Ihr Rechtsanwalt im Wettbewerbsrecht
Dr. Hermann-Josef Omsels*

Eine Darstellung des Gesetzes gegen den unlauteren Wettbewerb und wettbewerbsrechtlicher Nebengesetze



 


 

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Qualifikation/Zulassung

1. Vorhandensein einer Qualifikation/Zulässigkeit

2. Fach- (anwälte, ärzte etc.)

3. Renommee

4. Zulassung

4. Ärzte/Zahnärzte

 

Siehe auch Werbung mit Titeln

BGH, Urt. v. 11.2.2021, I ZR 126/19, Tz. 22 – Dr. Z

Nach § 5 Abs. 1 Satz 1 UWG handelt unlauter, wer eine irreführende geschäftliche Handlung vornimmt, die geeignet ist, den Verbraucher oder sonstigen Marktteilnehmer zu einer geschäftlichen Entscheidung zu veranlassen, die er andernfalls nicht getroffen hätte. Eine geschäftliche Handlung ist gemäß § 5 Abs. 1 Satz 2 UWG irreführend, wenn sie unwahre Angaben oder sonstige zur Täuschung geeignete Angaben über - nachfolgend aufgezählte - Umstände enthält; hierzu rechnen gemäß Nr. 3 auch solche über die Person, Eigenschaften oder Rechte des Unternehmers

Ebenso BGH, Urt. v. 29.7.2021, I ZR 114/20, Tz. 12 - Kieferorthopädie

Vorhandensein einer Qualifikation/Zulässigkeit

 

Wer mit einer erlaubnispflichtigen Tätigkeit wirbt, erklärt, dass er über die erforderliche Erlaubnis verfügt. Andernfalls ist die Werbung irreführend.

BGH, Urt. v. 10.12.2020, I ZR 26/20, Tz. 43 - Steuerberater-LLP

Ist die LLP zur Leistung von Hilfe in Steuersachen nicht berechtigt, ist die im Antrag bezeichnete Werbung der LLP für solche Dienstleistungen, die eine entsprechende Befugnis suggeriert, irreführend im Sinne des § 5 Abs. 1 Satz 1 und 2 Nr. 3 UWG.

OLG Hamm, Urt. v. 3.3.2015, I-4 U 54/14, B.II.3

Mit der Bewerbung einer Tätigkeit wird suggeriert, der Beklagte würde diese Tätigkeit erlaubterweise ausüben.

Nicht beanstandet in BGH, Urt. v. 31.3.2016, I ZR 88/15, Tz. 45 - Rechtsberatung durch Entwicklungsingenieur

OLG Celle, Urt. v. 8.9.2016, 13 U 87/16, II.3.a.aa

Irreführend im Sinne von § 5 UWG handelt, wer mit handwerklichen Bezeichnungen, Begriffen und Hinweisen wirbt, die auf ein Handwerk hindeuten und geeignet sind, Nachfrager über die Qualifikation des Anbieters zu täuschen . Eine relevante Irreführung liegt darin, dass die angesprochenen Verkehrskreise annehmen, dass der Betrieb von einer in spezieller Weise ausgebildeten Person geführt wird, die in der Lage ist, jegliche dem Handwerk zuzuordnende Tätigkeiten nach den individuellen Wünschen des Kunden unter Berücksichtigung bestimmter Qualitätsstandards durchzuführen. Diese Erwartung ist für die Beauftragung oder die Kaufentscheidung relevant oder kann dies jedenfalls sein (vgl. Diekmann.in: juris-PK-UWG, 4. Aufl., § 5 Rn. 566). Wirbt ein Handwerksbetrieb für ein zulassungspflichtiges Handwerk, muss er in der Handwerksrolle eingetragen sein (Diekmann, a. a. O., Rn. 568).

OLG Celle, Urt. v. 8.9.2016, 13 U 87/16, II.3.b

Eine der Handwerksordnung unterliegende handwerkliche Tätigkeit setzt voraus, dass es sich um wesentliche Handwerkstätigkeiten handelt, die den Kernbereich des Handwerks ausmachen und ihm sein essentielles Gepräge geben; sonst liegt nur ein Minderhandwerk vor, das der Handwerksordnung nicht unterfällt (Bornkamm in Köhler/Bornlamm, UWG, § 5 Rn. 5.132; BGH, GRUR 1992, 123 f.). Nur wenn die beworbene handwerkliche Tätigkeit einem Handwerksbetrieb im Sinne des § 1 Abs. 1 HwO vorbehalten ist, ist eine irreführende Berühmung besonderer handwerklicher Tätigkeiten nach § 5 UWG unzulässig (BGH, a. a. O.; vgl. auch BGH,  GRUR 1989, 432 ff. [= WRP 1989, 496] - Kachelofenbauer I).

KG, Beschl. v. 15.9.2017, 5 U 65/17

In dem beanstandeten Internetauftritt wirbt die Beklagte unter der Überschrift „Aufgabenbereich von der freundliche Handwerkerservice“ unter anderem mit „Reparatur, Wartung oder Austausch von Heizungsanlagen-, Gas- und Wasserinstallationen“.

Auf diese Weise suggeriert die Beklagte dem Verkehr, dass die Beklagte die gesetzlichen Voraussetzungen erfüllt, die in diesem Bereich erforderlich sind.

Die Gewerbe Klempner sowie Installateur und Heizungsbauer sind zulassungspflichtig (vgl. Nr. 23, 24 Anlage A zur HwO), so dass der sogenannte Meisterzwang besteht (§ 1 Abs. 1, § 7 HwO).

OLG Hamm, Beschl. v. 27.8.2019 – I-4 U 39/18 (WRP 2019 S. 1588)

Der angesprochene Verkehr muss angesichts der Art und Weise der Verwendung der Begriffe „Architektur“ und „Architekt“ in der hier in Rede stehenden Textpassage davon ausgehen, dass die Beklagte die von ihr angebotenen Planungsleistungen durch eine zum Führen der Berufsbezeichnung „Architekt“ befugte Person erbringt.

Die hierin liegende Irreführung ist geschäftlich relevant. Sie ist dazu geeignet, einen „Auftraggeber“ oder „Bauherrn“, der ein Bauwerk errichten will, alle Leistungen – von der Planung bis zur Erstellung – „aus einer Hand“ beziehen will und hierbei Wert auf die Beteiligung eines Architekten legt, dazu zu veranlassen, mit der Beklagten Kontakt aufzunehmen. Bereits eine solche Kontaktaufnahme stellt eine „geschäftliche Entscheidung“ im Sinne des § 5 Abs. 1 S. 1 UWG dar. 

Andererseits muss sich aus der Werbung aber auch ergeben, dass die angebotene Tätigkeit tatsächlich von jemandem erbracht wird, der nicht über die entsprechende Qualifikation oder Zulassung verfügt. Das ist bei einer Kfz-Werkstatt, die mir einer HU/AU-Untersuchung wirbt, nicht der Fall:

OLG Frankfurt, Urt. v. 15.09.2016, 6 U 166/16, II.1

Keine der angegriffenen Verletzungshandlungen enthält einen ausdrücklichen oder zumindest deutlichen Hinweis darauf, wer im Haus der Beklagten die Prüfung durchführt. Für die Ermittlung des Aussagegehalts der streitgegenständlichen Angaben kommt es deshalb maßgeblich auf die durch die rechtlichen Rahmenbedingungen vorgegebene tatsächliche Übung in diesem Bereich an, weil diese den Erfahrungshorizont des angesprochenen Verkehrs prägt. ...

Des spricht dafür, dass der angesprochene Verkehr den schlichten Hinweis einer Kfz - Reparaturwerkstatt wie der Beklagten auf die "HU", auch mit gleichzeitiger Angabe der Bezeichnung "AU" und der Anzeige der Prüfplakette(n), in korrekter Weise dahingehend versteht, dass er in dieser Werkstatt die Prüfplakette erhalten kann, die dort von einem externen Prüfinstitut vergeben wird.

A.A. noch OLG Koblenz, Beschl. v. 21.3.2006, 4 W 797/05

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Fach- (anwälte, ärzte etc.)

 

BGH, Urt. v. 29.3.2007 - I ZR 152/04, Tz. 12 ff – Fachanwälte

Nach der allgemeinen Lebenserfahrung zu urteilen, wird ein interessierter Verbraucher zwischen der als Teil des Kanzleinamens firmenähnlich verwendeten Kurzbezeichnung (§ 9 BORA) der in einer überörtlichen Sozietät tätigen Berufsträger einerseits und der Qualifikation der einzelnen Sozien an einem konkreten Standort andererseits zu unterscheiden wissen. Wird der Kurzbezeichnung ein Zusatz zur Qualifikation der Berufsträger wie „Rechtsanwälte und Notare“ oder „Wirtschaftsprüfer und Steuerberater“ hinzugesetzt, versteht der Verkehr dies als Hinweis darauf, dass sich in der entsprechenden Kanzlei Berufsträger dieser Qualifikation zusammengeschlossen haben. Mit Recht hat das Berufungsgericht angenommen, der Verkehr verstehe unter Fachanwälten Rechtsanwälte, die auf ein bestimmtes Fachgebiet spezialisiert sind und eine entsprechende Zusatzqualifikation erworben haben. Der interessierte Verbraucher wird annehmen, dass er Näheres zu der Spezialisierung der einzelnen Anwälte der Liste der Sozietätsmitglieder entnehmen kann. Ist eine solche Kanzlei – für den Verbraucher erkennbar – an mehreren Standorten tätig, so hat er keinen Anlass anzunehmen, dass alle in dem Zusatz zur Kurzbezeichnung genannten Qualifikationen an sämtlichen Standorten vertreten sind. Vielmehr wird der Interessent, soweit es ihm darauf ankommt, anhand der näheren Angaben über die Sozietätsmitglieder prüfen, welche Qualifikationen die an einem bestimmten Standort der Sozietät tätigen Berufsträger haben.

Die Verwendung des Begriffs „Fachanwälte“ als Zusatz zu der Kurzbezeichnung einer überörtlichen Anwaltssozietät – etwa in der Form „Dr. X & Partner – Rechtsanwälte, Fachanwälte, Notare“ – auf einem Praxisschild oder auf dem Briefkopf setzt danach voraus, dass eine den Plural rechtfertigende Zahl von Sozietätsmitgliedern Fachanwälte sind. Nicht erforderlich ist, dass an jedem Standort, an dem – etwa auf dem Praxisschild – die firmenmäßige Bezeichnung mit dem Zusatz verwendet wird, ein oder mehrere Fachanwälte tätig sind.

Verwendet eine Sozietät in ihrer Kurzbezeichnung eine auf eine Zusatzqualifikation hinweisende Bezeichnung, muss sie – zumal wenn nicht alle Sozietätsmitglieder die zusätzliche Qualifikation aufweisen – dort, wo die Mitglieder der Sozietät namentlich aufgeführt sind, die (Zusatz-)Qualifikation jedes einzelnen Sozietätsmitglieds benennen. Dies kann die Namensleiste auf dem Briefbogen, das Praxisschild, das die Namen der an diesem Standort tätigen Sozietätsmitglieder aufführt, oder die Liste der Sozietätsmitglieder in einer Praxisbroschüre oder auf der Internetseite der Kanzlei sein. … Der Kanzleiauftritt darf keinen Zweifel an der jeweiligen Qualifikation der einzelnen benannten Berufsträger aufkommen lassen. Das ist insbesondere auch dann zu beachten, wenn die Bezeichnung „Fachanwälte“ mit oder ohne Angabe des Gebiets, auf das sich diese Qualifikation bezieht, außerhalb einer Kurzbezeichnung der Sozietät verwendet wird.

OLG Köln, Urt. v. 20.4.2012, 6 W 23/12, Tz. 12

Maßgebend sind die Umstände des Kanzleiauftritts im Einzelfall. Diese dürfen keinen Zweifel an der jeweiligen Qualifikation der einzelnen benannten Berufsträger aufkommen lassen, was nach den Ausführungen des Bundesgerichtshofs (s.o, Tz. 14) insbesondere auch dann zu beachten ist, wenn die Bezeichnung „Fachanwälte“ mit oder ohne Angabe des Gebiets, auf das sich diese Qualifikation bezieht, außerhalb einer Kurzbezeichnung der Sozietät verwendet wird.

OLG Karlsruhe, Urt. v. 11.1.2023, 6 U 233/22, Tz. 106 - Wissenschaftlicher Dienst für Familienfragen II

Der Verkehr wird der Angabe „aus fachpsychologischer Sicht“ eine besondere, gesteigerte Qualifikation der begutachtenden Psychologen entnehmen. Da der Verkehr im Zusammenhang mit medizinischer Qualifikation an Bezeichnungen wie Facharzt gewohnt ist, und dies auch durch ähnliche, eine besondere Verleihung voraussetzende Bezeichnungen in anderen Gebieten, namentlich bei der Fachanwaltschaft, bestätigt findet, wird er dem entnehmen, dass der Gutachter den Titel des Fachpsychologen beziehungsweise der Fachpsychologin auf einem bestimmten Gebiet verliehen bekommen hat. Vertiefte Gedanken zur Dauer und zum Inhalt einer solchen Weiterbildung macht sich der Durchschnittsverbraucher hingegen nicht. Die Zusatzqualifikation „Fachpsychologe“ kann von Psychologen etwa im Rahmen einer berufsständischen Weiterbildung durch Erwerb eines Zertifikats beispielsweise vom Berufsverband Deutscher Psychologinnen und Psychologen (BDP) erlangt werden. Andererseits ist der Beruf des Psychologen beziehungsweise der Psychologin – außerhalb psychotherapeutischer Behandlung – gesetzlich nicht reguliert. Der Verkehr ist auch nicht per se an unübliche Fachbezeichnungen gewöhnt und erwartet ohne besondere Bezeichnung daher auch nicht regelhaft, dass jeder Psychologe eine bestimmte zusätzliche Fachweiterbildung aufweise oder nur Fachpsychologen bestimmte Leistungen erbringen dürften. Der Verkehr wird daher im Zusammenhang mit der Erstellung von Gutachten weiter annehmen, eine solche Bezeichnung als „Fachpsychologe“ beruhe auf einem entsprechenden Verleihungsakt, nachdem die Person eine diesbezügliche, in gewisser Weise durch bestimmte Bedingungen determinierte Weiterbildung im spezifischen Fachgebiet mit bestandener Prüfung absolviert habe. Die maßgeblichen Verkehrskreise werden daher die Aussage der Beklagten, wie das Landgericht zu Recht angenommen hat, typischerweise dahin verstehen, dass die Ersteller der Gegengutachten eine entsprechende Zusatzqualifikation erworben haben und daher über besondere Fachkenntnisse verfügen. Eine Weiterbildung spezifisch des Berufsverbands Deutscher Psychologinnen und Psychologen (BDP) erwartet der Verkehr, der hieran nicht spezifisch gewöhnt ist, indes nicht.

OLG Karlsruhe, Urt. v. 11.1.2023, 6 U 233/22, Tz. 113 - Wissenschaftlicher Dienst für Familienfragen II

Ausgehend vom oben aufgezeigten Verkehrsverständnis erwartet der Verkehr bei der Angabe „fachpsychologisch“ jedenfalls, dass der Ersteller der Gegengutachten eine entsprechende, formelle Zusatzqualifikation erworben habe, nach der die Person eine diesbezügliche, in gewisser Weise durch bestimmte Bedingungen determinierte Weiterbildung im spezifischen Fachgebiet mit bestandener Prüfung absolviert habe. Zwar erwartet der Verkehr, der hieran nicht spezifisch gewöhnt ist, nicht eine Weiterbildung spezifisch des Berufsverbands Deutscher Psychologinnen und Psychologen (BDP). … Der Verkehr wird aber jedenfalls nicht erwarten, dass der verliehene Titel der Fachpsychologin lediglich durch das werbende Unternehmen selbst aufgrund zweijähriger Tätigkeit für dieses und ohne formelle Qualifikationsvoraussetzungen verliehen wurde. Der Werbende ist daher in der gebotenen Abwägung jedenfalls gehalten, der so entstehenden Fehlvorstellung durch zumutbare Aufklärung entgegenzuwirken.

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Zulassung

 

OLG Bamberg, Beschl. v. 12.6.2017, 3 U 161/16, II.3.a - zugelassenes Inkasso-Unternehmen

Das seit 2008 geltende Rechtsdienstleistungsgesetz, das das frühere Rechtsberatungsgesetz abgelöst hat, verwendet zwar durchgehend den Begriff der Registrierung. Allerdings ist hiermit nicht nur die schlichte Erfassung von Rechtsdienstleistern abgedeckt, wobei das Gesetz zwischen registrierten und nicht registrierten Rechtsdienstleistern unterscheidet. Inkassodienstleistungen dürfen nur registrierte Personen erbringen (§ 10 Abs. 1 Nr. 1 i.V.m. § 2 Abs. 2 Satz 1 RDG). Voraussetzung der Registrierung ist gemäß § 12 RDG u.a. der Nachweis der theoretischen und praktischen Sachkunde. Mithin impliziert die Registrierung als Rechtsdienstleister ebenfalls eine Qualifikationsprüfung. …

Solange es für die angesprochenen Verkehrskreise keine Selbstverständlichkeit darstellt, mit dem Begriff der Zulassung ausschließlich die Zulassung von Rechtsanwälten zu verbinden, verstößt ein Inkassounternehmen, dem bereits vor Inkrafttreten des Rechtsdienstleistungsgesetzes eine Erlaubnis bzw. Zulassung als solchem erteilt worden ist und das hierauf in einem Zusatz zur Namensleiste seines Briefkopfes bzw. in seinem Internetauftritt hinweist, nicht gegen das Irreführungsverbot.

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Ärzte/Zahnärzte

 

BGH, Urt. v. 29.7.2021, I ZR 114/20, Tz. 28 f - Kieferorthopädie

Dem Durchschnittsverbraucher sind Facharzt- und Fachzahnarztbezeichnungen zwar nicht fremd; er kennt dementsprechend auch den Begriff "Fachzahnarzt für Kieferorthopädie" und noch mehr die gebräuchlichere Abkürzung "Kieferorthopäde". Darunter stellt er sich einen Zahnarzt vor, der eine von der zuständigen Berufsaufsicht anerkannte Weiterbildung im Fachgebiet der Kieferorthopädie mit bestandener Prüfung absolviert hat. Vertiefte Gedanken zur Dauer und zum Inhalt einer solchen Weiterbildung macht sich der Durchschnittsverbraucher hingegen nicht. Er weiß auch nicht, dass das für Ärzte grundsätzlich bestehende Verbot, außerhalb ihres Fachgebiets tätig zu werden, für Zahnärzte nicht gilt (vgl. §§ 33, 41 Abs. 1, § 51 Abs. 1 HeilBerG NW), und kieferorthopädische Leistungen daher auch durch approbierte Zahnärzte erbracht werden dürfen, die nicht dazu berechtigt sind, die Bezeichnung "Fachzahnarzt für Kieferorthopädie" oder "Kieferorthopäde" zu führen.

... Ein ein erheblicher Teil der Verbraucherinnen und Verbraucher geht mangels Kenntnis der Besonderheiten des zahnärztlichen Berufsrechts davon aus, nur ein "Fachzahnarzt für Kieferorthopädie" oder "Kieferorthopäde" dürfen kieferorthopädische Leistungen erbringen. Deshalb wird dieser Teil der angesprochenen Verkehrskreise aufgrund der streitgegenständlichen Angaben des Beklagten ("Kieferorthopädie" und "(Zahnarzt-)Praxis für Kieferorthopädie") zu der Vorstellung gelangen, der Beklagte habe eine von der zuständigen Berufsaufsicht anerkannte Weiterbildung im Fachgebiet Kieferorthopädie mit bestandener Prüfung absolviert.

S.a. BGH, Urt. v. 7.4.2022, I ZR 5/21, Tz. 33 - Kinderzahnärztin

BGH, Urt. v. 29.7.2021, I ZR 114/20, Tz. 42 - Kieferorthopädie

Die Fehlvorstellung eines erheblichen Teils der angesprochenen Verkehrskreise, kieferorthopädische Behandlungen dürften nur von Fachzahnärzten für Kieferorthopädie durchgeführt werden, resultiert nicht aus der vom Beklagten gewählten Bezeichnung, sondern aus den bei weiten Teilen der angesprochenen Verkehrskreise fehlenden Kenntnissen des einschlägigen Berufsrechts. 

Unter Aufhebung von OLG Düsseldorf, Urt. v. 18.6.2020, 20 U 35/19, Tz. 50 ff

Im konkreten Fall hatte der Beklagte nachweislich besondere Kompetenz in der Kieferorthopädie und durfte den Titel Master of Science Kieferorthopädie tragen. Die Angaben "Kieferorthopädie" und "(Zahnarzt-)Praxis für Kieferorthopädie" waren damit objektiv richtig. (Zur Irreführung durch objektiv richtige Angaben siehe hier.) Im Rahmen der erforderlichen Interessenabwägung führte der BGH aus:

BGH, Urt. v. 29.7.2021, I ZR 114/20, Tz. 44 - Kieferorthopädie

Einem Zahnarzt muss es grundsätzlich möglich sein, für die Erbringung von kieferorthopädischen Leistungen zu werben, die ihm auch dann erlaubt ist, wenn er kein Fachzahnarzt für Kieferorthopädie ist und die Voraussetzungen für den Ausweis eines diesbezüglichen Tätigkeitsschwerpunkts nicht erfüllt. Ein generelles Verbot solcher Werbung durch "einfache" approbierte Zahnärzte stellte einen unverhältnismäßigen und daher nicht zu rechtfertigenden Eingriff in die nach Art. 12 Abs. 1 GG gewährleistete Berufsausübungsfreiheit dar (vgl. BGH, GRUR 2013, 409 Rn. 32 - Steuerbüro; GRUR 2013, 1252 Rn. 17 - Medizinische Fußpflege).

BGH, Urt. v. 29.7.2021, I ZR 114/20, Tz. 43 ff - Kieferorthopädie

Das Berufungsgericht hat sich im Rahmen seiner Interessenabwägung nicht hinreichend mit der Gefahr einer Verwässerung der Bezeichnung "Fachzahnarzt" und der damit verbundenen Qualitätserwartungen auseinandergesetzt.

Die Weiterbildung zum Fachzahnarzt dient der Sicherstellung einer hohen Qualität der zahnmedizinischen Versorgung der Bevölkerung und damit einem besonders wichtigen Gemeinschaftsgut. Die Fachzahnarztbezeichnungen stellen zugleich eine Orientierungshilfe für die an einer Behandlung interessierten Patienten bei der Auswahl eines geeigneten Zahnarztes dar. Der Durchschnittsverbraucher verfügt über eine - nicht im Einzelnen konkretisierte - Vorstellung, ein Fachzahnarzt erfülle einen von der zuständigen Berufsaufsicht kontrollierten Qualitätsstandard. Vor diesem Hintergrund wird die Erreichung der genannten Zwecke gefährdet, wenn der Durchschnittsverbraucher irrtümlich annimmt, ein mit "Kieferorthopädie" werbender Zahnarzt sei Fachzahnarzt für Kieferorthopädie.

Ein Zahnarzt, der in seiner Werbung den Begriff "Kieferorthopädie" verwendet, ohne Fachzahnarzt für Kieferorthopädie zu sein, ist daher gehalten, der aufgrund der Verwendung des Begriffs zu erwartenden Fehlvorstellung der angesprochenen Verkehrskreise, er sei Fachzahnarzt für Kieferorthopädie, durch zumutbare Aufklärung entgegenzuwirken. Dies stellt eine verhältnismäßige Beschränkung seiner Berufsausübungsfreiheit zum Schutz der auch im öffentlichen Interesse liegenden Fachzahnarztbezeichnung dar. Welche Maßnahmen der Aufklärung zu fordern sind, richtet sich nach den Umständen des Einzelfalls.

Allerdings kommt es sehr auf die Umstände des Einzelfalls an.

BGH, Urt. v. 7.4.2022, I ZR 217/20, Tz. 28 f - Kinderzahnarztpraxis

Ein erheblicher Teil der Verbraucherinnen und Verbraucher geht mangels Kenntnis der Besonderheiten des zahnärztlichen Berufsrechts davon aus, nur ein Fachzahnarzt für Kieferorthopädie oder Kieferorthopäde dürfe kieferorthopädische Leistungen erbringen, und hält den mit den Angaben "Kieferorthopädie" und "(Zahnarzt-)Praxis für Kieferorthopädie" werbenden Zahnarzt für einen solchen Fachzahnarzt (vgl. BGH, GRUR 2021, 1315 Rn. 28 f. - Kieferorthopädie).

Daraus folgt jedoch nicht, dass die von der Angabe "Kinderzahnarztpraxis" angesprochenen Verkehrskreise zu der Vorstellung gelangen müssen, die dort tätigen Zahnärzte seien Fachzahnärzte, was auch die irrige Annahme einschließt, es gebe einen Fachzahnarzt für Kinderzahnheilkunde.

BGH, Urt. v. 7.4.2022, I ZR 217/20, Tz. 30 - Kinderzahnarztpraxis

Entscheidend ist vielmehr die Frage, ob die angesprochenen Verkehrskreise über das Gebiet der Kieferorthopädie hinaus - insbesondere im Bereich der Kinderzahnheilkunde - von der Existenz solcher Fachzahnarztbezeichnungen ausgehen und daher entsprechende Zuordnungen vornehmen. Es ist nicht erfahrungswidrig, dass das Berufungsgericht dies verneint hat. Vor diesem Hintergrund ist es aus Rechtsgründen nicht zu beanstanden, dass das Berufungsgericht gemeint hat, der Begriff "Kinderzahnarztpraxis" löse bei den angesprochenen Verkehrskreisen nicht die Vorstellung einer besonderen fachlichen Qualifikation aus; vielmehr erwarteten sie eine kindgerechte Praxisausstattung und für die Belange von Kindern aufgeschlossene Zahnärzte, während sie deren fachliche Eignung als selbstverständlich voraussetzten.

BGH, Urt. v. 7.4.2022, I ZR 5/21, Tz. 50 - Kinderzahnärztin

Es ist einem im Bereich der Kinderzahnheilkunde tätigen Zahnarzt grundsätzlich zumutbar, zur Vermeidung einer durch die Verwendung des Begriffs "Kinderzahnarzt" im Einzelfall entstehenden Fehlvorstellung, er habe eine Weiterbildung zum Fachzahnarzt absolviert, bei der Bewerbung seiner fachlichen Qualifikation auf andere, weniger verwechslungsanfällige Begriffe auszuweichen. Hierzu kann beispielsweise ein Tätigkeitsschwerpunkt nach § 13 Berufsordnung unter den dafür geltenden Voraussetzungen ausgewiesen werden. Ebenso können ein zusätzlicher Hochschulabschluss oder eine außerhalb einer Hochschule absolvierte Weiterbildung so konkret benannt werden, dass es interessierten Personen möglich ist, sich über die Inhalte dieser Zusatzqualifikation zu informieren.

OLG Oldenburg, Urt. v. 30.4.2021, 6 U 263/20 (WRP 2021, 947)

Gegen § 5 Abs. 1 Nr. 3 UWG verstößt, wer in irreführender Weise u.a. Tätigkeits- oder Berufsbezeichnungen verwendet, die das Vertrauen der Verbraucher gewinnen und ihre Nachfrageentscheidung anregen sollen (Köhler/Bornkamm/Feddersen-Bornkamm/Feddersen, 39. Aufl. 2021, UWG § 5 Rn. 4.144). Insbesondere kann eine Irreführung durch die Beifügung eines Fachgebiets zur Berufsangabe Zahnarzt, beziehungsweise durch Angaben, die als solche Gebietsbezeichnung wirken, verursacht werden, weil sie vom Verkehr entsprechend der geltenden Rechtslage so verstanden werden, dass sie nach einer entsprechenden Weiterbildung in einem geordneten Verfahren durch die zuständigen inländischen Stellen verliehen worden sind (LG Flensburg, Urteil vom 29.12.2017 – 6 HKO 51/17, BeckRS 2017, 143467 Rn. 16, 17).

Im vorliegenden Fall stellt die vorgenommene Bezeichnung des Beklagten als „Zahnarzt für Kieferorthopädie“ eine irreführende geschäftliche Handlung dar, weil diese Bezeichnung bei durchschnittlich informierten Patienten den unzutreffenden Eindruck erwecken konnte, der Beklagte sei Fachzahnarzt für Kieferorthopädie.

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