Ihr Rechtsanwalt im Wettbewerbsrecht
Dr. Hermann-Josef Omsels*

Eine Darstellung des Gesetzes gegen den unlauteren Wettbewerb und wettbewerbsrechtlicher Nebengesetze



 


 

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F. Einstweilige Verfügung

1. Bedeutung

2. Zulässigkeit

3. Unterlassungs- und (teilweise) Auskunftsanspruch

4. Ohne oder mit mündlicher Verhandlung / Rechtliches Gehör

Bedeutung

Die einstweilige Verfügung ist im Wettbewerbsrecht die wichtigste gerichtliche Maßnahme zur Durchsetzung eines Unterlassungsanspruchs. Das liegt unter anderem daran, dass § 12 Abs. 2 UWG eine gesetzliche Bestimmung enthält, die einstweilige Verfügungen bei unlauteren geschäftlichen Handlungen erleichtert:

"Zur Sicherung der in diesem Gesetz bezeichneten Ansprüche auf Unterlassung können einstweilige Verfügungen auch ohne die Darlegung und Glaubhaftmachung der in den §§ 935 und 940 der Zivilprozessordnung bezeichneten Voraussetzungen erlassen werden."

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Zulässigkeit

Während eine einstweilige Verfügung außerhalb des Wettbewerbsrechts nur zulässig ist, wenn der Anspruchsberechtigte dem Gericht darlegt, dass er dringend auf seine Hilfe angewiesen ist und es ihm nicht zumutbar ist, bis zum Abschluss eines normalen Klageverfahren zu warten,

§ 935 ZPO

Einstweilige Verfügungen in Bezug auf den Streitgegenstand sind zulässig, wenn zu besorgen ist, dass durch eine Veränderung des bestehenden Zustandes die Verwirklichung des Rechts einer Partei vereitelt oder wesentlich erschwert werden könnte.

§ 940 ZPO

Einstweilige Verfügungen sind auch zum Zwecke der Regelung eines einstweiligen Zustandes in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis zulässig, sofern diese Regelung, insbesondere bei dauernden Rechtsverhältnissen zur Abwendung wesentlicher Nachteile oder zur Verhinderung drohender Gewalt oder aus anderen Gründen nötig erscheint.

besteht im Wettbewerbsrecht eine Vermutung für die Eilbedürftigkeit.

Das führt dazu, dass der Anspruchsberechtigte, der erfolglos eine Abmahnung ausgesprochen hat, in der Regel bei einem zuständigen Gericht einen Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung stellt und das Gericht nicht prüfen muss, ob für eine einstweilige Verfügung eine Veranlassung besteht (Verfügungsgrund), sondern nur prüfen muss, ob eine unlautere geschäftliche Handlung vorliegt (Verfügungsanspruch).

Eine einstweilige Verfügung ist im Wettbewerbsrecht nur dann unzulässig, wenn der Anspruchsberechtigte mit der Einleitung eines einstweiligen Verfügungsverfahrens oder der Art und Weise, wie er das einstweilige Verfügungsverfahren betreibt, zu erkennen gibt, dass es ihm eigentlich nicht eilig ist.

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Unterlassungs- und (teilweise) Auskunftsanspruch

Der Weg der einstweiligen Verfügung steht dem Anspruchsberechtigten allerdings nur bezüglich des Unterlassungsanspruchs offen. Weitergehende Ansprüche muss er – mit geringfügigen Ausnahmen beim Auskunftsanspruch – in einem Klageverfahren geltend machen.

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Ohne oder mit mündlicher Verhandlung / Rechtliches Gehör

Literatur: Mantz, Reto, Die Weiterentwicklung des Rechts auf prozessuale Waffengleichheit - Licht und Schatten, WRP 2020, 1250; Dissmann, Richard, Totgesagte leben länger - wie es mit der Beschlussverfügung weitergehen kann. Erwiderung und praktische Ergänzungen zu Bornkamm, GRUR 2020, 1152; Bornkamm, Joachim, Abmahnung und rechtliches Gehör im anschließenden Verfügungsverfahren. Stellungnahme zu Dissmann, GRUR 2020, 1163; Tyra, Frank, BVerfG-Vorgaben im UWG-Eilverfahren: Ausgewählte Aspekte für die rechtsanwaltliche Praxis; WRP. 2020, 1525; Dienstbühl, Christian, Die (versuchte) Titelerschleichung im Verfügungsverfahren und ihre Konsequenzen, WRP 2021, 444; Berger, Benedikt, Bleibt alles anders, GRUR 2021, 1131; Mantz, Reto/Löffel, Oliver, Der prozessuale Gesetz der Waffengleichheit in der Praxis, Ein Leitfaden, WRP 2022, 1059

Einstweilige Verfügungen wurden in der Vergangenheit von den zuständigen Gerichten in aller Regel ohne vorhergehende mündliche Verhandlung und ohne dem Antragsgegner Gelegenheit zu geben, zu dem Antrag Stellung zu nehmen, erlassen. Teilweise wurde der Antragsteller auf Bedenken oder Unklarheiten in seinem Antrag hingewiesen - nicht aber der Antragsgegner darauf, dass gegen ihn ein Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung vorliegt.

Dieses Verfahren wurde lange u.a. wegen einer möglichen Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör und prozessuale Waffengleichheit teilweise heftig kritisiert, ohne das sich an ihm etwas geändert hatte. Das Bundesverfassungsgericht hat diese Praxis mittlerweile für verfassungswidrig erklärt.

BVerfG, Beschl. v. 30.9.2018, 1 BvR 1783/17, II.2.a

Der Grundsatz der prozessualen Waffengleichheit ist Ausprägung der Rechtsstaatlichkeit und des allgemeinen Gleichheitssatzes im Zivilprozess und sichert verfassungsrechtlich die Gleichwertigkeit der prozessualen Stellung der Parteien vor dem Richter, der - auch im Blick auf die grundrechtlich gesicherte Verfahrensgarantie aus Art. 103 Abs. 1 GG - den Prozessparteien im Rahmen der Verfahrensordnung gleichermaßen die Möglichkeit einzuräumen hat, alles für die gerichtliche Entscheidung Erhebliche vorzutragen und alle zur Abwehr des gegnerischen Angriffs erforderlichen prozessualen Verteidigungsmittel selbständig geltend zu machen. Ihr entspricht die Pflicht des Richters, diese Gleichstellung der Parteien durch eine objektive, faire Verhandlungsführung, durch unvoreingenommene Bereitschaft zur Verwertung und Bewertung des gegenseitigen Vorbringens, durch unparteiische Rechtsanwendung und durch korrekte Erfüllung seiner sonstigen prozessualen Obliegenheiten gegenüber den Prozessbeteiligten zu wahren (BVerfGE 52, 131 <156 f.> m.w.N.).

Erforderlich sind danach die Gleichwertigkeit der prozessualen Stellung der Parteien vor dem Richter und gleichwertige Möglichkeiten zur Ausübung ihrer Rechte. Die prozessuale Waffengleichheit steht dabei im Zusammenhang mit dem Gehörsgrundsatz aus Art. 103 Abs. 1 GG, der eine besondere Ausprägung der Waffengleichheit ist. Als prozessuales Unrecht gebietet dieser, in einem gerichtlichen Verfahren der Gegenseite grundsätzlich vor einer Entscheidung Gehör und damit die Gelegenheit zu gewähren, auf eine bevorstehende gerichtliche Entscheidung Einfluss zu nehmen. Entbehrlich ist eine vorherige Anhörung nur in Ausnahmefällen. In den besonderen Verfahrenslagen des einstweiligen Rechtsschutzes ist eine vorherige Anhörung verzichtbar, wenn sie den Zweck des Verfahrens vereiteln würde …. In diesen Fällen reicht es aus, nachträglich Gehör zu gewähren. Voraussetzung der Verweisung auf eine nachträgliche Anhörung ist jedoch, dass ansonsten der Zweck des einstweiligen Verfügungsverfahrens - hier: wirksamer vorläufiger Rechtsschutz in Eilfällen - verhindert würde.

Es ist zu differenzieren zwischen der Gewährung richterlichen Gehörs einerseits und andererseits der Frage, ob ohne mündliche Verhandlung entschieden werden kann. Auch bei einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung muss richterliches Gehör gewährt werde. Das geht unter bestimmten Voraussetzungen aber auch im Rahmen der vorausgehenden Abmahnung.

BVerfG, Beschl. v. 30.9.2018, 1 BvR 1783/17, II.2.b

Für die Beurteilung, wann ein dringender Fall im Sinne des § 937 Abs. 2 ZPO vorliegt und damit auf eine mündliche Verhandlung verzichtet werden kann, haben die Fachgerichte einen weiten Wertungsrahmen. …

Die Annahme einer Dringlichkeit setzt sowohl seitens des Antragstellers als auch seitens des Gerichts eine entsprechend zügige Verfahrensführung voraus. Der Verzicht auf eine mündliche Verhandlung ist nach der Entscheidung des Gesetzgebers nur in dem Maße gerechtfertigt, wie die Dringlichkeit es gebietet. Wenn sich im Verlauf des Verfahrens zeigt, dass eine unverzügliche Entscheidung anders als zunächst vorgesehen nicht zeitnah ergehen muss oder kann, hat das Gericht Veranlassung, die Frage der Dringlichkeit erneut zu überdenken und gegebenenfalls eine mündliche Verhandlung anzuberaumen und auf ihrer Grundlage zu entscheiden.

Der Verzicht auf eine mündliche Verhandlung berechtigt nicht ohne weiteres dazu, die Gegenseite bis zur Entscheidung über den Verfügungsantrag generell aus dem Verfahren herauszuhalten. Nach dem Grundsatz der prozessualen Waffengleichheit kommt eine stattgebende Entscheidung über den Verfügungsantrag vielmehr grundsätzlich nur in Betracht, wenn die Gegenseite zuvor die Möglichkeit hatte, auf das mit dem Antrag geltend gemachte Vorbringen zu erwidern. Dabei kann nach Art und Zeitpunkt der Gehörsgewährung differenziert und auf die Umstände des Einzelfalls abgestellt werden.

Danach ist von Verfassungs wegen nichts dagegen zu erinnern, wenn das Gericht für die Gewährung des Gehörs in solchen Eilverfahren ... auch die Möglichkeiten einbezieht, die es der Gegenseite vorprozessual erlauben, sich zu dem Verfügungsantrag zu äußern, wenn sichergestellt ist, dass solche Äußerungen vollständig dem Gericht vorliegen. Hierfür kann auch auf die Möglichkeit zur Erwiderung gegenüber einer dem Verfügungsverfahren vorangehenden Abmahnung abgestellt werden. Dies gilt jedenfalls in Rücksicht darauf, dass der Antragsgegner in Anschluss an eine vorangehende Abmahnung überdies auch die Möglichkeit hat, eine Schutzschrift zu hinterlegen. …

Dem verfassungsrechtlichen Grundsatz der prozessualen Waffengleichheit genügen die Erwiderungsmöglichkeiten auf eine Abmahnung allerdings nur dann, wenn der Verfügungsantrag in Anschluss an die Abmahnung unverzüglich nach Ablauf einer angemessenen Frist für die begehrte Unterlassungserklärung bei Gericht eingereicht wird, die abgemahnte Äußerung sowie die Begründung für die begehrte Unterlassung mit dem bei Gericht geltend gemachten Unterlassungsbegehren identisch sind und der Antragsteller ein etwaiges Zurückweisungsschreiben des Antragsgegners zusammen mit seiner Antragsschrift bei Gericht eingereicht hat. Nur dann ist sichergestellt, dass der Antragsgegner hinreichend Gelegenheit hatte, sich zu dem vor Gericht geltend gemachten Vorbringen des Antragstellers in gebotenem Umfang zu äußern.

Demgegenüber ist dem Antragsgegner Gehör zu gewähren, wenn er nicht in der gehörigen Form abgemahnt wurde oder der Antrag vor Gericht in anderer Weise oder mit ergänzendem Vortrag begründet wird als in der Abmahnung. Gehör ist auch zu gewähren, wenn das Gericht dem Antragsteller Hinweise nach § 139 ZPO erteilt, von denen die Gegenseite sonst nicht oder erst nach Erlass einer für sie nachteiligen Entscheidung erfährt. … Entsprechend ist es verfassungsrechtlich geboten, den jeweiligen Gegner vor Erlass einer Entscheidung in den gleichen Kenntnisstand zu versetzen wie den Antragsteller, indem auch ihm die richterlichen Hinweise zeitnah mitgeteilt werden. … Soweit Hinweise erteilt werden, ist der Gegenseite dies in Blick auf die Nutzung dieser Hinweise in diesem oder auch in anderen gegen den Antragsgegner gerichteten Verfahren auch im Falle der Ablehnung eines Antrags unverzüglich mitzuteilen. Ein einseitiges Geheimverfahren über einen mehrwöchigen Zeitraum, in dem sich Gericht und Antragsteller über Rechtsfragen austauschen, ohne den Antragsgegner in irgendeiner Form einzubeziehen, ist mit den Verfahrensgrundsätzen des Grundgesetzes jedenfalls unvereinbar.

Siehe kritisch zuvor auch schon: BVerfG, Beschl. v. 6.7.2017, 1 BvQ 16/17, Tz. 10 f; nachfolgend bestätigend u.a. BVerfG, Beschl. v. 17.6.2020, 1 BvR 1380/20; BVerfG, Beschl. v. 3.6.2020 1 BvR 1246/20 und BVerfG, Beschl. v. 22.12.2020, 1 BvR 2740/20; BVerfG, Beschl. v. 27.10.2022, 1 BvR 1846/22; BVerfG, Beschl. v. 26.4.2023, 1 BvR 718/23, Tz. 23 f

Aus der zitierten Rechtsprechung des BVerfG ergibt sich zusammenfassend, dass eine einstweilige Verfügung in der Regel nur ohne Anhörung des Antragsgegners erlassen werden darf, wenn

  • vorher abgemahnt wurde,
  • der Verfügungsantrag unverzüglich im Anschluss an die in der Abmahnung gesetzten angemessenen Frist zur Abgabe einer strafbewehrten Unterlassungserklärung bei Gericht eingereicht wird,
  • die geforderte Unterlassungserklärung sowie die in der Abmahnung für den Unterlassungsanspruch gegebene Begründung mit dem bei Gericht geltend gemachten Unterlassungsantrag und seiner Begründung identisch sind,
  • der Antragsteller ein etwaiges Zurückweisungsschreiben des Antragsgegners zusammen mit seiner Antragsschrift bei Gericht eingereicht hat,
  • das Gericht dem Antragsteller keine Hinweise nach § 139 ZPO erteilen darf, solange es diese Hinweise nicht auch dem Antragsgegner mit der Gelegenheit zur Stellungnahme erteilt.

Diese Rechtsprechung betrifft auch Wettbewerbsstreitigkeiten BVerfG, Beschl. v. 18.9.2023, 1 BvR 1728/23; BVerfG, Beschl. v. 27.7.2020, 1 BvR 1379/20; zuvor schon OLG Düsseldorf, Urt. v. 27.2.2019, 15 U 48/18, Tz. 10). Allerdings ist das BVerfG in lauterkeitsrechtlichen Verfahren großzügiger als in Pressesachen, die den Entscheidungen des Gerichts in den meisten Fällen zugrunde lagen.

BVerfG, Beschl. v. 18.9.2023, 1 BvR 1728/23, Tz. 14 ff

Zwar gelten die in den Beschlüssen … v. 30. September 2018 - 1 BvR 1783/17 - und - 1 BvR 2421/17 - entwickelten Maßstäbe zur Handhabung der prozessualen Waffengleichheit und des rechtlichen Gehörs im zivilrechtlichen einstweiligen Verfügungsverfahren im Presse- und Äußerungsrecht im Grundsatz auch für einstweilige Verfügungsverfahren im Bereich des Lauterkeitsrechts (vgl. BVerfG, Beschl. v. 27.7.2020 - 1 BvR 1379/20 -, Rn. 6). Ihre Anwendbarkeit und die der weiteren ... Maßstäbe für äußerungsrechtliche Konstellationen kann indes nicht pauschal unterstellt werden, sondern bedarf im Einzelfall der Auseinandersetzung mit den unterschiedlichen Ausgangssituationen und mit den vom Bundesverfassungsgericht in mehreren Entscheidungen herausgearbeiteten Einschränkungen.

Soweit die Beschwerdeführerin geltend macht, ihre Anhörung im Verfahren sei wegen des von der Abmahnung abweichenden Unterlassungsbegehrens im Verfügungsantrag geboten gewesen, übergeht sie die Bedeutung der sogenannten Kerntheorie für lauterkeitsrechtliche einstweilige Verfügungen. Wie das Bundesverfassungsgericht bereits entschieden hat, bezieht sich unter Berücksichtigung der Kerntheorie ein Unterlassungsgebot auf den Inhalt der zu unterlassenden Handlung und weniger auf ihre konkrete Formulierung im Einzelfall; demnach ist es dem Antragsgegner im einstweiligen Verfügungsverfahren grundsätzlich zumutbar, im Erwiderungsschreiben auf eine außergerichtliche Abmahnung auch zu kerngleichen, nicht-identischen Verstößen Stellung zu nehmen (vgl. BVerfG, Beschl. v. 27.7.2020 - 1 BvR 1379/20 -, Rn. 21 f.).

Abmahnung und Verfügungsantrag unterscheiden sich vorliegend bezüglich des – im übrigen wortgleich formulierten – Unterlassungsbegehrens allein insofern, als es sich in der Abmahnung auf alle unter dem angegebenen Internetlink im Profil der Beschwerdeführerin auf dem verfahrensgegenständlichen Internetportal zu findenden Rezensionen bezieht, während der Verfügungsantrag fünf beanstandete Rezensionen mittels Screenshot konkret identifiziert. Ausweislich der Begründung in der Abmahnung wirft der Wettbewerber der Beschwerdeführerin umfassend die Nutzung „gekaufter“ Rezensionen vor, wofür die fünf im Verfügungsantrag konkret abgebildeten Rezensionen lediglich Beispiele bilden, die im Kern dasselbe der Beschwerdeführerin vorgehaltene unlautere Verhalten im Wettbewerb illustrieren.

Wie das Bundesverfassungsgericht für lauterkeitsrechtliche Konstellationen ebenfalls bereits entschieden hat, fehlt es jedenfalls an einem Feststellungsinteresse, wenn sich die Abweichungen zwischen dem außergerichtlich geltend gemachten Unterlassungsverlangen und dem gestellten Verfügungsantrag in der Sache als geringfügig darstellen, weil das mit dem Verfügungsantrag beantragte und – nach Umformulierung durch das Gericht gemäß § 938 Abs. 1 ZPO – schließlich mit der angegriffenen Beschlussverfügung tenorierte Verbot als „Minus“ bereits in dem außergerichtlichen Unterlassungsverlangen enthalten war (vgl. BVerfG, Beschl. v. 3.12.2020 - 1 BvR 2575/20 -, Rn. 21 f.; v. 22.1.2021 - 1 BvR 2793/20 -, Rn. 23). ...

Auch soweit die Beschwerdeführerin eine Anhörung wegen angeblich abweichender Begründung des Verfügungsantrags für geboten hielt, verfehlt sie die gebotene Auseinandersetzung mit den für lauterkeitsrechtliche Konstellationen entwickelten verfassungsrechtlichen Maßstäben. Danach ist eine Identität der rechtlichen Begründung nicht erforderlich; eine Grenze ist erst dort zu ziehen, wo der gerichtliche Verfügungsantrag den im Rahmen der außergerichtlichen Abmahnung geltend gemachten Streitgegenstand verlässt oder weitere Streitgegenstände und Sachverhaltsumstände neu einführt (vgl. BVerfG, Beschl. v. 3.12.2020 - 1 BvR 2575/20 -, Rn. 23).

Außerdem

BVerfG, Beschl. v. 18.9.2023, 1 BvR 1728/23, Tz. 23

Anders als in äußerungsrechtlichen Konstellationen ist dem Antragsgegner nicht auch in lauterkeitsrechtlichen Konstellationen regelmäßig schon dann notwendig rechtliches Gehör zu gewähren, wenn der Antragsteller durch ergänzenden Vortrag (vgl. BVerfG, Beschl. v. 30.9.2018 - 1 BvR 1783/17 -, Rn. 24 und - 1 BvR 2421/17 -, Rn. 36) erstmals in seinem Verfügungsantrag sein Vorbringen glaubhaft macht (vgl. BVerfG, Beschl. v. 10.11.2022 - 1 BvR 1941/22 -, Rn. 22). Denn im Presse- und Äußerungsrecht geht es regelmäßig um Veröffentlichungen über die Verhältnisse Dritter – meist des Verfügungsantragstellers –, deren Wahrheitsgehalt dieser mit der Glaubhaftmachung zu erschüttern unternimmt. Im Lauterkeitsrecht hingegen betrifft das Unterlassungsbegehren das nach Auffassung des Verfügungsantragstellers unlautere eigene Verhalten des Antragsgegners. Diesem gegenüber bedarf es regelmäßig keiner außergerichtlichen Glaubhaftmachung bezüglich seines eigenen Verhaltens im Wettbewerb.

In der Konsequenz bedeutet diese Rechtsprechung, dass ein Gericht zwar einstweilige Verfügungen ohne mündliche Verhandlung erlassen darf. Es muss vor der Entscheidung aber sicherstellen, dass der Anspruch des Antragsgegners auf rechtliches Gehör gewahrt wird.

Das Gericht hat zu begründen, weshalb es eine einstweilige Verfügung ohne Anhörung des Antragsgegners erlässt:

BVerfG, Beschl. v. 10.11.2022, 1 BvR 1941/22

Eine ohne Anhörung des Antragsgegners zu dessen Nachteil ergangene Entscheidung muss erkennen lassen, dass sich das Gericht des Ausnahmecharakters seiner Verfahrenshandhabung bewusst war. Insbesondere dürfen weniger einschneidende Alternativen nicht bestanden haben. Das setzt im Regelfall voraus, dass es auch nicht möglich war, dem Antragsgegner fernmündlich, durch E-Mail oder Telefax Gelegenheit zu geben, den Vortrag des Antragstellers zur Kenntnis zu nehmen und – gegebenenfalls auch kurzfristig – zu erwidern (vgl. BVerfG, Beschlüsse der 2. Kammer des Ersten Senats vom 3. Juni 2020 - 1 BvR 1246/20 -, Rn. 21; vom 17. Juni 2020 - 1 BvR 1380/20 -, Rn. 16; vom 11. Januar 2021 - 1 BvR 2681/20 -, Rn. 35; vom 21. April 2022 - 1 BvR 812/22 -, Rn. 25). Eine auch hiervon absehende Entscheidung wird den verfassungsrechtlichen Anforderungen in äußerungsrechtlichen Eilverfahren nur im Ausnahmefall genügen.

Der Erlass einer einstweiligen Verfügung ohne vorherige Abmahnung und ohne dass dem Antragsgegner Gelegenheit zur Stellungnahme gegeben wird, kommt damit eigentlich nur noch in Betracht, wenn gleichzeitig eine Sequestration von Gegenständen begehrt wird. Damit ist die sogenannte Schubladenverfügung endgültig tot.

Erlässt ein Gericht entgegen den verfassungsrechtlichen Vorgaben eine einstweilige Verfügung, führt das aber nicht zu einem unheilbaren Verfahrensfehler.

OLG Düsseldorf, Urt. v. 27.2.2019, 15 U 48/18, Tz. 17

Nachdem die Verfügungsbeklagte die Beschlussverfügung gem. §§ 936, 924 Abs. 1 ZPO nämlich mit dem Rechtsbehelf des Widerspruchs angegriffen hatte, erhielt die Verfügungsbeklagte schon erstinstanzlich Gelegenheit, in den vorbereitenden Schriftsätzen und in dem Termin zur mündlichen Verhandlung über den Widerspruch (§ 924 Abs. 2 S. 2 ZPO) ihre sämtlichen tatsächlichen und rechtlichen Argumente vorzubringen. Über die Rechtmäßigkeit des Widerspruchs der Verfügungsbeklagten hat das Landgericht alsdann durch Endurteil entschieden und mit diesem die Beschlussverfügung bestätigt (§ 925 ZPO). Dieses die einstweilige Verfügung bestätigende Endurteil des Landgerichts ist als solches - was auch die Verfügungsbeklagte nicht bezweifelt - folglich unter Wahrung ihres rechtlichen Gehörs ergangen.

OLG Köln, Urt. v. 128.10.2018, 15 U 110/18, Tz. 16

Jedenfalls im Widerspruchsverfahren ist wegen §§ 936, 925 Abs. 1 ZPO nur über die Rechtmäßigkeit der einstweiligen Verfügung im maßgeblichen Zeitpunkt der nunmehrigen mündlichen Verhandlung zu entscheiden. Widerspruch - und mit Blick auf § 513 ZPO auch eine Berufung - gegen eine die einstweilige Verfügung bestätigende Entscheidung können dann in Fällen wie dem vorliegenden aber schon deswegen nicht zur Aufhebung der Beschlussverfügung  führen, weil die gerichtliche Entscheidung nicht auf der eigenständigen Verletzung der Verfahrensgrundrechte beruht, sondern (bei unterstelltem Verfügungsanspruch und -grund) bei verfahrensordnungs- und grundrechtskonformen Vorgehen gerade keine andere Entscheidung in der Sache zu erwarten gewesen wäre. Theoretisch denkbar wäre in solchen Fällen allenfalls, die (zunächst unter Verletzung von Verfahrensgrundrechten) einseitig erlassene einstweilige Verfügung aufzuheben und im weiteren Verfahrensverlauf (also nach Anhörung und in einem jedenfalls nunmehr fairem Verfahren) inhaltsgleich neu zu erlassen wegen des bestehenden Verfügungsanspruch und -grunds. Einem solchen Neuerlass stünde angesichts der rechtzeitigen Antragstellung dann auch nicht etwa ein zwischenzeitlicher Wegfall der Dringlichkeit entgegen. Mit einer derartigen unnützen Förmelei wäre aber letztlich keinem gedient und ein solches Vorgehen entspräche auch nicht dem sonstigen gerichtlichen Vorgehen bei erst durch späteres Geschehen begründet gewordenen Ansprüchen in Verfügungsverfahren. Dass ein Verzicht auf Aufhebung/Neuerlass mit Blick auf mögliche Zwangsvollstreckungsmaßnahmen (§ 890 ZPO) in der Zwischenzeit ggf. zu abweichenden Ergebnissen führen könnte, trägt allein keine andere Sichtweise, wenn die einstweilige Verfügung nur in der Sache gerechtfertigt ist, zumal über §§ 924 Abs. 3, S. 2, 707 ZPO Abhilfe im Bedarfsfalle geschaffen werden kann.

Verfassungsbeschwerde nicht angenommen (BVerfG, Beschl. v. 15.4.2019, 1 BvR 1811/17. Im Ergebnis ebenso OLG Köln, Urt. v. 14.8.2020, 6 U 4/20 – Kerrygold / Dairygold (WRP 2021, 381, Tz. 39 ff)

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