Ihr Rechtsanwalt im Wettbewerbsrecht
Dr. Hermann-Josef Omsels*

Eine Darstellung des Gesetzes gegen den unlauteren Wettbewerb und wettbewerbsrechtlicher Nebengesetze



 


 

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g) Verstoß gegen das Verbot

1. Verstoß/Verstöße gegen den Unterlassungstitel

2. Verstoß durch unterlassene Folgenbeseitigung

Allgemeines

Rückruf/Vorläufige Einstellung

Beseitigung von Inhalten im Internet

Prozessuales

Kritik

3. Verstoß durch Verrichtungs- oder Erfüllungsgehilfen

Verstoß durch verbundene Unternehmen

4. Wiederholter Verstoß/Doppelbestrafung

5. Zeitpunkt des Verstoßes

6. Relevanz des Verstoßes

Verstoß/Verstöße gegen den Unterlassungstitel

Nach der Auslegung des Verbotstitels ist zu prüfen, ob ein Verstoß des Unterlassungsschuldners gegen das Verbot verstoßen hat. Ein Verstoß liegt nicht nur darin, dass der Unterlassungsschuldner persönlich gegen das Verbot verstößt. Ein Verstoß kann auch darin liegen, dass der Unterlassungsschuldner nicht die erforderlichen Aufsichtsmaßnahmen über Dritte vornimmt oder sein Unternehmen in einer Art und Weise organisiert, dass Dritte gegen das Verbot verstoßen (Aufsichts- oder Organisationsmängel).

Juristische Personen haften für ihre Organe (Vorstand, Geschäftsführer) nach § 31 BGB (analog)

§ 31 BGB Haftung des Vereins für Organe

Der Verein ist für den Schaden verantwortlich, den der Vorstand, ein Mitglied des Vorstands oder ein anderer verfassungsmäßig berufener Vertreter durch eine in Ausführung der ihm zustehenden Verrichtungen begangene, zum Schadensersatz verpflichtende Handlung einem Dritten zufügt.

Mehrere Verstöße gegen ein Verbot können unter Umständen zu einer natürlichen Handlungseinheit zusammengefasst werden. Näheres dazu hier sowie zur Unterbrechung

OLG Nürnberg, Beschl. v. 17.6.2022, 3 W 4186/21, Tz. 17

Es ist differenziert zu beurteilen, ob (insbesondere in Fällen, in dem einzelne Verstöße eine natürliche Handlungseinheit bilden) die maßgebliche Zeitspanne durch den Ordnungsmittelantrag (oder dessen Bekanntwerden für den Schuldner) oder die Entscheidung über diesen begrenzt wird. Insoweit wird der Zustellung eines Ordnungsmittelantrags teils eine Zäsurwirkung beigemessen, weil sie dem Vollstreckungsschuldner Anlass gebe, selbstkritisch zu überprüfen, ob sein Verhalten dem titulierten Anspruch gerecht werde (vgl. BGH, Beschluss vom 17. Dezember 2020 - I ZB 99/19, GRUR 2021, 767, Rn. 27, 29; Scholz, in: Danckwerts/Papenhausen/Scholz/Tavanti, Wettbewerbsprozessrecht, 2. Auflage 2022, Abschnitt H Rn. 1256).

OLG Nürnberg, Beschl. v. 17.6.2022, 3 W 4186/21, Tz. 17

Im vorliegenden Verfahren ist maßgeblich, dass der Vollstreckungsgläubiger durch seine entsprechenden Ausführungen in den nachfolgenden Schriftsätzen, die Vollstreckungsschuldnerin setze ihr Verhalten unverändert fort, zu erkennen gegeben hat, dass er sein Ahndungsbegehren auch auf das Verhalten der Vollstreckungsschuldnerin in der Zeit nach der Antragstellung stützen will. Hierdurch hat er faktisch seinen Ordnungsmittelantrag erweitert und vom Gericht auch die Ahnung bzw. Einbeziehung von Zuwiderhandlungen begehrt, die zeitlich nach dem ursprünglichen Ordnungsmittelantrag erfolgt sind. Dementsprechend hat das Landgericht, wie dessen im Sachbericht wiedergegebene Ausführungen belegen, auch den gesamten Zeitraum bis zu seiner Entscheidung beurteilt und in dieser berücksichtigt. Zäsurwirkung kam daher im Ergebnis lediglich der Zustellung des Ordnungsmittelbeschlusses vom 6. Oktober 2021 zu (zu dieser Zäsurwirkung Bendtsen, in: Kindl/Meller-Hannich, Gesamtes Recht der Zwangsvollstreckung, 4. Auflage 2021, § 890 Rn. 50; OLG Frankfurt, Beschl. v. 18.4.2016, 6 W 13/16, GRUR-RR 2017, 166; OLG Frankfurt, Beschl. v. 6.6.1995, 6 W 30/95 u. 6 W 38/95, NJW 1995, 2567).

Zum Verstoß gegen eine einstweilige Verfügung und einen Hauptsachetitel in derselben Angelegenheit siehe unten.

Bleibt der Schuldner nach einem Verbot durch eine einstweilige Verfügung kontinuierlich untätig, obwohl ihm Maßnahmen zur Folgenbeseitigung obliegen (siehe nachfolgend), beginnt nach der Zustellung des Hauptsachtitels in derselben Angelegenheit eine neue Zuwiderhandlung.

BGH, Beschl. v. 21.4.2022, I ZB 56/21, Tz. 33 f

Unter einer natürlichen Handlungseinheit sind Verhaltensweisen zu verstehen, die aufgrund ihres räumlich-zeitlichen Zusammenhangs so eng miteinander verbunden sind, dass sie bei natürlicher Betrachtungsweise als ein einheitliches, zusammengehörendes Tun erscheinen. Kann bei natürlicher Betrachtungsweise angenommen werden, dass der Schuldner jeweils einen neuen Entschluss zum Verstoß gegen eine titulierte Unterlassungsverpflichtung gefasst oder einen bereits getroffenen Entschluss bewusst bekräftigt hat, spricht dies gegen das Vorliegen einer natürlichen Handlungseinheit und für die Annahme von mehreren Zuwiderhandlungen. Im Streitfall hat die Schuldnerin nach der Zustellung des Hauptsachetitels, durch die sie an die Einhaltung der ihr obliegenden Pflichten erinnert wurde, am Unterlassen festgehalten. Darin liegt jedenfalls eine Bestätigung ihres Tatentschlusses, die der Annahme eines einheitlichen Unterlassens entgegensteht.

Zur Einstellung von Verstößen:

KG, Beschl. v. 2.1.2024, 5 W 140/23, Tz. 19 f

Das Abstellen der zu unterlassenden Handlung, also das Absehen von weiteren Verstößen, macht den vorher eingetretenen Verstoß nicht ungeschehen. Bereits nach dem Wortlaut des § 890 Abs. 1 Satz 1 ZPO erfordert die Verhängung eines Ordnungsmittels allein, dass der Schuldner (wie in die Vorschrift hineinzulesen ist: schuldhaft) der ihm auferlegten Verpflichtung, eine Handlung zu unterlassen, zuwiderhandelt. Die Verhängung eines Ordnungsmittels nach § 890 ZPO setzt aber schon nach dem Wortlaut dieser Norm nicht voraus, dass die schuldhafte Zuwiderhandlung noch im Zeitpunkt der Beantragung eines Ordnungsmittels durch den Gläubiger (oder gar im Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung über den Ordnungsmittelantrag) vorliegt. Dies erscheint auch unter dem Gesichtspunkt der Sinnhaftigkeit der Vorschrift richtig. Für titulierte Unterlassungspflichten, gegen welche überhaupt nur einmal oder nur innerhalb einer bestimmten Frist verstoßen werden kann, ist dies ohne Weiteres einzusehen (so auch Gruber in Münchener Kommentar zur ZPO, 6. Aufl., 2020, § 890 Rdnr. 31, dort erörtert unter dem Gesichtspunkt der Rechtsmissbräuchlichkeit). Wollte man es anders sehen, könnte der nur einmal mögliche Verstoß oder könnte der nur innerhalb einer bestimmten Frist mögliche Verstoß (nach Ablauf der Frist) nicht sanktioniert werden. Ein erfolgter derartiger Verstoß bliebe folgenlos; § 890 ZPO wäre sinnentleert und liefe leer.

Ausgehend hiervon ist aber nicht zu ersehen, weshalb dann, wenn gegen eine Unterlassungspflicht mehrfach oder dauerhaft verstoßen werden kann, ein Ordnungsmittel dann nicht mehr beantragt und verhängt werden können sollte, wenn (zwar nach Ausspruch der Unterlassungspflicht im Erkenntnisverfahren, aber) im Zeitpunkt der Abfassung oder Anhängigmachung des Ordnungsmittelantrags der Verstoß nicht (mehr) vorliegt. Andernfalls bliebe ein bei einem Verstoß gegen eine ihm gerichtlich auferlegte Unterlassungspflicht ertappter Unterlassungsschuldner durch nunmehriges Abstellen der zum Verstoß führenden Handlung, also durch ein bloßes Absehen von weiteren Verstößen, für die Vergangenheit sanktionslos. Auch dies würde zu einer starken Entwertung von § 890 ZPO führen.

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Verstoß durch unterlassene Folgenbeseitigung

Literatur: Hermanns, Clemens, Der Unterlassungsanspruch als verkappter Rückrufanspruch? Eine dogmatische Untersuchung der Ausdehnung tenorierter Unterlassungspflichten auf eine generelle Rückrufpflicht, GRUR 2017, 977; Dissmann, Richard, Unterlassung und Rückruf - die europäische Perspektive, GRUR 2017, 986; Meinhardt, Lars, Der Drops ist gelutscht - und jetzt? Überlegungen zum Umgang mit der jüngeren BGH-Rechtsprechung zu Beseitigungspflichten des Unterlassungsschuldners in der Praxis, WRP 2018, 527; Breun-Goerke, Peter, Was tun? Beseitigungs- und Handlungspflichten des Unterlassungsschuldners, WRP 2019, 1539

 

Allgemeines

Die Reichweite eines Unterlassungsgebots bestimmt der BGH aus dem Umfang des Unterlassungsanspruchs. Alles, was der Schuldner aufgrund des gesetzlichen Unterlassungsanspruchs des Gläubigers zu unterlassen hat, muss er aufgrund des Unterlassungstitels auch unterlassen. Das schließt die Beseitigung der Folgen vergangenen Verhaltens ein. Der Unterlassungsschuldner ist u.U. auch verpflichtet, dafür Sorge zu tragen, dass Dritte das untersagte Verhalten nicht wiederholen.  Aus dem Unterlassungsanspruch können sich mithin auch Handlungspflichten ergeben.

BVerfG, Beschl. v. 13.04.2022, 1 BvR 1021/17, Tz. 23 f

Grundsätzlich begegnet es keinen verfassungsrechtlichen Bedenken, einer Unterlassungsverpflichtung im Wege der Auslegung gewisse, dem Schuldner mögliche und zumutbare Handlungspflichten zu entnehmen, die erforderlich sind, um dem Unterlassungsgebot durch Beseitigung eines fortdauernden Störungszustands zu genügen, der gleichbedeutend mit der Fortsetzung des Störungszustands ist (vgl. BVerfG, Beschl. v. 3.8.1989, 1 BvR 1194/88 -; Beschl. v. 8.5.1991, 2 BvR 1654/90 -; Beschl. v. 4.12.2006, 1 BvR 1200/04 -, NJW-RR 2007, S. 860, 861 Rn. 14; BGH, Urt. v. 22.10.1992, IX ZR 36/92; Beschl. v. 19.11.2015, I ZR 109/14, Tz. 34 m.w.N. - Hot Sox; Beschl. v. 8.12.2016, I ZB 118/15, Tz. 12 – Dügida).

In diesem Rahmen können sich auch Handlungspflichten gegenüber Dritten ergeben. Allerdings haftet der Schuldner nicht für das selbstständige Handeln Dritter (vgl. BVerfGE 20, 323 <332>; Beschl. v. 4.12.2006, 1 BvR 1200/04, Tz. 11; BGH, Beschl. v. 29.9.2016, I ZB 34/15, Tz. 30 – Rückruf von RESCUE-Produkten). Eine im Wege der Auslegung zu ermittelnde Verpflichtung des Schuldners zur Einwirkung auf Dritte, deren Handeln ihm wirtschaftlich zu Gute kommt und auf die er Einfluss hat, ist indes grundsätzlich verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden, soweit es sich um dem Schuldner mögliche und zumutbare Maßnahmen handelt und diese dem Vollstreckungsschuldner auch erkennbar und vorhersehbar sind (vgl. BVerfG, Beschl. v. 8.5.1991, 2 BvR 1654/90; Beschl. v. 4.12.2006, 1 BvR 1200/04, Tz. 14).

BGH, Beschl. v. 12.7.2018, I ZB 86/17, Rn. 8

Der Schuldner einer auf Unterlassung lautenden Entscheidung kann zu einem aktiven Handeln verpflichtet sein und daher, wenn er diese Handlungspflicht verletzt, gegen den Unterlassungstitel verstoßen. Abweichend von der Verwendung des Begriffs des "Unterlassens" im allgemeinen Sprachgebrauch ist im Wege der Auslegung des Unterlassungstitels zu ermitteln, welche Verhaltensweisen dieser erfasst und ob er den Schuldner zu einem aktiven Handeln verpflichtet.

Ebenso KG, Beschl. v. 17.5.2021, 5 W 56/21, Tz. 18; KG Berlin, Beschl. v. 9.2.2022, 5 W 158/21, Tz. 25

BGH, Beschl. v. 29.9.2016, I ZB 34/15, Tz.24

Die Verpflichtung zur Unterlassung einer Handlung, durch die ein fortdauernder Störungszustand geschaffen wurde, ist mangels abweichender Anhaltspunkte regelmäßig dahin auszulegen, dass sie nicht nur die Unterlassung derartiger Handlungen, sondern auch die Vornahme möglicher und zumutbarer Handlungen zur Beseitigung des Störungszustands umfasst. Eine Unterlassungsverpflichtung erschöpft sich nicht im bloßen Nichtstun, sondern umfasst die Vornahme von Handlungen zur Beseitigung eines zuvor geschaffenen Störungszustands, wenn allein dadurch dem Unterlassungsgebot entsprochen werden kann.

Ebenso BGH, Beschl. v. 12.7.2018, I ZB 86/17, Rn. 9BGH, Beschl. v. 11.10.2017, I ZB 96/16, Tz. 19 f; BGH, Urt. v. 14.3.2017, VI ZR 721/15; BGH, Beschl. v. 8.12.2016, I ZB 118/15, Tz. 12; BGH, Urt. v. 4.5.2017, I ZR 208/15 - Luftentfeuchter; KG, Urt. v. 19.10.2018, 5 U 175/17, B.V.3.c.bb.1 (WRP 2019, 92); KG, Beschl. v. 17.5.2021, 5 W 56/21, Tz. 18; KG Berlin, Beschl. v. 9.2.2022, 5 W 158/21, Tz. 25 f

KG, Urt. v. 19.10.2018, 5 U 175/17, B.V.3.c (WRP 2019, 92)

Entsprechende Handlungspflichten setzen nicht voraus, dass die Parteien eines Unterlassungsvertrags eine ausdrückliche Vereinbarung über eine Pflicht zur Beseitigung treffen. Bei einer Dauerhandlung ist die Nichtbeseitigung des Verletzungszustands gleichbedeutend mit der Fortsetzung der Verletzungshandlung.

Ebenso KG, Beschl. v. 17.5.2021, 5 W 56/21, Tz. 19

BGH, Beschl. v. 29.9.2016, I ZB 34/15, Tz.26

Auch wenn die den Unterlassungsanspruch begründende Verletzungshandlung keine Dauerhandlung des Schuldners ist, kann eine Verpflichtung zur Unterlassung oder Duldung einer Handlung die Verpflichtung zur Vornahme von Handlungen umfassen, wenn der Schuldner seiner Pflicht zur Unterlassung oder zur Duldung nur gerecht werden kann, wenn er neben der Unterlassung oder Duldung auch Handlungen vornimmt (BGH, Urt. v. 25.1.2007, I ZB 58/06, Tz. 18). … Auch wegen solcher, die titulierte Unterlassungspflicht lediglich ergänzender Handlungspflichten, die sich dem Unterlassungstitel bereits durch Auslegung entnehmen lassen, ist keine gesonderte Titulierung erforderlich (vgl. MünchKomm.ZPO/Gruber, 4. Aufl., § 890 Rn. 7).

Ebenso BGH, Beschl. v. 11.10.2017, I ZB 96/16, Tz. 20; KG, Urt. v. 19.10.2018, 5 U 175/17, B.V.3.c (WRP 2019, 92)

Ob Beseitigungsmaßnahmen möglich und zumutbar sind, kann im Erkenntnis-, aber auch erst im Vollstreckungsverfahren geprüft werden.

BGH, Beschl. v. 29.9.2016, I ZB 34/15, Tz. 29

Im Hinblick darauf, dass die Verpflichtung zur Unterlassung einer Handlung, durch die ein Störungszustand geschaffen wurde, mangels abweichender Anhaltspunkte regelmäßig die Verpflichtung zur Vornahme möglicher und zumutbarer Handlungen zur Beseitigung des Störungszustands umfasst, ist eine solche Prüfung im Erkenntnisverfahren entbehrlich, wenn der Schuldner nicht geltend macht, dass ihm die zur Beseitigung des Störungszustands nach Lage der Dinge erforderlichen Handlungen unmöglich oder unzumutbar sind. In einem solchen Fall kann die Prüfung, ob die fraglichen Handlungen den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit wahren, dem Vollstreckungsgericht überlassen bleiben.

Unterlassung kann auch bedeuten, dass auf Dritte eingewirkt wird.

BGH, Beschl. v. 11.10.2017, I ZB 96/16, Tz. 17

Das in einem Unterlassungstitel enthaltene Verbot verpflichtet den Schuldner außer zum Unterlassen weiterer Vertriebshandlungen auch dazu, aktiv Maßnahmen zu ergreifen, die den Weitervertrieb der rechtsverletzend aufgemachten Produkte verhindern. Diese Handlungspflicht des Schuldners beschränkt sich allerdings darauf, im Rahmen des Möglichen, Erforderlichen und Zumutbaren auf Dritte einzuwirken. Zudem gelten bei der Vollziehung einer einstweiligen Verfügung im Unterschied zur Vollstreckung eines Titels aus einem Hauptsacheverfahren Beschränkungen, die sich aus der Eigenart des Verfügungsverfahrens und aus den engen Voraussetzungen für die Vorwegnahme der Hauptsache sowie aus den im Verfügungsverfahren eingeschränkten Verteidigungsmöglichkeiten des Antragsgegners ergeben.

BGH, Beschl. v. 29.9.2016, I ZB 34/15, Tz. 30

Ist der Unterlassungsschuldner danach zur Vornahme von Handlungen verpflichtet, kann dies, die Verpflichtung umfassen, auf Dritte einzuwirken, um diese zu einem Tun oder einem Unterlassen anzuhalten. Der Schuldner eines Unterlassungsanspruchs hat zwar für das selbständige Handeln Dritter grundsätzlich nicht einzustehen. Er ist jedoch gehalten, auf Dritte, deren Handeln ihm wirtschaftlich zugutekommt, einzuwirken, wenn er mit einem Verstoß ernstlich rechnen muss und zudem rechtliche und tatsächliche Einflussmöglichkeiten auf das Verhalten der Dritten hat (vgl. BGH, GRUR 2014, 595 Rn. 26 - Vertragsstrafenklausel). Er ist verpflichtet, im Rahmen des Möglichen und Zumutbaren auf Dritte einzuwirken, soweit dies zur Beseitigung eines fortdauernden Störungszustands erforderlich ist (BGH, GRUR 2015, 258 Rn. 70 - CT-Paradies).

Ebenso BGH, Beschl. v. 12.7.2018, I ZB 86/17, Tz. 11; KG, Urt. v. 19.10.2018, 5 U 175/17, B.V.3.c (WRP 2019, 92); OLG Koblenz, Beschl. v. 28.1.2019, 9 W 648/18 (WRP 2019, 789); OLG Frankfurt, Beschl. v. 27.10.2020, 6 W 101/20 und 6 W 102/20; KG, Beschl. v. 17.5.2021, 5 W 56/21, Tz. 20

BGH, Beschl. v. 11.10.2017, I ZB 96/16, Tz. 26

Die Pflicht des Schuldners wird dabei durch das ihm Mögliche und Zumutbare nicht nur begründet, sondern auch begrenzt. Der Schuldner darf zwar einerseits nicht untätig bleiben, wenn und soweit die Auslegung des Unterlassungstitels eine Pflicht zum positiven Handeln ergibt. Er muss andererseits aber weder etwas tun, was zur Verhinderung weiterer Verletzungen nichts beiträgt und deswegen nicht erforderlich ist, noch muss er Maßnahmen der Störungsverhinderung oder -beseitigung ergreifen, die ihm - etwa gegenüber seinen Abnehmern, mit denen er in laufender Geschäftsbeziehung steht - in unverhältnismäßiger Weise zum Nachteil seiner gewerblichen Tätigkeit gereichen und deshalb unzumutbar sind.

Im Zusammenhang mit der Verwendung unwirksamer Einwilligungserklärungen in den Erhalt von E-Mail-Werbung führt der BGH aus:

BGH, Urt. v. 14.3.2017, VI ZR 721/15

Nach diesen Grundsätzen ist die Beklagte verpflichtet, für ihr eigenes Unternehmen und durch Einwirkung auf ihre Werbepartner für die Zukunft sicher zu stellen, dass Werbung für ihre Produkte an geschäftliche E-Mail-Adressen des Klägers nur versandt wird, wenn eine gesetzesmäßige Einwilligung vorliegt, es sei denn, der Ausnahmetatbestand des § 7 Abs. 3 UWG wäre erfüllt. Die dazu voraussichtlich erforderliche (Um)gestaltung der Anforderungen an wirksame Einwilligungen im Hause der Beklagten und bei ihren Werbepartnern kann nicht durch die Sperrung einzelner E-Mail-Adressen erreicht werden. Dem Einwand, dass die Umgestaltung der vertraglichen Bedingungen und damit wohl auch der entsprechenden Internetseiten derjenigen Anbieter, die sich die Einwilligungen erteilen lassen, einen erheblichen Aufwand bedeuten kann, ist nach dem Rechtsgedanken des § 275 Abs. 2 Satz 2 BGB entgegen zu halten, dass die Beklagte die Situation zu vertreten hat, deren Beseitigung sie als wirtschaftlich unzumutbar ansieht.

Zu den Pflichten eines Unternehmens bzw. des Geschäftsführers eines Unternehmens, das Produktbewertungen im Internet anbietet, die Tester dazu anzuhalten, darauf hinzuweisen, dass sie für ihre Bewertungen ein Entgelt erhalten, siehe OLG Frankfurt, Beschl. v. 27.10.2020, 6 W 101/20 und 6 W 102/20.

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Rückrufpflichten

BGH, Beschl. v. 29.9.2016, I ZB 34/15, Tz. 30

Ein Schuldner, dem gerichtlich untersagt worden ist, ein Produkt mit einer bestimmten Aufmachung zu vertreiben oder für ein Produkt mit bestimmten Angaben zu werben, muss grundsätzlich durch einen Rückruf des Produkts dafür sorgen, dass bereits ausgelieferte Produkte von seinen Abnehmern nicht weiter vertrieben werden.

OLG Hamburg, Beschl. v. 30.1.2017, 3 W 3/17

Der Bundesgerichtshof hat ... ausdrücklich klargestellt, dass sich eine Rückrufverpflichtung auch aus einem Werbeverbot ergeben kann. Vorliegend befindet sich der untersagte Aufdruck auf den Produkten. Durch die Auslieferung der Produkte mit dem untersagten Aufdruck hat die Schuldnerin die Gefahr begründet, dass der Einzelhandel die Produkte in ihrem Sortiment ausstellt und damit über die Produktverpackung gegenüber Kunden bewirbt. Sie hat auch die Gefahr begründet, dass diese unter Abbildung der streitgegenständlichen Produktverpackung im Internet und im Einzelhandel über Verkaufsständer beworben wird.

Es ist nicht erforderlich, dass der Unterlassungschuldner in diesem Fall einen rechtlichen Anspruch gegen den Dritten hat, der ihn in die Lage versetzt, den Dritten von einer Zuwiderhandlung abzuhalten.

BGH, Beschl. v. 29.9.2016, I ZB 34/15, Tz. 33

Auch wenn für die Schuldnerin nach Abwicklung der entsprechenden Kaufvorgänge keine rechtliche Handhabe bestand, von den Apotheken die Rückgabe der noch vorhandenen Produkte zu verlangen, war es ihr möglich und zumutbar, die Apotheken um Rückgabe der noch vorhandenen Produkte zu ersuchen. Nach den Feststellungen des Beschwerdegerichts kann nicht angenommen werden, dass eine entsprechende Aufforderung zur Rücklieferung offensichtlich keinen Erfolg gehabt hätte.

Anderer Ansicht noch OLG Frankfurt, Beschl. v. 19.9.2016, 6 W 74/16, II.1.a.aa

Diese Rechtsprechung wurde bekräftigt durch

BGH, Urt. v. 4.5.2017, I ZR 208/15, Tz. 32- Luftentfeuchter

Die Verpflichtung des Unterlassungsschuldners, bereits ausgelieferte und mit einer wettbewerbswidrigen Werbung versehene Produkte zurückzurufen, setzt nicht voraus, dass ihm gegen seine Abnehmer rechtlich durchsetzbare Ansprüche auf Unterlassung der Weiterveräußerung oder auf Rückgabe dieser Produkte zustehen. … Selbst wenn ein Rechtsanspruch fehlt, schließt dies nicht die Pflicht aus, einen Rückruf zumindest zu versuchen.

Ebenso BGH, Beschl. v. 11.10.2017, I ZB 96/16, Tz. 17

BGH, Beschl. v. 11.10.2017, I ZB 96/16, Tz. 25

Wenn der Schuldner nach dem Ergebnis der Auslegung des Unterlassungstitels verpflichtet ist, durch positives Tun Maßnahmen zur Beseitigung des fortdauernden Störungszustandes zu ergreifen und dabei auf Dritte einzuwirken, kommt es nicht darauf an, ob er entsprechende Ansprüche gegen die in Betracht kommenden Dritten hat. Der Schuldner eines Unterlassungsanspruchs hat zwar nicht für das selbständige Handeln Dritter einzustehen. Das entbindet ihn im Rahmen seiner durch Auslegung ermittelten positiven Handlungspflicht aber nicht davon, auf Dritte einzuwirken, deren Handeln ihm wirtschaftlich zugutekommt und bei denen er mit - gegebenenfalls weiteren - Verstößen ernstlich rechnen muss. Der Schuldner ist da-her verpflichtet, im Rahmen des Möglichen und Zumutbaren auf solche Personen einzuwirken. Mit Blick auf seine Einwirkungsmöglichkeiten auf den Dritten kommt es nur darauf an, ob der Schuldner rechtliche oder tatsächliche Einflussmöglichkeiten auf das Verhalten Dritter hat. Es reicht daher aus, wenn ihm eine tatsächliche Einwirkung möglich ist.

BGH, Beschl. v. 11.10.2017, I ZB 96/16, Tz. 33

Einen Erfolg des Rückrufs schuldet der Schuldner hingegen nicht. In vielen Fällen wird er gegenüber seinen Abnehmern keinen Anspruch auf Rückabwicklung des bereits geschehenen Vertriebs haben. Auch insoweit kann die Auslegung des Unterlassungstitels zu keiner Verpflichtung des Unterlassungsschuldners führen, die über das hinausgeht, was auf der Grundlage eines spezialgesetzlichen Rückrufanspruchs geschuldet ist.

Zum Verhältnis von Unterlassungsanspruch und Beseitigungsanspruch einschließlich einem Rückrufanspruch siehe BGH, Beschl. v. 11.10.2017, I ZB 96/16, Tz. 27 ff.

Besonderheiten ergeben sich wegen des Verbots der Vorwegnahme der Hauptsache bei einem Unterlassungsgebot im einstweiligen Verfügungsverfahren:

BGH, Beschl. v. 11.10.2017, I ZB 96/16, Tz. 34

Für den Fall der Vollstreckung aus einem in einem Verfügungsverfahren erlassenen Titel muss bei dessen Auslegung allerdings berücksichtigt werden, dass die Hauptsache durch eine einstweilige Verfügung nur unter besonderen, engen Voraussetzungen vorweggenommen werden darf und dass außerdem die Verteidigungsmöglichkeiten des Schuldners vor der Titulierung eingeschränkt sein können. Diese Besonderheiten des Verfügungsverfahrens sprechen dagegen, aus einer Unterlassungsverfügung zugleich eine Verpflichtung zum Rückruf abzuleiten. Eine entsprechende Auslegung kommt daher bei einem im Verfügungsverfahren ergangenen Unterlassungstitel nur beim Vorliegen besonderer Umstände in Betracht. Auch ohne das Vorliegen solcher Umstände ist es dem Schuldner, der von der Unterlassungsverfügung betroffene Waren bereits weiterveräußert hat, aber regelmäßig zuzumuten, die Abnehmer aufzufordern, die Waren vorläufig nicht weiterzuvertreiben.

Ebenso BGH, Beschl. v. 21.4.2022, I ZB 56/21, Tz. 18 ff (siehe unten)

BGH, Beschl. v. 11.10.2017, I ZB 96/16, Tz. 37

Der Unterlassungstitel kann dahin auszulegen sein, dass der Schuldner zwar Maßnahmen zu ergreifen hat, um auf Dritte zur Verhinderung weiterer Verletzungshandlungen einzuwirken, dass die insoweit geschuldeten Maßnahmen aber allein der Sicherung der Abwehransprüche des Gläubigers dienen, ohne ihn in diesen Ansprüchen abschließend zu befriedigen. Die Auslegung kann demnach zu begrenzten positiven Handlungspflichten in der Weise führen, dass eine Vorwegnahme der Hauptsache nicht droht, weil die geschuldeten Maßnahmen auf eine bloße Sicherung des Unterlassungsanspruchs gerichtet sind, so dass die engen Voraussetzungen einer Leistungsverfügung nicht erfüllt sein müssen.

Siehe dazu auch

OLG Frankfurt, Beschl. v. 1.8.2018, 6 W 53/18, II.2.b.bb

Die Information der Abnehmer (über das Verbot einer Produktaussage) ist nicht unter dem Gesichtspunkt der unzulässigen Vorwegnahme der Hauptsache unzumutbar. Zwar führt eine Information der Abnehmer insoweit zu einer endgültigen Befriedigung des Gläubigers; dies ist jedoch … für den Schuldner nicht übermäßig belastend, sondern vielmehr vergleichbar mit der auch im Eilverfahren zumutbaren Aufforderung an die Abnehmer, die Waren vorläufig nicht weiter zu vertreiben.

Bei Arzneimitteln reicht es nicht aus, die Produkte 'in Quarantäne' zu buchen und in der Lauertaxe 'außer Vertrieb' zu setzen, da damit nicht gesichert ist, dass die Abnehmer vom Vertriebsverbot Kenntnis erlangen (OLG Frankfurt, Beschl. v. 30.7.2018, 6 W 74/16).

Eine Rückrufpflicht besteht nicht, wenn die die rechtswidrige Angabe nicht mit der Ware direkt verbunden ist. In solchen Fällen wurde aus der Unterlassungspflicht auch keine Widerrufspflicht oder Informationspflicht abgeleitet. Zu einer irreführenden Angabe im Internet:

OLG Frankfurt, Urt. v. 23.11.2017, 6 U 197/16, II.1.b.dd.2

Anders als in den "Rückruffällen" besteht bei einer irreführenden Angabe auf einer Internetseite keine Fortwirkung dergestalt, dass rechtswidrig gekennzeichnete Produkte, also Gegenstände, die den Wettbewerbsverstoß verkörpern, im Umlauf sind. Eine Fortwirkung ist nur in der Weise vorstellbar, dass sich Kunden, die die Angabe gelesen haben, noch daran erinnern. Eines Widerrufs der irreführenden Werbeangabe gegenüber Kunden, die sie mutmaßlich zur Kenntnis genommen haben, bedarf es jedoch grundsätzlich nicht. Dies würde die Anforderungen aus der Unterlassungsverpflichtung überspannen. Insoweit kann auf die Grundsätze zum Beseitigungsanspruch zurückgegriffen werden. Ein Anspruch auf Widerruf setzt voraus, dass sich die Äußerung dem Gedächtnis Dritter derartig eingeprägt hat, dass sie in ihnen geistig fortlebt (Bornkamm in Köhler/Bornkamm, 35. Aufl., UWG, § 8 Rn. 1.114). Sie muss sich als stetig fortwirkende Quelle der Schädigung darstellen (BGHZ 57, 325, 327). Hierfür bedarf es konkreter Anhaltspunkte, dass ausnahmsweise die negativen Folgen der falschen Tatsachenangabe nicht allein dadurch aus der Welt geschaffen werden können, dass sie aus allen Werbemedien entfernt wird und der Schuldner sie nicht wiederholt. Zudem steht der Widerrufsanspruch unter dem Verhältnismäßigkeitsvorbehalt, der eine umfassende Interessenabwägung erfordert.

Mittlerweile ist das  OLG Frankfurt aber strenger, wenn es sich um eine Angabe handelt, die den Kern einer länger fortgesetzten Werbung enthält:

OLG Frankfurt, Beschl. v. 1.8.2018, 6 W 53/18, II.2.d.bb

Anders als in den Fällen, in denen die Rechtsverletzung dem Produkt "anhaftet", besteht bei einer irreführenden Angabe auf einer Internetseite keine Fortwirkung dergestalt, dass rechtswidrig gekennzeichnete Produkte, also Gegenstände, die den Wettbewerbsverstoß verkörpern, im Umlauf sind, sich somit die Rechtsverletzung manifestiert hat und dies fortwirkt. Eine Fortwirkung ist in derartigen Fällen nur in der Weise vorstellbar, dass sich Kunden, die die Angabe gelesen haben, noch daran erinnern. Eines Widerrufs der irreführenden Werbeangabe gegenüber Kunden, die sie mutmaßlich zur Kenntnis genommen haben, bedarf es jedoch grundsätzlich nicht. Dies würde die Anforderungen aus der Unterlassungsverpflichtung überspannen. Insoweit kann auf die Grundsätze zum Beseitigungsanspruch zurückgegriffen werden. Ein Anspruch auf Widerruf setzt voraus, dass sich die Äußerung dem Gedächtnis Dritter derartig eingeprägt hat, dass sie in ihnen geistig fortlebt. Sie muss sich als stetig fortwirkende Quelle der Schädigung darstellen. Hierfür bedarf es konkreter Anhaltspunkte, dass ausnahmsweise die negativen Folgen der falschen Tatsachenangabe nicht allein dadurch aus der Welt geschaffen werden können, dass sie aus allen Werbemedien entfernt wird und der Schuldner sie nicht wiederholt. Zudem steht der Widerrufsanspruch unter dem Verhältnismäßigkeitsvorbehalt, der eine umfassende Interessenabwägung erfordert.

Im Streitfall lebte die irreführende Angabe auf der Internetseite der Antragsgegnerin auch nach ihrer Entfernung im Gedächtnis Dritter geistig fort. Zwar sind produktbezogene Werbeangaben nach den Erfahrungen des Verkehrs eher kurzlebig sind und können sich ändern. Sie prägen sich in der Regel nicht dauerhaft ein. Indes handelt es sich hier nicht um eine beliebige Werbeangabe der Antragsgegnerin, sondern um den zentralen "unique selling point", der das Produkt der Antragsgegnerin von den meisten anderen Wettbewerbsprodukten unterscheiden soll, nämlich die Kennzeichnungsfreiheit, die für die Kunden eine ganz erhebliche Bedeutung in der Anwendung und der Ausstattung der mit dem Produkt arbeitenden Mitarbeiter hat. Der Antragsgegnerin kam es mit der angegriffenen Werbung auch gerade darauf an, "X" als kennzeichnungsfrei vorzustellen. Unter diesen Umständen musste die Schuldnerin davon ausgehen, dass Händler über einen längeren Zeitraum an Kunden die Bewerbung des Produkts weitergegeben haben. …

Die Antragsgegnerin war daher verpflichtet, den Markt darüber zu informieren, dass das Produkt nicht mehr mit "kennzeichnungsfrei" beworben werden durfte. Ihr war zuzumuten, jedenfalls die ihr bekannten Händler/Abnehmer über das Verbot der Werbung zu informieren.

OLG Koblenz, Beschl. v. 28.1.2019, 9 W 648/18 (WRP 2019, 789)

Vom Schuldner kann zur Unterbindung von Wettbewerbsverstößen beispielsweise verlangt werden, auf Dritte durch Belehrungen einzuwirken. Diesem Haftungsmodell liegt die Wertung zugrunde, dass ein Schuldner, der sich zur Erweiterung seiner Handlungsmöglichkeiten der Hilfe Dritter bedient, für das hierdurch gesteigerte Risiko von Störungen einstehen muss. Insoweit kann sich der Schuldner nicht darauf berufen, dass der Verstoß ohne sein Zutun erfolgt ist.

KG, Beschl. v. 17.5.2021, 5 W 56/21, Tz. 21

Erforderlich ist, auf die Mitarbeiter durch Belehrungen und Anordnungen einzuwirken, auf die Nachteile aus einem Verstoß sowohl hinsichtlich des Dienstverhältnisses als auch der Zwangsvollstreckung deutlich hinzuweisen, Rückmeldungen anzuordnen und zu kontrollieren sowie Sanktionen für die Nichteinhaltung der Anordnung anzudrohen. Die Belehrung hat grundsätzlich schriftlich zu erfolgen und muss auf die Nachteile aus einem Verstoß, sowohl hinsichtlich des Dienstverhältnisses (Kündigung) als auch aus der Zwangsvollstreckung hinweisen. Darüber hinaus müssen die Anordnungen auch streng überwacht und gegebenenfalls angedrohte Sanktionen wie Kündigungen auch verhängt werden, um die Durchsetzung von Anordnungen sicherzustellen.

Ebenso KG Berlin, Beschl. v. 9.2.2022, 5 W 158/21, Tz. 28

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Beseitigung von Inhalten im Internet

BGH, Beschl. v. 12.7.2018, I ZB 86/17, Tz. 15

Die Tätigkeit von Suchmaschinen, die Nutzer auf im Internet verfügbare Inhalte von Unternehmen hinweisen, die sich im Rahmen ihrer gewerblichen Betätigung des Internets bedienen, liegt im wirtschaftlichen Interesse dieser Unternehmen. … Die Aufnahme von xy in Internetsuchmaschinen kommt dem Schuldner wirtschaftlich zugute. Der Schuldner musste auch damit rechnen, dass der aus … gelöschte Beitrag durch Speicherung im Suchmaschinen-Cache bis zu dessen Aktualisierung verfügbar bleiben und es somit zu weiteren rechtsverletzenden Abrufen kommen würde.

BGH, Beschl. v. 12.7.2018, I ZB 86/17, Tz. 13

Der Schuldner war … verpflichtet, durch Einwirkung auf gängige Internetsuchmaschinen, insbesondere Google, sicherzustellen, dass der von ihm ... gelöschte Beitrag nicht weiter über diese Suchmaschinen infolge einer Speicherung dieses Beitrags in deren Cache erreichbar ist.

BGH, Beschl. v. 12.7.2018, I ZB 86/17, Tz. 17

Mit der Annahme einer Pflicht des Schuldners zur Einwirkung auf Internetsuchmaschinen soll der Perpetuierung der Rechtsverletzung durch den Abruf des Beitrags von nicht hinreichend aktualisierten Suchmaschinenspeichern entgegengewirkt werden, nachdem der Schuldner den Beitrag aus der … ursprünglichen Quelle gelöscht hat.

OLG München, Beschl. v. 26.4.2023, 29 W 1697/21, Tz. 10

Ein Unterlassungstitel verpflichtet den Schuldner auch, etwaige gegen den Titel verstoßende Cache-Inhalte zu löschen bzw. auf Dritte entsprechend einzuwirken, um sicherzustellen, dass die zu unterlassenden Aussagen auch durch die gängigen Internetsuchmaschinen nicht weiter – auch nicht über eine Cache-Speicherung – erreichbar bzw. abrufbar sind (BGH GRUR 2018, 1183 Rn. 13 – Wirbel um Bauschutt). Diese im Bereich der Unterlassungstitel in Bezug auf bestimmte Internetinhalte bestehende Pflicht, auch Cache-Inhalte zu prüfen und ggfs zu löschen bzw. dies durch Dritte zu veranlassen, entspricht ständiger Rechtsprechung. Ein Titelschuldner muss sich insofern auch darüber informieren, wie er seinen Pflichten aus einem Titel vollständig nachkommt. Er hat für Vorsatz und Fahrlässigkeit einzustehen. Auf einen vermeidbaren Verbotsirrtum kann sich der Schuldner nicht berufen (Köhler/Feddersen in Köhler/Bornkamm/Feddersen, 40. Aufl. 2022, UWG § 12 Rn. 5.7).

OLG Frankfurt, Urt. v. 22.8.2019, 6 U 83/19

Alleine das Entfernen der inkriminierten Seite von der eigenen Homepage ist zur Erfüllung einer Unterlassungspflicht nicht ausreichend. Vielmehr hätte sie Google zeitnah nach der Korrektur ihrer wettbewerbswidrigen Internetseite auffordern müssen, die Seite aus dem Suchindex und dem Cache zu entfernen, was die Erzeugung des Snippets … durch Google hätte verhindern können.

OLG Celle, Beschl. v. 21.8.2017, 13 W 45/17, Tz. 10

Der Schuldner hat durch geeignete Maßnahmen sicherzustellen hat, dass die durch die Unterlassungsverpflichtung betroffenen Inhalte seiner Webseite nicht mehr im Internet aufgerufen werden können, und zwar weder über die Webseite direkt noch über eine Internetsuchmaschine. Deshalb gehört es zu den Pflichten des Schuldners, nicht nur die betroffenen Inhalte durch Änderung oder Löschung der Webseite zu entfernen, sondern auch die Abrufbarkeit wenigstens über Google als die am häufigsten genutzte Suchmaschine im Internet auszuschließen. Dem Schuldner obliegt es dabei zu überprüfen, ob die auf seiner Webseite entfernten Inhalte bzw. die gelöschten Webseiten noch über die Trefferliste dieser Suchmaschine aufgerufen werden können. In diesem Fall muss der Schuldner gegenüber Google den Antrag auf Löschung im Google-Cache bzw. auf Entfernung der von seiner Webseite bereits gelöschten Inhalte stellen.

BGH, Beschl. v. 12.7.2018, I ZB 86/17, Tz. 19

Im Rahmen der Unterlassungsvollstreckung nach § 890 ZPO haftet der Schuldner grundsätzlich nicht für das selbständige Handeln Dritter. Eine Pflicht zur aktiven Einwirkung auf Dritte kommt nur in Betracht, wenn das Handeln des Dritten dem Schuldner wirtschaftlich zugutekommt. Diesem Haftungsmodell liegt die Wertung zugrunde, dass ein Schuldner, der sich zur Erweiterung seiner Handlungsmöglichkeiten der Hilfe Dritter bedient, für das hierdurch gesteigerte Risiko von Störungen einstehen muss. Dies gilt etwa in der Vertriebskette. Wer rechtsverletzend gekennzeichnete oder aufgemachte Produkte an Weiterverkäufer vertrieben hat, hat zur Erfüllung seiner Unterlassungspflicht diese Produkte regelmäßig zurückzurufen, um einer Fortsetzung des Störungszustands in Form des weiteren Vertriebs vorzubeugen.

OLG Oldenburg, Beschl. v. 12.7.2018, 6 W 45/18

Der Schuldner eines Unterlassungsanspruchs hat alles zu unternehmen, was im konkreten Fall erforderlich und zumutbar ist, um künftige Verletzungen des Gebots zu verhindern. Er hat insbesondere durch geeignete Maßnahmen sicherzustellen, dass die durch das Unterlassungsgebot betroffenen Inhalte seiner Website nicht mehr im Internet aufgerufen werden können, weder über die Website direkt noch über eine Internet Suchmaschine. Notfalls hat sich der Schuldner fachkundiger Hilfe zu bedienen, um dem Unterlassungsgebot zu genügen. Seine Verpflichtung umfasst dabei auch die Vornahme von Handlungen, wenn allein dadurch dem Unterlassungsgebot Folge geleistet werden kann. Da eine Zuwiderhandlung regelmäßig in einem Verhalten des Schuldners liegt und damit seiner Sphäre zuzuordnen ist, hat er darzulegen, welche Maßnahmen er ergriffen hat, um einen Verstoß gegen das titulierte Unterlassungsgebot zu verhindern und von ihm alles Erforderliche veranlasst wurde, um einen Verstoß auszuschließen.

OLG Celle, Beschl. v. 21.8.2017, 13 W 45/17, Tz. 11

Davon zu trennen ist die Frage, ob Veröffentlichungen durch Dritte im Internet dem Unterlassungsschuldner rechtlich zuzuordnen sind. Der Schuldner eines Unterlassungsanspruchs hat für das selbstständige Handeln Dritter grundsätzlich nicht einzustehen. Er ist jedoch gehalten, auf Dritte, deren Handeln ihm wirtschaftlich zugutekommt, einzuwirken, wenn er mit einem Verstoß ernstlich rechnen muss und zudem rechtliche und tatsächliche Einwirkungsmöglichkeiten auf das Verhalten der Dritten hat. Danach stellt nicht jedwedes Auftauchen eines früheren Verstoßes im Internet zwingend einen zurechenbaren Verstoß durch den Unterlassungsschuldner dar. Die eigenständige Übernahme von Aussagen, mit der der Unterlassungsschuldner nicht zu rechnen brauchte, hat er ebenso nicht zu vertreten wie eine von ihm nicht veranlasste oder unterstützte, nicht marktbezogene Weiterverbreitung.

OLG Celle, Beschl. v. 21.8.2017, 13 W 45/17, Tz. 14

Der Senat erachtet es selbst bei Annahme einer „internettypischen Gefahr“ (vgl. dazu BGH, Urt. v. 28.7.2015, VI ZR 340/14, Tz. 37) für nicht zumutbar, von dem Unterlassungsschuldner über den Ausschluss der Aufrufbarkeit der eigenen Webseite hinaus die anlassunabhängige Kontrolle der „gängigsten“ Videoportale zu fordern. Denn von einer solchen Kontrolle müsste konsequenterweise neben YouTube. auch eine Vielzahl anderer Kanäle und Social Media Plattformen wie Facebook und Instagram erfasst sein, wobei sowohl die Auswahl der zu prüfenden Webseiten als auch die dabei zu verwendenden Suchbegriffe kaum bestimmbar erscheinen. Insofern war die Antragsgegnerin vielmehr nach Auffassung des Senats erst verpflichtet, auf Hinweis des Betroffenen im Rahmen ihrer rechtlichen Möglichkeiten tätig zu werden und auf eine Löschung des von einem Dritten veröffentlichten Beitrags hinzuwirken.

Zur Verpflichtung, die Fortsetzung einer irreführenden Werbung durch einen Dritten, hier eines Hotelvermittlungsportals, zu verhindern:

KG, Urt. v. 19.10.2018, 5 U 175/17, B.V.3.c.bb.3 f (WRP 2019, 92)

Eine irreführende Werbung auf dem eigenen Internetauftritt … verursacht stets – wegen der nahe liegenden, erfolgten, aufrecht erhaltenen und weiter verbreiteten Übernahme solcher Angaben durch Dritte wie beispielsweise durch Betreiber von Suchmaschinen, Vermittlungs-, Bewertungs-, Vergleichsportalen oder Reiseportalen oder von Branchenverzeichnissen u. v. a. m. – einen dauerhaften, in die Zukunft gerichteten weitreichenden Internet-Störungszustand, dem allein durch die Beseitigung der betreffenden Angabe auf dem eigenen Internetauftritt nicht ansatzweise entgegen gewirkt wird. Wer hier einen durch die eigenen Angaben hervorgerufenen und ohne Gegenmaßnahmen fortwirkenden Störungszustand leugnet, verschließt die Augen vor den real existierenden, faktischen Gegebenheiten im kommerziellen Internet der Gegenwart.

Mit anderen Worten: Im Ausgangspunkt hat sich die beklagte Unterlassungsschuldnerin eines Mediums bedient, das ihr die grenzenlose Verbreitung ihrer Werbebotschaften erlaubt. Damit geht auch die grenzenlose Verbreitung rechtswidriger Inhalte einher. Indem die Beklagte die Vorteile dieser Verbreitungsform nutzt, hat sie auch die damit einhergehenden Nachteile zu tragen und die daraus resultierenden Gefahren zu beherrschen. Die in ihrer Sphäre entstandenen Gefahren für die Beeinträchtigung der Belange von Verbrauchern und Mitbewerbern hat sie zu beseitigen. Sie kann sich demgegenüber grundsätzlich nicht darauf berufen, dies sei mit einem unverhältnismäßigen Aufwand verbunden, und sie genügt ihrer Pflicht nur, wenn aus der Sicht eines objektiven Dritten an der Stelle des Unterlassungsschuldners damit zu rechnen ist, dass die ergriffenen Maßnahmen sicher dazu führen, dass sich die in der Vergangenheit von ihr gesetzte Gefahr einer erneuten oder fortbestehenden Verbreitung der unlauteren Aussage im Internet nicht verwirklichen wird

Die Beklagte war sonach aufgrund der von ihr übernommenen Unterlassungsverpflichtung zur Vermeidung wettbewerbswidriger Werbung gehalten, auf gängigen Buchungsportalen, deren Handeln ihr wirtschaftlich zugute kommt, nach unzulässiger Werbung selbstständig zu recherchieren und auf diese Portale so einzuwirken, dass eine wettbewerbsrechtlich unzulässige Sternewerbung nicht mehr erscheint.

Zur regelmäßigen Kontrolle, ob sich Inhalte in einem Angebot, bspw. bei Amazon nicht automatisch oder Zutun Dritter geändert haben:

OLG Frankfurt, Beschl, v. 18.3.2021, 6 W 8/18

Der erkennende Senat hat bereits in seiner Entscheidung vom 5.12.2019 unter Bezugnahme auf die Rechtsprechung des BGH (BGH GRUR 2016, 936 - Angebotsmanipulation bei Amazon) ausgeführt, dass durch die Möglichkeit der Veränderungen von Angeboten auf der Verkaufsplattform Amazon durch andere Händler die Gefahr besteht, dass ursprünglich richtige und zulässige Angebote durch Handlungen Dritter in rechtsverletzender Weise geändert werden. Deshalb sei dem Händler zuzumuten, ein über einen längeren Zeitraum eingestelltes Angebot regelmäßig darauf zu überprüfen, ob rechtsverletzende Änderungen vorgenommen worden sind (OLG Frankfurt am Main, Urteil vom 5.12.2019 - 6 U 182/18).

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Prozessuales

KG, Beschl. v. 17.5.2021, 5 W 56/21, Tz. 24

Einen Schuldner trifft im Grundsatz eine sekundäre Darlegungslast dazu, welche internen Maßnahmen er unternommen hat, um einen fortdauernden Störungszustand zu erkennen und zu beenden und die Missachtung des Titels durch die Mitarbeiter zu verhindern.

Ebenso KG Berlin, Beschl. v. 9.2.2022, 5 W 158/21, Tz. 29

Außerdem sollte der Schuldner möglichst bereits im Erkenntnisverfahren einwenden, dass bestimmte Handlungen, die sich aus der Unterlassungsverpflichtung ergeben, ihm nicht möglich oder zumutbar sind.

BGH, Beschl. v. 11.10.2017, I ZB 96/16, Tz. 21

Wenn sich der Schuldner im Erkenntnisverfahren nicht damit verteidigt hat, ihm sei die Beseitigung des Störungszustandes unmöglich oder unzumutbar, und sich hierzu aus dem Vorbringen des Gläubigers ebenfalls nichts ergibt, kann von dem Grundsatz abgewichen werden, dass die Frage, welche Beseitigungsmaßnahmen verhältnismäßig und geboten sind, im Erkenntnisverfahren geklärt werden muss.

BGH, Beschl. v. 11.10.2017, I ZB 96/16, Tz. 38

Die Auslegung des Unterlassungstitels zur Klärung der Frage, ob und in welchem Umfang dieser den Schuldner zugleich zu einem positiven Tun in Form eines Rückrufs verpflichtet, kann ausnahmsweise im Vollstreckungsverfahren erfolgen, wenn und soweit der Schuldner sich nicht schon im Erkenntnisverfahren damit verteidigt hat, ihm sei eine Einwirkung auf seine Abnehmer nicht zumutbar oder eine solche sei nicht erforderlich. Wenn eine einstweilige Verfügung ohne vorherige Anhörung des Antragsgegners ergangen ist, konnte dieser nicht zu der Frage Stellung nehmen, ob und wie er auf seine Abnehmer einwirken kann. Dementsprechend kommt es bei der Vollziehung einer Unterlassungsverfügung in besonderem Maße darauf an, ob und inwieweit die Parteien im Vollstreckungsverfahren darlegen können, inwiefern eine positive Handlungspflicht des Schuldners den Anspruch des Gläubigers lediglich sichert oder bereits befriedigt.

Wie der Schuldner drohende Verletzungshandlungen Dritter verhindert oder einen dauerhaften Störungszustand beseitigt, ist ihm überlassen:

BGH, Beschl. v. 11.10.2017, I ZB 96/16, Tz. 32

Die Auslegung des Unterlassungstitels kann nicht dazu führen, dass der Schuldner zu bestimmten Maßnahmen der Verhinderung weiterer Verletzungshandlungen Dritter oder zur Beseitigung eines fortdauernden Störungszustandes verpflichtet ist. Vielmehr bleibt es dem Schuldner überlassen, diejenige mögliche, erforderliche und zumutbare Vorgehensweise zu wählen, die im konkreten Einzelfall geeignet ist.

Weiteres zu diesem Thema hier.

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Kritik

Literatur: Pres, Sascha/Kufer, Christina, Das EuGH-Urteil mk advokaten/MBK Rechtsanwälte und die aktuelle Diskussion um Rückrufspflichten bei Unterlassungsansprüchen, WRP 2020, 1287

Die Rechtsprechung kann nach mehreren Entscheidungen des I. Zivilsenats des BGH als gefestigt angesehen werden. Allerdings ist durch die Entscheidung EuGH, Urt. v. 2.7.2020, C-648/19 - mk advokaten in einer Markenstreitigkeit und Beschlüsse des OLG Düsseldorf noch einmal Bewegung in die Sache gekommen.

EuGH, Urt. v. 2.7.2020, C-648/19 - mk advokaten

Art. 5 Abs. 1 der Richtlinie 2008/95/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 22. Oktober 2008 zur Angleichung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Marken ist dahingehend auszulegen, dass eine im geschäftlichen Verkehr auftretende Person, die auf einer Website eine Anzeige hat platzieren lassen, durch die eine Marke eines Dritten verletzt wird, das mit der Marke identische Zeichen nicht benutzt, wenn Betreiber anderer Websites diese Anzeige übernehmen, indem sie sie auf eigene Initiative und im eigenen Namen auf diesen anderen Websites veröffentlichen.

In OLG Düsseldorf, Beschl. v. 30.4.2018, I-15 W 9/18 setzt sich das Gericht eingehend mit der BGH-Rechtsprechung auseinander und lehnt sie insbesondere mit folgenden Argumenten ab:

  • Wenn vom Gläubiger kein Rückrufanspruch geltend gemacht wird, haben beide Parteien keine Veranlassung, im Erkenntnisverfahren die Voraussetzungen und Möglichkeiten eines Rückrufs zu thematisieren (Tz. 48);
  • bei den Abnehmern handelt es sich um rechtlich selbständige Unternehmen, deren Handeln nicht als Handeln der Schuldner oder Handeln, für das der Schuldner verantwortlich gemacht werden könnte, angesehen werden kann, weshalb auch nicht von einer Dauerverletzung ausgegangen werden könne (Tz. 51 ff);
  • Bei der BGH-Rechtsprechung bleibe kein eigener Anwendungsbereich für den Rückrufanspruch aus § 140a PatG, obwohl dieser - anders als der Unterlassungsanspruch - unter dem Vorbehalt der Verhältnismäßigkeit stehe. Die Differenzierung des BGH zwischen einer konkret drohenden Verletzungshandlung durch den Abnehmer (dann Unterlassungsanspruch) und der abstrakten Gefahr (dann Rückruf) findet im Gesetz keinen Anknüpfungspunkt (Tz. 56 ff);
  • es stehe dem Gläubiger frei, welche Rechtsfolgen er aus einer Verletzung ableiten wolle. Wenn er keinen Rückrufanspruch geltend mache, könne er den nicht über den Umweg des Unterlassungsanspruchs dann doch durchsetzen;
  • Der Rückrufanspruch des § 140a PatG könne - von sehr engen Ausnahmen abgesehen - nicht im einstweiligen Verfügungsverfahren geltend gemacht werden. Diese gesetzliche Vorgabe könne nicht durch die Rückrufpflicht über den Unterlassungsanspruch umgangen werden.

Dieser Auffassung hat sich der 20. Zivilsenat des OLG Düsseldorf angeschlossen (OLG Düsseldorf, Beschl. v. 14.2.2019, I-20 W 26/18 (WRP 2019, 637)). Der BGH hat diese Entscheidung aber aufgehoben und hält an seiner Rechtsauffassung fest (BGH, Beschl. v. 17.10.2019, I ZB 19/19; s.a. BGH, Beschl. v. 17.10.2019, I ZB 18/19). Diese Entscheidungen stammen aber aus einer Zeit vor der o.g. EuGH-Entscheidung. Darauf gestützt nun wieder das OLG Düsseldorf in einer Markenrechtsstreitigkeit:

OLG Düsseldorf, Beschl. v. 13.10.2020, 20 W 71/19

Vor dem Hintergrund des den Senat bindenden Urteils des Gerichtshofs kann die vom Landgericht unter Hinweis auf die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs vertretene Auffassung, der Markenverletzer sei grundsätzlich aufgrund eines bloßen Unterlassungstitels verpflichtet, von Dritten auf eigene Websites übernommene markenverletzende Inhalte zu beseitigen, auch wenn der Markenverletzer die Platzierung dieses Inhalts weder unmittelbar noch mittelbar beauftragt habe, nicht mehr aufrechterhalten werden.

Bestätigt durch OLG Düsseldorf, Beschl. v. 20.5.2023, 20 W 12/23

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Verstoß durch Verrichtungs- oder Erfüllungsgehilfen

Der Unterlassungsschuldner haftet nicht für das selbständige Handeln Dritter:

OLG Frankfurt, Beschl. v. 5.10.2017, 6 W 93/17, II.5

Der Antragsgegner eines Unterlassungsanspruchs hat für das selbständige Handeln Dritter grundsätzlich nicht einzustehen.

Ebenso KG Berlin, Beschl. v. 9.2.2022, 5 W 158/21, Tz. 27

Aber:

OLG Frankfurt, Beschl. v. 5.10.2017, 6 W 93/17, II.5

Der Antragsgegner eines Unterlassungsanspruchs ist gehalten, auf Dritte, deren Handeln ihm wirtschaftlich zugutekommt, einzuwirken, wenn er mit einem Verstoß ernstlich rechnen muss und zudem rechtliche und tatsächliche Einflussmöglichkeiten auf das Verhalten der Dritten.

Ebenso KG Berlin, Beschl. v. 9.2.2022, 5 W 158/21, Tz. 27

Der Unterlassungsschuldner haftet auch nicht nach § 278 BGB für Erfüllungsgehilfen.  Die Vorschrift gilt nur in vertraglichen Schuldverhältnissen, bspw. im Rahmen eines Unterlassungsvertrags, bei dem die Haftung eines Erfüllungsgehilfen nicht ausgeschlossen wurde.

Der Unterlassungsschuldner haftet aber für Verrichtungsgehilfen im Sinne des § 831 BGB.

§ 831 BGB Haftung für den Verrichtungsgehilfen

(1) Wer einen anderen zu einer Verrichtung bestellt, ist zum Ersatz des Schadens verpflichtet, den der andere in Ausführung der Verrichtung einem Dritten widerrechtlich zufügt. Die Ersatzpflicht tritt nicht ein, wenn der Geschäftsherr bei der Auswahl der bestellten Person und, sofern er Vorrichtungen oder Gerätschaften zu beschaffen oder die Ausführung der Verrichtung zu leiten hat, bei der Beschaffung oder der Leitung die im Verkehr erforderliche Sorgfalt beobachtet oder wenn der Schaden auch bei Anwendung dieser Sorgfalt entstanden sein würde.

(2) Die gleiche Verantwortlichkeit trifft denjenigen, welcher für den Geschäftsherrn die Besorgung eines der im Absatz 1 Satz 2 bezeichneten Geschäfte durch Vertrag übernimmt

Zu den Maßnahmen, die ein Schuldner ergreifen muss, um einen Verstoß durch ihm zuzurechnende Dritte zu verhindern, siehe hier.

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Verstoß durch verbundene Unternehmen

OLG Celle, Beschl. v. 22.11.2012, 13 W 95/12 (= WRP 2013, 388)

Das gegen eine bestimmte juristische Person ausgesprochene Unterlassungsgebot gilt nicht (allein) deshalb auch gegen eine andere juristische Person, weil beide die nämliche Person zum Geschäftsführer haben (Köhler in Köhler/Bornkamm, UWG, § 12 Rn. 6.6; Ahrens, Der Wettbewerbsprozess, Kap. 67 Rn. 29). Hat die Titelschuldnerin, die dieselbe Person zum Geschäftsführer hat wie die andere juristische Person, auf diese nicht zugleich auch rechtlich begründete Einwirkungsmöglichkeiten, fehlt es in aller Regel daran, dass sie das tatsächliche Handeln der anderen juristischen Person beeinflussen kann (vgl. dazu OLG Frankfurt, Beschl. v. 17.3.1997, 11 W 4/97).

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Wiederholter Verstoß/Doppelbestrafung

Für jeden Fall der Zuwiderhandlung kann ein neues Ordnungsmittel verhängt werden. Wird ein neuer Verstoß begangen, kann ein neuer Ordnungsmittelantrag gestellt werden. Verstöße, die zeitlich vor einem Ordnungsmittel begangen wurden, aber nicht Gegenstand des Ordnungsmittelantrags sind, können zum Gegenstand eines neuen Ordnungsmittelantrags gemacht werden.

Einschränkend dazu aber

OLG Brandenburg. Beschl. v. 2.6.2023, 7 W 61/23 (GRUR-RR 2023, 392)

Ein schutzwürdiges Interesse an einer wiederholten Festsetzung ist nur dann gegeben, wenn das zuvor angeordnete Ordnungsgeld entweder gezahlt oder vollstreckt ist (vgl. zu § 888 ZPO: BGH NJW 2019, 231 Rn. 17). Ob dies allgemein für alle Unterlassungsvollstreckungen gelten kann, braucht hier nicht entschieden zu werden. Viel spricht dafür, in Fallkonstellationen, in denen der Schuldner das Verhalten, das er zu unterlassen hat, durch die Betätigung stets neuer, weiterer Entschlüsse erneut und wiederholt ins Werk setzt, erneute Ordnungsmittelanträge vor allem unter dem Gesichtspunkt der Handlungseinheit (vormals: des Fortsetzungszusammenhangs) zu beurteilen.

Jedenfalls dann, wenn der Schuldner das ihm Abverlangte, das als Unterlassungspflicht oder Handlungsverbot tituliert ist, nur durch tätiges Handeln erfüllen kann, wenn also bloßes Nichtstun nicht ausreicht, um die titulierte Pflicht zu erfüllen, steht der Beugecharakter so gewichtig neben dem Strafzweck, dass es der Auflehnung gegen eine Vollstreckung bedarf, um eine erneute Vollstreckung rechtfertigen zu können. Eine ergänzende oder sogar gleichgewichtige Handlungspflicht folgt aus einer titulierten Unterlassungspflicht, wenn der Schuldner sich bereits vor der Verurteilung so verhalten hat, wie es ihm mit dem Titel verboten wird, und er dadurch einen andauernden Zustand geschaffen hat, den zu beenden er verpflichtet ist. Die Handlungspflicht richtet sich dann kraft des Unterlassungstitels darauf, den bestehenden, fortdauernden Störungszustand abzustellen, also das zu tun, was erforderlich ist, um die Störung oder Rechtsverletzung zu beenden. ...

Ordnungsmittel, die den Schuldner treffen, weil er noch immer nicht dafür gesorgt hat, dass die Rechtsbeeinträchtigung der Gläubigerin endet, bestrafen den Schuldner für sein Nichttun, und sie dienen mit mindestens gleichem Gewicht dazu, den Schuldner zu veranlassen, nun – endlich – tätig zu werden. Diesen beugenden, zwingenden Zweck kann der Schuldner der Vollstreckung des Ordnungsmittels entnehmen, nicht bereits dem Antrag oder der Festsetzung, die er für rechtswidrig halten und mit dem verfahrensgemäßen Rechtsmittel anfechten darf. Widersetzt er sich trotz vollstreckten Ordnungsmittels dem titulierten Verbot durch fortgesetzte Untätigkeit, so besteht – erst dann – ein schutzwürdiges Interesse der Gläubigerin an erneuter Vollstreckung.

Ein Ordnungsmittel für einen Verstoß darf nicht mehrfach verhängt werden. Es gilt das Verbot des ne bis in idem (nicht zweimal für dasselbe).

BGH, Beschluss vom 21. April 2022, I ZB 56/21, Tz. 16

Da das Ordnungsmittel für den Betroffenen strafähnliche Wirkung hat, muss seine Verhängung grundlegenden strafrechtlichen Prinzipien genügen. ... Eine direkte Anwendung des in Art. 103 Abs. 3 GG vorgesehenen Doppelbestrafungsverbots kommt allerdings nicht in Betracht, weil es bei der Verhängung von Ordnungsmitteln nicht um die Bestrafung derselben Tat "aufgrund der allgemeinen Strafgesetze", das heißt der Kriminalstrafgesetze, geht (vgl. BVerfGE 43, 101 [juris Rn. 24]; BGH, Urt. v. 5.2.1998, III ZR 103/97; ...). Bei der Festsetzung von Ordnungsmitteln, die sich von der strafrechtlichen Ahndung dadurch unterscheidet, dass sie auch Zwangsmittel ist und zur Sicherung der Durchsetzung des titulierten Anspruchs wiederholt vorgenommen werden kann, kommt es für die Beurteilung, ob ein Verstoß gegen das aus dem Rechtsstaatsprinzip (Art. 20 Abs. 3 GG) abzuleitende außerstrafrechtliche Doppelahndungsverbot vorliegt, darauf an, ob die wiederholte Festsetzung eines Ordnungsmittels als evident ungerecht anzusehen ist, weil der Gegenstand einer späteren Festsetzung mit dem einer früheren nach Anlass, Ziel und Zweck der beanstandeten Maßnahme in allen Einzelheiten identisch ist (vgl. BVerfG, Beschl. v. 3.8.1989, 1 BvR 1194/88, [juris Rn. 11]).

Deshalb muss bei einem wiederholten oder nachgeholten Ordnungsmittelantrag geprüft werden, ob der beanstandete Verstoß mit dem früher beanstandeten Verstoß nicht als eine Handlung (dazu siehe hier) anzusehen ist.

OLG Frankfurt, Beschl. v. 18.4.2016, 6 W 13/16, II.1

Die in § 890 ZPO normierten Ordnungsmittel sollen den Schuldner zu rechtstreuem Verhalten bewegen und bisherige Verstöße sanktionieren (vgl. Zöller-Stöber, ZPO, 31. Aufl., Rn 5 zu § 890 ZPO). ... Sind im ersten Ordnungsmittelbeschluss mehrere Einzelverstöße geahndet worden, die sich unter dem Gesichtspunkt der natürlichen oder rechtlichen Handlungseinheit als Teilakte einer einheitlichen Zuwiderhandlung darstellen, erfasst der mit dem Ordnungsmittelbeschluss verbundene "Sanktionsverbrauch" auch alle weiteren Teilakte dieser einheitlichen Zuwiderhandlung; dies gilt unabhängig davon, ob die weiteren Teilakte dem Unterlassungsgläubiger oder dem Gericht bei Erlass des Ordnungsmittelbeschlusses bekannt waren oder bekannt sein konnten. Dieser "Sanktionsverbrauch" endet erst mit der Zustellung des Ordnungsmittelbeschlusses an den Schuldner.

Auch nach dem rechtskräftigen Urteil in einem Klageverfahren können und einem sich daran anschließenden Ordnungsmittelverfahrens wegen eines Verstoßes gegen das Urteil im Klageverfahren können nachträglich noch Ordnungsmittels wegen des Verstoßes gegen eine vorausgegangene einstweilige Verfügung beantragt werden.

BGH, Beschl. v. 21.4.2022, I ZB 56/21, Tz. 18 ff, 22

Gegen eine Identität des Gegenstands der Ordnungsmittelfestsetzung auf der Grundlage von Hauptsachetitel einerseits und einstweiliger Verfügung andererseits spricht der jeweils unterschiedliche Pflichteninhalt.

Bei einer Handlung, die einen fortdauernden Störungszustand geschaffen hat, ist der die Handlung verbietende Unterlassungstitel mangels abweichender Anhaltspunkte regelmäßig dahin auszulegen, dass er außer zur Unterlassung derartiger Handlungen auch zur Vornahme möglicher und zumutbarer Handlungen zur Beseitigung des Störungszustands verpflichtet. Eine Unterlassungsverpflichtung erschöpft sich insbesondere dann nicht in einem bloßen Nichtstun, sondern umfasst auch die Pflicht zur Vornahme von Handlungen zur Beseitigung eines zuvor geschaffenen Störungszustands, wenn dem Unterlassungsgebot allein dadurch entsprochen werden kann. Sind rechtsverletzend gekennzeichnete oder aufgemachte Produkte bereits weiter vertrieben worden, beinhaltet die Unterlassungspflicht neben der Einstellung des weiteren Vertriebs regelmäßig auch den Rückruf der bereits gelieferten Produkte.

Bei der Vollziehung einer einstweiligen Verfügung gelten im Unterschied zur Vollstreckung eines Titels aus einem Hauptsacheverfahren allerdings Beschränkungen, die sich aus der Eigenart des Verfügungsverfahrens und aus den engen Voraussetzungen für die Vorwegnahme der Hauptsache sowie aus den im Verfügungsverfahren eingeschränkten Verteidigungsmöglichkeiten des Antragsgegners ergeben (BGH, GRUR 2018, 292 [juris Rn. 17]; BGH, Beschl. v. 17.10.2019, I ZB 19/19, Tz. 15). Die Annahme einer Verpflichtung zum Rückruf, die einer Vorwegnahme der Hauptsache gleichkäme, kommt im Falle eines Schuldners, der rechtsverletzend gekennzeichnete oder aufgemachte Ware vor Erlass und Zustellung einer Unterlassungsverfügung vertrieben hat, regelmäßig nicht in Betracht, weil es an der für die Zulässigkeit einer Vorwegnahme der Hauptsache im Eilverfahren nötigen besonderen Dringlichkeit und einem deutlichen Überwiegen der Gläubigerinteressen an der sofortigen Anspruchsdurchsetzung in dieser Konstellation typischerweise fehlt (BGH, GRUR 2018, 292 [juris Rn. 35 f.]). Hingegen kann dem Schuldner, gegen den eine einstweilige Unterlassungsverfügung ergangen ist, regelmäßig abverlangt werden, seine Abnehmer aufzufordern, die erhaltenen Waren im Hinblick auf die einstweilige Verfügung vorläufig nicht weiterzuvertreiben, weil ein solches Verlangen lediglich der Sicherung des Unterlassungsanspruchs dient, ohne die Hauptsache vorwegzunehmen. ...

Gegen die Annahme einer Identität der Vollstreckungsmaßnahmen spricht weiter, dass Hauptsachetitel und einstweilige Verfügung als Vollstreckungsgrundlage auch einen unterschiedlichen zeitlichen Anwendungsbereich haben.

BGH, Beschl. v. 21.4.2022, I ZB 56/21, Tz. 27

Die einstweilige Verfügung behält auch nach Erlass eines inhaltlich identischen Unterlassungstitels in der Hauptsache als Vollstreckungsgrundlage für Zuwiderhandlungen, die vor dem Eintritt der Vollstreckbarkeit des Hauptsachetitels begangen worden sind, eigenständige Bedeutung.

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Zeitpunkt des Verstoßes

Ab wann ein gerichtliches Verbot zu beachten ist, hängt von verschiedenen Umständen ab.

  • Ein Unterlassungsgebot, das in einem Klageverfahren ausgesprochen wird, ist erst zu beachten, wenn es rechtskräftig ist oder wenn der Kläger die für die Durchsetzung des Unterlassungsgebotes erforderliche Sicherheitsleistung erbracht hat.
  • Ein Unterlassungsgebot, das in einem einstweiligen Verfügungsverfahren ausgesprochen wird, ist zu beachten, sobald es dem Schuldner ordnungsgemäß zugestellt wird. Die Hinterlegung einer Sicherheitsleistung und die Zustellung eines Nachweises, dass die Sicherheitsleistung erbracht wurde, ist in diesem Falle nur erforderlich, wenn das Gericht eine entsprechende Sicherheitsleistung anordnet.

Ein schuldhaftes Verhalten soll aber auch bereits vor der Zustellung der einstweiligen Verfügung vorliegen können, wenn der Schuldner das Verbot kannte oder fahrlässig nicht kannte.

OLG Hamm, Beschl. v. 28.8.2007, 4 W 48/07

Verstößt der Unterlassungsschuldner nach Androhung des Ordnungsmittels, jedoch vor Zustellung des Titels und der Androhung gegen das Unterlassungsgebot, liegt eine schuldhafte Zuwiderhandlung vor, wenn er das Verbot und die Androhung kannte oder schuldhaft nicht kannte. Letzteres ist immer dann anzunehmen, wenn im Anschluss an dem von seinem Parteienvertreter wahrgenommenen Verhandlungstermin eine Entscheidung über den gestellten Eilantrag unmittelbar zu erwarten war und das Ergebnis und die Entscheidung jedenfalls abgefragt werden konnten. Das Verschulden des Unterlassungsschuldners wird nicht dadurch ausgeschlossen, dass der Prozessbevollmächtigte den Erhalt des Terminsprotokolls abwartet.

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Relevanz des Verstoßes

Für die Bestrafung als solche ist es unerheblich, welches Gewicht ein Verstoß hat und ob das Verhalten für die geschäftliche Entscheidung des Verbrauchers relevant ist. Für den Fall eines Verstoßes gegen eine Unterlassungserklärung:

OLG Düsseldorf, Urt. v. 3.9.2015, I-15 U 119/14, Tz. 91

Die Verwirkung der Vertragsstrafe setzt ohne eine ausdrückliche oder konkludente Einschränkung der Unterwerfungserklärung nicht voraus, dass der Verstoß gegen das Unterlassungsgebot geeignet ist, den Wettbewerb auf dem relevanten Markt wesentlich zu beeinträchtigen (BGH GRUR 2010, 167 – Unrichtige Aufsichtsbehörde).

Die Schwere des Verstoßes kann aber Einfluss auf die Höhe der Strafe haben.

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Zitiervorschlag zur aktuellen Seite

Omsels, Online-Kommentar zum UWG:

http://www.webcitation.org/76OVrMA2K