Ihr Rechtsanwalt im Wettbewerbsrecht
Dr. Hermann-Josef Omsels*

Eine Darstellung des Gesetzes gegen den unlauteren Wettbewerb und wettbewerbsrechtlicher Nebengesetze



 


 

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international

Lit.: Ahrens, Hans-Jürgen, Internationale Zuständigkeit für Äußerungsdelikte im Wettbewerb, WRP 2018, 17

Bei der  internationalen Zuständigkeit geht es um die Frage, ob ein deutsches Gericht im Verhältnis zu Gerichten anderer Staaten für die Entscheidung des Rechtsstreit zuständig ist. Daran können bei beklagten Unternehmen, sie Ihren Sitz im Ausland haben oder bei Handlungen aus dem Ausland durchaus Zweifel bestehen. Von der Zuständigkeit der Gerichte ist die Frage zu unterscheiden, welches Recht auf einen Sachverhalt angewendet werden muss. Dazu hier.

Maßgeblich sind die Brüssel-I-Verordnung, das Lugano-Abkommen und außerhalb des Anwendungsbereichs dieser Normenwerke die allgemeinen Regeln zur internationalen Zuständigkeit von Gerichten.

VO (EU) Nr. 1215/2012 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 12. Dezember 2012 über die gerichtliche Zuständigkeit und die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen (= Brüssel-Ia-Verordnung; Nachfolger der Verordnung (EG) Nr. 44/2001 über die gerichtliche Zuständigkeit und die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen

S.a. unten Lugano-Übereinkommen und sonstigen Vorschriften. Zum Brexit siehe OLG Brandenburg, Urt. v. 17.10.2023, 6 U 79/22, II.2.b

BGH, Urt. v. 23.1.2024, I ZR 147/22, Tz. 10 – chalk in it

Soweit keine vorrangigen Bestimmungen über die internationale Zuständigkeit bestehen, regeln die Vorschriften über die örtliche Zuständigkeit mittelbar auch die Grenzziehung zwischen der Zuständigkeit deutscher und ausländischer Gerichte.

Die internationale Zuständigkeit deutscher Gerichte muss als Zulässigkeitsvoraussetzung in allen Instanzen geprüft werden.

OLG Frankfurt, Urt. v. 14.2.2019, 6 U 3/18, II.A.2.b

Im Gegensatz zur örtlichen und sachlichen Zuständigkeit nach § 513 Abs. 2 ZPO kann die Berufung darauf gestützt werden, dass das Gericht erster Instanz zu Unrecht seine internationale Zuständigkeit angenommen hat (BGH NJW 2004, 1456 [BGH 16.12.2003 - XI ZR 474/02]).

1. Verordnungstext (Art. 7 Nr. 2 EuGVVO / Brüssel Ia-VO = Art. 5 Nr. 3 EuGVÜ/Brüssel I-VO)

2. Unerlaubte Handlung

2. Zu Art. 7 Nr. 2 Brüssel-Ia (Art. 5 Nr. 3 EuGVÜ) im Wettbewerbsrecht

3. Hintergrund zu Art. 7 Nr. 2 Brüssel-Ia (Art. 5 Nr. 3 EuGVÜ)

4. Ort, an dem das schädigende Ereignis eingetreten ist oder einzutreten droht

a. Ort der Verwirklichung des Schadenserfolgs

b. Ort des für den Schaden ursächlichen Geschehens

5. Lugano Übereinkommen

6. Sitz in Drittstaaten

7. Eilmaßnahmen

Verordnungstext (Art. 7 Nr. 2 EuGVVO/Brüssel Ia-VO)

Innerhalb der EU ist aktuell maßgeblich Art. 7 Nr. 2 der VO Nr. 1215/2012 über die gerichtliche Zuständigkeit und die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen (= Brüssel-Ia), der den identischen Art. 5 Nr. 3 der Verordnung 44/2001 des Rates über die gerichtliche Zuständigkeit und die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen (Brüssel-I / EuGGVO) ablöste. Die Rechtsprechung zu Art. 5 Nr. 3 Brüssel I kann auf Art. 7 Nr. 2 Brüssel-Ia übertragen werden.

Art. 7

Eine Person, die ihren Wohnsitz im Hoheitsgebiet eines Mitgliedstaats hat, kann in einem anderen Mitgliedstaat verklagt werden:

Nr. 2 wenn eine unerlaubte Handlung oder eine Handlung, die einer unerlaubten Handlung gleichgestellt ist, oder wenn Ansprüche aus einer solchen Handlung den Gegenstand des Verfahrens bilden, vor dem Gericht des Ortes, an dem das schädigende Ereignis eingetreten ist oder einzutreten droht

Art. 7 Nr. 2findet nur Anwendung, soweit die Vorschrift nicht durch speziellere Regelungen verdrängt wird, z.B. bei parallelen Ansprüchen aus Vertrag.

OLG Hamburg, Urt. v. 4.4.2022, 15 U 18/22

Diese Norm greift jedoch nicht, weil die Antragstellerin ungeachtet der auf § 4 Nr. 4 UWG und damit den Vorwurf einer unerlaubten Handlung gestützten Begründung des Verfügungsantrages einen Anspruch aus einem Vertrag im Sinne von Art. 7 Nr. 1 lit. a EuGVVO geltend macht. Damit ist Art. 7 Nr. 2 EuGVVO gesperrt. Die Gerichtsstände des Art. 7 Nr. 1 und Art. 7 Nr. 2 EuGVVO schließen sich gegenseitig aus, wobei im Verhältnis dieser Gerichtsstände zueinander Art. 7 Nr. 2 EuGVVO nach der Diktion des EuGH als Auffangtatbestand fungiert. Dabei sind die in Art. 7 Nr. 1 EuGVVO verwendeten Begriffe „Vertrag“ und „Ansprüche aus einem Vertrag“ gemäß der ständigen Rechtsprechung des EuGH autonom nach europäischen Maßstäben auszulegen und nicht nach den Maßstäben des in der Sache anwendbaren nationalen Rechts.

Nach der zur Frage der Abgrenzung von Nr. 1 und 2 des Art. 7 EuGVVO grundlegenden EuGH-Entscheidung „Brogsitter“ können Klagen wegen zivilrechtlicher Haftung, die nach nationalem Recht deliktsrechtlicher Natur sind, gleichwohl an einen „Vertrag oder Ansprüche aus einem Vertrag“ i.S.v. Art. 5 Nr. 1 lit. a EuGVVO a.F./Art. 7 Nr. 1 EuGVVO n.F. anknüpfen (EuGH, Urt. v. 13.3.2014, C-548/12 –  Leitsatz sowie  Rn. 23 ff.). Dabei kommt es darauf an, ob das vorgeworfene Verhalten als Verstoß gegen die vertraglichen Verpflichtungen angesehen werden kann, wie sie sich anhand des Vertragsgegenstands ermitteln lassen. Dies wiederum ist der Fall, „wenn eine Auslegung des Vertrags unerlässlich erscheint“, um zu klären, ob das vorgeworfene Verhalten rechtmäßig oder rechtswidrig ist.

Außerhalb von Brüssel-Ia gilt - zwischen den Vertragsstaaten - Art. 5 Nr. 3 Lugano-Übereinkommen, der den gleichen Anwendungsbereich wie Brüssel-Ia hat. Dazu siehe hier.

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Unerlaubte Handlung

EuGH, Urt. v. 24.11.2020, C-59/16, Tz. 23 – Wikingerhof

Die Wendung „unerlaubte Handlung oder Handlung, die einer unerlaubten Handlung gleichgestellt ist, oder Ansprüche aus einer solchen Handlung“ im Sinne von Art. 7 Nr. 2 der Verordnung Nr. 1215/2012 bezieht sich auf jede Klage, mit der eine Schadenshaftung des Beklagten geltend gemacht werden soll und die nicht an einen „Vertrag oder Ansprüche aus einem Vertrag“ im Sinne von Art. 7 Nr. 1 Buchst. a der Verordnung anknüpft, d. h. nicht auf eine rechtliche Verpflichtung gestützt ist, die eine Person gegenüber einer anderen freiwillig eingegangen ist.

EuGH, Urt. v. 24.11.2020, C-59/16, Tz. 33 – Wikingerhof

Beruft sich der Kläger in seiner Klageschrift auf die Regeln über die Haftung aus unerlaubter Handlung oder einer Handlung, die einer unerlaubten Handlung gleichgestellt ist, d. h. auf einen Verstoß gegen eine gesetzliche Verpflichtung, und erscheint es nicht unerlässlich, den Inhalt eines mit dem Beklagten geschlossenen Vertrags zu prüfen, um zu beurteilen, ob das diesem vorgeworfene Verhalten rechtmäßig oder rechtswidrig ist, da diese Verpflichtung des Beklagten unabhängig von diesem Vertrag besteht, so bilden eine unerlaubte Handlung oder eine Handlung, die einer unerlaubten Handlung gleichgestellt ist, oder Ansprüche aus einer solchen Handlung den Gegenstand der Klage im Sinne von Art. 7 Nr. 2 der Verordnung Nr. 1215/2012.

BGH, Urt. v. 23.1.2024, I ZR 147/22, Tz. 11 – chalk in it

Bei der Auslegung des § 14 Abs. 2 Satz 2 UWG ist die Parallele zur allgemeineren Regelung des § 32 ZPO zu berücksichtigen, nach der für Klagen aus unerlaubten Handlungen das Gericht zuständig ist, in dessen Bezirk die Handlung begangen ist. Unter Übertragung der zu § 32 ZPO ergangenen Rechtsprechung ist eine Zuwiderhandlung im Sinn von § 14 Abs. 2 Satz 2 UWG sowohl am Handlungsort als auch am Erfolgsort begangen, so dass eine Zuständigkeit wahlweise dort gegeben ist, wo die Verletzungshandlung begangen oder in das Rechtsgut eingegriffen worden ist. Der Erfolgsort liegt im Fall von Wettbewerbsverletzungen im Internet im Inland, wenn sich der Internetauftritt bestimmungsgemäß auf den inländischen Markt auswirken soll. Zur Begründung der Zuständigkeit reicht die schlüssige Behauptung von Tatsachen aus, auf deren Grundlage sich eine im Gerichtsbezirk begangene Verletzungshandlung ergibt.

Zu einem englischsprachigen Video auf einem Instagram-Account einer in den USA ansässigen Person (Betroffenheit in Deutschland bejaht; BGH, Urt. v. 23.1.2024, I ZR 147/22, Tz. 13 – chalk in it).

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Zu Art. 7 Nr. 2 Brüssel Ia (Art. 5 Nr. 3 Brüssel-I) im Wettbewerbsrecht

EuGH, Urt. v. 22.1.2015, C-441/13, Tz. 32f - Hejduk/EnergieAgentur

Aus der Rechtsprechung des Gerichtshofs ergibt sich, dass Art. 5 Nr. 3 der Verordnung Nr. 44/2001 … nicht verlangt, dass die fragliche Website auf den Mitgliedstaat des angerufenen Gerichts „ausgerichtet“ ist.

Daher ist es für die Bestimmung des Ortes der Verwirklichung des Schadenserfolgs zur Feststellung der gerichtlichen Zuständigkeit nach Art. 5 Nr. 3 der Verordnung Nr. 44/2001 unerheblich, dass die im Ausgangsverfahren in Rede stehende Website nicht für den Mitgliedstaat des vorlegenden Gerichts bestimmt ist.

BGH, Urt. v. 27.11.2014, I ZR 1/11, Tz. 25 f – Parfumflakon III

Gemäß Art. 5 Nr. 3 Brüssel-I-VO kann eine Person, die ihren Wohnsitz im Hoheitsgebiet eines Mitgliedstaates hat, in einem anderen Mitgliedstaat vor dem Gericht des Ortes verklagt werden, an dem das schädigende Ereignis eingetreten ist oder einzutreten droht, wenn eine unerlaubte Handlung oder eine Handlung, die einer unerlaubten Handlung gleichsteht, oder wenn Ansprüche aus einer solchen Handlung den Gegenstand des Verfahrens bilden. Der Gerichtsstand hängt nicht davon ab, dass tatsächlich eine Verletzung des nationalen Rechts erfolgt ist. Es reicht aus, dass eine Verletzung behauptet wird und diese nicht von vornherein ausgeschlossen werden kann (BGH, GRUR 2012, 621 Rn. 18 - OSCAR, mwN). Ob tatsächlich ein schädigendes Ereignis eingetreten ist oder einzutreten droht, ist eine Frage der Begründetheit der Klage, die vom zuständigen Gericht anhand des anwendbaren nationalen Rechts zu prüfen ist (vgl. EuGH, Urt. v. 3.4.2014, C-387/12, Tz. 20 f. - Hi Hotel/Spoering).

ebenso BGH, Urt. v. 29.9.2016, I ZR 160/15, Tz. 14 - Servicepauschale

... Erfasst werden neben Ansprüchen auf Geldersatz, Unterlassung und Beseitigung auch Nebenansprüche auf Auskunft.

S.a. KG, Urt. v. 29.9.2015, 5 U 16/14 (MD 2016, 23)

KG Berlin, Urt. v. 27.11.2015, 5 U 20/14, I.1.a

Unter die Zuständigkeit des Gerichtsstands der unerlaubten Handlung nach dieser Vorschrift fallen auch Klagen aufgrund unerlaubter Wettbewerbshandlungen (vergleiche BGH, GRUR 2006, 513 Tz. 21 - Arzneimittelwerbung im Internet). Auf diese Vorschrift können auch vorbeugende Unterlassungsklagen gestützt werden ("… oder einzutreten droht", Zöller/Geimer, ZPO, 30. Auflage, Anh I, Art. 5 EuGVVO Rn. 25).

Zur Vorgängervorschrift von Art. 5 Nr. 3 der Brüssel-I-Verordnung in der EuGVÜ

BGH, Urt. v. 24.2.2005, I ZR 101/02, III.1 - Vitamin-Zell-Komplex

Art. 5 Nr. 3 EuGVÜ gilt auch für Klagen aufgrund unerlaubter Wettbewerbshandlungen.

Ebenso BGH, Urt. v. 29.9.2016, I ZR 160/15, Tz. 15 - Servicepauschale; OLG Frankfurt, Urt. v. 14.2.2019, 6 U 3/18, II.A.2.b; OLG Karlsruhe, Urt. v. 13.5.2020, 6 U 127/19, Tz. 30

BGH, Urt. v. 12.3.2015, I ZR 188/13, Tz. 11 - Uhrenankauf im Internet

Nach Art. 5 Nr. 3 Lugano-Übereinkommen, der inhaltsgleich mit Art. 5 Nr. 3 der EuGVÜ und der Brüssel-I-Verordnung sowie Art. 7 Nr. 2 Brüssel-Ia-VO ist, kann eine Person, die ihren Wohnsitz im Hoheitsgebiet eines durch das Übereinkommen gebundenen Staates hat, in einem anderen durch dieses Übereinkommen gebundenen Staat vor dem Gericht des Ortes, an dem das schädigende Ereignis eingetreten ist oder einzutreten droht, verklagt werden, wenn eine unerlaubte Handlung oder eine Handlung, die einer unerlaubten Handlung gleichgestellt ist, oder wenn Ansprüche aus einer solchen Handlung den Gegenstand des Verfahrens bilden. … Zu den unerlaubten Handlungen zählen auch unerlaubte Wettbewerbshandlungen.

Ebenso OLG Frankfurt, Urt. v. 7.11.2019, 6 U 61/19

OLG Karlsruhe, Urt. v. 13.5.2020, 6 U 127/19, Tz. 30

Bei der Prüfung der Zuständigkeit ist weder die Zulässigkeit noch die Begründetheit der Klage zu prüfen, sondern nur die Anknüpfungspunkte mit dem Staat des Gerichtsstands zu ermitteln, die eine Zuständigkeit nach Art. 7 Nr. 2 EuGVVO rechtfertigt (EuGH GRUR 2013, 98 Rn. 50 - Folien Fischer).

Verhältnis von vertraglichen und deliktischen Ansprüchen

OLG Karlsruhe, Urt. v. 14.7.2021, 6 W 8/21, II.1

Ob eine unter Vertragspartnern erhobene Klage vertraglich im Sinn von Art. 7 Nr. 1 Brüssel Ia-VO oder deliktisch im Sinn von Art. 7 Nr. 2 Brüssel Ia-VO anzuknüpfen ist, hängt nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union (GRUR 2021, 116 Rn. 31 mwN - Wikingerhof GmbH & Co. KG/Booking.com BV) davon ab, ob die Verpflichtung, die ihr als Grundlage dient, vertraglicher Art ist oder eine unerlaubte Handlung bzw. eine dieser gleichgestellte Handlung zum Gegenstand hat. Eine Klage hat somit einen „Vertrag oder Ansprüche aus einem Vertrag“ Art. 7 Nr. 1 Buchst. a Brüssel Ia-VO zum Gegenstand, wenn eine Auslegung des Vertrags zwischen dem Kläger und dem Beklagten unerlässlich erscheint, um zu klären, ob das Verhalten, das der Kläger dem Beklagten vorwirft, rechtmäßig oder vielmehr widerrechtlich ist. Dies ist unter anderem der Fall bei einer Klage, die auf den Bestimmungen eines Vertrags oder auf Rechtsvorschriften beruht, die aufgrund dieses Vertrags anwendbar sind (EuGH, GRUR 2021, 116 Rn. 32 mwN - Wikingerhof GmbH & Co. KG/Booking.com BV). Beruft sich der Kläger in seiner Klageschrift hingegen auf die Regeln über die Haftung aus unerlaubter Handlung oder einer Handlung, die einer unerlaubten Handlung gleichgestellt ist, das heißt auf einen Verstoß gegen eine gesetzliche Verpflichtung, und erscheint es nicht unerlässlich, den Inhalt des mit dem Beklagten geschlossenen Vertrags zu prüfen, um zu beurteilen, ob das diesem vorgeworfene Verhalten rechtmäßig oder rechtswidrig ist, da diese Verpflichtung des Beklagten unabhängig von diesem Vertrag besteht, so bilden eine unerlaubte Handlung oder eine Handlung, die einer unerlaubten Handlung gleichgestellt ist, oder Ansprüche aus einer solchen Handlung den Gegenstand der Klage im Sinn von Art. 7 Nr. 2 Brüssel 1a-VO (EuGH, GRUR 2021, 116 Rn. 33 - Wikingerhof GmbH & Co. KG/Booking.com BV; vgl. BGH, GRUR 2021, 991 Rn. 11 - Wikingerhof/Booking.com). ...

... Der Senat ist der Auffassung, dass bei der Abgrenzung zu Art. 7 Nr. 1 Brüssel Ia-VO eine andere Beurteilung auch dann nicht angebracht ist, wenn der Kläger zu dem für die Zuständigkeit maßgeblichen Zeitpunkt bereits vertragliche Beziehungen mit dem Unternehmen aufgenommen hat, aufgrund derer in Betracht kommen mag, dass das beanstandete Verhalten des Beklagten durch die vertraglichen Bestimmungen gedeckt ist. Auch in der Literatur wird überzeugend angenommen, dass das Gericht am Deliktsort auch darüber entscheiden darf, ob eine Verletzungshandlung kraft vertraglicher Vereinbarung nicht rechtswidrig ist (MünchKommZPO/Gottwald, 5. Aufl., Brüssel Ia-VO Art. 7 Rn. 53 mwN; ebenso GA Saugmandsgaard Øe, Schlussantrag vom 10. September 2020 – C-59/19, Rn. 105 ff; Wagner, NJW 2021, 147, 148; siehe auch zum Lizenzeinwand gegen einen Urheberrechtsverletzungsvorwurf: EuGH, GRUR 2014, 599 Rn. 16 ff - Hi Hotel/Spoering).

Zur Anwendung auf Internetsachverhalte siehe hier.

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Hintergrund zu Art. 7 EuGVÜ

Zur Vorgängervorschrift von Art. 5 Nr. 3 der Brüssel-I-Verordnung

EuGH, Urt. v. 19.4.2012, C‑523/10, Tz. 18 – Wintersteiger/Products 4U

Die besondere Zuständigkeitsregel in Art. 5 Nr. 3 der Verordnung Nr. 44/2001 beruht darauf, dass zwischen der Streitigkeit und den Gerichten des Ortes, an dem das schädigende Ereignis eingetreten ist, eine besonders enge Beziehung besteht, die aus Gründen einer geordneten Rechtspflege und einer sachgerechten Gestaltung des Prozesses eine Zuständigkeit dieser Gerichte rechtfertigt (Urteil vom 25. Oktober 2011, eDate Advertising u. a., C‑509/09 und C‑161/10, Randnr. 40).

Ebenso EuGH, Urt. v. 5.7.2018, C-27/17, Tz. 27 – flyLAL

OLG Karlsruhe, Urt. v. 13.5.2020, 6 U 127/19, Tz. 30

Zweck der Bestimmung ist die Voraussehbarkeit des Gerichtsstands und die Rechtssicherheit, nicht aber ein verstärkter Schutz der schwächeren Partei (EuGH WRP 2017, 1465 Rn. 39 – Bolagsupplysningen).

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Ort, an dem das schädigende Ereignis eingetreten ist oder einzutreten droht

EuGH, Urt. v. 5.7.2018, C-27/17, Tz. 28 – flyLAL

Was insbesondere die Wendung „Ort, an dem das schädigende Ereignis eingetreten ist“ in Art. 5 Nr. 3 der Verordnung Nr. 44/2001 betrifft, so ist damit nach ständiger Rechtsprechung sowohl der Ort der Verwirklichung des Schadenserfolgs als auch der Ort des für den Schaden ursächlichen Geschehens gemeint, so dass der Beklagte nach Wahl des Klägers vor dem Gericht eines dieser beiden Orte verklagt werden kann.

Ebenso OLG Frankfurt, Urt. v. 14.2.2019, 6 U 3/18, II.A.2.c.1; OLG Frankfurt, Urt. v. 7.11.2019, 6 U 61/19; OLG Köln, Urt. v. 11.2.2021, 6 U 84/21, Tz. 57

EuGH, Urt. v. 5.7.2018, C-27/17, Tz. 28 – flyLAL

Art. 5 Nr. 3 der Verordnung Nr. 44/2001 ist dahin auszulegen ist, dass im Rahmen einer Klage auf Ersatz eines durch wettbewerbswidrige Verhaltensweisen verursachten Schadens der „Ort, an dem das schädigende Ereignis eingetreten ist“, ... insbesondere der Ort der Verwirklichung von entgangenen Einnahmen aus Absatzverlusten ist, d. h. der Ort des durch diese Verhaltensweisen beeinträchtigten Marktes, auf dem der Geschädigte diese Verluste erlitten zu haben behauptet.

Zur Vorgängervorschrift in Art. 5 Nr. 3 der Brüssel-I-Verordnung

EuGH, Urt. v. 19.4.2012, C‑523/10, Tz. 19 – Wintersteiger/Products 4U

Mit der Wendung „Ort, an dem das schädigende Ereignis eingetreten ist oder einzutreten droht“ in Art. 5 Nr. 3 der Verordnung Nr. 44/2001 ist sowohl der Ort der Verwirklichung des Schadenserfolgs als auch der Ort des für den Schaden ursächlichen Geschehens gemeint, so dass der Beklagte nach Wahl des Klägers vor dem Gericht eines dieser beiden Orte verklagt werden kann (Urteil eDate Advertising u. a., Randnr. 41 und die dort angeführte Rechtsprechung).

BGH, Urt. v. 12.3.2015, I ZR 188/13, Tz. 11 - Uhrenankauf im Internet

Die Wendung "Ort, an dem das schädigende Ereignis eingetreten ist", bezeichnet sowohl den Ort des ursächlichen Geschehens als auch den Ort der Verwirklichung des Schadenserfolgs. Die Maßstäbe des Art. 5 Nr. 3 Brüssel-I-VO sind zur Auslegung des Art. 5 Nr. 3 Lugano-Übereinkommen entsprechend heranzuziehen (vgl. Fezer/Hausmann/Obergfell, UWG, I Einl. Rn. 351, Bd. 1, S. 318).

Ebenso BGH, Urt. v. 29.9.2016, I ZR 160/15, Tz. 15 - ServicepauschaleBGH, Urt. v. 27.11.2014, I ZR 1/11, Tz. 27 – Parfumflakon III unter Verweis auf EuGH, GRUR 2014, 806 Rn. 46 - Coty/First Note Perfumes

OLG Brandenburg, Beschl. v. 31.1.2019, 6 W 9/19, Tz. 20

Die Annahme der internationalen Zuständigkeit für eine auf das Gesetz gegen unlauteren Wettbewerb gestützte Klage unter dem Gesichtspunkt des Ortes der Verwirklichung des Schadenserfolges setzt voraus, dass nach dem Vortrag der Antragstellerin ein Wettbewerbsverstoß, der einen Schaden im Zuständigkeitsbereich des angerufenen Gerichts verursacht hat, nicht ausgeschlossen ist. Ob tatsächlich ein schädigendes Ereignis eingetreten ist oder einzutreten droht, aus dem sich ein Wettbewerbsverstoß ergibt, ist eine Frage der Begründetheit der Klage, die vom zuständigen Gericht anhand des anwendbaren nationalen Rechts zu prüfen ist (BGH, Urteil vom 27.11.2014, a.a.O. Rn 23 u. 25).

OLG Karlsruhe, Urt. v. 13.5.2020, 6 U 127/19, Tz. 31

Geht es um einen Wettbewerbsverstoß, setzt die Annahme einer internationalen Zuständigkeit unter dem Aspekt des Erfolgsortes damit voraus, dass die in einem anderen Mitgliedstaat begangene Handlung nach dem Vortrag des Klägers einen Schaden im Zuständigkeitsbereich des angerufenen Gerichts verursacht hat (Köhler in Köhler/Bornkamm/Feddersen, UWG, 37. Aufl., Einl. Rn. 5.46 mit weiteren Nachweisen). Dabei ist die Unterscheidung so zu verstehen, dass nicht jeder Ort in Betracht kommt, an dem sich irgendeine (bloße) Schadensfolge verwirklicht hat. Vielmehr kommt neben dem Handlungsort nur noch der Ort der tatbestandlichen Deliktsvollendung in Betracht (BGHZ 98, 263, 275).

OLG München, Urt. v. 10.1.2019, 29 U 1091/18 – Dash-Button

Eine vorbeugende Klage eines Verbraucherschutzvereins auf Untersagung der Verwendung vermeintlich missbräuchlicher Klauseln durch einen Gewerbetreibenden in Verträgen mit Privatpersonen hat eine unerlaubte Handlung oder eine Handlung, die einer unerlaubten Handlung gleichgestellt ist, i. S. d. Art. 5 Nr. 3 EuGVÜ zum Gegenstand, weil der in dieser Vorschrift verwendete Begriff des schädigenden Ereignisses im Bereich des Verbraucherschutzes auch Angriffe auf die Rechtsordnung durch die Verwendung missbräuchlicher Klauseln erfasst. Diese Auslegung gilt auch für die Brüssel-I-VO (vgl. EuGH NJW 2016, 2727 - Verein für Konsumenteninformation/Amazon EU Sàrl Rn. 38 f. m. w. N.) sowie für die entsprechende Regelung in Art. 7 Nr. 2 Brüssel-Ia-VO.

Nichts anderes gilt für Unterlassungsansprüche eines Verbraucherschutzvereins, die andere Verstöße gegen Verbraucherschutzgesetze als die Verwendung missbräuchlicher Vertragsklauseln zum Gegenstand haben, ...

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Ort der Verwirklichung des Schadenserfolgs

EuGH, Urt. v. 5.7.2018, C-27/17, Tz. 35 f – flyLAL

Der Gerichtshof hat bereits im Zusammenhang mit einem behaupteten Verstoß gegen Verbote des Wiederverkaufs außerhalb eines selektiven Vertriebsnetzes durch Online-Verkaufsangebote von Produkten, die Gegenstand dieses Netzes sind, entschieden, dass der Rückgang des Absatzvolumens und der dadurch entgangene Gewinn eines Vertragshändlers einen Schaden darstellt, der zur Anwendbarkeit von Art. 5 Nr. 3 der Verordnung Nr. 44/2001 führen kann.

In gleicher Weise ist anzunehmen, dass entgangene Einnahmen, die insbesondere auf Absatzeinbußen beruhen, ..., als „Schaden“ für die Zwecke der Anwendung von Art. 5 Nr. 3 der Verordnung Nr. 44/2001 eingestuft werden können, der grundsätzlich die gerichtliche Zuständigkeit der Gerichte des Mitgliedstaats begründen kann, in dem sich der Ort befindet, an dem das schädigende Ereignis eingetreten ist.

BGH, Urt. v. 14.1.2016, I ZR 65/14, Tz. 15 - Freunde finden

Die Wendung "Ort, an dem das schädigende Ereignis eingetreten ist", bezeichnet sowohl den Ort des ursächlichen Geschehens als auch den Ort der Verwirklichung des Schadenserfolgs (vgl. EuGH, Urt. v. 19.4.2012, C-523/10, GRUR 2012, 654 Rn. 19 - Wintersteiger/Products 4U) Der Ort der Verwirklichung des Schadenserfolgs liegt nach den für Wettbewerbshandlungen geltenden Grundsätzen im Inland.

BGH, Urt. v. 27.11.2014, I ZR 1/11, Tz. 30 – Parfumflakon III

Der Ort der Verwirklichung des Schadenserfolgs ist derjenige, an dem aus einem Ereignis, das eine Schadensersatzpflicht wegen unerlaubter Handlung oder wegen einer Handlung, die einer unerlaubten Handlung gleichgestellt ist, auslösen kann, ein Schaden entstanden ist (EuGH, Urt. v. 16.7.2009, C-189/08, Tz. 26 - Zuid-Chemie; EuGH, GRUR 2014, 806 Rn. 54 - Coty/First Note Perfumes). Wird eine Verletzung eines Rechts des geistigen oder gewerblichen Eigentums geltend gemacht, setzt dies voraus, dass das behauptete Recht im Mitgliedstaat des angerufenen Gerichts geschützt ist (EuGH, GRUR 2012, 654 Rn. 25 - Wintersteiger; EuGH, Urt. v. 3.10.2013, C-170/12, Tz. 33 - Pinckney). Geht es um einen Verstoß gegen ein innerstaatliches Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb, setzt die Annahme einer internationalen Zuständigkeit unter dem Gesichtspunkt des Ortes der Verwirklichung des Schadenserfolgs voraus, dass die in einem anderen Mitgliedstaat begangene Tat nach dem Vortrag des Klägers einen Schaden im Zuständigkeitsbereich des angerufenen Gerichts verursacht hat (vgl. EuGH, GRUR 2014, 806 Rn. 55 ff. - Coty/First Note Perfumes).

Zur Vorgängervorschrift in Art. 5 Nr. 3 der Brüssel-I-Verordnung

EuGH, Urt. v. 19.4.2012, C‑523/10, Tz. 21 f – Wintersteiger/Products 4U

Ort der Verwirklichung des Schadenserfolgs ist der Ort, an dem aus einem Ereignis, das für die Auslösung einer Schadensersatzpflicht wegen unerlaubter Handlung oder wegen einer Handlung, die einer unerlaubten Handlung gleichgestellt ist, in Betracht kommt, ein Schaden entstanden ist (Urteil vom 16. Juli 2009, Zuid-Chemie, C‑189/08, Slg. 2009, I‑6917, Randnr. 26).

Erfolgsort bei einer Internetseite ist der Ort, wo sie bestimmungsgemäß abgerufen werden kann:

OLG Frankfurt, Urt. v. 14.2.2019, 6 U 3/18, II.A.2.b/c.5

Der "Ort der Verwirklichung des Schadenserfolgs" im Sinne des Art. 7 Nr. 2 EuGVVO liegt im Falle von Wettbewerbsverletzungen im Internet im Inland, wenn sich der Internetauftritt bestimmungsgemäß auf den inländischen Markt auswirken soll. ...

Der Klageantrag betrifft eine Internet-Seite unter einer "de"-Top-Level-Domain, die sich bestimmungsgemäß (auch) an deutsche Kunden richten soll. Mag man bei "com"-Domains noch eine Beschränkung auf englischsprachige Ländern wegen der weiten Verbreitung der englischen Sprache auch in anderen Ländern ablehnen, so ist doch bei deiner "de"-Domain nicht erkennbar, warum diese sich an andere als deutschsprachige Verkehrskreise richten sollte (Harte-Bavendamm/Henning-Bodewig/Retzer/Tolkmitt, 4. Aufl. 2016, UWG § 14 Rnr. 77).

Ebenso OLG Karlsruhe, Urt. v. 13.5.2020, 6 U 127/19, Tz. 31

OLG Frankfurt, Urt. v. 14.2.2019, 6 U 3/18, II.A.2.c.3+4

Eine Ausstellung auf einer Messe soll sich immer bestimmungsgemäß (auch) auf das jeweilige Land auswirken.

Gleiches gilt für die Lieferungen nach Deutschland, die eine deutliche Form der bestimmungsgemäßen Auswirkung in Deutschland darstellt.

Im Fall der Geltendmachung einer Verletzung von Persönlichkeitsrechten durch Inhalte, die auf einer Website veröffentlicht worden sind, hat die Person, die sich in ihren Rechten verletzt fühlt, die Möglichkeit, in jedem Land, die Ansprüche geltend zu machen, die dort entstanden sind und bei dem Gericht des Mitgliedstaats, in dem sich der Mittelpunkt der betroffenen Interessen befindet, eine Haftungsklage auf Ersatz des gesamten entstandenen Schadens zu erheben (vgl. Urteil eDate Advertising u. a., Randnr. 52).

OLG Frankfurt, Urt. v. 14.2.2019, 6 U 3/18, II.A.2.c

Eine Übertragung dieser für Persönlichkeitsrechtsverletzungen vom EuGH entwickelten "Mosaiktheorie" (EuGH GRUR 2012, 300 (C-509/09; C-161/10) - eDate Advertising) auf wettbewerbsrechtliche Ansprüche kommt nicht in Betracht. … Weil etwa § 4 Nr. 1, 2 UWG - anders als eine Verletzung des Persönlichkeitsrechts - voraussetzen, dass die Handlung geeignet ist, die wettbewerblichen Interessen des Mitbewerbers auf dem fraglichen Markt zu beeinträchtigen, ist bei einem Verstoß gegen diese Normen durch eine Internetveröffentlichung - wie auch bei anderen Wettbewerbsverletzungen im Internet - ein Gerichtsstand im Inland nur begründet, wenn sich der Internetauftritt bestimmungsgemäß auf den inländischen Markt auswirken soll. Dagegen kommt es nicht darauf an, ob der in der Internetveröffentlichung genannte Mitbewerber seinen gewöhnlichen Aufenthalt und Lebensmittelpunkt im Inland hat (BGH Urt. v. 12.12.2013 - I ZR 131/12 - englischsprachige Pressemitteilung).

Hieran hat auch die aktuelle Rechtsprechung des EUGH und BGH zur internationalen Zuständigkeit bei Markenverletzungen nichts geändert (BGH Urt. v. 09.11.2017, I ZR 164/16 - Parfummarken). Soweit der BGH dort im Rahmen einer Gesamtwürdigung des Verhaltens auf den Schwerpunkt abstellt, findet dies für das Markenrecht in der Spezialregelung in Art. 97 V UMV ihre Grundlage, die nach Art. 94 UMV eine Anwendung der EuGVVO ausschließt. Eine Übertragung auf Lauterkeitsfälle erfolgt daher nicht.

Für nationale Marken gilt:

EuGH, Urt. v. 19.4.2012, C‑523/10, Tz. 27 – Wintersteiger/Products 4U

Sowohl das Ziel der Vorhersehbarkeit als auch das Ziel einer geordneten Rechtspflege sprechen dafür, die Zuständigkeit aufgrund der Verwirklichung des Schadenserfolgs bei der Verletzung einer nationalen Marke den Gerichten des Mitgliedstaats zuzuweisen, in dem das fragliche Recht geschützt ist.

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Ort des für den Schaden ursächlichen Geschehens

Zur Vorgängervorschrift in Art. 5 Nr. 3 der Brüssel-I-Verordnung

Der Ort des für den Schaden ursächlichen Geschehens ist der Ort, wo die Tat veranlasst wurde. Das bedeutet für Rechtsverletzungen im Internet am Beispiel der Verletzung eines Markenrechts:

EuGH, Urt. v. 19.4.2012, C‑523/10, Tz. 34, 36 f – Wintersteiger/Products 4U

Soll eine behauptete Verletzung einer in einem Mitgliedstaat eingetragenen nationalen Marke dadurch begangen worden sein, dass auf der Website einer Suchmaschine aufgrund der Verwendung eines mit dieser Marke identischen Schlüsselworts eine Werbung erscheint, ist als ursächliches Geschehen nicht das Erscheinen der Werbung selbst zu betrachten, sondern das Auslösen – durch den Werbenden – des technischen Vorgangs, der anhand im Voraus definierter Parameter zum Erscheinen der Anzeige führt, die der Werbende für seine eigene kommerzielle Kommunikation geschaltet hat. ...

Das Auslösen des technischen Anzeigevorgangs durch den Werbenden erfolgt zwar letztlich auf einem Server des Betreibers der von dem Werbenden verwendeten Suchmaschine. Gleichwohl kann im Hinblick auf das mit den Zuständigkeitsregeln verfolgte Ziel der Vorhersehbarkeit der Standort dieses Servers für die Zwecke der Anwendung von Art. 5 Nr. 3 der Verordnung Nr. 44/2001 nicht als Ort des ursächlichen Geschehens angesehen werden, denn es ist unklar, wo er sich befindet.

Vielmehr ist der Ort der Niederlassung des Werbenden als der Ort anzusehen, an dem über das Auslösen des technischen Anzeigevorgangs entschieden wird, da es sich sowohl für den Kläger als auch für den Beklagten um einen feststehenden und feststellbaren Ort handelt, der daher geeignet ist, die Beweiserhebung und die Gestaltung des Prozesses zu erleichtern.

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Lugano Übereinkommen

Das Lugano Abkommen gilt zwischen der Europäischen Union, der Schweiz, Norwegen und Island. Wie es ab dem 1.1.2021 um Großbritannien steht, bleibt abzuwarten.

Übereinkommen über die gerichtliche Zuständigkeit und die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen (Lugano-Übereinkommen, LugÜ)

Abschnitt 2: Besondere Zuständigkeiten

Art. 5 Eine Person, die ihren Wohnsitz im Hoheitsgebiet eines durch dieses Übereinkom- men gebundenen Staates hat, kann in einem anderen durch dieses Übereinkommen gebundenen Staat verklagt werden:  ...

3.  wenn eine unerlaubte Handlung oder eine Handlung, die einer unerlaubten Handlung gleichgestellt ist, oder wenn Ansprüche aus einer solchen Handlung den Gegenstand des Verfahrens bilden, vor dem Gericht des Ortes, an dem das schädigende Ereignis eingetreten ist oder einzutreten droht

BGH, Urt. v. 19.3.2015, I ZR 94/13, Tz. 12 - Hotelbewertungsportal

Die internationale Zuständigkeit deutscher Gerichte ergibt sich aus Art. 5 Nr. 3 des Übereinkommens über die gerichtliche Zuständigkeit und die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen, geschlossen in Lugano am 30. Oktober 2007, ABl. EU L 339 S. 3 (nachfolgend LuGÜ II), das für die Europäische Union am 1. Januar 2010 in Kraft getreten ist. Die Beklagte hat ihren Sitz in der Schweiz, einem Vertragsstaat des LuGÜ II, und wird wegen unerlaubter Wettbewerbshandlungen, die zu den unerlaubten Handlungen im Sinne des Art. 5 Nr. 3 LuGÜ II zählen, in Anspruch genommen. Der "Ort der Verwirklichung des Schadenserfolgs" im Sinne des Art. 5 Nr. 3 LuGÜ II liegt im Falle von Wettbewerbsverletzungen im Internet im Inland, wenn sich der Internetauftritt bestimmungsgemäß auf den inländischen Markt auswirken soll (vgl. BGH, GRUR 2014, 601 Rn. 24 - englischsprachige Pressemitteilung).

Für die Brüssel I- und Brüssel Ia-Verordnung hält der BGH nicht mehr daran fest, dass sich die Website bestimmungsgemäß auf den inländischen Markt auswirken soll.

BGH, Urt. v. 21.4.2016, I ZR 43/14, Tz. 18 - An Evening with Marlene Dietrich

Der Erfolgsort einer unerlaubten Handlung im Sinne von § 32 ZPO ist bei einer behaupteten Verletzung des Urheberrechts oder verwandter Schutzrechte durch ein öffentliches Zugänglichmachen des Schutzgegenstands über eine Internetseite im Inland belegen, wenn die geltend gemachten Rechte im Inland geschützt sind und die Internetseite (auch) im Inland öffentlich zugänglich ist. Es ist dagegen nicht erforderlich, dass der Internetauftritt bestimmungsgemäß (auch) im Inland abgerufen werden kann. An seiner abweichenden Auffassung hält der Senat im Hinblick auf die Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union zur gerichtlichen Zuständigkeit für Klagen wegen Verletzungen des Urheberrechts oder verwandter Schutzrechte nach Art. 5 Nr. 3 Brüssel-I-VO (jetzt Art. 7 Nr. 2 Brüssel-Ia-VO) nicht fest (vgl. EuGH, Urt. v. 3.10.2013, C-170/12, Tz. 42 - Pinckney/Mediatech; Urt. v. 22.1.2015, C-441/13, Tz. 32 - Hejduk/EnergieAgentur; zu Wettbewerbsverletzungen vgl. BGH, Urt. v. 19.3.2015, I ZR 94/13, Tz. 12 - Hotelbewertungsportal).

Zu einem UWG-Sachverhalt aber das Kammergericht:

KG, Beschl. v. 27.7.2018, 5 W 149/18 (= MD 2018, 720)

Gemäß Art. 7 Nr. 2 EuGWO kann eine Person, die ihren Wohnsitz im Hoheitsgebiet eines Mitgliedstaats hat, in einem anderen Land verklagt werden, wenn eine unerlaubte Handlung oder eine Handlung, die einer unerlaubten Handlung gleichgestellt ist, oder wenn Ansprüche aus einer solchen Handlung den Gegenstand des Verfahrens bilden, vor dem Gericht des Ortes, an dem das schädigende Ergebnis eingetreten ist oder einzutreten droht. Bei einer Wettbewerbsverletzung im Internet ist ein Gerichtsstand im Inland nur begründet, wenn sich der Internetauftritt bestimmungsgemäß auf den inländischen Markt auswirken soll.

Beispiel:

KG, Beschl. v. 27.7.2018, 5 W 149/18 (= MD 2018, 720)

Davon ist bei dem Blogeintrag einer der in Deutschland einflussreichsten Influencer mit den meisten Abonnenten im Modebereich auszugehen, deren digitale Präsenz in Deutschland von zahlreichen Internetnutzern wahrgenommen wird und mit einem Impressum in deutscher Sprache versehen ist. Dass die Blogbeiträge in einfachem Englisch abgefasst sind, steht dem nicht entgegen. Eine Zuordnung, welcher Anteil der 1.700.000 Nutzer Ihrer Blogberichte bzw. ihrer jeweils zwischen 45.000 und 65.000 Likes auf deutsche Internetnutzer entfallen, bedarf es zur Feststellung der bestimmungsgemäßen Ausrichtung auch auf Deutschland nicht.

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Sitz in Drittstaaten

OLG Düsseldorf, Urt. v. 12.9.2019, I-15 U 48/19, Tz. 12 ff

Es ist unschädlich, dass der Verfügungsbeklagte keinen Wohnsitz in einem Mitgliedsstaat bzw. Vertragsstaat des LugÜ II hat. Die internationale Zuständigkeit folgt nämlich vorliegend aus § 14 Abs. 2 S. 1 UWG.

Ein Antragsteller/Kläger kann nach § 14 Abs. 2 S. 1 UWG (wahlweise) das Gericht anrufen, „in dessen Bezirk die Handlung begangen ist“. Die Vorschrift entspricht dem § 32 ZPO, was bei der Auslegung zu berücksichtigen ist (OLG Köln GRUR 1978, 658). Gemeint ist die Handlung, welche den Tatbestand des behaupteten Wettbewerbsverstoßes verwirklicht. Dabei genügt es, dass am betreffenden Ort eines von mehreren Tatbestandsmerkmalen verwirklicht ist. Es können also für ein und denselben Wettbewerbsverstoß mehrere Begehungsorte in Betracht kommen (BGH GRUR 1964, 316 (318) – Stahlexport; BGH GRUR 1978, 194 (195) – profil), zwischen denen der Kläger die Wahl hat (OLG Köln GRUR 1988, 148). Insbesondere können Handlungs- und Erfolgsort auseinander fallen. § 14 Abs. 2 S. 1 UWG soll die gerichtliche Zuständigkeit dort begründen, wo sich die unlauteren Wettbewerbshandlungen auswirken, wo also die Interessen von Wettbewerbern miteinander kollidieren.

KG, Beschl. v. 23.6.2020, 5 W 1031/20, Tz. 4

Zur Bestimmung der internationalen Gerichtszuständigkeit für das gegen die in den USA ansässige Antragsgegnerin angestrengte Verfahren ist - mangels insoweit bestehender staatlicher Abkommen oder Verträge - auf die innerstaatlichen Regeln zur internationalen Zuständigkeit zurückzugreifen (Hess in: Ullmann, jurisPK-UWG, 4. Aufl., § 14 Rn. 50). Da das deutsche Verfahrensrecht hierzu keine Regelungen enthält, bestimmt sich die internationale Zuständigkeit insoweit nach den Regelungen zur örtlichen Zuständigkeit in entsprechender Anwendung (vgl. BGHZ 134, 116, 117; BGHZ 173, 57, Rn. 21-23 - Cambridge Institute), im Bereich des unlauteren Wettbewerbs also nach § 14 UWG (Hess a.a.O.; Spätgens/Danckwerts in: Gloy/Loschelder/Danckwerts, Handbuch des Wettbewerbsrechts, 5. Aufl., § 85 Rn. 60, m.w.N.). Im Fall der Bejahung der internationalen Zuständigkeit der deutschen Gerichte gilt zur Bestimmung der örtlichen Zuständigkeit (beispielsweise des Landgerichts Berlin) insoweit § 14 UWG in unmittelbarer Anwendung.

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Eilmaßnahmen

OLG Frankfurt, Urt. v. 7.11.2019, 6 U 61/19

Nach Art. 35 EuGVVO können die im Recht eines Mitgliedstaats vorgesehenen einstweiligen Maßnahmen bei den Gerichten dieses Mitgliedstaats auch dann beantragt werden, wenn für die Entscheidung in der Hauptsache das Gericht eines anderen Mitgliedstaats zuständig ist. Entgegen der Auffassung der Antragsgegnerin fehlt es insoweit nicht an der „realen Verknüpfung“, zwischen dem Gegenstand der beantragten Maßnahmen und der gebietsbezogenen Zuständigkeit des Vertragsstaats des angerufenen Gerichts (EuGH, Urt. v. 17.11.1998 - C-391/95 - van Uden Maritime, juris). Hierfür reicht es vielmehr aus, dass auch in Frankfurt ein Erfolgsort der behaupteten unerlaubten Handlung belegen ist. Darauf, dass für die Vollstreckung die Möglichkeit des Zugriffs auf Vermögen des Schuldners im Erlassstaat besteht, kommt es bei einem Verbotsanspruch nicht an.

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