Ihr Rechtsanwalt im Wettbewerbsrecht
Dr. Hermann-Josef Omsels*

Eine Darstellung des Gesetzes gegen den unlauteren Wettbewerb und wettbewerbsrechtlicher Nebengesetze



 


 

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Vollziehung durch Zustellung (Fortsetzung)

d. An wen muss zugestellt werden?

i. Zustellung an den oder die Schuldner

ii. Zustellung an Verfahrens- oder Zustellungsbevollmächtigte

Zustellung von Anwalt zu Anwalt

Zustellung per Fax oder beA

Empfangsverweigerung

e. Bis wann muss zugestellt werden (Vollziehungsfrist)?

f. Erneute Zustellung bei Bestätigung oder Änderung der eV ?

g. Zustellung im Ausland

h. Zustellung einer Leistungsverfügung, z.B. Auskunftsverpflichtung/Herausgabe

i. Heilung von Zustellungsmängeln

j. Heilung bei Rechtsmissbrauch

An wen muss zugestellt werden?

Zustellung an den oder die Schuldner

Die einstweilige Verfügung muss an den Schuldner oder ein zuständiges Organ des Schuldners zugestellt werden. Richtet sich die einstweilige Verfügung gegen mehrere Schuldner, ist sie jedem von ihnen zuzustellen.

Die Zustellung erfolgt in der Regel (siehe wegen der Einzelheiten §§ 166 ff ZPO) durch Bekanntgabe des zuzustellenden Schriftstücks an den Schuldner persönlich, bei juristischen Personen an deren Vertreter (Vorstand, Geschäftsführer). Kann die natürliche Person nicht in der Wohnung oder der Geschäftsführer nicht im Geschäftsraum angetroffen werden, gilt § 178 ZPO:

Wird die Person, der zugestellt werden soll, in ihrer Wohnung, in dem Geschäftsraum oder in einer Gemeinschaftseinrichtung, in der sie wohnt, nicht angetroffen, kann das Schriftstück zugestellt werden

1. in der Wohnung einem erwachsenen Familienangehörigen, einer in der Familie beschäftigten Person oder einem erwachsenen ständigen Mitbewohner,

2. in Geschäftsräumen einer dort beschäftigten Person,

3. in Gemeinschaftseinrichtungen dem Leiter der Einrichtung oder einem dazu ermächtigten Vertreter.

Bei juristischen Personen kann die Zustellung mithin an jede Person bewirkt werden, die beim Schuldner beschäftigt ist und sich in dessen Geschäftsraum befindet. Geschäftsraum ist während einer Messe auch der Messestand (BGH, Beschl. v. 5.5.2008, X ZB 36/07, Tz. 4 - Zustellungsbevollmächtigter; OLG Köln, Beschl. v. 13.8.2009, 17 W 181/09).

OLG Frankfurt, Urt. v. 4.2.2021, 6 U 161/20, II.3.a

Gemäß §§ 936, 922 Abs. 2 ZPO hat der Antragsteller die von ihm im Beschlusswege erwirkte einstweilige Verfügung dem Antragsgegner im Parteibetrieb zustellen zu lassen. Dazu hat er das zuzustellende Schriftstück dem mit der Zustellung beauftragten Gerichtsvollzieher zu übergeben (§ 192 Abs. 1 und 2 ZPO). Hierfür kann eine Ausfertigung des Beschlusses (§ 329 Abs. 2 ZPO) oder eine vom Gericht beglaubigte Abschrift (§ 329 Abs. 1 Satz 2, § 317 Abs. 2 Satz 1, § 169 Abs. 2 Satz 1 ZPO) verwendet werden (BGH WRP 2019, 767Rn 11).

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Zustellung an Verfahrens- oder Zustellungsbevollmächtigte

Die einstweilige Verfügung muss an den Rechtsanwalt des Schuldners zugestellt werden, der sich für ihn als Verfahrensbevollmächtigter nach § 172 ZPO bestellt hat. In diesem Fall ist eine Zustellung an den Schuldner nicht mehr ausreichend.

BGH, Urt. v. 6. 4. 2011, VIII ZR 22/10, Tz. 13

Die Bestellung eines Prozessbevollmächtigten nach § 172 Abs. 1 Satz 1 ZPO geschieht in der Weise, dass die vertretene Partei oder ihr Vertreter dem Gericht oder im Falle einer Parteizustellung dem Gegner Kenntnis von dem Vertretungsverhältnis gibt. Sie kann auch durch eine Anzeige des Prozessgegners erfolgen, wenn die vertretene Partei oder ihr Vertreter dem Gegner von dem Bestehen einer Prozessvollmacht Kenntnis gegeben haben. Bei dem Erfordernis der Kenntnisgabe handelt es sich indessen in erster Linie um einen Gesichtspunkt für die Beurteilung der Wirksamkeit der Zustellung (vgl. Zöller/Stöber, aaO). Aus ihm folgt deshalb nicht, dass der vom Gegner benannte Prozessbevollmächtigte des Beklagten erst dann als gemäß § 172 Abs. 1 Satz 1 ZPO bestellt anzusehen ist, wenn über dessen Benennung im Rubrum der Klageschrift hinaus weiterer Vortrag zum Vorliegen einer Prozessvollmacht erfolgt.

Ebenso zuletzt OLG Celle, Urt. v. 16.6.2016, 13 U 26/16, II.1.b; OLG München, Urt. v. 14.9.2017, 6 U 1864/17, Tz. 32

OLG München, Urt. v. 14.9.2017, 6 U 1864/17, Tz. 32

„Bestellt“ im Sinne von § 172 Abs. 1 Satz 1 ZPO ist der Prozessbevollmächtigte, wenn die vertretene Partei oder der Prozessbevollmächtigte dem Gericht oder dem Gegner, etwa durch eine entsprechend deutliche Erklärung im vorprozessualen Schriftwechsel, mitteilt, für ein Verfügungsverfahren (zustellungs-)bevollmächtigt zu sein (Retzer in Harte/Henning, UWG, 4, Aufl. 2016, § 12 Rn. 529).

OLG Frankfurt, Urt. v. 4.2.2021, 6 U 161/20, II.3.b.aa

Nach der Rechtsprechung des erkennenden Senats ist eine Unterlassungsverfügung (nur) dann zum Zwecke der Vollziehung dem Anwalt des Antragsgegners zuzustellen, wenn dieser sich als Prozessbevollmächtigter bestellt hat und dem Antragsteller die Bevollmächtigung zur Prozessführung zur hinreichend sicheren Kenntnis gebracht worden ist (§ 172 Abs. 1 ZPO). Die Bevollmächtigung zur Prozessführung kann sich auch aus den Umständen ergeben. Der Kenntnis steht es gleich, wenn sich der Gegner der Kenntnis vorwerfbar verschließt. Eine allgemeine Erkundigungspflicht besteht hingegen nicht.

Die einstweilige Verfügung kann, sie muss aber nicht an den Rechtsanwalt erfolgen, der sich nur als Zustellungsbevollmächtigter legitimiert hat. Wenn nicht ausreichend klar ist, ob der Rechtsanwalt nur zustellungsbevollmächtigt ist oder auch verfahrensbevollmächtigt, sollte vorsichtshalber auch an den Rechtsanwalt zugestellt werden.

Ein Rechtsanwalt, der sich vorprozessual als Zustellungsbevollmächtigter benannt hat oder eine Rechtsanwaltsvollmacht vorlegt, aus der sich üblicherweise seine Zustellungsbevollmächtigung ergibt, ist nicht gleichzeitig Prozessbevollmächtigter. Die Zustellungsbevollmächtigung bedeutet nur, dass an den bevollmächtigten Rechtsanwalt zugestellt werden kann, nicht aber, dass an Ihnen zugestellt werden muss (OLG Düsseldorf GRUR -RR 2005,102; anderer Ansicht OLG Hamburg OLGRep. 2001,278).

OLG Düsseldorf, Urt. v. 29.4.2004, I-20 U 18/04, Tz. 4 f

Die Zustellung muss an einen bestellten Prozessbevollmächtigten nur dann erfolgen, wenn der Antragsteller von der Bestellung weiß oder die Bestellung erkennen kann. Sonst kann wirksam an den Antragsgegner selbst zugestellt werden.

Dem vorprozessualen Schreiben dieser Anwälte an die Antragstellerin vom 22. September 2003 war eine Prozessvollmacht nicht zu entnehmen. Das Schreiben enthält vielmehr nur eine allgemeine Bevollmächtigungsanzeige und die Mitteilung einer Zustellungsvollmacht für den Fall eines gerichtlichen Vorgehens. Der erkennende Senat ist nicht der Auffassung, dass eine mitgeteilte "Zustellungsbevollmächtigung" ohne weiteres als "Prozessbevollmächtigung" zu verstehen wäre. Eine "Zustellungsbevollmächtigung" bedeutet nur, dass an den bevollmächtigten Rechtsanwalt zugestellt werden kann, nicht aber, dass an ihn zugestellt werden muss. Es besteht kein Anlass, den nach dem Wortsinn klaren Inhalt der beiden Begriffe zu verwischen. Im Gegenteil würde es eine durch nichts gerechtfertigte Benachteiligung des Antragstellers bedeuten, ihn auf eine ausdehnende Auslegung des vom Antragsgegner verwendeten angeblich hinter dem Gemeinten zurückbleibenden Wortes zu verweisen.

OLG Köln, Urt. v. 21.10.2016, 6 U 112/16, Tz. 42

Dass trotz Anwaltsbestellung zunächst nicht den deutschen Anwälten gegenüber zugestellt worden ist, erklärt sich durch die Angabe in der Anwaltsbestellung, in der nur auf die Abmahnung Bezug genommen worden war. Zwar ist die als Anlage zur Anwaltsbestellung vorgelegte Vollmacht vollumfassend, so dass von einer wirksamen Zustellung an die Anwälte ausgegangen worden wäre. Aber da im Anschreiben nur die Abmahnung erwähnt worden ist, konnte und durfte die Antragstellerin noch Zweifel haben. Es war aus ihrer Sicht jedenfalls nicht völlig unzweifelhaft, dass die deutschen Verfahrensbevollmächtigten auch für das Verfügungsverfahren mandatiert und empfangsberechtigt waren.

Beachte aber:

OLG Hamburg, Beschl. v. 28.2.2001, 3 U 171/00

Für die Bestellung zum Prozessbevollmächtigten genügt die formlose Mitteilung der Prozessvollmacht gegenüber der Gegenseite, deswegen ist es hierfür ausreichend, wenn ein Rechtsanwalt auf eine Abmahnung vorprozessual seine Prozessbevollmächtigung für das anstehende Verfügungsverfahren dem Gegner mitteilt.

Auf die an die Antragsgegnerin selbst gerichtete Abmahnung der Antragstellerin hat sich Rechtsanwalt v. L-W mit Schreiben vom 19. Oktober 1999 für die Antragsgegnerin gemeldet. … Am Ende des Schreibens … heißt es: "Für den Fall, dass Sie beabsichtigen, Ansprüche gerichtlich geltend zu machen, betrachten Sie uns bitte als zustellungsbevollmächtigt".

Es trifft zwar zu, dass in jenem Schreiben von einer Prozessbevollmächtigung des Rechtsanwalts v. ... wörtlich nicht die Rede ist. In diesem Sinne ist aber die Formulierung zu verstehen, das ist auch nach Auffassung des Senats eindeutig.

Aus der maßgeblichen Sicht des objektivierten Empfängerhorizonts war die Erklärung nur dahingehend zu verstehen, dass für das Verfügungsverfahren, das nach der abschlägig beantworteten Abmahnung naheliegend zu erwarten war, Rechtsanwalt v. ... auf Seiten der Antragsgegnerin prozessbevollmächtigt sei. Es wird in jenem Schreiben zwischen bloßer Zustellungsbevollmächtigung und Prozessbevollmächtigung nicht etwa unterschieden, sondern der Rechtsanwalt bezeichnet sich für den Fall der gerichtlichen Auseinandersetzung als "zustellungsbevollmächtigt". Es handelt sich damit um eine ersichtlich unscharfe, aber im maßgeblichen Gesamtzusammenhang gleichwohl um eine eindeutige Erklärung im Sinne der Prozessbevollmächtigung, weil sich im Schreiben kein Anhaltspunkt für eine Einschränkung im Sinne einer bloßen Zustellungsbevollmächtigung (§ 174 BGB) ergibt. Letztere wäre im vorliegenden Kontext auch aus der Sicht der Antragstellerin ungewöhnlich und sinnlos gewesen.

OLG Düsseldorf, I-20 U 101/18 (WRP 2019, 490)

Die Beschlussverfügung musste nicht gemäß § 172 ZPO an den jetzigen Verfahrensbevollmächtigten der Antragsgegnerin zugestellt werden. Er … hatte der Antragstellerin lediglich mitgeteilt, die Antragsgegnerin habe ihn mit der Wahrnehmung ihrer rechtlichen Interessen beauftragt. Daraus ging nicht eindeutig hervor, ob dies nur für die vorgerichtliche Auseinandersetzung oder auch für ein etwaig sich daran anschließendes gerichtliches Verfahren gelten sollte. Eine Bestellung bloß für die vorgerichtliche Korrespondenz reichte nicht aus, um die Wirkungen des § 172 ZPO herbeizuführen. Soll eine Bestellung auch für ein späteres gerichtliches Verfahren erfolgen, muss dies eindeutig erfolgen.

OLG Nürnberg, Urt. v. 24.10.2023, 3 U 965/23, Tz. 35

Grundsätzlich liegt in dem Umstand, dass ein Anwalt eine Partei im vorgerichtlichen Abmahnverfahren vertritt, nicht automatisch eine Bestellung für ein nachfolgendes Gerichtsverfahren, auch wenn vorprozessual mitgeteilt wurde, dem Anwalt sei Zustellungsvollmacht erteilt (OLG Düsseldorf, GRUR 2005, 102 – Elektronischer Haartrockner; OLG Hamburg, GRUR-RR 2006, 355 – Stadtkartenausschnitt). Darüber hinaus ist zu berücksichtigen, dass dann, wenn sich ein Prozessvertreter (nur) für das Hauptsacheverfahren angezeigt hat, im Regelfall Zustellungen im Verfügungsverfahren wirksam an die Partei selbst vorgenommen werden können (OLG Nürnberg, NJOZ 2002, 1175).

Das Risiko, dass der anwaltliche Vertreter der Gegenseite nicht prozess- oder zustellungsbevollmächtigt ist, trägt der Antragsteller.

BGH, Urt. v. 6. 4. 2011, VIII ZR 22/10, Tz. 15

Das Risiko, dass der vom Kläger als Prozessbevollmächtigter des Beklagten bezeichnete Anwalt keine Prozessvollmacht besitzt und die an diesen bewirkte Zustellung deshalb unwirksam ist, trägt der Kläger.

Die Hinterlegung einer Schutzschrift reicht zum Nachweis einer Prozessvollmacht nicht unbedingt aus:

OLG Frankfurt, Urt. v. 11.2.2016, 6 U 188/15

Eine Bestellung zum Prozess- oder Zustellungsbevollmächtigten enthielt … die beim Zentralen Schutzschriftenregister eingereicht Schutzschrift nicht. Im letzten Absatz dieser Schutzschrift hat der Antragsgegnervertreter ausdrücklich darauf hingewiesen, dass er bislang weder mit der gerichtlichen Vertretung beauftragt noch zustellungsbevollmächtigt sei. Auch der weitere Inhalt der Schutzschrift enthält keine ausreichenden Anhaltspunkte dafür, die ungeachtet der genannten Erklärung am Ende des Schriftsatzes den Schluss auf eine Bestellung des Antragsgegnervertreters als Prozessbevollmächtigter rechtfertigen könnten. Insbesondere sind in der Schutzschrift keine Anträge gestellt worden; auch eine Rüge der örtlichen Unzuständigkeit ist nicht als solche erhoben, sondern lediglich mit der Anregung verbunden worden, die örtliche Zuständigkeit von Amts wegen zu prüfen.

Bestellt sich ein weiterer Rechtsanwalt für den Schuldner gilt:

OLG Celle, Urt. v. 16.6.2016, 13 U 26/16, II.1.b

Die Parteizustellung an den erstinstanzlichen Prozessbevollmächtigten ist wirksam vollzogen, auch wenn sich der jetzige Prozessbevollmächtigte des Verfügungsbeklagten mit Schreiben vom ... gegenüber der Verfügungsklägerin als neuer Prozessbevollmächtigter legitimiert hat. Die Prozessvollmacht in erster Instanz gilt nach § 172 ZPO ab Abhängigkeit grundsätzlich bis Ablauf der Rechtsmittelfrist fort (Wittschier in Musielak/Voit, ZPO, 13. Aufl., § 172 Rn. 5) ... . In der Bestellung eines neuen Prozessbevollmächtigten ist - wegen der Möglichkeit, mehrere Bevollmächtigte zur Vertretung der Partei zu ermächtigen, § 84 Satz 1 ZPO - ein Widerruf der Bestellung eines früheren Bevollmächtigten nur dann zu sehen, wenn zum Ausdruck kommt, dass der neue Bevollmächtigte anstelle des früheren bestellt werden soll (BGH, Beschl. v. 30.5.2007, XII ZB 82/06, Tz. 30).

Nach einer wirksamen Zustellung an den Schuldner muss nicht nochmals an seinen Verfahrensbevollmächtigten zugestellt werden, nachdem bekannt geworden ist, dass er einen hat.

OLG Frankfurt, Urt. v. 4.2.2021, 6 U 161/20, II.3.b.bb

Nach Kenntnisnahme von der Bestellung musste nicht erneut an den Prozessbevollmächtigten zugestellt werden. … Eine wirksame Zustellung kann nicht dadurch unwirksam werden, dass sich später ein Bevollmächtigter legitimiert bzw. die die Zustellung betreibende Partei hiervon Kenntnis erlangt. Weder Wortlaut noch Sinn und Zweck des § 172 Abs. 1 ZPO sprechen dafür. Soweit in dieser Bestimmung die Zustellung an den für den Rechtszug bestellten Prozessbevollmächtigten verlangt wird, betrifft dies nur Schriftstücke, die noch nicht wirksam zugestellt wurden.

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Zustellung von Anwalt zu Anwalt

§ 195 Zustellung von Anwalt zu Anwalt

(1) Sind die Parteien durch Anwälte vertreten, so kann ein Dokument auch dadurch zugestellt werden, dass der zustellende Anwalt das Dokument dem anderen Anwalt übermittelt (Zustellung von Anwalt zu Anwalt). Auch Schriftsätze, die nach den Vorschriften dieses Gesetzes vom Amts wegen zugestellt werden, können stattdessen von Anwalt zu Anwalt zugestellt werden, wenn nicht gleichzeitig dem Gegner eine gerichtliche Anordnung mitzuteilen ist. In dem Schriftsatz soll die Erklärung enthalten sein, dass von Anwalt zu Anwalt zugestellt werde. Die Zustellung ist dem Gericht, sofern dies für die zu treffende Entscheidung erforderlich ist, nachzuweisen. Für die Zustellung an einen Anwalt gilt § 174 Abs. 2 Satz 1 und Abs. 3 Satz 1, 3 entsprechend.

(2) Zum Nachweis der Zustellung genügt das mit Datum und Unterschrift versehene schriftliche Empfangsbekenntnis des Anwalts, dem zugestellt worden ist. § 174 Abs. 4 Satz 2, 3 gilt entsprechend. Der Anwalt, der zustellt, hat dem anderen Anwalt auf Verlangen eine Bescheinigung über die Zustellung zu erteilen.

§ 172 Zustellung an Prozessbevollmächtigte

(1) In einem anhängigen Verfahren hat die Zustellung an den für den Rechtszug bestellten Prozessbevollmächtigten zu erfolgen. Das gilt auch für die Prozesshandlungen, die das Verfahren vor diesem Gericht infolge eines Einspruchs, einer Aufhebung des Urteils dieses Gerichts, einer Wiederaufnahme des Verfahrens, einer Rüge nach § 321a oder eines neuen Vorbringens in dem Verfahren der Zwangsvollstreckung betreffen. Das Verfahren vor dem Vollstreckungsgericht gehört zum ersten Rechtszug.

(2) Ein Schriftsatz, durch den ein Rechtsmittel eingelegt wird, ist dem Prozessbevollmächtigten des Rechtszuges zuzustellen, dessen Entscheidung angefochten wird. Wenn bereits ein Prozessbevollmächtigter für den höheren Rechtszug bestellt ist, ist der Schriftsatz diesem zuzustellen. Der Partei ist selbst zuzustellen, wenn sie einen Prozessbevollmächtigten nicht bestellt hat.

In einem anhängigen Rechtsstreit muss die Zustellung gemäß § 172 ZPO an den Rechtsanwalt des Antragsgegners erfolgen, wenn er sich als Verfahrensbevollmächtigter bestellt hat und der Antragsteller davon Kenntnis hat.

Der Rechtsanwalt des Antragsgegners ist Verfahrensbevollmächtigter, wenn er bei dem Gericht, das die einstweilige Verfügung erlassen hat, eine Schutzschrift hinterlegt hat. Eine Zustellung an den Antragsgegner persönlich ist aber dann unschädlich, wenn der Antragsteller bzw. sein Rechtsanwalt vom Gericht nicht über die Schutzschrift informiert wurde.

OLG Köln, Urt. v. 11.7.2014, 6 U 214/13, Tz. 13 f

Die Zustellung der einstweiligen Verfügung hat gemäß § 172 Abs. 1 ZPO an den Verfahrensbevollmächtigten des Antragsgegners zu erfolgen, wenn dieser eine Schutzschrift eingereicht hat und dem Antragsteller so die anwaltliche Vertretung des Antragsgegners bekannt geworden ist. Der Kenntnis steht es gleich, wenn sich der Gegner vorwerfbar der Kenntnisnahme verschließt (Köhler, in: Köhler/Bornkamm, UWG, § 12 Rn. 3.63). Andererseits besteht keine Nachforschungspflicht des Antragstellers: Solange in einem anhängigen Rechtsstreit eine eindeutige und umfassende Vertretungsmacht dem zustellenden Organ (Gericht) oder der zustellenden Partei nicht angezeigt ist, hat die Zustellung an den Zustellungsadressaten persönlich zu erfolgen. Allein der Hinweis in einer Beschlussverfügung, dass eine Schutzschrift vorgelegen habe (ohne dass im Rubrum der Verfügung die Verfahrensbevollmächtigten aufgenommen worden sind), genügt daher nicht, um die Verpflichtung zur Zustellung an die Verfahrensbevollmächtigten auszulösen (OLG Düsseldorf, GRUR 1984, 79, 81 – Vollziehungszustellung bei Schutzschrift; OLG Hamburg, MD 2006, 734, 742).

… Allein aus der Existenz einer Schutzschrift kann nicht geschlossen werden, dass sich für den Antragsgegner bereits ein Rechtsanwalt bestellt hat. …

OLG Hamburg v. 14.04.2005, 3 U 222/04, VI

Der Einwand der mangelnden Vollziehung der Beschlussverfügung ... ist unbegründet. ...

... In der Schutzschrift sind die jetzigen Prozessbevollmächtigten der Antragsgegnerinnen zu Verfahrensbevollmächtigten ... bestellt worden, ....

In der Beschlussverfügung des Landgerichts sind die jetzigen Prozessbevollmächtigten der Antragsgegnerinnen aber nicht als Verfahrensbevollmächtigte aufgeführt worden. ...

Nach der ständigen Rechtsprechung des Senats ist an den Prozessbevollmächtigten zuzustellen, wenn er bestellt worden ist, sofern die Antragstellerin davon Kenntnis hat. Im vorliegenden Fall hatte die Antragstellerin davon aber keine Kenntnis.

Dass die Antragstellerin sich Kenntnis hätte verschaffen können, und zwar über die Begründung der Beschlussverfügung (dort ist eine Schutzschrift nur mit Datum, aber ohne Aktenzeichen aufgeführt), ist unerheblich. Denn das Vorliegen einer anwaltlichen Schutzschrift muss nicht heißen, dass eine Bestellung zum Verfahrensbevollmächtigten vorliegt, in vielen Fällen ist das gerade nicht der Fall.

OLG Zweibrücken, Beschl. v. 22.9.2014, 4 U 19/14

Bestellt ist ein Prozessbevollmächtigter, wenn seine Bestellung dem Gericht durch irgendeine Meldung der Partei oder ihres Vertreters angezeigt ist. ... Es genügt, wenn der Prozessbevollmächtigte oder die Partei im Falle der Parteizustellung dem Gegner hinreichend sichere Kenntnis von der Person des Prozessbevollmächtigten verschafft hat, was sich auch aus den aus einer solchen Unterrichtung erkennbaren Umstände ergeben kann.

Eine solche Unterrichtung des Verfügungsklägers lag hier nicht vor. Die Prozessbevollmächtigten der Verfügungsbeklagten haben in ihrem die Abmahnung des Verfügungsklägers beantwortenden Schreiben vom 19. Juli 2010 nur pauschal auf ihre Vollmacht für "weitere Zustellungen", nicht aber für ein nachfolgendes gerichtliches Verfahren hingewiesen. Aus der allgemeinen Erklärung konnte der Verfügungskläger deshalb nicht mit der gebotenen Deutlichkeit entnehmen, dass die Rechtsanwälte auch für ein nachfolgendes einstweiliges Verfügungsverfahren bevollmächtigt waren (vgl. hierzu auch OLG Hamburg, Urt. v. 28.2.2006, 5 U 199/05; Zöller/Vollkommer, ZPO, § 929 Rdnr. 13).

KG, Beschl. v. 21.12.2022, 5 U 1039/20, II.4.a.aa

Die Bestellung eines Rechtsanwaltes als mit der Wahrnehmung der Interessen der Partei in einem gerichtlichen Verfahren Bevollmächtigter setzt voraus, dass die vertretene Partei oder ihr Vertreter dem Gericht oder im Falle einer Parteizustellung dem Gegner Kenntnis von dem Vertretungsverhältnis gibt (BGH, Beschl. v. 28.07.1999, VIII ZB 3/99, juris, Tz. 11). Diese Kenntnis kann grundsätzlich auch formlos vermittelt werden oder sich aus den Umständen ergeben. Erforderlich ist jedoch, dass sich die Tatsache, dass ein Rechtsanwalt als Bevollmächtigter der Partei auftreten soll, wenigstens aus den Gesamtumständen eindeutig ergibt.

Aus der bloßen Tatsache, dass sich in einem vorgeschalteten Abmahnverfahren ein Rechtsanwalt als Vertreter des Schuldners gemeldet und die Ansprüche zurückgewiesen hat, kann noch nicht auf eine Vertretungsbefugnis für das Verfügungsverfahren geschlossen werden. Es bedarf daher einer verlässlichen Mitteilung darüber, dass der Rechtsanwalt auch für ein nachfolgendes gerichtliches Eilverfahren die Vertretungsbefugnis besitzt.

Für die Bestellung eines Rechtsanwalts als Zustellungsbevollmächtigter oder Verfahrensbevollmächtigter reicht es bereits aus, wenn der Rechtsanwalt – bspw. im Rahmen einer vorgerichtlichen Korrespondenz – eine Vollmachtsurkunde vorlegt, aus der sich seine Bestellung als Verfahrensbevollmächtigter (Prozessbevollmächtigter) ergibt.

OLG Hamburg, 28.4.2006, 5 U 199/05

Für die „Bestellung als Prozessbevollmächtigter“ im Sinne von § 172 ZPO reicht die formlose, aber eindeutige Mitteilung der Prozessvollmacht an den Gläubiger aus, so etwa wenn der Anwalt auf die Abmahnung vorprozessual seine Prozessbevollmächtigung für das anstehende Verfügungsverfahren mitteilt oder erklärt, für dieses Verfahren zustellungsbevollmächtigt zu sein (Teplitzky, Wettbewerbsrechtliche Ansprüche und Verfahren, 8. Aufl., Kap. 55 Rn. 43, Fußn. 145 m.w.N.).

Dafür ist es aber noch nicht ausreichend, wenn ein Rechtsanwalt außerhalb eines Gerichtsverfahrens, etwa in einer Antwort auf eine Abmahnung lediglich darauf hinweist, dass er eine Partei vertritt.

KG, Beschl. v. 31.11.2010, 5 W 274/10

Im Falle der vorgerichtlichen anwaltlichen Antwort auf ein Abmahnschreiben kann von einer Zustellungsvollmacht nur ausgegangen werden, wenn der Anwalt dies in seinem Antwortschreiben ausdrücklich erklärt oder eine Vollmacht beigefügt, aus der sich die Zustellungsvollmacht ausdrücklich ergibt.

OLG Jena, Beschl. v. 19.01.11, 2 W 17/11

Die Zustellungspflicht des § 172 ZPO wird immer dann ausgelöst, wenn der Prozessbevollmächtigte einer Partei oder die Partei dem Gericht oder im Falle einer Parteizustellung dem Gegner hinreichend sichere Kenntnis von der Person des Prozessbevollmächtigten verschafft. Die Vermittlung dieser Kenntnis ist nicht an eine bestimmte Form gebunden. Deshalb genügt auch eine nur aus den Umständen ersichtliche Unterrichtung und Verlautbarung.

Findet sich ein Bevollmächtigter im Rubrum der gerichtlichen Entscheidung, so ist an diesen zuzustellen (OLG Frankfurt GRUR 1988, 858; Ahrens/Bemeke, Kap. 57, Rdnr. 37, m. w.N.). Denn es spielt keine entscheidende Rolle, ob die Aufnahme in das Rubrum wegen einer vorhandenen Schutzschrift oder wegen der eigenen Angabe der Antragstellerin erfolgte. Jedenfalls löste die Aufnahme der Verfahrensbevollmächtigten in das Rubrum der gerichtlichen Entscheidung Erkundigungspflichten der Antragstellerin aus.

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Zustellung per Fax oder Mail

Eine Zustellung von Anwalt zu Anwalt ist unter bestimmten Voraussetzungen per Fax oder per beA möglich. Dazu siehe hier.

Empfangsbestätigung erbeten

Eine zwingende Voraussetzung ist es, dass der Zustellung ein vorbereitetes Empfangsbekenntnis beigefügt oder anderweitig deutlich zum Ausdruck gebracht wird, dass der adressierte Rechtsanwalt den Empfang bestätigt werden soll.

OLG Hamm, Urt. v. 12.1.2010, 4 U 193/09

Die Zustellung ist nicht ordnungsgemäß und daher fristwahrend erfolgt. Dem Telefax wurde kein vorbereitetes Empfangsbekenntnis beigefügt. Auch das Anschreiben enthielt keine Aufforderung, den Empfang der Verfügung nebst Anlagen in irgendeiner Weise zu bestätigen. Vor allem fehlte es an einer Bestätigung oder Mitteilung des Erhalts durch die Prozessbevollmächtigten der Antragsgegnerin bzw. an einer Dokumentation ihres Empfangswillens innerhalb der Vollziehungsfrist.

Ordnungsgemäß beglaubigen

OLG Frankfurt, Beschl. v. 17.6.2010, 6 U 48/10

Für eine wirksame Zustellung ist es erforderlich, dass es sich bei dem zuzustellenden Dokument um eine beglaubigte Abschrift der Ausfertigung des Gerichtsbeschlusses handelt, bei der der Beglaubigungsvermerk so gestaltet ist, dass an der Authentizität des zuzustellenden Schriftstücks für den Empfänger kein Zweifel bestehen kann. Hieran sind bei der Übermittlung einer Beschlussausfertigung per Telefax, bei der eine körperliche Verbindung des Dokuments naturgemäß nicht in Betracht kommt, keine zu geringen Anforderungen zu stellen.

So darf es nicht zweifelhaft sein, worauf sich die Beglaubigung des Dokuments, gegebenenfalls mit seinen Anlagen, bezieht. Es darf insbesondere kein Zweifel daran bestehen, welche Seiten zu der beglaubigten Abschrift der Ausfertigung gehören und wo die beglaubigte Abschrift endet.

Empfangsbestätigung erhalten

Eine weitere Voraussetzung ist, dass der Empfänger den Empfang dann auch bestätigt. Die Bestätigung erfolgt in aller Regel durch ein Empfangsbekenntnis, das vom Absender für diese Zwecke bereits vorausgefüllt beigefügt und vom Empfänger nur noch mit Datum und Unterschrift versehen werden muss. Die Bestätigung des Empfangs kann aber auch anderweitig erfolgen.

BGH, Beschl. v. 11.7.2005, NotZ 12/05, II.4.d.aa

§ 174 ZPO will … eine vereinfachte Form der Zustellung eines Schriftstücks an Personen ermöglichen, bei denen aufgrund ihres Berufs von einer erhöhten Zuverlässigkeit ausgegangen werden kann. Zu dem Adressatenkreis gehören neben Anwälten insbesondere auch Notare (§ 174 Abs. 1 Satz 1 ZPO). Diese Form der Zustellung setzt nach wie vor voraus, daß der Empfänger des Schriftstücks an der Zustellung willentlich mitwirkt. Wird das Empfangsbekenntnis-Formular nicht oder kommentarlos unausgefüllt zurückgeschickt, kann von einer derartigen Mitwirkungsbereitschaft nicht ausgegangen werden. Daraus mag man den Schluß ziehen, daß auch nach neuem Recht eine wirksame Zustellung nur vorliegt, wenn der Zustellungsadressat das Empfangsbebekenntnis unterschreibt (in diesem Sinne Zöller/Stöber aaO Rn. 15; a.A. Stein/Jonas/Roth aaO Rn. 25).

OLG Hamm, Urt. v. 12.1.2010, 4 U 193/09

Die Zustellung "gegen Empfangsbekenntnis" setzt - neben der Zustellabsicht des Versenders, die hier durch die Formulierung "zum Zwecke der Vollziehung" dokumentiert ist - voraus, dass ein Empfangsbekenntnis erfolgt. Der Adressat muss vom Zugang des Schriftstücks (nicht nur) Kenntnis erhalten, sondern zudem entscheiden, ob er es als zugestellt ansieht. Die Äußerung des Willens, das Schriftstück anzunehmen (Empfangsbereitschaft) ist - anders als etwa bei einer Zustellung durch den Gerichtsvollzieher - zwingende Voraussetzung einer wirksamen Zustellung. Die Form des Empfangsbekenntnisses ist dabei nicht vorgeschrieben. Insofern kommt es nicht entscheidend darauf an, ob bereits ein schriftlich vorgefertigtes Empfangsbekenntnis beigefügt war. Jedenfalls wurde vorliegend aber auch nicht die Bestätigung des Schriftstücks und seines Zugangs erbeten. Allein dadurch, dass der Anwalt von dem Schriftstück Kenntnis nimmt, kommt die nötige Empfangsbereitschaft nicht schon zum Ausdruck. In diesem Punkt hilft es dem Antragsteller auch nichts, dass es sich bei der Versendung durch Telefax i.S.v. § 174 II ZPO um eine Soll-Vorschrift handelt. Denn danach ist allenfalls der einleitende Hinweis "Zustellung gegen Empfangsbekenntnis" entbehrlich, nicht aber die Bestätigung des Empfangs als solche. Die Empfangsbereitschaft des Adressanten muss aber nach wie vor bestätigt werden. Als bewirkt gilt die Zustellung, wenn der Adressat bestätigt, das ihm per Telekopie übermittelte Schriftstück erhalten und zu einem bestimmten Zeitpunkt als zugestellt entgegengenommen zu haben.

OLG München, Urt. v. 14.9.2017, 6 U 1864/17, Tz. 49

Eine Zustellung von Anwalt zu Anwalt gemäß § 195 ZPO setzt eine Übermittlung des Dokuments mit Zustellungswille sowie die Entgegennahme durch den empfangenden Anwalt mit Empfangsbereitschaft voraus (MüKo/Häublein, ZPO, 5. Aufl. 2016, § 195 Rn. 6).

Die Zustellung scheitert nicht daran, dass auf dem Empfangsbekenntnis die Angabe des Datum fehlt, zu dem die Zustellung erfolgt ist.

BGH, Beschl. v. 11.7.2005, NotZ 12/05, II.4.d.bb

Jedoch ist allein das Fehlen einer Datumsangabe auf einem unterschriebenen und an das die Zustellung veranlassende Gericht zurückgesandten Empfangsbekenntnisses nicht geeignet, Zweifel an der Empfangsbereitschaft des Zustellungsadressaten aufkommen zu lassen. Da es im übrigen auch ohne Datumsangabe des Adressaten regelmäßig möglich ist, das Datum der Zustellung anhand des Eingangsstempels bei Gericht zu ermitteln bzw. zu konkretisieren, besteht kein hinreichender Grund mehr, allein wegen eines solchen Mangels der Urkunde die Wirksamkeit der Zustellung zu verneinen.

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Empfangsverweigerung

Wenn der adressierte Rechtsanwalt sich weigert, den Empfang zu bestätigen, muss binnen der Vollziehungsfrist von einem Monat auch noch per Gerichtsvollzieher zugestellt werden. Zwar heißt es in der Berufsordnung für Rechtsanwälte:

§ 14 BORA Zustellungen

Der Rechtsanwalt hat ordnungsgemäße Zustellungen entgegenzunehmen und das Empfangsbekenntnis mit dem Datum versehen unverzüglich zu erteilen. Wenn der Rechtsanwalt bei einer nicht ordnungsgemäßen Zustellung die Mitwirkung verweigert, muss er dies dem Absender unverzüglich mitteilen.

Diese Bestimmung in der BORA hat aber keine ausreichende gesetzliche Grundlage:

BGH, Urt. v. 26.10.2015, AnwSt (R) 4/15, Tz. 7 f, 13

Die in § 14 Satz 1 BORA bezeichnete Pflicht zur Annahme des zuzustellenden Schriftstücks und zur unverzüglichen Erteilung des Empfangsbekenntnisses beansprucht für alle ordnungsgemäßen Zustellungen Geltung, bezieht mithin Zustellungen von Anwalt zu Anwalt gemäß § 195 ZPO ein.

§ 59b Abs. 2 BRAO enthält jedoch keine den Grundsätzen des Vorbehalts sowie des Vorrangs des Gesetzes genügende Ermächtigungsgrundlage für die Schaffung einer Berufspflicht des Rechtsanwalts, an einer Zustellung von Anwalt zu Anwalt mitzuwirken. ...

Die Schaffung einer Berufspflicht zur Mitwirkung an der Zustellung von Anwalt zu Anwalt hätte einer eindeutigen Ermächtigung durch den Gesetzgeber bedurft, weil sie prozessuale Handlungsspielräume … einengt. Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs verpflichtet nämlich § 195 ZPO den Anwalt, an den zugestellt werden soll, nicht zu einer Mitwirkung an der Zustellung; er empfängt die zugestellte Urkunde vielmehr nur als Vertreter seiner Partei und ist nicht gehindert, die Annahme der Urkunde und die Ausstellung des Empfangsbekenntnisses zu verweigern, ohne dass hieran prozessuale Nachteile geknüpft wären.

OLG Karlsruhe, Beschl. v. 23.3.2016, 6 U 38/16, Tz. 23

Der Versuch einer Zustellung von Anwalt zu Anwalt, der an der verweigerten Rückgabe des Empfangsbekenntnisses gescheitert ist, kann zwar im Rahmen eines Schadensersatzanspruchs nach § 945 ZPO als Beginn der Vollziehung und damit als schadensverursachendes Verhalten gewertet werden kann, nicht aber als vollendete und damit wirksame Vollziehung im Sinne des § 929 Abs. 2 ZPO. Denn bei einem unwirksamen Zustellungsversuch hängt die Frage, ob der Verfügungskläger seinen Vollziehungswillen zum Ausdruck gebracht hat, von einer Würdigung seines Verhaltens im Lichte aller Umstände des Einzelfalls ab. Eine solche Würdigung soll aber nach der Rechtsprechung im Interesse der Rechtssicherheit in dieser Frage gerade vermieden werden. Die gescheiterte Zustellung ist auch nicht gleichzusetzen mit dem anerkannten Fall eines rechtzeitigen und auch sonst wirksamen Vollstreckungsantrags, der eine Vollziehung unabhängig von einer Zustellung im Parteibetrieb bewirken kann (vgl. BGH WRP 1989, 514; OLG Hamburg WRP 1993, 822, 823). In dem vergleichbaren Fall eines unwirksamen Vollstreckungsantrags würde es dagegen ebenso wie im Fall der unwirksamen Parteizustellung an einer hinreichend formalisierten Kundgabe des Vollziehungswillens fehlen.

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Bis wann muss zugestellt werden

Siehe dazu Vollziehungsfrist.

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Zustellung im Ausland

§ 183 Zustellung im Ausland

(1) Eine Zustellung im Ausland ist nach den bestehenden völkerrechtlichen Vereinbarungen vorzunehmen. Wenn Schriftstücke auf Grund völkerrechtlicher Vereinbarungen unmittelbar durch die Post übersandt werden dürfen, so soll durch Einschreiben mit Rückschein zugestellt werden, anderenfalls die Zustellung auf Ersuchen des Vorsitzenden des Prozessgerichts unmittelbar durch die Behörden des fremden Staates erfolgen.

(2) Ist eine Zustellung nach Absatz 1 nicht möglich, ist durch die zuständige diplomatische oder konsularische Vertretung des Bundes oder die sonstige zuständige Behörde zuzustellen. Nach Satz 1 ist insbesondere zu verfahren, wenn völkerrechtliche Vereinbarungen nicht bestehen, die zuständigen Stellen des betreffenden Staates zur Rechtshilfe nicht bereit sind oder besondere Gründe eine solche Zustellung rechtfertigen.

(3) An einen Deutschen, der das Recht der Immunität genießt und zu einer Vertretung der Bundesrepublik Deutschland im Ausland gehört, erfolgt die Zustellung auf Ersuchen des Vorsitzenden des Prozessgerichts durch die zuständige Auslandsvertretung.

(4) Zum Nachweis der Zustellung nach Absatz 1 Satz 2 Halbsatz 1 genügt der Rückschein. Die Zustellung nach Absatz 1 Satz 2 Halbsatz 2 und den Absätzen 2 und 3 wird durch das Zeugnis der ersuchten Behörde nachgewiesen.

(5) Die Vorschriften der Verordnung (EG) Nr. 1393/2007 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 13. 11. 2007 über die Zustellung gerichtlicher und außergerichtlicher Schriftstücke in Zivil- oder Handelssachen in den Mitgliedstaaten und zur Aufhebung der Verordnung (EG) Nr. 1348/2000 (ABl. EU Nr. L 324 S. 79) bleiben unberührt. Für die Durchführung gelten § 1068 Abs. 1 und § 1069 Abs. 1.

§ 1067 Zustellung durch diplomatische oder konsularische Vertretungen

Eine Zustellung nach Artikel 13 der Verordnung (EG) Nr. 1393/2007 …, die in der Bundesrepublik Deutschland bewirkt werden soll, ist nur zulässig, wenn der Adressat des zuzustellenden Schriftstücks Staatsangehöriger des Übermittlungsstaats ist.

§ 1068 Zustellung durch die Post

(1) Zum Nachweis der Zustellung nach Artikel 14 der Verordnung (EG) Nr. 1393/2007 genügt der Rückschein oder der gleichwertige Beleg.

(2) Ein Schriftstück, dessen Zustellung eine deutsche Empfangsstelle im Rahmen von Artikel 7 Abs. 1 der Verordnung (EG) Nr. 1393/2007 zu bewirken oder zu veranlassen hat, kann ebenfalls durch Einschreiben mit Rückschein zugestellt werden.

§ 1069 Zuständigkeiten

(1) Für Zustellungen im Ausland sind als deutsche Übermittlungsstelle im Sinne von Artikel 2 Abs. 1 der Verordnung (EG) Nr. 1393/2007 zuständig:

1. für gerichtliche Schriftstücke das die Zustellung betreibende Gericht

KG, Beschl. v. 3.12.2008, 5 W 199/08

Beantragt ein Gläubiger die förmliche Zustellung nach § 183 Abs.1 Nr. 2 ZPO (a. F.), um dem Risiko der Annahmeverweigerung durch den Adressaten zu begegnen, dann hat das Gericht keinen Ermessensspielraum. Es muss die förmliche Zustellung anordnen.

Eine ausschließliche funktionelle Zuständigkeit der Amtsgerichte nach § 1069 Abs. 1 Nr. 2 ZPO (in der zur Zeit der Zustellung geltenden Fassung) besteht nicht. Wo es ein Gericht gibt, welches das Verfahren betreibt, in dem die Zustellung erforderlich wird, ist dieses Gericht die örtliche Übermittlungsstelle nach § 1069 ZPO. Die Ausfertigung der einstweiligen Verfügung stellt ein gerichtliches Schriftstück dar, denn sie entstammt aus einem gerichtlichen Verfahren, und das Landgericht als Prozessgericht war gemäß § 183 Abs. 1 Nr. 2 ZPO a. F. das die Zustellung betreibende Gericht im Sinne von § 1069 Abs. 1 Nr. 1 ZPO.

LG Berlin, Beschl. v. 15.4.2008, 16 O 854/06

§ 1068 Abs. 1, 1069 ZPO in Verbindung mit Art. 14 der Verordnung (EG) Nr. 1348/2000 soll lediglich eine weitere Zustellmöglichkeit eröffnen (vgl. § 183 Abs. 3 ZPO), nämlich eine erleichterte, weil direkte Zustellung durch die Post. Diesen Weg hat der Gläubiger indes nicht gewählt. Die nach § 929 Abs. 2 ZPO erforderliche Vollziehung einer Ausfertigung oder Abschrift der einstweiligen Verfügung durch Zustellung im Parteibetrieb ändert nichts daran, dass ein gerichtliches Schriftstück zugestellt wird. Eine funktionelle Zuständigkeit der Amtsgerichte für die Auslandszustellung (§ 1069 Abs. 1 Nr. 2 ZPO) besteht mithin nicht. Auch der nach § 192 Abs. 1 ZPO für die Zustellung auf Betreiben der Partei zuständige (deutsche) Gerichtsvollzieher darf die Zustellung am niederländischen Geschäftssitz der Schuldnerin nicht bewirken, weil Deutschland dieses Zustellungsorgan nicht als Übermittlungsstelle nach Art 2 Abs. 1 der Verordnung (EG) Nr. 1348/2000 benannt hat.

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Zustellung einer Leistungsverfügung, z.B. Auskunftsverpflichtung/Herausgabe

Mit einer Leistungsverfügung wird dem Antragsgegner/Verfügungsbeklagten in einem einstweiligen Verfügungsverfahren aufgegeben, eine bestimmte Handlung vorzunehmen, z.B. eine Auskunft zu erteilen oder Sachen herauszugeben. Sie unterscheidet sich von den im Wettbewerbsrecht üblichen Unterlassungsverfügungen, mit denen eine bestimmte Handlung verboten wird.

Leistungsverfügungen sind im Wettbewerbsrecht eher selten. Sie kommen bei Verletzungen von Ausschließlichkeitsrechten wie einem Markenrecht, einem Patentrecht, einem Recht an einem Gebrauchsmuster oder an einem Geschmacksmuster im Rahmen von Auskunftsansprüchen, die im einstweiligen Verfügungsverfahren geltend gemacht werden, häufiger vor. Im Wettbewerbsrecht kommt sie bei der Verletzung einer Rechtsposition, die über das UWG ähnlich wie ein Ausschließlichkeitsrecht geschützt sind (Nachahmung wettbewerblich eigenartiger Erzeugnisse, Verletzung von Vertriebssystemen oder von Geschäfts- oder Betriebsgeheimnissen), in Betracht.

Bei der Leistungsverfügung ist umstritten, ob für die Vollziehung bereits die Zustellung der einstweiligen Verfügung ausreichend ist, oder ob innerhalb der Vollziehungsfrist auch ein Antrag auf Festsetzung eines Zwangsgeldes gestellt werden muss, wenn der Schuldner nicht ausreichend reagiert.

OLG Düsseldorf, Urt. v. 3.11.2009, I-20 U 141/09

Einstweilige Verfügungen, die hinsichtlich des Anspruchs auf Erteilung einer Auskunft, auf Vornahme einer Handlung gerichtet sind, müssen innerhalb der Monatsfrist durch die entsprechenden Vollstreckungsmaßnahmen vollzogen werden. Das Gesetz sieht zur Vollstreckung (Vollziehung) eines Anspruchs auf Auskunftserteilung gemäß § 888 ZPO die Anordnung von Zwangsmitteln vor. Ist die Auskunft nicht innerhalb der Monatsfrist erteilt worden, ist mithin der fristgerechte Antrag des Gläubigers auf Festsetzung eines derartigen Zwangsmittels erforderlich.

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Heilung von Zustellungsmängeln

Zustellungsmängel können nach § 189 ZPO geheilt werden.

OLG Frankfurt, Urt. v. 4.3.2021, 6 U 123/20, II.2.a

Nach einhelliger Ansicht können sowohl Urteils- als auch Beschlussverfügungen grundsätzlich § 189 ZPO unterfallen, wonach eine Heilung von Zustellungsmängeln im Zeitpunkt des tatsächlichen Zugangs an die Person eintritt, an die die Zustellung gerichtet wird.

BGH, Beschl. v. 11.7.2005, NotZ 12/05, II.5

Nach § 189 ZPO gilt ein Schriftstück, dessen formgerechte Zustellung sich nicht nachweisen läßt oder das unter Verletzung zwingender Zustellungsvorschriften zugegangen ist, in dem Zeitpunkt als zugestellt, in dem es dem Zustellungsadressaten tatsächlich zugegangen ist.

BGH, Beschl. v. 12.3.2020, I ZB 64/19, Rn. 21

Eine Heilung durch den tatsächlichen Zugang des Schriftstücks im Sinne des § 189 ZPO setzt voraus, dass das Schriftstück so in den Machtbereich der Adressatin gelangt, dass sie es behalten kann und Gelegenheit zur Kenntnisnahme von dessen Inhalt hat.

Allerdings setzt die Heilung eines Zustellungsmangels voraus, dass das Schriftstück, das zugestellt werden soll, vom Antragsteller/Kläger 'mit Zustellungswillen' expediert wird. Es reicht nicht aus, dass es den Zustellungsempfänger nur irgendwie erreicht.

BGH, Urt. v. 19. 5. 2010 – IV ZR 14/08 Tz. 16 f

Die Heilung von Mängeln, die bei der Ausführung der Zustellung unterlaufen sind, soll nach dem Willen des Gesetzgebers von Gesetzes wegen eintreten, wenn der Zustellungszweck erreicht ist (Begründung des Entwurfs eines Gesetzes zur Reform des Verfahrens bei Zustellungen im gerichtlichen Verfahren - BT-Drucks. 14/4554 S. 24 re. Sp. unten). Damit soll im Interesse der Rechtssicherheit wie auch der Prozesswirtschaftlichkeit der Nachweis der Tatsache und des Zeitpunkts des Zugangs sichergestellt werden, wobei der Formalismus bei der Zustellung in Grenzen gehalten werden soll.

Die danach gebotene weite Auslegung des § 189 ZPO darf aber nicht dazu führen, dass ein vollständiges Außerachtlassen des vorgeschriebenen förmlichen Zustellungsverfahrens als unschädlich angesehen wird, wenn nur das Dokument dem Empfänger irgendwie zugeht. Diese Einschränkung findet sich im Wortlaut des § 189 ZPO mittelbar wieder, soweit das Dokument "der Person, an die die Zustellung dem Gesetz gemäß gerichtet war oder gerichtet werden konnte", zugegangen sein muss. Daraus folgt, dass eine förmliche Zustellung wenigstens angestrebt worden sein muss. Auch der Gesetzgeber hat vorausgesetzt, dass das zuzustellende Schriftstück tatsächlich zugestellt werden sollte, und einen entsprechenden Zustellungswillen hervorgehoben (BT-Drucks. 14/4554 aaO). Dementsprechend hat der Bundesgerichtshof in den bisher zu § 189 ZPO n.F… ergangenen Entscheidungen gefordert, dass das Gericht mit Zustellungswillen gehandelt haben muss.

OLG Frankfurt, Urt. v. 4.3.2021, 6 U 123/20, II.2.b.3

Die gebotene weite Auslegung des § 189 ZPO darf nicht dazu führen, dass ein vollständiges Außerachtlassen des vorgeschriebenen förmlichen Zustellungsverfahrens als unschädlich angesehen wird, wenn nur das Dokument dem Empfänger irgendwie zugeht. Diese Einschränkung findet sich im Wortlaut des § 189 ZPO mittelbar wieder, soweit das Dokument „der Person, an die die Zustellung dem Gesetz gemäß gerichtet war oder gerichtet werden konnte”, zugegangen sein muss. Daraus folgt, dass eine förmliche Zustellung wenigstens angestrebt worden sein muss. Auch der Gesetzgeber hat vorausgesetzt, dass das zuzustellende Schriftstück tatsächlich zugestellt werden sollte, und einen entsprechenden Zustellungswillen hervorgehoben (BT-Dr 14/4554 S. 24). ...

Dies führt jedoch ... nicht dazu, dass der Wille sich auf die formwirksame Zustellung beziehen muss, da ansonsten insoweit für eine Heilung kein Raum mehr bliebe. Der Wille zur Zustellung muss sich auf die - zwar mit Mängeln behaftete, aber durchgeführte - Zustellung beziehen. Der Zustellungsveranlasser muss also das Schriftstück mit dem Willen übersenden, eine rechtliche Wirkung auszulösen. Abzugrenzen ist dies von der formlosen Mitteilung z.B. eines Klageentwurfs oder der Übersendung zur Kenntnisnahme.

KG Urt. v. 21.12.2004, 5 U 160/04, B.I.1 (= MD 2005, 278)

Voraussetzung des § 189 ZPO n.F. ist, dass das Zustellungsobjekt mit einem Zustellungswillen in den Rechtsverkehr gelangt und (schließlich) dem Empfänger tatsächlich zugeht (BGH, NJW 2001, 1946, 1947). Auch wenn die bloße Unterrichtung über den Inhalt nicht genügt (BGH, NJW 1978, 1325; NJW 1992, 2099, 2100), so kommt § 189 ZPO in Betracht, wenn das Zustellungsobjekt zwar fehlerhaft an die Partei statt an ihren Prozessbevollmächtigten geht, die Partei aber eine Kopie an den Prozessbevollmächtigten weiterleitet.

Die Probleme liegen aber im Detail. Lange war umstritten, ob dem Zustellungsempfänger die Ausfertigung oder beglaubigte Abschrift des Dokuments zugehen musste. Das hat der BGH mittlerweile verneint:

BGH, Beschl. v. 12.3.2020, I ZB 64/19, Rn. 24 f

Für den tatsächlichen Zugang als Voraussetzung der Heilung ist nicht der Zugang des zuzustellenden Originals erforderlich. Die erfolgreiche Übermittlung einer (elektronischen) Kopie in Form - beispielsweise - eines Telefaxes, einer Fotokopie oder eines Scans ist ausreichend. Dieses Verständnis entspricht dem Sinn und Zweck der Heilungsvorschrift des § 189 ZPO.

Die mit § 189 ZPO eröffnete Heilungsmöglichkeit hat den Sinn, die förmlichen Zustellungsvorschriften nicht zum Selbstzweck erstarren zu lassen; deshalb ist die Zustellung auch dann als bewirkt anzusehen, wenn der Zustellungszweck anderweitig erreicht wird. Die Vorschrift des § 189 ZPO ist deshalb grundsätzlich weit auszulegen. Der Zweck der Zustellung liegt darin, dem Adressaten oder der Adressatin angemessene Gelegenheit zu verschaffen, von einem Schriftstück Kenntnis zu nehmen, und den Zeitpunkt der Bekanntgabe zu dokumentieren. Ist die Gelegenheit zur Kenntnisnahme gewährleistet und steht der tatsächliche Zugang auch ohne die durch die förmliche Zustellung gewährleistete Dokumentation fest, bedarf es besonderer Gründe, die Zustellungswirkung entgegen dem Wortlaut der Regelung in § 189 ZPO nicht eintreten zu lassen. Der Zustellungszweck wird danach in gleicher Weise erreicht, wenn die Empfängerin eine technische Reproduktion des Originaldokuments erhält; diese verschafft ihr zuverlässig Kenntnis über den Inhalt des zuzustellenden Schriftstücks. Die bloße mündliche Überlieferung oder eine handschriftliche oder maschinenschriftliche Abschrift des Dokuments führen dagegen wegen der Fehleranfälligkeit einer solchen Übermittlung nicht zur Heilung des Zustellungsmangels.

Ebenso OLG Frankfurt, Urt. v. 4.3.2021, 6 U 123/20, II.2.a; anders noch OLG München, Urt. v. 14.9.2017, 6 U 1864/17, Tz. 34; OLG Hamburg, Beschl. v. 15.11.2017, 3 W 38/17, B.I.2

Offen ist noch, was gilt, wenn das zuzustellende Dokument selbst fehlerhaft ist. Heilbar ist der Zugang der Ausfertigung oder beglaubigten Abschrift der einstweiligen Verfügung. Streitig ist aber, ob Mängel der Ausfertigung oder beglaubigten Abschrift heilbar sind (dagegen u.a. Fezer/Büscher § 12 Rdn. 132; Harte/Henning/Retzer § 12, Rdn. 539). Wenn die Ausfertigung oder beglaubigte Abschrift während der Vollziehungsfrist den richtigen Adressaten erreicht, gilt die Zustellung als erfolgt, auch wenn sie gar nicht an die maßgebliche Person gerichtet war. Ist die Ausfertigung oder beglaubigte Abschrift hingegen fehlerhaft, z.B. lückenhaft oder nicht ordnungsgemäß beglaubigt, kann dieser Fehler nach einer maßgeblichen Auffassung nicht geheilt werden - auch nicht durch ein Empfangsbekenntnis des Zustellungsempfängers.

BGH, Urt. v. 21.2.2019, III ZR 115/18, Tz. 12 ff

Es spricht viel für die Auffassung, dass ein Zustellungsmangel durch Übermittlung einer vom Gerichtsvollzieher beglaubigten einfachen Abschrift des Eilrechtstitels gemäß § 189 ZPO geheilt werden kann.

Nach der neueren Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs wird der Mangel der unterbliebenen Zustellung einer beglaubigten Abschrift einer Klageschrift durch die von der Geschäftsstelle des Gerichts veranlasste Übermittlung einer (mit der Originalurkunde übereinstimmenden) einfachen Abschrift dieses Schriftstücks geheilt. Gleiches gilt bei der Zustellung lediglich einer einfachen statt einer beglaubigten Abschrift einer Nachweisurkunde im Sinne von § 750 Abs. 2 ZPO. § 189 ZPO ist im Einklang mit der Zielsetzung des Gesetzgebers grundsätzlich weit auszulegen. Er hat den Sinn, die förmlichen Zustellungsvorschriften nicht zum Selbstzweck erstarren zu lassen, sondern die Zustellung auch dann als bewirkt anzusehen, wenn der Zustellungszweck anderweitig, nämlich durch tatsächlichen Zugang, erreicht wird. Der Zweck der Zustellung ist es, dem Adressaten angemessene Gelegenheit zu verschaffen, von einem Schriftstück Kenntnis zu nehmen, und den Zeitpunkt der Bekanntgabe zu dokumentieren. … Ist die Gelegenheit zur Kenntnisnahme für den Zustellungsadressaten gewährleistet und steht der tatsächliche Zugang des betreffenden Schriftstücks bei ihm fest, bedarf es daher besonderer Gründe, die Zustellungswirkung entgegen dem Wortlaut des § 189 ZPO nicht eintreten zu lassen. ...

In Anbetracht dieser Grundsätze liegt es nahe, dass der Mangel der unterbliebenen Zustellung der vom Urkundsbeamten der Geschäftsstelle beglaubigten Abschrift einer Beschlussverfügung durch die vom Gerichtsvollzieher veranlasste Übermittlung einer von ihm selbst beglaubigten (mit der Originalurkunde übereinstimmenden) einfachen Abschrift des Eilrechtstitels geheilt werden kann.

So auch:

OLG Köln, Urt. v. 15.11.2019, 6 U 125/19 (WRP 2020, 238)

Aus der vorgenannten Entscheidung des BGH (BGH, Urt. v. 21.2.2019, III ZR 115/18, Tz. 12 ff) ergibt sich auch, dass die Heilung eines Mangels des zuzustellenden Schriftstücks gemäß § 189 ZPO möglich ist. Der insoweit entgegenstehenden Entscheidung des OLG München (GRUR-RR 2018, 444) tritt der Senat aus den aus der Entscheidung des BGH ersichtlichen Gründen nicht bei.

Wenn eine einstweilige Verfügung z.B. wegen § 172 ZPO an den Rechtsanwalt des Antragsgegners zugestellt werden muss, sie jedoch der Partei zugestellt wird, wird dieser Zustellungsmangel nach § 189 ZPO geheilt, wenn sie dem Rechtsanwalt innerhalb der Vollziehungsfrist (§ 929 Abs. 2 ZPO) tatsächlich zugeht. (Zum Problem der Weiterleitung der einstweiligen Verfügung an den Verfahrensbevollmächtigten per Fax siehe unten).

OLG Frankfurt, Urt. v. 4.3.2021, 6 U 123/20, II.2.b

Nach inzwischen herrschender Meinung kann auch ein Mangel des zuzustellenden Schriftstücks, z.B. die Zustellung einer einfachen statt einer beglaubigten Abschrift, als Verletzung zwingender Zustellungsvorschriften einen Zustellungsmangel darstellen, der nach § 189 ZPO geheilt werden kann.

So auch früher schon: KG, Beschl. v. 31.1.2011, 5 W 274/10; s.a. OLG Schleswig, Beschl. v. 28.11.2019, 6 U 24/19, B.I.2.b.bb

Anderer Ansicht:

OLG München, Urt. v. 14.9.2017, 6 U 1864/17, Tz. 40 f

Ein Mangel des bei der Zustellung übergebenen Schriftstücks kann nicht durch § 189 ZPO geheilt werden.

Dass der Antragsgegnervertreter mit Empfangsbekenntnis vom … den Empfang einer vollständigen Ausfertigung der einstweiligen Verfügung in beglaubigter Kopie einschließlich Antragsschrift und Anlagen bestätigt hat, steht der Feststellung, dass die Zustellung mangels hinreichenden Beglaubigungsvermerks unwirksam ist, nicht entgegen. Das Empfangsbekenntnis erbringt Beweis für die Entgegennahme des Schriftstücks und deren Zeitpunkt (MüKo/Häublein, ZPO, 5. Aufl. 2016, § 174 Rn. 13). Selbst wenn man eine Beweiswirkung aber auch auf den Umstand der Beglaubigung erstrecken wollte, wäre vorliegend insoweit der Gegenbeweis geführt, da das zuzustellenden Schriftstück unstreitig keinen ausreichenden Beglaubigungsvermerk getragen hat.

Allerdings ist es bei mehreren Antragsgegnern, die von demselben Rechtsanwalt vertreten werden, nicht ausreichend, wenn die Ausfertigung oder beglaubigte Abschrift für einen Mandanten dem Rechtsanwalt zugestellt wird, um sie auch für den anderen Mandanten als zugestellt zu behandeln.

OLG Hamburg, Urt. v. 12.1.2006, 3 U 93/05 (= GRUR-RR 2007, 296)

Eine Heilung des Zustellungsvorgangs an den (zunächst) unrichtigen Adressaten setzt nach der eindeutigen Regelung des § 189 ZPO voraus, dass das zuzustellende Schriftstück als solches „tatsächlich“ an den richtigen Adressaten gelangt. Daran fehlt es, wenn nur eine andere Ausfertigung der Beschlussverfügung bzw. deren Telefaxkopie innerhalb der Vollziehungsfrist an die Prozessbevollmächtigten der Antragsgegnerin zu 1) gelangt sein kann, die zudem nicht für die Antragsgegnerin zu 1), sondern für die Antragsgegnerin zu 2) bestimmt war.

Wenn sich der nicht zustellungsbevollmächtigte, vorprozessuale Anwalt, an den fälschlicherweise zugestellt wurde, im Verfahren beim Gericht bestellt, gilt:

KG, Beschl. v. 21.12.2022, 5 U 1039/20, II.4.c.bb

Die Bestellung der jetzigen Verfahrensbevollmächtigten wäre zwar grundsätzlich dazu geeignet, einen zuvor bestehenden Zustellungsmangel nach § 189 ZPO zu heilen (BGH, Urt. v. 7.12.2010, VI ZR 48/10, Tz. 13; Häublein/Müller in: MüKo.ZPO, 6. Aufl., § 189 ZPO, Rdnr. 16). Diese Heilung, die voraussetzt, dass sich der Verfahrensbevollmächtigte auch noch im Zeitpunkt der Bestellung im Besitz des zuzustellenden Schriftstücks befindet, wirkt allerdings nicht auf den Zeitpunkt der Zustellung zurück.

Beweislast

OLG Hamburg, Beschl. v. 15.11.2017, 3 W 38/17, B.I.2

Die Beweislast für das Vorliegen der Heilungsvoraussetzungen trifft nach allgemeinen Grundsätzen diejenige Partei, die sich auf die Heilung der unwirksamen Zustellung beruft, hier also der Antragsteller. Das Gericht entscheidet hierüber nach freier Beweiswürdigung i. S. v. § 286 Abs. 1 ZPO (vgl. Fölsch, Anm. zu BGH, NJW 2015, 1760).

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Heilung bei Rechtsmissbrauch

KG, Urt. v. 21.12.2004, 5 U 160/04, B.I.3 (= MD 2005, 278)

Im Rahmen der Prüfung der Vollziehungsfrist nach § 929 Abs. 2 ZPO kann auch der von Amts wegen zu beachtende, das gesamte Privatrecht einschließlich des Verfahrensrechts beeinflussende Grundsatz von Bedeutung sein, dass sich niemand missbräuchlich auf Rechte berufen darf.

Hat sich ein Verfahrensbevollmächtigter auf eine Abmahnung hin gemeldet und wird ihm von seinem Mandanten mitgeteilt, dass die Zustellung der Beschlussverfügung an ihn - die Partei - ergangen ist, dann liegt es in einem normalen Verfahrensgang, dass sich der Verfahrensbevollmächtigte die an seine Partei zugestellte Beschlussverfügung von seiner Partei übersenden lässt, um etwaige Rechtsbehelfe (oder auch ein Abschlussschreiben) zu prüfen. Unterbindet der Verfahrensbevollmächtigte aber bewusst eine solche Übermittlung an sich, um den Einwand der fehlerhaften Zustellung und der fehlenden Vollziehung nicht zu gefährden und den Antragsteller mit den Kosten des Verfahrens belasten zu können, dann handelt er arglistig und rechtsmissbräuchlich. Eine Partei verdient nicht den Schutz der fehlenden Vollziehung, wenn ihr Prozessbevollmächtigter sich bei einem erkannten Zustellungsfehler bewusst in Unkenntnis halten will.

OLG Frankfurt, Urt. v. 4.3.2021, 6 U 123/20, II.3.a

Im Zivilprozess untersteht das Prozessrechtsverhältnis zwischen den Parteien den Grundsätzen von Treu und Glauben (BGH NJW 2015, 2965 Rn 25 ff.). Bedeutung haben dabei insbesondere die Grundsätze der unzulässigen Rechtsausübung, die zur Unbeachtlichkeit von Prozesshandlungen führen können (BGH NJW 1987, 1946, 1947). Ob dies auch im Rahmen des § 929 ZPO gilt, und einer Partei unter dem Gesichtspunkt von Treu und Glauben verwehrt sein kann, sich auf die Versäumung der Vollziehungsfrist zu berufen, ist umstritten. ...

... Bei der Anwendung von § 242 sind stets die jeweils betroffenen Rechtsverhältnisse und damit auch die Besonderheiten des jeweiligen Rechtsgebiets zu beachten. Sie können mit gesteigerten Treuepflichten einhergehen. Andere Rechtsgebiete lassen nur wenig Raum für Korrekturen in der Rechtsanwendung mittels Treu und Glauben. So ist im Zwangsvollstreckungsrecht das öffentliche Interesse am sicheren Ablauf des Verfahrens zu berücksichtigen.

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