Ihr Rechtsanwalt im Wettbewerbsrecht
Dr. Hermann-Josef Omsels*

Eine Darstellung des Gesetzes gegen den unlauteren Wettbewerb und wettbewerbsrechtlicher Nebengesetze



 

 

 

§ 5 UWG - Irreführende geschäftliche Handlungen

§ 5 UWG ist mit seinem Verbot der irreführenden Werbung die in der Praxis des Wettbewerbsrechts wohl wichtigste Bestimmung. Der größte Teil aller Wettbewerbsstreitigkeiten dürfte um die Frage geführt werden, ob eine bestimmte geschäftliche Handlung irreführend ist.

1. Gesetzestext

2. Einführung in die Kommentierung der irreführenden geschäftlichen Handlungen

3. Richtlinienkonformität

4. Wann ist eine geschäftliche Handlung irreführend

5. Täuschungseignung

6. Wegfall einer Irreführungsgefahr

7. Schutzzweck und Schutzobjekt des Irreführungsverbots

8. Rechtsansprüche des irregeführten Verbrauchers

9. Kriterien zur Beurteilung einer Irreführungsgefahr

10. Voraussetzungen einer zulässigen Irreführung

11. Beispiele irreführender geschäftlicher Handlungen

12. Konkurrenzen

a. Verhältnis zu anderen Verbotstatbeständen im UWG

b. Verhältnis zum Unterlassungsklagengesetz

c. Irreführungstatbestände in anderen Gesetzen

Irreführende geschäftliche Handlungen

Gesetzestext

Der Gesetzeswortlaut wurde zum 28.5.2022 umstrukturiert. Insbesondere wurde der ehemalige § 5 Abs. 1 Satz 2 UWG zu § 5 Abs. 2 UWG und in § 5 Abs. 3 neu das Verbot der Irreführung mit der unterschiedlichen Qualität von Waren oder Dienstleistungen aus der Richtlinie (EU) 2019/2161 (dazu hier) aufgenommen.

§ 5 UWG

(1) Unlauter handelt, wer eine irreführende geschäftliche Handlung vornimmt, die geeignet ist, den Verbraucher oder sonstigen Marktteilnehmer zu einer geschäftlichen Entscheidung zu veranlassen, die er andernfalls nicht getroffen hätte.

(2) Eine geschäftliche Handlung ist irreführend, wenn sie unwahre Angaben enthält oder sonstige zur Täuschung geeignete Angaben über folgende Umstände enthält:

    1. die wesentlichen Merkmale der Ware oder Dienstleistung wie Verfügbarkeit, Art, Ausführung, Vorteile, Risiken, Zusammensetzung, Zubehör, Verfahren oder Zeitpunkt der Herstellung, Lieferung oder Erbringung, Zwecktauglichkeit, Verwendungsmöglichkeit, Menge, Beschaffenheit, Kundendienst und Beschwerdeverfahren, geographische oder betriebliche Herkunft, von der Verwendung zu erwartende Ergebnisse oder die Ergebnisse oder wesentlichen Bestandteile von Tests der Waren oder Dienstleistungen;
    2. den Anlass des Verkaufs wie das Vorhandensein eines besonderen Preisvorteils, den Preis oder die Art und Weise, in der er berechnet wird, oder die Bedingungen, unter denen die Ware geliefert oder die Dienstleistung erbracht wird;
    3. die Person, Eigenschaften oder Rechte des Unternehmers wie Identität, Vermögen einschließlich der Rechte des geistigen Eigentums, den Umfang von Verpflichtungen, Befähigung, Status, Zulassung, Mitgliedschaften oder Beziehungen, Auszeichnungen oder Ehrungen, Beweggründe für die geschäftliche Handlung oder die Art des Vertriebs;
    4. Aussagen oder Symbole, die im Zusammenhang mit direktem oder indirektem Sponsoring stehen oder sich auf eine Zulassung des Unternehmers oder der Waren oder Dienstleistungen beziehen;
    5. die Notwendigkeit einer Leistung, eines Ersatzteils, eines Austauschs oder einer Reparatur;
    6. die Einhaltung eines Verhaltenskodexes, auf den sich der Unternehmer verbindlich verpflichtet hat, wenn er auf diese Bindung hinweist, oder
    7. Rechte des Verbrauchers, insbesondere solche auf Grund von Garantieversprechen oder Gewährleistungsrechte bei Leistungsstörungen.

(3) Eine geschäftliche Handlung ist auch irreführend, wenn

    1. sie im Zusammenhang mit der Vermarktung von Waren oder Dienstleistungen einschließlich vergleichender Werbung eine Verwechslungsgefahr mit einer anderen Ware oder Dienstleistung oder mit der Marke oder einem anderen Kennzeichen eines Mitbewerbers hervorruft oder
    2. mit ihr eine Ware in einem Mitgliedstaat der Europäischen Union als identisch mit einer in anderen Mitgliedstaaten der Europäischen Union auf dem Markt bereitgestellten Ware vermarktet wird, obwohl sich diese Ware in ihrer Zusammensetzung oder in ihren Merkmalen wesentlich voneinander unterscheiden, sofern dies nicht durch legitime und objektive Faktoren gerechtfertigt ist.

(4) Angaben im Sinne von Absatz 1 Satz 2 sind auch Angaben im Rahmen vergleichender Werbung sowie bildliche Darstellungen und sonstige Veranstaltungen, die darauf zielen und geeignet sind, solche Angaben zu ersetzen.

(5) Es wird vermutet, dass es irreführend ist, mit der Herabsetzung eines Preises zu werben, sofern der Preis nur für eine unangemessen kurze Zeit gefordert worden ist. Ist streitig, ob und in welchem Zeitraum der Preis gefordert worden ist, so trifft die Beweislast denjenigen, der mit der Preisherabsetzung geworben hat.

BGH, Urt. v. 3.3.2016, I ZR 110/15, Tz. 25 - Herstellerpreisempfehlung bei Amazon

Durch das Zweite Gesetz zur Änderung des Gesetzes gegen den unlauteren Wettbewerb ist am Ende des § 5 Abs. 1 Satz 1 UWG mit Bezug auf die irreführende geschäftliche Handlung der Relativsatz angefügt worden "die geeignet ist, den Verbraucher oder sonstigen Marktteilnehmer zu einer geschäftlichen Entscheidung zu veranlassen, die er andernfalls nicht getroffen hätte". Diese Änderung trägt dem Wortlaut des Art. 6 Abs. 1 der Richtlinie 2005/29/EG über unlautere Geschäftspraktiken Rechnung und beinhaltet gegenüber der bisherigen Rechtslage im Hinblick darauf, dass schon bisher im Rahmen des § 3 Abs. 1 UWG aF die Spürbarkeit der Interessenbeeinträchtigung zu prüfen war, keine inhaltliche Änderung (vgl. Begründung des Regierungsentwurfs eines Zweiten Gesetzes zur Änderung des Gesetzes gegen den unlauteren Wettbewerb, BT-Drucks. 18/4535, S. 15).

Ebenso BGH, Urt. v. 31.3.2016, I ZR 31/15, Tz. 14 - Apothekenabgabepreis

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Einführung in die Kommentierung der irreführenden geschäftlichen Handlungen

Die Kommentierung der irreführenden Werbung beginnt auf dieser Seiten mit der Darstellung einiger grundlegender Aspekte des Verbots irreführender Werbung, bevor in weiteren Kapiteln die Prinzipien bei der Beurteilung, ob eine geschäftlichen Handlung irreführend ist, erläutert werden. Dazu gehören die Frage, welche geschäftliche Handlung (Werbung) im Einzelfall überhaupt Gegenstand der Beurteilung ist, sowie die Darlegung der Kriterien zur Feststellung einer Irreführungsgefahr. Weitere wichtige Aspekte sind die Relevanz einer Irreführung, mögliche Rechtsfertigungsgründe für eine Irreführung, sowie eine Abwägung der Interessen zwischen dem Werbenden an der konkreten Werbung und dem mit der Werbung angesprochenen Publikums. In diesen Kontext fällt schließlich auch die Verhältnismäßigkeitsprüfung zwischen einem Verbot einer geschäftlichen Handlung in Bezug auf die Nachteile für den Werbenden und die Vorteile für das umworbene Publikum. Besondere Beachtung muss bei vielen Sachverhalten der Verteilung der Darlegungs- und Beweislast gewidmet werden.

Neben diesen allgemeinen Grundsätzen des Rechts der irreführenden Werbung werden im Kapitel Fallgruppen und Beispiele die einzelnen Kategorien irreführender Werbung (z.B. Alterswerbung; Spitzenstellungswerbung etc.) dargestellt, die in der Rechtsprechung über die Jahre hinweg herausgearbeitet wurden. Diese Fallgruppen werden in alphabetischer Reihenfolge aufgeführt.

In diesem Kapitel findet sich unter dem Stichwort Einzelfälle eine Liste von Begriffen der Alltags- und Werbesprache, die in der Werbung immer wieder verwendet werden. Unter dem jeweiligen Begriff findet sich dazu ergangene Rechtsprechung. Die Sammlung ist nicht vollständig. Sie wird anhand neuer Urteile ständig aktualisiert.

Wer weiß, wonach sucht, findet sich vermutlich mit der Navigationsleiste am linken Rand am Schnellsten zurecht. Beim Anklicken des "+" - Zeichens öffnet sich das darunter liegende Unterkapitel mit ggfs. einem weiteren Unterkapitel. S.a. "Navigation".

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Richtlinienkonformität

Die irreführende Werbung (gegenüber Verbrauchern) fällt in den Anwendungsbereich der Richtlinie über unlautere Geschäftspraktiken. Die Vorschriften im deutschen UWG enthalten eine Umsetzung der Art. 6 und 7 der Richtlinie.

EuGH, Urt. v. 19.12.2013, C‑281/12, Tz. 32 f - Trento Sviluppo srl u.a. / Autorità Garante della Concorrenza e del Mercato

Die Richtlinie 2005/29 stellt zur Gewährleistung eines hohen Verbraucherschutzniveaus ein generelles Verbot jener unlauteren Geschäftspraktiken aufstellt, die das wirtschaftliche Verhalten der Verbraucher beeinträchtigen.

Folglich muss eine Geschäftspraxis für die Einstufung als „irreführend“ im Sinne von Art. 6 Abs. 1 der Richtlinie 2005/29 insbesondere geeignet sein, den Verbraucher zu einer geschäftlichen Entscheidung zu veranlassen, die er ansonsten nicht getroffen hätte.

EuGH, Urt. v. 19.12.2013, C‑281/12, Tz. 36 - Trento Sviluppo srl u.a. / Autorità Garante della Concorrenza e del Mercato

Nach dem Wortlaut von Art. 2 Buchst. k der Richtlinie 2005/29 wird der Begriff „geschäftliche Entscheidung“ weit definiert. Danach ist eine geschäftliche Entscheidung nämlich „jede Entscheidung eines Verbrauchers darüber, ob, wie und unter welchen Bedingungen er einen Kauf tätigen will“. Dieser Begriff erfasst deshalb nicht nur die Entscheidung über den Erwerb oder Nichterwerb eines Produkts, sondern auch damit unmittelbar zusammenhängende Entscheidungen wie insbesondere das Betreten des Geschäfts.

EuGH, Urt. v. 19.12.2013, C‑281/12, Tz. 38 - Trento Sviluppo srl u.a. / Autorità Garante della Concorrenza e del Mercato

Art. 2 Buchst. k dieser Richtlinie ist dahin auszulegen, dass der Begriff „geschäftliche Entscheidung“ sämtliche Entscheidungen erfasst, die mit der Entscheidung über den Erwerb oder Nichterwerb eines Produkts unmittelbar zusammenhängen.

EuGH, Urt. v. 26.10.2016, C-611/14, Tz. 38 f – Canal Digital

Aus dem Wortlaut Art. 6 Abs. 1 der Richtlinie 2005/29 (= § 5 Abs. 1 UWG) ergibt sich, dass die darin aufgeführten Tatbestandsmerkmale einer irreführenden Geschäftspraxis im Wesentlichen aus der Sicht des Verbrauchers als Adressaten unlauterer Geschäftspraktiken konzipiert sind (Urteil vom 19. September 2013, CHS Tour Services, C‑435/11, EU:C:2013:574, Rn. 43).

Hierbei ist darauf hinzuweisen, dass der anzuwendende Maßstab der des normal informierten und angemessen aufmerksamen und kritischen Durchschnittsverbrauchers unter Berücksichtigung sozialer, kultureller und sprachlicher Faktoren ist (Urteil vom 12. Mai 2011, Ving Sverige, C‑122/10, EU:C:2011:299, Rn. 22). Ferner beruht der Begriff des „Durchschnittsverbrauchers“, wie sich aus dem 18. Erwägungsgrund der Richtlinie 2005/29 ergibt, nicht auf einer statistischen Grundlage, und die nationalen Gerichte und Verwaltungsbehörden müssen sich bei der Beurteilung der Frage, wie der Durchschnittsverbraucher in einem gegebenen Fall typischerweise reagieren würde, auf ihre eigene Urteilsfähigkeit verlassen.

EuGH, Urt. v. 26.10.2016, C-611/14, Tz. 42 – Canal Digital

Im Gegensatz zu Art. 7 Abs. 1 und 2 dieser Richtlinie e= § 5a Abs. 1, 2 UWG) enthält Art. 6 Abs. 1 der Richtlinie 2005/29 keine Bezugnahme auf räumliche oder zeitliche Beschränkungen des verwendeten Kommunikationsmediums. Daraus ist somit zu schließen, dass die zeitlichen Zwänge, denen bestimmte Kommunikationsmedien wie TV-Werbespots unterworfen sein können, bei der Beurteilung des irreführenden Charakters einer Geschäftspraxis am Maßstab von Art. 6 Abs. 1 der Richtlinie nicht berücksichtigt werden können.

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Wann ist eine geschäftliche Handlung irreführend

Irreführende Angaben sind im Geschäftsverkehr - von engen Ausnahmen abgesehen - verboten.

OLG Düsseldorf, Urt. v. 9.3.2023, 20 U 50/22, Tz. 31

Angaben sind Geschäftshandlungen mit Informationsgehalt, die sich auf Tatsachen und zur Täuschung des Durchschnittsverbrauchers geeignete Meinungsäußerungen beziehen (BGH GRUR 2019, 754 – Prämiensparverträge).

OLG Köln, Urt. v. 16.12.2022, 6 U 11/22, II.3.b.bb

Angaben im Sinne des § 5 Abs. 2 UWG sind zum einen objektiv unrichtige, aber auch sonst zur Täuschung geeignete Angaben. Dabei fallen unter den Begriff der „Angabe" nicht nur Tatsachenbehauptungen, sondern es können bei gebotener richtlinienkonformer Auslegung auch Meinungsäußerungen darunter fallen. … Es werden alle täuschenden oder zur Täuschung geeigneten Geschäftshandlungen mit Informationsgehalt vom Tatbestand des Irreführungsverbots erfasst.

Die Rechtsprechung geht von dem Grundsatz aus:

BGH, Urt. v. 18.1.2012, I ZR 104/10, Tz. 11 - Neurologisch/Vaskuläres Zentrum

Eine Werbung ist irreführend, wenn sie geeignet ist, bei einem erheblichen Teil der umworbenen Verkehrskreise irrige Vorstellungen über das Angebot hervorzurufen und die zu treffende Marktentschließung in wettbewerblich relevanter Weise zu beeinflussen.

Ebenso BGH, Urt. v. 24.1.2019, I ZR 200/17, Tz. 67 - Das beste Netz; BGH, Urt. v. 14.1.2016, I ZR 65/14, Tz. 71 - Freunde findenBGH, Urt. v. 10.4.2014, I ZR 43/13, Tz. 37 - nickelfrei; BGH, Urt. v. 5.11.2015, I ZR 182/14, Tz. 10 – Durchgestrichener Preis II

BGH, Urt. v. 24.9.2013, I ZR 89/12Tz. 15 - Matratzen Factory Outlet

Eine Werbung ist im Sinne von § 5 Abs. 1 UWG irreführend, wenn das Verständnis, das sie bei den Verkehrskreisen erweckt, an die sie sich richtet, mit den tatsächlichen Verhältnissen nicht übereinstimmt.

Ebenso BGH, Urt. v. 27.6.2024, I ZR 98/23, Tz. 18 – klimaneutral; BGH, Urt. v. 13.7.2023, I ZR 60/22, Tz. 22 – Eigenlaborgewinn; BGH, Urt. v. 13.7.2023, I ZR 68/21, Tz. 39 – Bakterienkulturen; BGH, Urt. v. 12.5.2022, I ZR 203/20, Tz. 18 – Webshop Awards; BGH, Urt. v. 7.4.2022, I ZR 5/21, Tz. 16 - Kinderzahnärztin; BGH, Urt. v. 7.4.2022, I ZR 217/20, Tz. 12 - Kinderzahnarztpraxis; BGH, Urt. v. 25.11.2021, I ZR 148/20, Tz. 15 – Kopplungsangebot II; BGH, Urt. v. 25.6.2020, I ZR 96/19, Tz. 14 – LTE-Geschwindigkeit; BGH, Urt. v. 4.7.2019, I ZR 161/18, Tz. 10 - IVD-Gütesiegel; BGH, Urt. v. 6.6.2019, I ZR 216/17, Tz. 18 – Identitätsdiebstahl; BGH, Urt. v. 21.6.2018, I ZR 157/16, Tz. 11 - Vollsynthetisches Motorenöl; BGH, Urt. v. 11.10.2017, I ZR 78/16, Tz. 23 - Tiegelgröße; BGH, Versäumnisurt. v. 21.9.2017, I ZR 53/16, Tz. 18 - Festzins Plus; BGH, Urt. v. 3.11.2016, I ZR 227/14, Tz. 13 - Optiker Qualität; BGH, Urt. v. 21.4.2016, I ZR 151/15, Tz. 20 - AnsprechpartnerBGH, Urt. v. 14.1.2016, I ZR 65/14, Tz. 71 - Freunde findenBGH, Urt. v. 5.2.2015, I ZR 136/13, Tz. 18 – TIP der Woche; BGH, Urt. v. 10.4.2014, I ZR 43/13, Tz. 37, 39 - nickelfrei; BGH, Urt. v. 6.11.2013, I ZR 104/12, Tz. 30 - Vermittlung von Netto-Policen; KG, Hinweisbeschl. v. 21.5.2024, 5 U 12/22, Tz. 9

Zu den Beurteilungskriterien geht es hier.

Irreführende Angaben können sich auf alle erdenklichen Aspekte eines Anbieters oder seiner Waren oder Dienstleistungen oder der Konditionen, unter denen er die Waren oder Dienstleistungen anbietet, beziehen. § 5 UWG benennt detailliert die einzelnen Aspekte, auf die sich eine irreführende Angabe beziehen kann.

Der BGH unterscheidet zwei Fallgruppen, die jeweils wieder in Untergruppen aufgeteilt werden. Bei den folgenden Zitaten ist zu beachten, dass der erwähnte § 5 Abs. 1 Satz 2 UWG sich seit dem 28.5.2022 in § 5 Abs. 2 UWG findet.

BGH, Urt. v. 25.4.2019, I ZR 93/17, Tz. 18 - Prämiensparverträge

Eine geschäftliche Handlung ist gemäß § 5 Abs. 1 Satz 2 UWG (a.F., heute § 5 Abs. 2 UWG) irreführend, wenn sie unwahre Angaben (Fall 1) oder sonstige zur Täuschung geeignete Angaben über - nachfolgend aufgezählte - Umstände enthält (Fall 2). ...

Ebenso BGH, Urt. v. 27.6.2024, I ZR 98/23, Tz. 15 – klimaneutral; BGH, Urt. v. 13.7.2023, I ZR 60/22, Tz. 20 – Eigenlaborgewinn; BGH, Urt. v. 12.5.2022, I ZR 203/20, Tz. 12 – Webshop Awards; BGH, Urt. v. 7.4.2022, I ZR 217/20, Tz. 12 - Kinderzahnarztpraxis; BGH, Urt. v. 20.10.2021, I ZR 17/21, Tz. 11 - Identitätsdiebstahl II; BGH, Urt. v. 25.6.2020, I ZR 96/19, Tz. 14 – LTE-Geschwindigkeit; BGH, Urt. v. 6.6.2019, I ZR 216/17, Tz. 11 – Identitätsdiebstahl; BGH, Urt. v. 23.4.2020, I ZR 85/19 - Preisänderungsregelung; KG Berlin, Beschl. v. 21.11.2022, 5 U 55/21

Die Rechtsprechung hat sich noch nicht festgelegt, ob der Irreführungskatalog in § 5 Abs. 2, 2. Alt. UWG abschließend ist. Neben diesem Katalog ist aber § 5 Abs. 2, 1. Alt. UWG selbständig anwendbar (BGH, Urt. v. 6.6.2019, I ZR 216/17, Tz. 20 – Identitätsdiebstahl; OLG Hamburg, Urt. v. 28.1.2021, 15 U 128/19, Tz. 42). 

BGH, Urt. v. 25.4.2019, I ZR 93/17, Tz. 23 - Prämiensparverträge

Die Bestimmung des § 5 Abs. 1 Satz 2 UWG umfasst - wie die ihr zugrundeliegende Regelung des Art. 6 Abs. 1 der Richtlinie 2005/29/EG - zwei Fälle irreführender geschäftlicher Handlungen. Der erste Fall betrifft objektiv unrichtige Angaben, wobei es sich um einen völlig offenen Tatbestand handelt; der zweite Fall stellt auf die Eignung zur Täuschung des Verbrauchers ab und enthält einen Katalog von Umständen, über die zur Täuschung geeignete Angaben gemacht werden können, mit der Folge, dass eine irreführende Handlung vorliegt (BGH, Urt. v. 19.4.2018, I ZR 244/16, Tz. 41 - Namensangabe; vgl. Bornkamm/Feddersen in Köhler/Bornkamm/Feddersen, UWG, 37. Aufl., § 5 Rn. 1.54 ff.).

BGH, Urt. v. 12.5.2022, I ZR 203/20, Tz. 12 – Webshop Awards

Bei § 5 Abs. 1 Satz 2 Fall 1 UWG (Art. 6 Abs. 1 Fall 1 der Richtlinie 2005/29/EG) handelt es sich um einen völlig offenen Tatbestand (vgl. BGH, GRUR 2018, 950 Rn. 41 - Namensangabe; GRUR 2019, 754 Rn. 23 - Prämiensparverträge). Die in § 5 Abs. 1 UWG (Art. 6 Abs. 1 der Richtlinie 2005/29/EG) enthaltene Aufzählung ist durch das Wort "oder" eindeutig allein dem zweiten Fall, also dem der zur Täuschung geeigneten Angaben, zugeordnet.

BGH, Urt. v. 25.4.2019, I ZR 93/17, Tz. 25 - Prämiensparverträge

Zu den zur Täuschung geeigneten Angaben im Sinne von § 5 Abs. 1 Satz 2 Fall 2 UWG können nicht nur Tatsachenbehauptungen, sondern unter bestimmten Voraussetzungen auch Meinungsäußerungen zählen.

BGH, Urt. v. 6.6.2019, I ZR 216/17, Tz. 16 – Identitätsdiebstahl

Angaben sind Geschäftshandlungen mit Informationsgehalt, die sich auf Tatsachen und zur Täuschung des Durchschnittsverbrauchers geeignete Meinungsäußerungen beziehen (vgl. BGH, GRUR 2019, 754 Rn. 25 bis 29 - Prämiensparverträge).

Ebenso BGH, Urt. v. 12.5.2022, I ZR 203/20, Tz. 15 – Webshop Awards; BGH, Urt. v. 23.4.2020, I ZR 85/19, Tz. 36 - Preisänderungsregelung

BGH, Urt. v. 23.4.2020, I ZR 85/19, Tz. 38 - Preisänderungsregelung

Wahr oder unwahr können nur Tatsachenbehauptungen sein, über die Beweis erhoben werden kann.

Ebenso OLG Nürnberg, Urt. v. 24.5.2022, 3 U 4652/21, Tz. 18; KG Berlin, Beschl. v. 21.11.2022, 5 U 55/21

BGH, Urt. v. 23.4.2020, I ZR 85/19, Tz. 41 - Preisänderungsregelung

Zu den sonstigen zur Täuschung geeigneten Angaben im Sinne von § 5 Abs. 1 Satz 2 Fall 2 UWG zählen nicht nur Tatsachenbehauptungen, sondern unter bestimmten Voraussetzungen auch Meinungsäußerungen. Das ergibt sich aus der gebotenen richtlinienkonformen Auslegung der Regelung des § 5 Abs. 1 Satz 2 Fall 2 UWG, die der Umsetzung des Art. 6 Abs. 1 der Richtlinie 2005/29/EG dient. Danach kann der zweite Fall des § 5 Abs. 1 Satz 2 UWG grundsätzlich auch Angaben erfassen, die - wie Meinungsäußerungen - zwar nicht wahr oder unwahr sein können, gleichwohl aber zur Täuschung des Durchschnittsverbrauchers geeignet sind.

OLG Hamburg, Urt. v. 28.1.2021, 15 U 128/19, Tz. 49

Die Annahme einer irreführenden Handlung i.S.v. Art. 6 UGP-Richtlinie setzt grundsätzlich nicht voraus, dass der Gewerbetreibende vorsätzlich eine objektiv falsche Angabe macht (EuGH, GRUR 2015, 600 Rn. 47-49 – Ungarische Verbraucherschutzbehörde; BGH, GRUR 2019, 1202 Rn. 26 – Identitätsdiebstahl). Gemäß Art. 11 URP-Richtlinie ist der Nachweis vorsätzlichen oder fahrlässigen Handelns nicht notwendig. Es erscheint zwar im logischen Sinne nicht als zwingend, dass damit auch im Falle einer unstreitig oder erwiesenermaßen unverschuldeten bzw. unvermeidbaren Falschangabe eine Rechtsverletzung anzunehmen ist. Dass vorsätzliches oder fahrlässiges Handeln nicht nachgewiesen werden muss, heißt nicht zwingend, dass ein unstreitig oder erwiesenermaßen unverschuldetes Handeln ebenfalls als tatbestandsmäßige Rechtsverletzung anzusehen ist. ... Der Bundesgerichtshof hat jedoch ... entschieden, dass ein Irrtum des Unternehmers über den Umstand einer vorhergehenden Bestellung durch den zur Zahlung aufgeforderten Verbraucher unter dem Gesichtspunkt der Irreführung auch dann nicht zu seinen Gunsten zu berücksichtigen ist, wenn dieser Irrtum nicht vorwerfbar ist (BGH, GRUR 2019, 1202 Rn. 26 – Identitätsdiebstahl).

OLG Hamburg, Urt. v. 28.1.2021, 15 U 128/19, Tz. 50

Bei einer Geschäftspraxis, die alle in Art. 6 Abs. 1 UGP-Richtlinie genannten Voraussetzungen einer den Verbraucher irreführenden Praxis erfüllt, braucht nicht mehr geprüft zu werden, ob eine solche Praxis auch den Erfordernissen der beruflichen Sorgfalt i.S.v. Art. 5 As. 2 der Richtlinie widerspricht, um sie als unlauter und mithin nach Art. 5 Abs. 1 der Richtlinie verboten ansehen zu können (EuGH, GRUR 2013, 1157 Rn. 42-45 – CHS Tour Services; GRUR 2015, 600 Rn. 63 – Ungarische Verbraucherschutzbehörde).

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Täuschungseignung

BGH, Urt. v. 25.4.2019, I ZR 93/17, Tz. 23 - Prämiensparverträge

Die Bestimmung des § 5 Abs. 1 Satz 2 UWG (a.F., jetzt § 5 Abs. 2 UWG) umfasst - wie die ihr zugrundeliegende Regelung des Art. 6 Abs. 1 der Richtlinie 2005/29/EG - zwei Fälle irreführender geschäftlicher Handlungen. Der erste Fall betrifft objektiv unrichtige Angaben, wobei es sich um einen völlig offenen Tatbestand handelt; der zweite Fall stellt auf die Eignung zur Täuschung des Verbrauchers ab und enthält einen Katalog von Umständen, über die zur Täuschung geeignete Angaben gemacht werden können, mit der Folge, dass eine irreführende Handlung vorliegt (BGH, Urt. v. 19.4.2018, I ZR 244/16, Tz. 41 - Namensangabe; vgl. Bornkamm/Feddersen in Köhler/Bornkamm/Feddersen, UWG, 37. Aufl., § 5 Rn. 1.54 ff.).

Ebenso KG Berlin, Beschl. v. 21.11.2022, 5 U 55/21

BGH, Urt. v. 12.5.2022, I ZR 203/20, Tz. 12 – Webshop Awards

Bei § 5 Abs. 1 Satz 2 Fall 1 UWG (a.F., jetzt § 5 Abs. 2 Fall 1 UWG; Art. 6 Abs. 1 Fall 1 der Richtlinie 2005/29/EG) handelt es sich um einen völlig offenen Tatbestand (vgl. BGH, GRUR 2018, 950 Rn. 41 - Namensangabe; GRUR 2019, 754 Rn. 23 - Prämiensparverträge). Die in § 5 Abs. 1 UWG (a.F.; Art. 6 Abs. 1 der Richtlinie 2005/29/EG) enthaltene Aufzählung ist durch das Wort "oder" eindeutig allein dem zweiten Fall, also den der zur Täuschung geeigneten Angaben, zugeordnet.

OLG Nürnberg, Urt. v. 24.5.2022, 3 U 4652/21, Tz. 30 ff

Bei einer objektiv unwahren Werbebehauptung ist eine Eignung zur Täuschung keine Tatbestandsvoraussetzung von § 5 UWG.

Die vom Bundesgerichtshof bislang offengelassene Frage, ob auch unwahre Angaben zur Täuschung geeignet sein müssen oder ob bei unwahren Angaben das Erfordernis der Täuschungseignung entfällt (vgl. BGH, GRUR 2022, 170 Rn. 14 - Identitätsdiebstahl II), ist umstritten.

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Nach einer Ansicht entfällt bei unwahren Angaben das Erfordernis der Täuschungseignung. Dies soll sich aus dem Wortlaut von Art. 6 Abs. 1 der RL 2005/29/EG über unlautere Geschäftspraktiken vom 11.05.2005 (UGP-RL) ergeben, der ausdrücklich unterscheidet zwischen einer Geschäftspraxis, die „falsche Angaben enthält und somit unwahr ist“ und einer Geschäftspraxis, die „in irgendeiner Weise, einschließlich sämtlicher Umstände ihrer Präsentation, selbst mit sachlich richtigen Angaben den Durchschnittsverbraucher in Bezug auf einen oder mehrere der nachstehend aufgeführten Punkte täuscht oder ihn zu täuschen geeignet ist“ (Dreyer, in Harte-Bavendamm/Henning-Bodewig/, UWG, 5. Aufl. 2021, § 5 Rn. 316; Pfeifer/Obergfell, in Fezer/Büscher/Obergfell, UWG, 3. Aufl. 2016, § 5 Rn. 231).

Der Senat schließt sich der erstgenannten Ansicht an, wonach bei einer objektiv unwahren Werbebehauptung eine Eignung zur Täuschung keine Tatbestandsvoraussetzung von § 5 UWG ist. Dies ergibt sich aus dem eindeutigen Wortlaut der § 5 UWG zugrundeliegenden Richtlinie.

wird ausgeführt

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Wegfall einer Irreführungsgefahr

BGH, Urt. v. 4.7.2019, I ZR 161/18, Tz. 11 - IVD-Gütesiegel

Ändert sich das Verkehrsverständnis mit der Folge, dass die beanstandete Angabe den tatsächlichen Verhältnissen entspricht, kommt die Annahme einer Irreführung nicht (mehr) in Betracht. Tritt eine solche Änderung nach Vornahme der beanstandeten Handlung, aber vor der gerichtlichen Entscheidung über den auf Wiederholungsgefahr gestützten Unterlassungsanspruch ein, dessen Voraussetzung die Rechtswidrigkeit der Handlung sowohl im Zeitpunkt ihrer Vornahme als auch im Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung ist (st. Rspr.; vgl. nur BGH, Urt. v. 6.6.2019, I ZR 206/17, Tz. 7 - Brötchen-Gutschein), entfällt die Wiederholungsgefahr.

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Schutzzweck und Schutzobjekt des Irreführungsverbots

Durch das Verbot der irreführenden Werbung sollen die Verbraucher oder die anderen Verkehrskreise, die vom Unternehmer zu einer geschäftlichen Entscheidung bewogen werden sollen, geschützt werden. Es liegt auf der Hand, dass niemand durch falsche oder irreführende Angaben hereingelegt werden möchte.

Neben dem angesprochenen Verkehr werden durch das Verbot der irreführenden Werbung auch die Mitbewerber geschützt, die ihre Leistung mit ehrlichen Mitteln feilhalten. Außerdem wird der faire Wettbewerb als Marktprinzip geschützt, um den es schlecht bestellt wäre, wenn jeder Unternehmen mogeln dürfte.

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Rechtsansprüche des irregeführten Verbrauchers

Obwohl die Verbraucher und das sonstige angesprochene Publikum durch das Verbot irreführender Werbung geschützt werden, steht ihnen kein Unterlassungsanspruch gegen irreführende Werbung zu.  Wer als Verbraucher irreführende Werbung untersagen lassen möchte, sollte den Vorgang einem Verband oder einer qualifizierten Einrichtung (z.B. Verbraucherschutzverein) gem. § 8 Abs. 3, Nr. 2, 3 UWG vorlegen, die zur Rechtsverfolgung berechtigt sind.

Nach § 9 Abs. 2 UWG hat der Verbraucher aber seit dem 28. Mai 2022 einen Schadenersatzanspruch. Einzelheiten dazu hier.

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Kriterien zur Beurteilung einer Irreführungsgefahr

Für die Beurteilung, ob eine geschäftliche Handlung irreführend ist, kommt es auf verschieden Aspekte an, insbesondere darauf ,

      • welche geschäftliche Handlung beurteilt wird (, z.B. eine Werbeanzeige in ihrer Gesamtheit oder nur eine hervorgehobene Angabe in dieser Anzeige; eine Internetseite für sich oder zusammen mit Internetseiten, auf die über Links weitergeführt wird)
      • welcher Maßstab bei der Beurteilung einer Irreführung durch diese geschäftliche Handlung angelegt wird, d.h. in erster Linie,

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Voraussetzungen einer zulässigen Irreführung

Nicht jede irreführende geschäftliche Handlung ist unzulässig. Ausnahmsweise kann eine irreführende geschäftliche Handlung hinzunehmen sein, wenn sie

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Beispiele irreführender geschäftlicher Handlungen

Da jede geschäftliche Handlung irreführend sein könnte, ist die Rechtsprechung zur irreführenden Werbung für den Laien nahezu unüberschaubar. Der Jurist bemüht sich, der Masse durch die Einordnung der Einzelfälle in Fallgruppen (Blickfangwerbung, Spitzenstellungswerbung, Traditions- oder Alterswerbung, Umweltwerbung etc.) Herr zu werden. Dazu mehr hier.

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Konkurrenzen

Verhältnis zu anderen Verbotstatbeständen im UWG

Das UWG enthält eine Reihe von Vorschriften, die entweder ebenfalls eine bestimmte Form der Irreführung verbieten, oder deren Verletzung mit einer Irreführung einher gehen kann. So setzt das Verbot der Schleichwerbung (§ 5a Abs. 4 UWG) eine Irreführung voraus. Spezifische Irreführungsverbote werden auch im Anhang zu § 3 Abs. 3 UWG genannt, nämlich dort die Nr. 1 - 7, 9 - 13, 15 sowie 17 - 24. Außerdem enthält das Verbot der strafbaren Werbung nach § 16 UWG einen Irreführungstatbestand.

Verstöße gegen § 4 Nr. 1,  Nr. 2, Nr. 3 und Nr. 4 UWG können mit einer Irreführung einhergehen. In diesen Fällen kann eine Verletzung dieser Normen und des § 5 UWG gerügt werden.

Bei der Irreführung gem. § 5 Abs. 3 Nr. 1 UWG sind § 4 Nr. 3 a) UWG sowie Nr. 13 des Anhangs zu § 3 Abs. 3 UWG ergänzend zu beachten. Danach ist es 'per se' verboten, für eine Ware oder Dienstleistung zu werben, die der Ware oder Dienstleistung eines Mitbewerbers ähnlich ist, wenn dies in der Absicht geschieht, über die betriebliche Herkunft der beworbenen Ware oder Dienstleistung zu täuschen.

Zu § 5 UWG und §§ 5a und 5b UWG:

OLG Frankfurt, Urt. v. 18.8.2022, 6 U 56/22, II.5.a

§ 5 UWG, Art. 6 UGP-RL einerseits und § 5a UWG, Art. 7 UGP-RL andererseits haben jeweils eigene Anwendungsbereiche; sie schließen sich hinsichtlich ein und derselben Information aus (Harte-Bavendamm/Henning-Bodewig/Dreyer, 5. Aufl. 2021, UWG § 5 Rn 209-214). Die „Nichtinformation“, also das Verschweigen eines Umstandes, über den sich der Verkehr keine Gedanken macht, ist keine Angabe im Sinne von § 5 UWG. Hier ist der ureigenste Anwendungsbereich des § 5a UWG, Art. 7 Richtlinie unlautere Geschäftspraktiken betroffen, der Informationspflichten nur unter bestimmten Voraussetzungen vorsieht, die nicht unterlaufen werden dürfen. Gleiches gilt unter den genannten Voraussetzungen auch für die bloße Unvollständigkeit einer gegebenen Information, über deren fehlende Bestandteile sich der Verkehr keine Gedanken macht. Von der „Nichtinformation“ bzw. der bloß unvollständigen Information abzugrenzen sind mittelbar bzw. konkludent in einer geschäftlichen Handlung enthaltene Angaben. Sie sind „Angaben“ im Sinne des § 5 Abs. 1 S. 2 UWG, denn dieser setzt nicht voraus, dass die Information in der geschäftlichen Handlung offen zu Tage tritt. Es reicht aus, wenn der angesprochene Verkehr ihr die Tatsachenbehauptungen durch Schlussfolgerung entnehmen kann.

OLG Frankfurt, Urt. v. 18.8.2022, 6 U 56/22, II.5.a

Von verschwiegenen Informationen, die nur unter den Voraussetzungen des § 5a UWG den Tatbestand der Irreführung ausfüllen, unterscheiden sich mittelbare, konkludente bzw. getarnte Angaben dadurch, dass der Verkehr der geschäftlichen Handlung selbst einen Informationsgehalt zuschreibt. Entscheidend ist deshalb, ob der durchschnittlich (angemessen) aufmerksame, verständige und informierte Verbraucher die Aussage des Unternehmers nur um die Lücke schließt, die eine vermeintlich fehlende Information lässt (dann Unterlassen), oder ob er aus den gegebenen Angaben falsche Schlüsse zieht (dann Handeln, selbst wenn korrigierende bzw. aufklärende Hinweise die Täuschungseignung beseitigen könnten, vgl. Harte-Bavendamm/Henning-Bodewig/Dreyer, 5. Aufl. 2021, UWG § 5).

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Verhältnis zum Unterlassungsklagengesetz

BGH, Urt. v. 25.4.2019, I ZR 93/17 - Prämiensparverträge

Bei den Bestimmungen der §§ 3, 5 Abs. 1 Satz 1 und 2 Nr. 7 UWG handelt es sich um Verbraucherschutzgesetze im Sinne von § 2 Abs. 1 Satz 1 UKlaG.

Bei den anderen Fallgruppen des § 5 Abs. 1, Satz 2 wird das nicht anders aussehen.

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Irreführungstatbestände in anderen Gesetzen

Ergänzend zu § 5 UWG finden sich weitere Irreführungsverbote in anderen gesetzlichen Bestimmungen, z.B. in § 127 Abs. 1 MarkenG für geografische Herkunftsangaben, § 8 AMG für Arzneimittel, § 3 HWG für Heilmittelwerbung (siehe hier), § 11 LFGB für Lebensmittel, § 19 LFGB für Futtermittel, § 27 LFGB für kosmetische Mittel, § 33 LFGB für sonstige Bedarfsgegenstände gemäß § 2 Abs. 6 Satz 1 Nr. 1 LFGB oder § 25 WeinG.

Verhaltensweisen, die gegen eines der Irreführungsverbote außerhalb des UWG verstoßen, können auch § 5 UWG verletzen. Die Verletzung eines Irreführungsverbots außerhalb des UWG kann wettbewerbsrechtlich ansonsten nicht unmittelbar auf die verletzte Norm gestützt werden, sondern nur auf § 3a UWG in Verbindung mit dem Irreführungsverbot.

BGH, Urt. v. 20.10.1999, I ZR 86/97 - Lorch Premium

Zu Recht hat das BerG den Unterlassungsanspruch nach §§ 1, 3 UWG (heute §§ 4 Nr. 11, 5 UWG) beurteilt, weil aus den EG-Weinbezeichnungsvorschriften nicht unmittelbar wettbewerbsrechtliche Ansprüche herzuleiten sind.

Es ist zu beachten, dass der Kreis der Personen, die für die Begründung einer Irreführungsgefahr verantwortlich sind, in Sondergesetzen beschränkt sein kann. In diesem Fall können andere Personen wegen § 1 Abs. 2 UWG, Art. 3 Abs. 4 der Richtlinie gegen unlautere Geschäftspraktiken im B2C-Verhältnis (dazu siehe hier) durch einen Rückgriff auf § 5 UWG nicht ergänzend verantwortlich gemacht werden. Dies ist bei der Lebensmittelwerbung wegen Art. 8 LMIV der Fall. Näheres zum Verantwortungsregime der LMIV hier.

OLG Düsseldorf, Urt. v. 26.1.2016, I-20 U 22/15, Tz. 28

§ 5 UWG dient, soweit Handlungen gegenüber Verbrauchern in Rede stehen, der Umsetzung der Richtlinie 2005/29/EG (Unlautere Geschäftspraktiken-RL). Nach Art. 3 Abs. 4 der Richtlinie gehen abschließende Rechtsvorschriften der Gemeinschaft der Richtlinie und darauf beruhendem nationalem Recht vor. Zu diesen Vorschriften gehört die EU-Lebensmittelinformationsverordnung. Die Verantwortlichkeit des Beklagten als Zwischenhändler wird nur für den Fall des Art. 8 Abs. 3 Lebensmittelinformationsverordnung begründet.

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Zitiervorschlag zur aktuellen Seite

Omsels, Online-Kommentar zum UWG:

http://www.webcitation.org/6IwWO0rbU