung eines objektiven Verstoßes nicht entscheidend darauf an, ob Werbeaussagen wortgleich übernommen oder abgewandelt worden sind, solange der Verbraucher eine bestimmte Aussage nach wie vor im Sinne der verbotenen Aussage versteht, sie also das Charakteristische der verbotenen Aussage noch in sich trägt. Dabei kann zunächst davon ausgegangen werden, dass so lange sich die zentrale Werbebotschaft einer Internetseite nicht verändert, der Verkehr alle weiteren Aussagen, seien sie unverändert, seien sie abweichend formuliert, stets im Kontext der zentralen Werbebotschaft verstehen wird.

OLG Frankfurt am Main, 30.05.2018, 6 W 33/18

Sofern der Titel das Charakteristische oder den "Kern" der Verletzungsform zweifelsfrei zum Ausdruck bringt, werden nicht nur die mit der verbotenen konkreten Verletzungsform identischen, sondern auch abgewandelte, aber im Kern gleichartige (aber nicht bloß ähnliche) Handlungsformen erfasst. Die Zuordnung einer Handlung zum Kernbereich des Verbots kommt allerdings nicht in Betracht, wenn sie nicht Gegenstand der Prüfung im Erkenntnisverfahren gewesen ist. Eine weiter gehende Titelauslegung ist dagegen schon auf Grund des strafähnlichen Charakters der Ordnungsmittel des § 890 ZPO unstatthaft. Zweifel gehen zu Lasten des Titelinhabers, da er durch entsprechende Antragsformulierung die notwendige Verallgemeinerung des Verbots herbeiführen kann und das Vollstreckungsverfahren nicht mit Ungewissheiten belastet werden soll, die besser im Erkenntnisverfahren geklärt werden.

Ebenso OLG Hamm, Beschl. v. 9.3.2023, 4 W 10/23, Tz. 51

KG, Beschl. v. 5.3.2021, 5 W 1135/20, Tz. 16, 33

Die vorstehenden und schlagwortartig als “Kerntheorie“ bezeichneten Grundsätze ändern nichts daran, dass das rechtlich Charakteristische der konkreten Verletzungsform, das für die Bestimmung des Kerns der verbotenen Handlung maßgeblich ist, auf das beschränkt ist, was bereits Prüfungsgegenstand im Erkenntnisverfahren gewesen ist. ... Dem steht der Fall gleich, dass das Gericht einen Aspekt in den Gründen zwar angesprochen, jedoch ausdrücklich offengelassen hat, ob in diesem Aspekt ein wettbewerbsrechtlicher Verstoß zu erkennen ist. ...

Lässt das Gericht im Erkenntnisverfahren ausdrücklich dahinstehen, ob die Werbung unter einem bestimmten weiteren tatsächlichen Aspekt wettbewerbswidrig ist, darf die Auslegung des Titels in der Regel nicht dazu führen, dass er sich gleichwohl auf die Untersagung auch dieses Aspekts erstreckt.

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Eng gefasste Verbote (Beschränkung auf konkrete Verletzungsform)

Einerseits

BGH, Beschl. v. 29.9.2016, I ZB 34/15, Tz.35

Begehrt der Gläubiger einen Titel, der auch kerngleiche Verletzungshandlungen erfassen soll, ist er nicht gehalten, einen von der konkreten Verletzungshandlung losgelösten abstrakten Antrag zu stellen. Vielmehr kann er - und vielfach wird sich dies auch empfehlen (vgl. Schwippert in Teplitzky, Wettbewerbsrechtliche Ansprüche und Verfahren, 11. Aufl., Kap. 51 Rn. 4 ff.) - die konkrete Verletzungshandlung in seinen Antrag aufnehmen; mit einem solchen Antrag ist im Allgemeinen kein Verzicht auf die Unterlassung kerngleicher Verletzungshandlungen verbunden, in denen das Charakteristische der ursprünglichen Verletzungshandlung zum Ausdruck kommt. Etwas anderes gilt, wenn die Auslegung des Klageantrags ergibt, dass in der Wahl der konkreten Verletzungshandlung als Unterlassungsbegehren eine bewusste Beschränkung liegt. Ob ein beanstandetes Verhalten danach unter den Verbotstenor fällt, hat das für die Vollstreckung nach § 890 ZPO zuständige Prozessgericht als Vollstreckungsorgan durch Auslegung der Urteilsformel und der Gründe der Entscheidung, gegebenenfalls auch unter Heranziehung der Klagebegründung, zu beurteilen.

Ebenso KG, Beschl. v. 5.3.2021, 5 W 1135/20, Tz. 13

Andererseits

BGH, Urt. v. 22.10.2009, I ZR 58/07, Tz. 12 - Klassenlotterie

Ist das begehrte Verbot eng auf die konkrete Verletzungshandlung beschränkt, sind einer erweiternden Auslegung des Unterlassungsantrags und dementsprechend auch der Urteilsformel im Hinblick auf den Sanktionscharakter der Ordnungsmittel des § 890 ZPO enge Grenzen gezogen.

Ein gerichtliches Verbot, das auf die konkrete Verletzungshandlung bezogen ist, erfasst in der Regel allerdings im Wege der Auslegung auch kerngleiche Verstöße.

BGH, Beschl. v. 3.4.2014, I ZB 42/11, Tz. 11 - Reichweite des Unterlassungsgebots

Das in einem Unterlassungstitel ausgesprochene Verbot erfasst über die mit der verbotenen Form identischen Handlungen hinaus auch im Kern gleichartige Abwandlungen, in denen das Charakteristische der konkreten Verletzungsform zum Ausdruck kommt. Das gilt auch dann, wenn das Verbot auf die konkrete Verletzungsform beschränkt ist. In diesem Fall haben die neben der in Bezug genommenen konkreten Verletzungshandlung abstrakt formulierten Merkmale die Funktion, den Kreis der Varianten näher zu bestimmen, die von dem Verbot als kerngleiche Verletzungsformen erfasst sein sollen (vgl. BGH, Urteil vom 19. Mai 2010, I ZR 177/07, Tz. 17 - Folienrollos, mwN).

Ebenso KG, Beschl. v. 15.10.2020, 5 W 1100/20 (MD 2020, 1029); KG, Beschl. v. 5.3.2021, 5 W 1135/20, Tz. 13; OLG Brandenburg, Urt. v. 14.6,2022, 6 U 65/21, Tz. 35 (GRUR-RR 2022, 542)

OLG Frankfurt, Beschl. v. 22.11.2017, 6 W 95/17

Der Verbotsbereich eines auf eine konkrete Verletzungsform bezogenen Unterlassungstitels beschränkt sich nicht auf die konkrete Verletzungsform. Er erstreckt sich vielmehr auf kerngleiche Verletzungshandlungen, also Abwandlungen der konkreten Verletzungsform, in denen das Charakteristische des titulierten Verbots zum Ausdruck kommt und die bereits Gegenstand der Prüfung im Erkenntnisverfahren gewesen sind. Mit einem solchen Antrag ist im Allgemeinen kein Verzicht auf die Unterlassung kerngleicher Verletzungshandlungen verbunden (st. Rspr., vgl. zuletzt BGH GRUR 2017, 208 Tz. 35 - Produktrückruf). Etwas anderes gilt nur dann, wenn die Auslegung des Klageantrags ergibt, dass in der Wahl der konkreten Verletzungshandlung als Unterlassungsbegehren eine bewusste Beschränkung liegt (BGH, a.a.O.)

Ebenso OLG Köln, Beschl. v. 28.9.2017, 6 W 96/17 (MD 2018, 1205)

OLG Frankfurt, Beschl. v. 9.11.2017, 6 W 96/17, II.1

Der Verbotsumfang eines gerichtlichen Titels beschränkt sich nicht auf das beschriebene Verbot, sondern erfasst auch unwesentliche Abwandlungen, die den Kern der Verletzungshandlung unberührt lassen. Der bisherige Streitgegenstand darf aber nicht verlassen werden. Nach der sog. Kernbereichslehre fallen unter den Tenor eines Unterlassungstitels nicht nur identische Handlungen, sondern auch solche, die von dem wettbewerbswidrigen Kern der verbotenen Handlung nur geringfügig abweichen, ihr also praktisch gleichwertig sind, weil es sonst mühelos möglich wäre, den Titel zu unterlaufen. Dies gilt auch dann, wenn das Verbot auf eine konkrete Verletzungsform Bezug nimmt (BGH, Urt. v. 3.4.2014, I ZB 42/11, Rn. 11 - Reichweite des Unterlassungsgebots). In diesem Fall haben die neben der in Bezug genommenen konkreten Verletzungshandlung abstrakt formulierten Merkmale die Funktion, den Kreis der Varianten näher zu bestimmen, die von dem Verbot als kerngleiche Verletzungsformen erfasst sein sollen (vgl. BGH, UIrt. v. 19.5.2010, I ZR 177/07, Rn. 17 - Folienrollos, mwN).

Ebenso OLG Frankfurt, Beschl. v. 5.6.2018, 6 W 43/18, II.1

Allerdings ist die Bestimmung, welcher Verstoß noch kerngleich ist, schwierig. Die Grenze wird überschritten, wo der Verstoß für die konkrete wettbewerbsrechtliche Beurteilung relevante Umstände enthält, die nicht bereits Gegenstand des Erlassverfahrens waren (vgl. BGH, Beschl. v. 6.2.2013, I ZB 79/11, Tz. 18)

OLG München, Beschl. v. 27.4.2010, 29 W 1209/10

Ein Verbotstenor, der lediglich zwei konkrete Verletzungshandlungen wiedergibt, ist nicht nur auf die konkret formulierte Verletzungsform beschränkt, sondern umfasst auch Abwandlungen, wenn in ihnen das Charakteristische, der "Kern", der titulierten Form zum Ausdruck kommt (vgl. BGH GRUR 2010, 156 – EIFELZEITUNG Tz. 25). Dieser Grundsatz findet auch dann Anwendung, wenn sich der Verbotsausspruch auf die Wiedergabe der konkreten Verletzungsform beschränkt. Dabei sind allerdings im Hinblick auf den Sanktionscharakter der Ordnungsmittel des § 890 ZPO einer erweiternden Auslegung der Urteilsformel enge Grenzen gezogen. In den Verbotsbereich fallen nur solche Abwandlungen, die ihrerseits schon implizit Gegenstand der Prüfung im Erkenntnisverfahren waren. Diese "Kerntheorie" zur Titelauslegung berührt die erforderliche Bestimmtheit von Unterlassungstiteln nicht. Bei der Ermittlung der Reichweite des in einem Urteil ausgesprochenen Verbots sind dessen Entscheidungsgründe heranzuziehen.

OLG Naumburg, Beschl. v. 12.10.2006, 10 W 65/06

Unter den Tenor eines Unterlassungstitels fallen nicht nur identische Handlungen, sondern auch solche, die von dem wettbewerbswidrigen Kern der verbotenen Handlung nur geringfügig abweichen, ihr also praktisch gleichwertig sind, weil es sonst mühelos möglich wäre, den Titel zu unterlaufen. Eine Ausdehnung des Schutzbereichs des Titels auf solche Wettbewerbshandlungen, die der verbotenen Handlung  (im Kern) lediglich ähnlich sind, ist dagegen nach der Natur des Vollstreckungsverfahrens nicht möglich.

In Bezug auf Unterlassungstitel, die eine konkrete Wettbewerbshandlung verbieten, bedeutet dies, dass lediglich kosmetische Veränderungen der konkreten Verletzungsform, die Gegenstand des Verbots ist, die den Gesamteindruck der verbotenen Werbung aber nicht berühren, nicht aus dem Kernbereich des Verbots herausführen können. Nur wenn die werbliche Maßnahme so verändert wird, dass sich deren Gesamteindruck bezogen auf den Kern des Verbots ändert, unterfällt die Änderung nicht mehr dem Verbotskern des Titels. Dies gilt auch dann, wenn die abgeänderte Form selbst wettbewerbswidrig ist. Die Wettbewerbswidrigkeit der Änderung kann in einem solchen Falle nur in einem neuen Erkenntnisverfahren, nicht aber in der Zwangsvollstreckung geprüft werden.

OLG Hamburg, Beschl. v. 26.2.2009, 3 W 175/08

Von einem Unterlassungstitel, der eine konkrete Wettbewerbshandlung verbietet, werden auch solche Abwandlungen erfasst, die die konkrete Verletzungsform, die Gegenstand des Verbots ist, lediglich kosmetisch verändern, den Gesamteindruck der als wettbewerbswidrig untersagten Werbung aber nicht berühren. Wird die Maßnahme jedoch so verändert, dass sich deren Gesamteindruck bezogen auf den Kern des Verbots ändert, unterfällt eine solche Änderung nicht dem Verbotskern des Titels. Dies gilt auch dann, wenn die abgeänderte Form selbst (wiederum) wettbewerbswidrig ist.

Für Abwandlungen einer als wettbewerbswidrig untersagten Wettbewerbshandlung ist nach der Kerntheorie  entscheidend, dass auch kerngleiche Abweichungen von der konkreten Verletzungsform, wie sie vom materiell-rechtlichen Unterlassungsanspruch mit umfasst sind, mit Streitgegenstand gewesen sind, und die gerichtliche Entscheidung über den Streitgegenstand daher solche Abweichungen von der konkreten Verletzungsform mit verboten hat.

OLG Hamburg, Beschl. v. 7.9.2010, 3 W 65/10

Zwar fallen unter dem Tenor eines Unterlassungstitels nicht nur identische Handlungen, sondern auch solche, die von dem wettbewerbswidrigen Kern der verbotenen Handlung nur geringfügig abweichen, ihr also praktisch gleichwertig sind. Grund hierfür ist, dass es sonst mühelos möglich wäre, den Titel zu unterlaufen. Eine Ausdehnung des Schutzbereichs des Titels auf solche Wettbewerbshandlungen, die der verbotenen Handlung aber im Kern lediglich ähnlich sind, ist dagegen nach der Natur des Vollstreckungsverfahrens nicht möglich.

Für Unterlassungstitel, die eine konkrete Handlung verbieten, bedeutet dies, dass lediglich kosmetische Veränderungen der konkreten Verletzungsform, die den Gesamteindruck der verbotenen Werbung nicht berühren, nicht aus dem Kernbereich des Verbots herausführen können. Wird die werbliche Maßnahme jedoch so verändert, dass sich deren Gesamteindruck bezogen auf den Kern des Verbots ändert, unterfällt die Änderung nicht mehr dem Verbotskern des Titels.

OLG Düsseldorf, Urt. v. 7.5.2015, I-15 U 15/15, Tz. 26

Als kerngleich werden Handlungen angesehen, die mit der konkreten Verletzungsform im Kern wesensgleich sind, in denen also das Charakteristische der Verletzungshandlung zum Ausdruck kommt. Um solche unerheblichen Abweichungen handelt es sich dann, wenn der konkrete Wettbewerbsverstoß und die mit diesem nicht identische, aber gleichartige Verletzungshandlung aus lauterkeitsrechtlicher Sicht gleichwertig sind und bestehende Unterschiede den lauterkeitsrechtlich erheblichen Kern der Handlung unberührt lassen, was etwa bei der Abänderung eines Werbetextes ohne inhaltliche Veränderung der Sachaussage, bei einer Änderung der Größe der Werbeanzeige oder einem Wechsel des Werbemediums der Fall ist. Maßgebend dafür, ob sich das Charakteristische der konkreten Verletzungshandlung in der gleichartigen Handlung wiederfindet, ist die Sicht eines verständigen Durchschnittsverbrauchers (vgl. Ohly/Sosnitza, UWG, § 2 Rdnrn. 104 ff.).

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Beschlussverfügung ohne Gründe

OLG Frankfurt, Beschl. v. 27.5.2019, 6 W 95/18

Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (vgl. GRUR 2013, 401 - Biomineralwasser, Rn. 24) kann im Wettbewerbsrecht ein einheitlicher, gegen die konkrete Verletzungsform gerichteter Unterlassungsantrag auf unterschiedliche Beanstandungen gestützt werden. Ein solcher Unterlassungsantrag hat bereits dann Erfolg, wenn auch nur eine der erhobenen Beanstandungen gerechtfertigt ist, wobei das Gericht die Wahl hat, auf welche Beanstandung es das Verbot stützen will. … Die Konsequenz dieser dem Kläger bzw. Antragsteller im Erkenntnisverfahren zugutekommenden Erleichterung kann allerdings ein entsprechend enger Verbotsumfang des erwirkten Titels sein. Wenn das auf einen in dieser Weise begründeten Verfügungsantrag ergangene gerichtliche Verbot keine Begründung enthält und der Unterlassungsschuldner demzufolge nicht erkennen kann, auf welche der alternativ geltend gemachten Beanstandungen das Gericht das Verbot der konkreten Verletzungsform gestützt hat, wird der Kernbereich des Titels bereits dann verlassen, wenn die erneute Handlung auch nur einer der Beanstandungen, auf die das Unterlassungsbegehren gestützt war, gerecht wird (vgl. Senat, Beschl. v. 28.4.2009, 6 W 49/09, Tz. 8).

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Beispiele

BGH, Beschl. v. 6.2.2013, I ZB 79/11, Tz. 18

Gegen das Unterlassungsgebot verstößt die beanstandete Werbeaussage der Schuldnerin nicht. Die Schuldnerin hat dort die Umsatzangabe auf eine vormalige Gewerbegruppe des Geschäftsführers der Schuldnerin bezogen. Angaben zu dieser Unternehmensgruppe werden von Ziffer 1 c des Unterlassungstenors nicht erfasst. Sie sind keine kerngleichen Abwandlungen dieses Unterlassungsgebots. Dessen Reichweite ist auf Umsatzangaben der Schuldnerin selbst beschränkt. Das folgt aus der Begründung des Verbots, die alle in auf das Bestehen der Schuldnerin für einen kürzeren als einen zehnjährigen Zeitraum abstellt.

... Die Zuordnung einer derartigen Angabe zum Kernbereich des Verbots scheidet schon deshalb aus, weil die Frage, ob die vormalige Unternehmensgruppe im Zeitraum von 1981 bis 1991 die angegebenen Umsätze erzielt und die Schuldnerin diesen Unternehmenserfolg für sich vereinnahmen kann, nicht Gegenstand der Prüfung im Erkenntnisverfahren gewesen ist.

BGH, Urt. v. 18.6.2009, I ZR 47/07, Tz. 25- Eifel-Zeitung

Die Veröffentlichung einer Internetzeitung unter der Bezeichnung "eifel-zeitung" ist im Verhältnis zur Veröffentlichung einer Zeitung in gedruckter Form unter diesem Titel eine im Kern gleichartige Verletzungshandlung.

OLG Hamm, Urt. v. 1.6.2023, 4 U 225/22, Tz. 102

Ein kerngleicher Verstoß ist zu bejahen, wenn die geschuldeten Angaben zwar nicht gänzlich unterbleiben, aber unvollständig oder falsch sind.

OLG Hamburg, Beschl. v. 7.9.2010, 3 W 65/10

Das Verbot der Verwendung der Angabe "Nagelpilz weg" in einer Werbeanzeige erfasst nicht die Verwendung der Angabe "www.nagelpilz-weg.de" an nachgeordneter Stelle einer Werbeanzeige.

OLG Frankfurt, Beschl. v. 23.2.2011,  6 W 111/10

Richtet sich das Unterlassungsgebot gegen eine isoliert verwendete, als irreführend beanstandete Aussage, wird gegen diesen Titel in der Regel nicht verstoßen, wenn die Aussage zwar wiederholt, jedoch mit einem als Aufklärungshinweis gedachten Zusatz versehen wird; denn ob dieser Zusatz geeignet ist, die Irreführungsgefahr zu beseitigen, ist grundsätzlich nicht im Vollstreckungsverfahren, sondern in einem neuen Erkenntnisverfahren zu prüfen. Die Wiederholung der Werbung, verbunden mit dem Versuch eines aufklärenden Zusatzes, fällt jedoch dann in den Kernbereich des Unterlassungstitels, wenn der Aufklärungszusatz in derart versteckter Form erfolgt, dass er vom Werbeadressaten praktisch nicht wahrgenommen wird.

OLG Düsseldorf, Beschl. v. 21.3.2011, I-20 W 146/10

Bereits nach seinem Wortlaut erfasst das gerichtliche Verbot die Werbeaussage mit einem garantiert günstigeren Preis nur dann, wenn diese erfolgt "ohne darüber aufzuklären, auf welchen Grundpreis sich die 40 prozentige Preisersparnis (-Garantie) bezieht". Das Verbot beruht gerade darauf, dass die seinerzeitige Werbung überhaupt nicht erkennen ließ, mit welchem Preis hier ein Vergleich angestellt wurde. Dies ist bei der nunmehr angegriffenen Werbung aber gerade nicht der Fall. Vielmehr ist bei der Angabe "40 %" ein deutlich sichtbarer Sternchenhinweis angebracht. Ferner findet sich auf der Werbung eine Tabelle mit Preisbeispielen. Es kann dahinstehen, ob diese Gegenüberstellung für sich genommen irreführend ist, denn jedenfalls erfolgt die Werbung mit einer Angabe, auf welchen Grundpreis sich die beworbene 40 prozentige Preisersparnis bezieht. Eine Zuwiderhandlung gegen die titulierte Unterlassungspflicht kann damit nicht festgestellt werden. Denn charakteristisch für diese war das völlige Fehlen der Angabe des Vergleichspreises.

OLG Frankfurt, Beschl. v. 5.8.2013, 6 W 67/13, Tz. 5

Dem Verfügungsantrag lag eine „klassische“ unternehmenskennzeichenmäßige Verwendung des Domainnamens, nämlich zur Kennzeichnung des unter diesem Namen unterhaltenen Internetauftritts der Antragsgegnerin zugrunde. Vom Verbotstitel sind daher nur solche Handlungen umfasst, die mit dieser Verletzungshandlung im Kern vergleichbar sind, also deren charakteristische Merkmale aufweisen. Dies kann für die Verwendung des Domainnamens zum Zwecke der Weiterleitung auf eine andere, mit einem deutlich abweichenden Domainnamen betriebene Internetseite nicht bejaht werden. Zwar mag es sein, dass auch hierin … eine unternehmenskennzeichenmäßige Benutzung gesehen werden kann. Dies ist aber nicht selbstverständlich, sondern setzt eine neue rechtliche Beurteilung voraus, die einem neuen Erkenntnisverfahren vorbehalten bleiben muss und nicht in das Vollstreckungsverfahren verlagert werden kann.

OLG Hamburg, Beschl. v. 28.4.2015, 3 W 32/15, 2.a - Kerngleichheit der Arzneimittelwerbung

Bewirkt eine konkrete Werbung eine bestimmte Fehlvorstellung, so kann es vorkommen, dass eine abgewandelte Werbung zu einer nämlichen Verkehrsvorstellung des Verkehrs führt, die aus den gegenüber der vormaligen Werbung gleichbleibenden Gründen unrichtig sein und deshalb eine Fehlvorstellung bewirken kann.

Das kann einmal deshalb der Fall sein, weil sich die abgewandelte Werbung in Wahrheit gar nicht als eine Abwandlung erweist, weil die angeblichen Abweichungen so unbedeutend sind, dass die charakteristischen Merkmale der vorangegangenen Verletzungshandlung in der neuerlichen Werbung gleichermaßen verwirklicht sind, also Kerngleichheit besteht. ...

Zum anderen kann es aber vorkommen, dass die Werbung tatsächlich so abgewandelt ist, dass bei der Prüfung der durch die Werbung bewirkten Verkehrsvorstellung auch erstmals in der neuerlichen Werbung enthaltene - weitere - Angaben zu berücksichtigen sind. Zwar kann diese Prüfung ergeben, dass die Werbung trotz der Abwandlungen unverändert die nämliche Verkehrsvorstellung bewirkt. Auch wird in einem solchen Fall - wenn diese Verkehrsvorstellung mit den Tatsachen nicht übereinstimmt - die nämliche Fehlvorstellung bewirkt werden. Dennoch fehlt es dann an einer Kerngleichheit der jeweiligen Verletzungshandlungen und der darauf gestützten Verbote, weil die jeweilige Werbung eigenständig darauf untersucht werden muss, ob sie gerade in ihrer konkreten Ausgestaltung zu einer - gegebenenfalls gleichen - Fehlvorstellung führt. Muss dabei etwa untersucht werden, ob eine in der abgewandelten Werbung erstmals hinzugesetzte Fußnote nebst der zugehörigen Auflösung der Annahme der vom Kläger/Antragsteller behaupteten Fehlvorstellung entgegenstehen kann, gehört die Fußnote nebst ihrer Erläuterung auch dann zu den Charakteristika der angegriffenen Verletzungshandlung, wenn die Prüfung letztlich ergibt, dass die durch die Hinzusetzung der Fußnote vorgenommene Abwandlung die beanstandete Fehlvorstellung des Verkehrs nicht verhindert. In einem solchen Fall käme die Verhängung eines Ordnungsgeldes in einem Ordnungsmittelverfahren nicht in Betracht, weil das Gericht neu prüfen muss, ob überhaupt eine Irreführung, also ein Wettbewerbsverstoß, vorliegt und es nicht bloß um die Feststellung eines Verstoßes gegen ein bereits verhängtes Verbot geht. Die „Testfrage“ zur Feststellung einer Kerngleichheit ist also immer, ob wegen der neuerlichen Werbung auf der Grundlage eines - unterstelltermaßen - bereits zur älteren Werbung ergangenen Verbotstitels bestraft werden könnte.

KG, Urt. v. 2.9.2016, 5 U 16/16, B.II.

Das hier in Rede stehende gesetzliche Verbot der Werbung mit fachlichen Empfehlungen gilt in exakt gleicher Weise für alle Arzneimittel. Daher ist im Verhältnis zum Verstoß einer solchen Werbung für die Arzneimittel Maaloxan und Nagel Batrafen ein Verstoß mittels solcher Werbung für irgendein sonstiges Arzneimittel kerngleich. Daher beschränkte sich der Unterlassungsanspruch aufgrund Wiederholungsgefahr keineswegs nur auf die in der Werbung angeführten Arzneimittel Maaloxan und Nagel Batrafen, sondern erstreckte sich auf alle anderen Arzneimittel gleichermaßen.

OLG Köln, Beschl. v. 28.9.2017, 6 W 96/17 (MD 2018, 1205)

Soweit die Schuldnerin meint, bereits durch die Einfügung von „Rechtlichen Hinweisen“ fielen ihre Werbeaussagen nicht mehr in den Kern des Verbots, so bleibt bei dieser Beurteilung unberücksichtigt, dass diese „Rechtlichen Hinweise“ das charakteristische der Werbeaussagen nicht verändern. Denn die Hinweise sind vom angesprochenen Verkehr sowohl schwer zu finden als auch kaum zu verstehen. Sie sind in kleinerer Schrift zusammen mit Hinweisen zur Verwendung von Cookies am unteren Bildschirmrand eingefügt. Sowohl die Überschrift als auch der Beginn des Hinweistextes lassen den Verbraucher keine inhaltliche Einschränkung der Werbeaussagen erwartet.

KG, Beschl. v. 29.1.2019, 5 W 167/18, Tz. 5, 11 f

Der landgerichtliche Unterlassungstitel untersagt die Veröffentlichung von Immobilienanzeigen „ohne ausdrücklich auf die Gewerblichkeit der Anzeige hinzuweisen“. Erforderlich ist nach dem insoweit eindeutigen Tenor der landgerichtlichen Beschlussformel ein ausdrücklicher Hinweis auf die Gewerblichkeit. ...

Der Hinweis in der hier streitgegenständlichen Anzeige „gew.“ stellt keinen ausdrücklichen Hinweis auf die Gewerblichkeit der Immobilienanzeige dar.

Ein ausdrücklicher Hinweis erfordert grundsätzlich die Information einer Gewerblichkeit durch das ausgeschriebene Wort „gewerblich“. Dem steht die vorgenannte Abkürzung schon deshalb nicht gleich, weil sie weder einer allgemein gebräuchlichen Abkürzung entspricht noch sie ebenso leicht erkennbar und eindeutig über eine Gewerblichkeit informiert. Einem erheblichen Teil der angesprochenen Verkehrskreise bleibt diese Abkürzung rätselhaft.

OLG Schleswig, Beschl. v. 19.11.2020, 6 W 15/20 (MD 2021, 190)

Die Schuldnerin will einen entscheidenden Unterschied der jetzigen zu der früheren Werbung darin sehen, dass nicht einmal ein Verkaufsort benannt werde, an dem der Verbraucher sein gewecktes Kaufinteresse befriedigen könne. Selbst wenn dies so zuträfe, änderte es nichts daran, dass in beiden Fällen ein Angebot im Sinne des § 5a Abs. 3 UWG vorliegt und die Schuldnerin jeweils die gleichen Pflichtangaben unterlassen hat. Der von der Schuldnerin hervorgehobene vermeintliche Unterschied der Werbeanzeigen relativiert sich aber ohnehin dadurch, dass in der streitgegenständlichen Werbung anstelle einer Verkaufsstelle der Schuldnerin eine Telefonnummer genannt wird, so dass der Verbraucher bei einem Kaufwunsch telefonisch das Geschäft abschließen kann. Auch bei der Prüfung, ob die Angaben im Hinblick auf die nach § 5 a Abs. 5 UWG gebotene Berücksichtigung des gewählten Kommunikationsmittels ausreichend sein könnten, stellen sich keine neuen Fragen. Wie die von der Unterlassungsverfügung erfasste Werbung, so wurde auch die hier streitgegenständliche in einem Printmedium veröffentlicht. Es ist nicht ansatzweise ersichtlich, weshalb hier Identität und Anschrift des Unternehmens nicht hätten angegeben werden können.

KG Berlin, Beschl. v. 9.2.2022, 5 W 158/21, Tz. 22

Die Werbung „Verkauf zum Höchstpreis“ kerngleich ist mit der untersagten Bestpreis-Werbung.

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