Ihr Rechtsanwalt im Wettbewerbsrecht
Dr. Hermann-Josef Omsels*

Eine Darstellung des Gesetzes gegen den unlauteren Wettbewerb und wettbewerbsrechtlicher Nebengesetze



 


 

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(1) Funktionsarzneimittel

Begriff des Funktionsarzneimittels

§ 2 Abs. 1 Nr. 2 AMG

Arzneimittel sind Stoffe oder Zubereitungen aus Stoffen,

die im oder am menschlichen oder tierischen Körper angewendet oder einem Menschen oder einem Tier verabreicht werden können, um entweder

a) die physiologischen Funktionen durch eine pharmakologische, immunologische oder metabolische Wirkung wiederherzustellen, zu korrigieren oder zu beeinflussen, oder

b) eine medizinische Diagnose zu erstellen.

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Grundsatz der Bestimmung eines Funktionsarzneimittels

BGH, Beschl. v. 18.10.2012, I ZR 38/12, Tz. 7

Nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union ist der Begriff des Arzneimittels weit auszulegen. Das gilt auch für Funktionsarzneimittel (EuGH, Urt. v. 16.4.1991, C-112/89, Slg. 1991, I-1703, Rn. 17-21 - Upjohn; Urt. v- 20.9.2007, C-84/06, Slg. 2007, I-7609 = A & R 2007, 230, Rn. 31 - Antroposana). Bei der Entscheidung über die Frage, ob ein Erzeugnis unter die Definition des Funktionsarzneimittels fällt, sind alle Merkmale des Erzeugnisses zu berücksichtigen, insbesondere seine Zusammensetzung, seine pharmakologischen, immunologischen oder metabolischen Eigenschaften, wie sie sich beim jeweiligen Stand der Wissenschaft feststellen lassen, die Modalitäten seines Gebrauchs, der Umfang seiner Verbreitung, seine Bekanntheit bei den Verbrauchern und die Risiken, die seine Verwendung mit sich bringen kann. Als Funktionsarzneimittel darf ein Produkt nur dann eingestuft werden, wenn es bei bestimmungsgemäßem Gebrauch physiologische Funktionen des Menschen in signifikanter Weise wiederherstellen, korrigieren oder beeinflussen kann (vgl. EuGH, Urt. v. 30.4.2009, C-27/06, Slg. 2009, I3785 = GRUR 2009, 790, Rn. 18, 20 und 23 - BIOS Naturprodukte; Urt. v. 6.9.2012, C-308/11, GRUR 2012, 1167, Rn. 34 und 35 = WRP 2013, 175 Chemische Fabrik Kreussler).

Ebenso BGH, Urt. v. 8.1.2015, I ZR 141/13 – Mundspüllösung II; BGH, Urt. v. 14.1.2010, I ZR 67/07, Tz. 14 - Zimtkapseln; BGH, Urt. v. 1. 7. 2010, I ZR 19/08, Tz. 16 – Gingko-Extrakt; BGH, Urt. v. 25.6.2015, I ZR 11/14, Tz. 12; OLG Frankfurt, Urt. v. 20.6.2013, 6 U 109/07, II.3; OLG Hamm, Urt. v. 8.11.2016, 4 U 1/10, Tz. 93; KG, Urt. v. 11.2.2020, 5 U 58/16 (MD 2020, 498); OLG Köln, Urt, v. 23.12.2020, 6 U 18/20 (MD 2021, 161); OLG Frankfurt, Urt. v. 11.3.2021, 6 U 2/15, II.A.1

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physiologische Funktionen

BGH, Urt. v. 8.1.2015, I ZR 141/13, Tz. 12 – Mundspüllösung II

Ein Produkt kann nur als Funktionsarzneimittel angesehen werden, wenn es aufgrund seiner Zusammensetzung und bei bestimmungsgemäßem Gebrauch physiologische Funktionen des Menschen in signifikanter Weise wiederherstellen, korrigieren oder beeinflussen kann (EuGH, GRUR 2012, 1167 Rn. 35 - Chemische Fabrik Kreussler, mwN).

OLG Frankfurt, Urt. v. 20.6.2013, 6 U 109/07, II.3

Für die Einordnung als Funktionsarzneimittel muss das Produkt aufgrund seiner Zusammensetzung – einschließlich der Dosierung seiner Wirkstoffe – bei bestimmungsgemäßem Gebrauch physiologische Funktionen des Menschen in signifikanter Weise wiederherstellen, korrigieren oder beeinflussen.

Aber:

EuGH, Urt. V. 13.10.2022, C-616/20, Tz. 53 – M2Beauté

Ein Produkt, das die physiologischen Funktionen beeinflusst, kann nur dann als „Arzneimittel“ nach Art. 1 Nr. 2 Buchst. b der Richtlinie 2001/83  eingestuft werden, wenn es konkrete, der Gesundheit zuträgliche Wirkungen hat. Insoweit genügt eine Verbesserung des Aussehens, die durch die Steigerung des Selbstwertgefühls oder des Wohlbefindens einen mittelbaren Nutzen herbeiführt, wenn sie die Behandlung einer anerkannten Krankheit ermöglicht. Dagegen kann ein Produkt, das das Aussehen verbessert, ohne schädliche Eigenschaften zu haben, und das keine gesundheitsfördernden Wirkungen hat, nicht als „Arzneimittel“ im Sinne dieser Bestimmung eingestuft werden.

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durch pharmakologische, immunologische oder metabolische Wirkung

Siehe zur Bestimmung des Begriffs ‚pharmakologisch‘ die Leitlinie zur Abgrenzung von Arzneimitteln und Medizinprodukten "Medical Devices: Guidance document (EuGH, Urt. v. 6.9.2012, C-308/11, Tz. 26 - Chemische Fabrik Kreussler & Co. GmbH; BGH, Urt. v. 5. 10. 2010, I ZR 90/08, Tz. 12 – Mundspüllösung

BGH, Urt. v. 8.1.2015, I ZR 141/13, Tz. 13 – Mundspüllösung II

Die Behauptung, ein Stoff habe eine pharmakologische Wirkung, kann als solche allenfalls geeignet sein, diesen zu einem (Präsentations-)Arzneimittel im Sinne von § 2 Abs. 1 Nr. 1 AMG (Art. 1 Nr. 2 Buchst. a der Richtlinie 2001/83/EG) zu machen. Von einem (Funktions-)Arzneimittel im Sinne von § 2 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. a AMG (Art. 1 Nr. 2 Buchst. b der Richtlinie 2001/83/EG) kann nur ausgegangen werden, wenn die pharmakologische (oder immunologische oder metabolische) Wirkung des Produkts feststellbar ist und die physiologischen Funktionen des Menschen nennenswert beeinflusst werden (vgl. EuGH, Urt. v. 30.4.2009, C-27/08, Tz. 21 - BIOS Naturprodukte; EuGH, GRUR 2012, 1167 Rn. 33 - Chemische Fabrik Kreussler). Das kann nicht allein aufgrund von Werbeangaben der Beklagten angenommen werden.

Ebenso BGH, Urt. v. 25.6.2015, I ZR 11/14, Tz. 16 (Aufhebung von OLG Hamm, Urt. v. 5.12.2013, 4 U 70/13, Tz. 87f - Mundspüllösung mit Chlorhexidin); OLG Köln, Urt. v. 25.10.2013, 6 U 98/13, Tz. 17; OLG Hamm, Urt. v. 8.11.2016, 4 U 1/10, Tz. 92; OLG Frankfurt, Urt. v. 11.3.2021, 6 U 2/15, II.A.1

KG, Urt. v. 11.2.2020, 5 U 58/16 (MD 2020, 498)

Der Begriff der pharmakologischen Wirkung hat eine Schlüsselfunktion. Er ist dem Arzneimittelbegriff seit jeher immanent und ist für diesen konstitutiv. Wird ein Stoff pharmakologisch nur in einer bestimmten Menge oder in einer bestimmten Dosis, tritt eine pharmakologische Wirkung dagegen unterhalb dieser Menge nicht ein, so kann ein Erzeugnis, das diesen Stoff enthält, nur dann als Arzneimittel eingestuft werden, wenn und soweit es die für die Wirkung erforderliche Menge dieses Stoffes aufweist.

EuGH, Urt. v. 6.9.2012, C-308/11, Tz. 36 - Chemische Fabrik Kreussler & Co. GmbH

Art. 1 Nr. 2 Buchst. b der Richtlinie 2001/83 ist dahin auszulegen ist, dass vom Vorliegen einer „pharmakologischen Wirkung“ einer Substanz im Sinne dieser Bestimmung nicht nur dann ausgegangen werden kann, wenn es zu einer Wechselwirkung zwischen den Molekülen dieser Substanz und einem zellulären Bestandteil des Körpers des Anwenders kommt, sondern dass eine Wechselwirkung zwischen dieser Substanz und einem beliebigen im Körper des Anwenders vorhandenen zellulären Bestandteil genügt.

Ebenso OLG Hamm, Urt. v. 8.11.2016, 4 U 1/10, Tz. 91; OLG Köln, Urt, v. 23.12.2020, 6 U 18/20 (MD 2021, 161)

BGH, Urt. v. 25.6.2015, I ZR 205/13, Tz. 13 - Mundspüllösung III

Die für die Einordnung eines Produkts als Funktionsarzneimittel erforderliche pharmakologische, immunologische oder metabolische Wirkung muss wissenschaftlich festgestellt werden, wobei von Fall zu Fall die nach dem jeweiligen Stand der Wissenschaft feststellbaren pharmakologischen, immunologischen oder metabolischen Eigenschaften des Produkts zu berücksichtigen sind (vgl. EuGH, Urt. v. 15.1.2009, C-140/07, Tz. 26 und 40 - Hecht Pharma; EuGH, Urt. v. 6.9.2012, C-308/11, Tz. 30 - Chemische Fabrik Kreussler).

BGH, Urt. v. 1. 7. 2010, I ZR 19/08, Tz. 16 – Gingko-Extrakt

Den objektiven pharmakologischen Eigenschaften eines Produkts kommt eine zentrale Bedeutung für die Beurteilung zu, ob es sich bei einem Erzeugnis um ein Arznei- oder ein Lebensmittel handelt. … Die pharmakologischen Eigenschaften eines Erzeugnisses sind der Faktor, auf dessen Grundlage - ausgehend von den Wirkungsmöglichkeiten des Erzeugnisses - zu beurteilen ist, ob dieses im oder am menschlichen Körper zur Erstellung einer ärztlichen Diagnose oder zur Wiederherstellung, Besserung oder Beeinflussung der menschlichen physiologischen Funktionen angewandt werden kann.

BGH, Urt. v. 1. 7. 2010, I ZR 19/08, Tz. 17 – Gingko-Extrakt

Der Begriff des Funktionsarzneimittels soll allein diejenigen Erzeugnisse erfassen, deren pharmakologische Eigenschaften wissenschaftlich festgestellt und die tatsächlich dazu bestimmt sind, eine ärztliche Diagnose zu erstellen oder physiologische Funktionen wiederherzustellen, zu bessern oder zu beeinflussen. Wirkt ein Stoff pharmakologisch nur in einer bestimmten Menge oder in einer bestimmten Dosis, tritt eine pharmakologische Wirkung dagegen unterhalb dieser Menge nicht ein, so kann ein Erzeugnis, das diesen Stoff enthält, nur dann als Arzneimittel eingestuft werden, wenn und soweit es die für die Wirkung erforderliche Menge dieses Stoffes aufweist.

Ebenso BGH, Urt. v. 14.1.2010, I ZR 67/07, Tz. 15 - Zimtkapseln; BGH, Urt. v. 26.6.2008, I ZR 61/05, Tz. 19 - L-Carnitin II

BGH, Urt. v. 1. 7. 2010, I ZR 19/08, Ls. – Gingko-Extrakt

Hat ein Produkt ab einer bestimmten Menge eine pharmakologische Wirkung, so ist es als Funktionsarzneimittel anzusehen, wenn davon auszugehen ist, dass diese Menge bei Einhaltung der normalen Verzehrgewohnheiten aufgenommen wird. Eine auf dem Produkt angegebene Empfehlung, von dem Getränk täglich eine bestimmte, nicht präzise umschriebene Menge (hier: ein bis zwei Gläser) zu trinken, steht der Einordnung als Funktionsarzneimittel auch dann nicht entgegen, wenn diese Menge (bei Gläsern üblicher Größe) noch knapp unter der Grenze liegt, von der ab eine pharmakologische Wirkung nachgewiesen ist.

KG, Urt. v. 11.2.2020, 5 U 58/16 (MD 2020, 498)

Geht die Dosierung eines Produktes um ein Vielfaches über den täglichen Bedarf hinaus, folgt daraus – ohne eine feststellungpharmakologische Wirkungen – nicht notwendigerweise, dass die über den normalen Tagesbedarf hinausgehende Zufuhr pharmakologische Wirkungen besitzt.

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Wirkung

OLG Hamm, Urt. v. 5.12.2013, 4 U 70/13, Tz. 96 - Mundspüllösung mit Chlorhexidin

Es genügt die Wechselwirkung mit anderen im Organismus des Anwenders vorhandenen zellulären Bestandteilen wie Bakterien.

Ebenso OLG Köln, Urt, v. 23.12.2020, 6 U 18/20 (MD 2021, 161): Bakterien, Viren, Parasiten

OLG Köln, Urt. v. 25.10.2013, 6 U 98/13, Tz. 18

Die Voraussetzung der „direkten Reaktion“ bezieht sich auf den zellulären Bestandteil.

KG, Urt. v. 11.2.2020, 5 U 58/16 (MD 2020, 498)

Entscheidend für die Annahme einer pharmakologischen Wirkung ist das Vorliegen einer Rezeptor veranlassten Zellreaktion, also einer Reaktion, die bildlich gesprochen nach dem „Schlüssel-Schloss-Prinzip“ abläuft.

KG, Urt. v. 11.2.2020, 5 U 58/16 (MD 2020, 498)

Die therapeutische Wirksamkeit eines Mittels ist kein notwendiges Element einer pharmakologischen Wirkung. Ist die therapeutische Wirksamkeit aber gegeben, so ist dies der Beleg, dass das Produkt pharmakologische Wirkung entfaltet.

Beispiel

Zu einer Mundspüllösung mit Chlorhexidin

OLG Hamm, Urt. v. 5.12.2013, 4 U 70/13, Tz. 92 - Mundspüllösung mit Chlorhexidin

Auch wenn der Körper nicht unmittelbar von der Unschädlichmachung der Bakterien betroffen wird, genügt eine Wirkungsreihe der vorliegenden Art. Die Bakterien im Mundraum sind betroffen und werden „unschädlich“ gemacht. Dies führt zwangsläufig dazu, dass sich der Zustand der von den Bakterien beeinträchtigten Schleimhaut bessert, und zwar auch dann, wenn bereits eine Gingivitis eingetreten ist. Dadurch, dass deren Ursache beseitigt wird, wird dieser krankhafte Zustand gelindert, wenn nicht sogar geheilt. Diese Wirkung genügt. Im Übrigen werden körperliche Funktionen auch dadurch beeinflusst, dass einer Gingivitis und anderen parodontalen Krankheiten auch dann wirksam vorgebeugt werden kann, wenn infolge von parodontalchirurgischen Eingriffen die Gefahr einer Folgeerkrankung in besonderer Weise droht.

Aus anderen Gründen vom BGH aufgehoben

OLG Köln, Urt. v. 25.10.2013, 6 U 98/13, Tz. 18

Es genügt, dass durch die Reduzierung bakteriellen Zahnbelags der Entstehung von Gingivitis wirksam vorgebeugt wird.

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wiederherstellen, korrigieren oder beeinflussen

KG, Urt. v. 11.2.2020, 5 U 58/16 (MD 2020, 498)

Die Zweckbestimmung des Produktes („… um … zu beeinflussen“) ist grundsätzlich an einem objektiv-generellen Maßstab zu prüfen. Es kommt darauf an, wozu das Produkt tatsächlich bestimmt ist. Die subjektiven Vorstellungen und Strategien des Herstellers müssen grundsätzlich außer Betracht bleiben.

KG, Urt. v. 11.2.2020, 5 U 58/16 (MD 2020, 498)

Die Formulierung „zu beeinflussen“ ist allgemein zu verstehen. Gemeint sind grundsätzlich alle Veränderungen physiologische Funktionen. Ob die Funktionen ordnungsgemäß ablaufen oder krankhaft verändert sind, ist im Grundsatz unerheblich. Der Umstand, dass § 2 Abs. 1 Nr. 2 lit a) AMG dem Begriff „beeinflussen“ zusätzlich zu den Begriffen „wiederherstellen“ und „korrigieren“ anführt, spricht gegen eine betreffende Einschränkung. Für den Begriff „beeinflussen“ ist deshalb nicht notwendig zu verlangen, dass sich dieser nur auf solche physiologischen Funktionen bezieht, die nicht mehr ordnungsgemäß ablaufen. Sie jeweiligen Stoffe und Stoffzubereitungen müssen daher keine therapeutische oder prophylaktische Zweckbestimmung haben – auch wenn dies bei den meisten Produkten der Fall sein wird.

KG, Urt. v. 11.2.2020, 5 U 58/16 (MD 2020, 498)

Die Formulierung „wieder herzustellen“ bezieht sich auf physiologische Funktionen, die nicht mehr ordnungsgemäß ablaufen, in dem sie teilweise oder gänzlich von den gesundheitlichen Normalzustand abweichen. Bei der Wiederherstellung der physiologischen Funktionen geht es um die Rückführung zum gesundheitlichen Normalzustand, d. h. insbesondere um therapeutische Zwecke. Dass diese Rückführung auf Dauer gelingt, ist nicht erforderlich.

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Stoffe und Zubereitungen aus Stoffen

EuGH, Urt. v. 10.7.2014, C‑358/13 und C‑181/14, Tz. 38 - Synthetische Cannabinoide

Der Begriff des Arzneimittels in Art. 1 Nr. 2 Buchst. b der Richtlinie 2001/83 ist dahin auszulegen, dass er keine Stoffe erfasst, deren Wirkungen sich auf eine schlichte Beeinflussung der physiologischen Funktionen beschränken, ohne dass sie geeignet wären, der menschlichen Gesundheit unmittelbar oder mittelbar zuträglich zu sein.

OLG Hamburg, Beschl. v. 22.12.2020, 3 W 38/20, B.II.2.a.aa

Stoffe sind gemäß Art. 1 Ziffer 3 RL 2001/83/EG alle Stoffe jeglicher Herkunft, u.a. pflanzlicher Herkunft, wie z.B. Pflanzen, Teile von Pflanzen, Pflanzensekrete und durch Extraktion gewonnene Stoffe. Ein Wirkstoff ist nach Art. 1 Ziffer 3 RL 2001/83/EG jeder Stoff oder jedes Gemisch von Stoffen, der bzw. das bei der Herstellung eines Arzneimittels verwendet werden soll und im Fall der Verwendung bei seiner Herstellung zu einem Wirkstoff dieses Arzneimittels wird, das eine pharmakologische, immunologische oder metabolische Wirkung ausüben soll, um die physiologischen Funktionen wiederherzustellen, zu korrigieren oder zu beeinflussen, oder eine medizinische Diagnose erstellen soll. Nach § 3 Ziffer 2 AMG sind Stoffe u.a. Pflanzen, Pflanzenteile und Pflanzenbestandteile in bearbeitetem oder unbearbeitetem Zustand. Nach § 4 Abs. 19 AMG sind Wirkstoffe solche Stoffe, die dazu bestimmt sind, bei der Herstellung von Arzneimitteln als arzneilich wirksame Bestandteile verwendet zu werden oder bei ihrer Verwendung in der Arzneimittelherstellung zu arzneilich wirksamen Bestandteilen der Arzneimittel zu werden. Es wird also auf die subjektive Zweckbestimmung des Herstellers abgestellt (Kügel/Müller/Hofmann, AMG, 2. Auflage, 2016, § 13 Rn. 12).

BGH, Urt. v. 14.1.2010, I ZR 67/07, Tz. 15 - Zimtkapseln

Stoffe, die zwar auf den menschlichen Körper einwirken, sich aber nicht nennenswert auf den Stoffwechsel auswirken und somit dessen Funktionsbedingungen nicht wirklich beeinflussen, dürfen nicht als Funktionsarzneimittel eingestuft werden. ... Enthält ein Erzeugnis im Wesentlichen einen Stoff, der auch in einem Lebensmittel in dessen natürlichem Zustand vorhanden ist, so gehen von ihnen keine nennenswerten Auswirkungen auf den Stoffwechsel aus, wenn bei einem normalen Gebrauch des fraglichen Erzeugnisses seine Auswirkungen auf die physiologischen Funktionen nicht über die Wirkungen hinausgehen, die ein in angemessener Menge verzehrtes Lebensmittel auf diese Funktionen haben kann. Es kann dann nicht als ein Erzeugnis eingestuft werden, das die physiologischen Funktionen wiederherstellen, bessern oder beeinflussen könnte.

Ebenso KG, Urt. v. 11.2.2020, 5 U 587/16 (MD 2020, 498); OLG Frankfurt, Urt. v. 11.3.2021, 6 U 2/15, II.A.1

EuGH, Urt. v. 10.7.2014, C‑358/13 und C‑181/14, Tz. 47 - Synthetische Cannabinoide

Stoffe, die zu Entspannungszwecken konsumiert werden, können nicht als „Arzneimittel“ eingestuft werden.

KG, Urt. v. 11.2.2020, 5 U 58/16 (MD 2020, 498)

Der Tatbestandes § 2 Abs. 1 Nr. 2b a AMG erfordert nach den Auslegungsentscheidungen des EuGH Stoffe, die die physiologischen Funktionen des Körpers „in erheblicher („nennenswerter“, „signifikanter“) Weise wiederherstellen, korrigieren oder beeinflussen“. … Keine Arzneimittel sind daher Produkte, die zwar auf den menschlichen Körper einwirken, aber keine nennenswerten physiologischen Auswirkungen haben und seine Funktionsbedingungen somit nicht wirklich beeinflussen. Nicht jede beliebige und noch so geringfügige Veränderung, die sich innerhalb der Spannweite des Normalen abspielt, soll erfasst sein.

OLG Hamburg, Beschl. v. 22.12.2020, 3 W 38/20, B.II.2.a.bb

Das Arzneimittelgesetz enthält keine ausdrücklichen Regelungen darüber, ab welcher Produktionsstufe von einem Arzneimittel gesprochen werden kann. Es definiert neben Arzneimitteln die Stoffe (§ 3 AMG), die Wirkstoffe, die dazu bestimmt sind, bei der Herstellung von Arzneimitteln als arzneilich wirksame Bestandteile verwendet zu werden (§ 4 Abs. 19 AMG), und erwähnt daneben im Zusammenhang mit Fertigarzneimitteln die sog. Zwischenprodukte, die jedenfalls keine Fertigarzneimittel sind (§ 4 Abs. 1 Satz 2 AMG), sowie die Ausgangsstoffe von Arzneimitteln (§ 54 Abs. 2 Nr. 8 AMG). Daneben haben sich weitere Begriffsdefinitionen etabliert (etwa die Begriffe Rohstoff, Grundstoff und Bulkware, vgl. Kloesel/Cyran, AMG § 2 Anm. 21), die indes (ebenfalls) keine trennscharfe Abgrenzung ermöglichen. Auch die Regelungen des Arzneimittelgesetzes über Arzneimittel, die keine Fertigarzneimittel im Sinne des § 4 Abs. 1 AMG sind, sondern erst durch die Zubereitung des Apothekers ihre endgültige Abgabeform erlangen, liefern keinen eindeutigen Aufschluss. Zwar befreit das Gesetz Apotheker für die Herstellung von Arzneimitteln im üblichen Apothekenbetrieb von der Notwendigkeit einer Herstellungserlaubnis (§ 13 Abs. 2 Nr. 1 AMG). Daraus lässt sich allerdings nicht schließen, dass solche Arzneimittel in jedem Fall erst durch den Apotheker hergestellt werden, also zuvor noch keine Arzneimittel, sondern lediglich Ausgangsstoffe oder Zwischenprodukte vorliegen (BVerwG, PharmR 2011,168, Rn. 15 - TCM-Granulate).

Das Gesetz geht vielmehr von einem weiten Begriff des Herstellens aus. Nach § 4 Abs. 14 AMG ist darunter das Gewinnen, das Anfertigen, das Zubereiten, das Be- oder Verarbeiten, das Umfüllen einschließlich Abfüllen, das Abpacken, das Kennzeichnen und die Freigabe zu verstehen. Angesichts der Weite dieser Definition verbietet sich die Annahme, dass stets nur der letzte Produktionsschritt vor der Abgabe an den Endverbraucher zur Herstellung des Arzneimittels führt und davor lediglich Zwischenprodukte vorliegen, die nicht unter den Arzneimittelbegrifffallen. Das widerspräche zum einen der allgemeinen Verkehrsauffassung; denn es liegt auf der Hand, dass etwa ein Produkt, das nur noch in bestimmter Weise gekennzeichnet oder abgepackt werden muss, bevor es als Arzneimittel an den Endverbraucher abgegeben wird, bereits zuvor diese Eigenschaft haben kann. Vor allem aber widerspräche es dem Schutzzweck des Gesetzes, die Arzneimittelsicherheit zu gewährleisten, indem der Verkehr von Arzneimitteln besonderen Anforderungen unterworfen wird. Das ließe sich nicht erreichen, wenn stets nur der letzte Produktionsschritt vor der Abgabe an den Endverbraucher die Arzneimitteleigenschaft des Produktes begründete (BVerwG, PharmR 2011,168, Rn. 16 - TCM-Granulate).

... Nach der Rechtsprechung des BVerwG ist die Frage, ob bis zur Herstellung des abgabefertigen Endprodukts noch wesentliche Bearbeitungs- oder Aufbereitungsschritte erforderlich seien, anhand einer wertenden Gesamtbetrachtung des Herstellungsprozesses zu beantworten sei. Eine Bearbeitung oder Aufbereitung sei wesentlich, wenn sie nach der Verkehrsanschauung den Herstellungsprozess präge oder für die Anwendungsfertigkeit des Erzeugnisses von besonderer Bedeutung sei (BVerwG, PharmR 2018, 98 Rn. 27 - Import-Blutegel).

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Darlegungs- und Beweislast

BGH, Urt. v. 25.6.2015, I ZR 205/13, Tz. 13 - Mundspüllösung III

Das Vorliegen eines Funktionsarzneimittels im Sinne von Art. 1 Nr. 2 Buchst. b der Richtlinie 2001/83/EG und § 2 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. a AMG muss von demjenigen dargelegt und im Bestreitensfall bewiesen werden, der sich hierauf beruft (vgl. EuGH, Urt. v. 15.1.2009, C-140/07, Tz. 25 ff., 29 - Hecht Pharma; Urt. v. 6.9.2012, C-308/11, Tz. 30 - Chemische Fabrik Kreussler; BGH, Urt. v. 24.6.2010, I ZR 166/08, Tz. 18 - Photodynamische Therapie, mwN).

Ebenso OLG Köln, Urt, v. 23.12.2020, 6 U 18/20 (MD 2021, 161); OLG Frankfurt, Urt. v. 11.3.2021, 6 U 2/15, II.A.2

OLG Frankfurt, Urt. v. 11.3.2021, 6 U 2/15, II.A.2

Die Beweislast umfasst insbesondere den Nachweis einer pharmakologischen Wirkung des streitgegenständlichen Produkts, da diese den wesentlichen Faktor für die Einordnung als Funktionsarzneimittel darstellt. Eine pharmakologische Wirkung ist nur anzunehmen, wenn das betreffende Produkt mehr als ernährungsphysiologische Wirkungen erzielt (BGH GRUR 2008, 830, 832, Rn 21 - L-Carnitin II).

KG, Urt. v. 11.2.2020, 5 U 58/16 (MD 2020, 498)

Soweit Zweifel verbleiben, ob das Produkt aufgrund seiner Zusammensetzung bei bestimmungsgemäßem Gebrauch physiologische Funktionen des Menschen in signifikanter Weise wiederherstellen, korrigieren oder beeinflussen kann, kann es nicht aufgrund der Regelung des Art. 2 Abs. 2 der Richtlinie 2001/83/EG als Funktionsarzneimittel angesehen werden. Dies gilt auch dann, wenn eine Eigenschaft als Funktionsarzneimittel nicht wissenschaftlich ausgeschlossen werden kann.

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Omsels, Online-Kommentar zum UWG:

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