Ihr Rechtsanwalt im Wettbewerbsrecht
Dr. Hermann-Josef Omsels*

Eine Darstellung des Gesetzes gegen den unlauteren Wettbewerb und wettbewerbsrechtlicher Nebengesetze



 


 

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§ 11 LFGB

1. Gesetzeswortlaut

2. Verhältnis von § 11 LFGB aF zu § 11 LFGB nF (ab 13.12.2014)

3. Marktverhaltensregelung

4. Irreführungsverbot

a. Beurteilungskriterien

Verkehrsbezeichnung

Kennzeichnungspflichten

Lebensmittelhandbuch

Zutatenliste

Unternehmenssitz

b. Irreführung über Eigenschaften des Lebensmittels (Art. 7 Abs. 1 lit a) LMIV)

Ursprungsland oder Herkunftsort

c. Zuschreibung von Wirkungen (Art. 7 Abs. 1 lit. b) LMIV)

d. Besondere Eigenschaften (Art. 7 Abs. 1 lit.c) LMIV)

e. Widerspruch zwischen Angaben und Inhalt (Art. 7 Abs. 1 lit. d) LMIV)

f. Vorbeugung, Behandlung oder Heilung von Krankheiten

g. Wissenschaftliche Absicherung einer Angabe (Darlegungs- und Beweislast)

5. Verantwortlichkeit

6. Verhältnis zur Health-Claims-Verordnung

7. Verhältnis zu § 5 UWG

Gesetzeswortlaut

§ 11 Vorschriften zum Schutz vor Täuschung

(1) Es ist verboten, als nach Artikel 8 Absatz 1 der Verordnung (EU) Nr. 1169/2011 verantwortlicher Lebensmittelunternehmer oder Importeur Lebensmittel mit Informationen über Lebensmittel, die den Anforderungen

1. des Artikels 7 Absatz 1, auch in Verbindung mit Absatz 4, der Verordnung (EU) Nr. 1169/2011,

2. des Artikels 7 Absatz 3, auch in Verbindung mit Absatz 4, der Verordnung (EU) Nr. 1169/2011 oder

3. des Artikels 36 Absatz 2 Buchstabe a in Verbindung mit Artikel 7 Absatz 1 oder Absatz 3, jeweils auch in Verbindung mit Artikel 7 Absatz 4, der Verordnung (EU) Nr. 1169/2011

nicht entsprechen, in den Verkehr zu bringen oder allgemein oder im Einzelfall dafür zu werben.

(2) Es ist ferner verboten,

1. andere als dem Verbot des Artikels 14 Absatz 1 in Verbindung mit Absatz 2 Buchstabe b der Verordnung (EG) Nr. 178/2002 unterliegende Lebensmittel, die für den Verzehr durch den Menschen ungeeignet sind, in den Verkehr zu bringen,

2.

a) nachgemachte Lebensmittel,

b) Lebensmittel, die hinsichtlich ihrer Beschaffenheit von der Verkehrsauffassung abweichen und dadurch in ihrem Wert, insbesondere in ihrem Nähr- oder Genusswert oder in ihrer Brauchbarkeit nicht unerheblich gemindert sind oder

c) Lebensmittel, die geeignet sind, den Anschein einer besseren als der tatsächlichen Beschaffenheit zu erwecken,

ohne ausreichende Kenntlichmachung in den Verkehr zu bringen.

(3) Absatz 1 Nummer 2 gilt nicht für nach Artikel 14 Absatz 1 der Verordnung (EG) Nr. 1924/2006 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 20. Dezember 2006 über nährwert- und gesundheitsbezogene Angaben über Lebensmittel (ABl. L 404 vom 30.12.2006, S. 9, L 12 vom 18.1.2007, S. 3, L 86 vom 28.3.2008, S. 34) zugelassene Angaben.

Artikel 7 Verordnung (EU) Nr. 1169/2011 (Lauterkeit der Informationspraxis)

(1) Informationen über Lebensmittel dürfen nicht irreführend sein, insbesondere

a) in Bezug auf die Eigenschaften des Lebensmittels, insbesondere in Bezug auf Art, Identität, Eigenschaften, Zusammensetzung, Menge, Haltbarkeit, Ursprungsland oder Herkunftsort und Methode der Herstellung oder Erzeugung;

b) indem dem Lebensmittel Wirkungen oder Eigenschaften zugeschrieben werden, die es nicht besitzt;

c) indem zu verstehen gegeben wird, dass sich das Lebensmittel durch besondere Merkmale auszeichnet, obwohl alle vergleichbaren Lebensmittel dieselben Merkmale aufweisen, insbesondere durch besondere Hervorhebung des Vorhandenseins oder Nicht-Vorhandenseins bestimmter Zutaten und/oder Nährstoffe;

d) indem durch das Aussehen, die Bezeichnung oder bildliche Darstellungen das Vorhandensein eines bestimmten Lebensmittels oder einer Zutat suggeriert wird, obwohl tatsächlich in dem Lebensmittel ein von Natur aus vorhandener Bestandteil oder eine normalerweise in diesem Lebensmittel verwendete Zutat durch einen anderen Bestandteil oder eine andere Zutat ersetzt wurde;

(2) Informationen über Lebensmittel müssen zutreffend, klar und für die Verbraucher leicht verständlich sein.

(3) Vorbehaltlich der in den Unionsvorschriften über natürliche Mineralwässer und über Lebensmittel, die für eine besondere Ernährung bestimmt sind, vorgesehenen Ausnahmen dürfen Informationen über ein Lebensmittel diesem keine Eigenschaften der Vorbeugung, Behandlung oder Heilung einer menschlichen Krankheit zuschreiben oder den Eindruck dieser Eigenschaften entstehen lassen.

(4) Die Absätze 1, 2 und 3 gelten auch für

a) die Werbung;

b) die Aufmachung von Lebensmitteln, insbesondere für ihre Form, ihr Aussehen oder ihre Verpackung, die verwendeten Verpackungsmaterialien, die Art ihrer Anordnung und den Rahmen ihrer Darbietung.

Art. 36 Abs. 2 a) Verordnung (EU) Nr. 1169/2011

(2) Freiwillig bereitgestellte Informationen über Lebensmittel müssen den folgenden Anforderungen entsprechen:

a) sie dürfen für die Verbraucher nicht irreführend im Sinne des Artikels 7 sein;

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Verhältnis von § 11 aF zu § 11 LFGB nF (ab dem 13.12.2014)

BGH, Urt. v. 2.12.2015, I ZR 45/13 -  Himbeer-Vanille-Abenteuer II

Die Regelung in der Lebensmittelinformationsverordnung ist … strenger als die frühere, im Unionsrecht in der Richtlinie 2000/13/EG enthalten gewesene und durch § 11 Abs. 1 Satz 1 und 2 Nr. 1 LFGB aF in deutsches Recht umgesetzte Regelung. So bestimmt Art. 7 Abs. 1 Buchst. d LMIV, dass Informationen über Lebensmittel nicht irreführend sein dürfen, indem durch das Aussehen, die Bezeichnung oder bildliche Darstellungen das Vorhandensein eines bestimmten Lebensmittels oder einer Zutat suggeriert wird, obwohl tatsächlich in dem Lebensmittel ein von Natur aus vorhandener Bestandteil oder eine normalerweise in diesem Lebensmittel verwendete Zutat durch einen anderen Bestandteil oder eine andere Zutat ersetzt wurde. Weiterhin ist die in Art. 17 Abs. 5 in Verbindung mit Anhang VI Teil A Nr. 4 LMIV enthaltene Regelung für Lebensmittel zu berücksichtigen, bei denen ein Bestandteil oder eine Zutat, von dem/der die Verbraucher erwarten, dass er/sie normalerweise verwendet wird oder von Natur aus vorhanden ist, durch einen anderen Bestandteil oder eine andere Zutat ersetzt wurde. Danach muss deren Kennzeichnung - und zwar zusätzlich zum Zutatenverzeichnis - in unmittelbarer Nähe zum Produktnamen und in einer Schriftgröße, deren x-Höhe mindestens 75% der x-Höhe des Produktnamens beträgt und nicht kleiner als die in Art. 13 Abs. 2 LMIV vorgeschriebene Mindestschriftgröße von 1,2 mm sein darf, mit einer deutlichen Angabe des Bestandteils oder der Zutat versehen sein, der/die für die teilweise oder vollständige Ersetzung verwendet wurde (vgl. Grube, ZLR 2015, 478, 482 f.).

§ 11 LFGB nF ist aber nicht in jeder Hinsicht strenger als die frühere Regelung. So wird die Verantwortlichkeit auf den Lebensmittelunternehmer oder den Importeur eingeschränkt. Hinsichtlich des wissenschaftlichen Nachweises von Eigenschaften eines Lebensmittels gelten großzügigere Maßstäbe.

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Marktverhaltensregelung

OLG Düsseldorf, Urt. v. 6.8.2015, 2 U 10/15, Tz. 154

Die Bestimmungen des neuen § 11 Abs. 1 LFGB und von Art. 7 Abs. 1 LMIV sind … Marktverhaltensregelungen im Sinne des § 4 Nr. 11 UWG (Köhler/Bornkamm, a.a.O., § 5 Rdnr. 4.182).

Ebenso OLG Celle, Urt. v. 22.10.2015, 13 U 47/1, Tz. 26OLG Nürnberg, Urt. v. 21.2.2017, 3 U 1830/16, B.I.1.c; OLG München, Urt. v. 20.5.2021, 29 U 536/20, II.3.aa (MD 2021, 777); OLG Koblenz, Urteil vom 21.12.2022, 9 U 591/22, Tz. 23 (WRP 2023, 1510)

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Irreführungsverbot

Nach § 11 Abs. 1 Nr. 1 LFGB ist es verboten, als nach Art. 8 Abs. 1 LMIV verantwortlicher Lebensmittelunternehmer oder Importeuer Lebensmittel mit Informationen zu bewerben, die nicht den Anforderungen des Art. 7 Abs. 1 LMIV entsprechen.

Nach Art. 7 Abs. 1 Buchst. a) und b) dürfen Informationen über Lebensmittel nicht irreführend sein, insbesondere in Bezug auf die Eigenschaften des Lebensmittels, indem dem Lebensmittel Wirkungen oder Eigenschaften zugeschrieben werden, die es nicht besitzt. Dies gilt nach Art. 7 Abs. 4 Buchst. a) LMIV auch für die Werbung.

OVG Nordrhein-Westfalen, Urt. v. 23.10.2012, 13 B 986/12, Tz. 15, 18

Bei der Beurteilung, ob die betreffende Bezeichnung des Lebensmittels geeignet ist, den Käufer irrezuführen, ist maßgeblich darauf abzustellen, wie ein durchschnittlich informierter, aufmerksamer und verständiger Durchschnittsverbraucher eine Aussage oder Aufmachung wahrscheinlich auffassen wird, was sich in der Regel ohne ein Sachverständigengutachten und eine Verbraucherbefragung feststellen lässt.

Dabei beurteilt sich eine mögliche Irreführung nach der Gesamtaufmachung des Lebensmittels.

Ebenso BVerwG, Beschl. v. 20.6.2012, 3 B 87.11 - Nussecken mit Kuvertüre und kakaohaltiger Fettglasur ("Sicht eines durchschnittlich informierten, aufmerksamen und verständigen Durchschnittsverbrauchers"); BVerwG, Beschl. v. 5.4.2011, 3 B 79.10, Tz. 4 - Hähnchen-Filetstreifen, gebraten; OLG Hamburg, Urt. v. 28.2.2018, 3 U 117/18, Tz. 35; OLG Celle, Urt. v. 5.10.2022, 13 U 18/22

Zum Irreführungsverbot kann im Wesentlichen auf die Ausführungen zu § 5 UWG verwiesen werden. Dazu siehe hier.

OLG Celle, Urt. v. 24.11.2016, 13 U 130/16, II.1.b.aa

Voraussetzung einer Irreführung i. S. d. Abs. 1 der Vorschrift ist es, dass die Vorstellung, die durch die Information über das Lebensmittel bei den angesprochenen Verkehrskreisen, also den Endverbrauchern (vgl. Art. 2 Abs. 2 Buchst. a) LMIV) ausgelöst werden, mit dem tatsächlichen Zustand, insbesondere den Eigenschaften und den ausgelobten Wirkungen des Lebensmittels, nicht übereinstimmen (Zipfel/Rathke, Lebensmittelrecht, Loseblattsammlung, Stand: November 2015, Abschn. C 113, Art. 7 Rn. 54).

Ebenso OLG Nürnberg, Urt. v. 7.2.2017, 3 U 1537/16, Tz. 22 - Weidemilch; OLG Koblenz, Urt. v. 21.12.2022, 9 U 591/22, Tz. 26 (WRP 2023, 1510)

OLG Celle, Urt. v. 24.11.2016, 13 U 130/16, II.1.b.aa

Gegenstand der Beurteilung ist immer die Gesamtaufmachung des Lebensmittels, bestehend aus Informationen, Werbung und Aufmachung (Zipfel/Rathke, Rn. 110).

Dementsprechend ist es zunächst erforderlich, den Inhalt der Information nach dem Verständnis der Endverbraucher zu ermitteln (Zipfel/Rathke, a. a. O., Rn. 55, 58 ff.). Ist der Inhalt einer Information über Lebensmittel nicht normiert und auch sprachlich nicht eindeutig, obliegt es letztlich den Gerichten, diesen Inhalt zu ermitteln und festzustellen, ob das Lebensmittel tatsächlich der Information entspricht (Zipfel/Rathke, a. a. O., Rn. 63).

OLG Nürnberg, Urt. v. 7.2.2017, 3 U 1537/16, Tz. 26 - Weidemilch

Nach der ständigen Rechtsprechung des EuGH ist davon auszugehen, dass ein normal informierter und vernünftig aufmerksamer und kritischer Verbraucher, der sich in seiner Kaufentscheidung nach der Zusammensetzung des Erzeugnisses richtet, dabei zunächst das auf dessen Verpackung angebrachte Verzeichnis der Zutaten lesen wird.

Bei Begriffen, die Eingang ist gesetzliche Bestimmungen gefunden haben, ist zweifelhaft, ob das Verständnis des Durchschnittsverbrauchers normativ oder faktisch bestimmt werden muss.

OLG Hamburg, Urt. v. 8.9.2016, 5 U 265/11, Tz. 45 ff

Die Frage, ob im Zusammenhang mit lebensmittelrechtlichen Begriffen ein an rechtlichen Gegebenheiten orientiertes „normatives“ Verbraucherverständnis zu Grunde zu legen ist oder ob von einem „natürlichen“, laienhaften oder auch umgangssprachlichen Verbraucherverständnis auszugehen ist, ist streitig und wird kontrovers diskutiert.

Teilweise wird die Ansicht vertreten, zur Feststellung der Verkehrsauffassung des Durchschnittsverbrauchers dienten in erster Linie Normen und Verordnungen, die allgemeinverbindlich eine Verkehrsauffassung determinierten und von denen in Folge der Allgemeinverbindlichkeit keine abweichenden tatsächlichen Feststellungen zugelassen werden könnten, während die tatsächliche Verkehrsauffassung nur maßgeblich sei, wenn gesetzliche Regelungen fehlten (vgl. Fezer/Meyer, UWG, 2005, Bd. 1, § 4 – S 4 Rn. 144). In diesem Sinne hat auch das OLG Köln in einem Urteil vom 18.11.2011 (GRUR-RR 2012,  222 – Sparkling Tea) ausgeführt, es sei, soweit verbindliche Rechtsnormen fehlten, auf das allgemeine Verkehrsverständnis abzustellen. Als Argument für diese Ansicht wird angeführt, die Verwendung vorgeschriebener Angaben oder Bezeichnungen, wie sie sich vor allem in den Vorschriften des Lebensmittel- und Gesundheitsrechts finden, könne grundsätzlich nicht beanstandet werden. Ein Unternehmen dürfe seine Waren oder Dienstleistungen unter einer Bezeichnung in den Verkehr bringen, die der Gesetzgeber vorgeschrieben oder zumindest ausdrücklich für zulässig erklärt habe, auch wenn sie bei einem nicht unerheblichen Teil der angesprochenen Verkehrskreise Fehlvorstellungen begründe (vgl. Sack, GRUR 2014, 609 mwN). Dementsprechend sei nicht die Ist-, sondern die Soll-Verkehrsauffassung maßgeblich (vgl. Ohly/Sosnitza, UWG, 6. Aufl. 2014, § 5 Rn. 198 mwN). Der Werbende könne demnach davon ausgehen, dass die Verwendung gesetzlich vorgeschriebener Angaben zulässig sei, vom Verkehr in dem vom Gesetz gebrauchten Sinne verstanden werde und nicht zu Täuschungen oder Verwechselungen Anlass gebe (vgl. auch BGH, GRUR 1958, 492 – Eis-Pralinen). ...

... Demgegenüber wird teilweise angenommen, es sei auf ein laienhaftes Verständnis des Verbrauchers hinsichtlich der Begrifflichkeiten abzustellen (vgl. Wehlau/Stark, ZLR 2011, ZLR Jahr 2011 Seite 687 ; Erbs/Kohlhaas, Strafrechtliche Nebengesetze, 207. Aufl., 207. EL. 3/2016, § 11 LFGB Rn. 13), denn es könne nicht erwartet werden, dass der Verbraucher die genauen rechtlichen Abgrenzungen kenne.

Der BGH hat in der Entscheidung vom 17.10.1996 (GRUR 1997, 306 – Naturkind) ausgeführt, dass es bei der Frage, ob eine Bezeichnung im gleichen Sinne wie die genannten Gesetzesbegriffe verwendet werde, auf die subjektive Wirkung der Angabe auf den Verbraucher ankomme, maßgebend mithin die Verkehrsvorstellung sei, das heißt festzustellen sei, ob der Verkehr sie im Sinne der Gesetzesbegriffe verstehe.

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Beurteilungskriterien

Verkehrsbezeichnung

OLG Celle, Urt. v. 24.11.2016, 13 U 130/16, II.1.b.aa

Anhaltspunkte für das Verkehrsverständnis ergeben sich aus der Verkehrsbezeichnung, die traditionell im deutschen Lebensmittelrecht für die Soll-Beschaffenheit der Lebensmittel maßgebend ist, und zwar auch dann, wenn der Verbraucher keine konkreten Vorstellungen von der Beschaffenheit eines Lebensmittels hat, das mit einer bestimmten Bezeichnung oder mit bestimmten Angaben in den Verkehr gebracht wird. Denn er verlässt sich häufig darauf, dass ein unter einer ihm bekannten Bezeichnung vertriebenes Lebensmittel der üblichen und allgemein anerkannten Beschaffenheit entspricht (vgl. Zipfel/Rathke, a. a. O., Rn. 72). Daraus folgt, dass die Erwartungen der Verbraucher, die sie mit einer bestimmten Bezeichnung oder sonstigen Angabe verbinden, im Regelfall der durch die Verkehrsauffassung bestimmten üblichen Beschaffenheit entsprechen (Zipfel/Rathke, a. a. O., Rn. 73).

Dabei ist auf den durchschnittlich informierten, aufmerksamen und verständigen Durchschnittsverbraucher abzustellen (vgl. EUGH, Urteil vom 16. Juli 1998 - C-210/96, juris Tz. 31), der unter einer bestimmten Bezeichnung oder Angabe Lebensmittel der unter dieser Bezeichnung oder Angabe üblichen Beschaffenheit erwartet (Zipfel/Rathke, a. a. O., Rn. 75).

Siehe zur Verkehrsbezeichnung auch hier.

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Lebensmittelhandbuch

OLG Celle, Urt. v. 24.11.2016, 13 U 130/16, II.1.b.aa

Ein wichtiges Auslegungshilfsmittel zur Feststellung der Verkehrsauffassung und damit zur Ermittlung des Inhalts einer Information über Lebensmittel sind in Deutschland die Leitsätze des Lebensmittelbuchs. Sie werden von der Lebensmittelkommission, die sich aus Vertretern der Wissenschaft, der Lebensüberwachung, der Verbraucherschaft und der Wirtschaft zusammensetzt, beschlossen. Sie beinhalten Beurteilungsmerkmale für die Zusammensetzung und die Eigenschaften einzelner Lebensmittel (die der Verbraucher, weil sie üblich sind, erwartet). Die Leitsätze sind keine allgemein verbindlichen Rechtsnormen; sie sind aber als gutachterliche Äußerungen aller am Verkehr und Lebensmittel in Betracht kommenden Kreise anzusehen (zu allem Vorstehenden: Zipfel/Rathke, a. a. O., Rn. 76).

Näheres zum Lebensmittelhandbuch siehe hier.

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Kennzeichnungspflichten

BGH, Urt. v. 16.1.2020, I ZR 74/16, Tz. 28 f - Kulturchampignons II

Entspricht die Angabe ... den unionsrechtlichen Kennzeichnungsvorschriften, scheidet die Annahme eines Verstoßes gegen das Irreführungsverbot nach § 11 Abs. 1 Satz 1 und 2 Nr. 1 LFGB aF sowie nach § 11 Abs. 1 Nr. 1 LFGB in Verbindung mit Art. 7 Abs. 1 Buchst. a LMIV aus.

…  Im Falle einer den ... Vorschriften entsprechenden Angabe dürfen keine aufklärenden Zusätze verlangt werden, um einer etwaigen Irreführung des Verbrauchers entgegenzuwirken (EuGH, GRUR 2019, 1067 Rn. 78 - Wettbewerbszentrale/Prime Champ).

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Zutatenliste

Die Zutatenliste auf dem Etikett eines Lebensmittels kann eine Irreführung ausschließen. Das ist aber nicht zwingend.

EuGH, Urt. v. 4.5.2015, C-195/14 - Teekanne

Art. 2 Abs. 1 Buchst. a Ziff. i und Art. 3 Abs. 1 Nr. 2 der Richtlinie 2000/13/EG über die Etikettierung und Aufmachung von Lebensmitteln sowie die Werbung hierfür in der durch die Verordnung (EG) Nr. 596/2009 geänderten Fassung sind dahin auszulegen, dass es mit ihnen nicht vereinbar ist, dass die Etikettierung eines Lebensmittels und die Art und Weise, in der sie erfolgt, durch das Aussehen, die Bezeichnung oder die bildliche Darstellung einer bestimmten Zutat den Eindruck des Vorhandenseins dieser Zutat in dem Lebensmittel erwecken können, obwohl sie darin tatsächlich nicht vorhanden ist und sich dies allein aus dem Verzeichnis der Zutaten auf der Verpackung des Lebensmittels ergibt.

Nachfolgend BGH, Urt. v. 2.12.2015, I ZR 45/13 - Himbeer-Vanille-Abenteuer II

BGH, Urt. v. 2.12.2015, I ZR 45/13, Tz. 15 ff - Himbeer-Vanille-Abenteuer II

Ein normal informierter und vernünftig aufmerksamer und kritischer Verbraucher, der sich in seiner Kaufentscheidung nach der Zusammensetzung des Erzeugnisses richtet, wird zwar das auf dessen Verpackung angebrachte Verzeichnis der Zutaten lesen. Dieser Umstand schließt es jedoch für sich allein nicht aus, dass die Etikettierung des Erzeugnisses und die Art und Weise, in der sie erfolgt, geeignet sind, den Verbraucher irrezuführen.

Die Etikettierung umfasst alle Angaben, Kennzeichnungen, Hersteller und Handelsmarken, Abbildungen oder Zeichen, die sich auf ein Lebensmittel beziehen und auf dessen Verpackung angebracht sind. Wenn die Etikettierung eines Lebensmittels und die Art und Weise, in der sie erfolgt, insgesamt den Eindruck entstehen lassen, dass das Lebensmittel eine Zutat enthält, die tatsächlich nicht vorhanden ist, ist eine Etikettierung geeignet, den Käufer über die Eigenschaften des Lebensmittels irrezuführen. Danach sind die verschiedenen Bestandteile der Etikettierung des Früchtetees insgesamt darauf zu überprüfen, ob ein normal informierter und vernünftig aufmerksamer und kritischer Verbraucher über das Vorhandensein von Zutaten oder Aromen irregeführt werden kann.

Hinweise können einzeln oder zusammengenommen dazu führen, dass der Durchschnittsverbraucher der … Zutatenliste auf der beanstandeten Produktverpackung nicht (mehr) entnimmt, dass der Tee der Beklagten weder Himbeer- noch Vanillebe- standteile enthält. In einer solchen Fallkonstellation ist die Zutatenliste allein nicht geeignet, die in den Vordergrund gerückten, objektiv unrichtigen Angaben auf der Produktverpackung durch klarstellende Angaben aufzuklären.

Ebenso OLG Nürnberg, Urt. v. 21.2.2017, 3 U 1830/16, B.I.1.aOLG Hamburg, Urt. v. 28.3.2019, 3 U 117/18, Tz. 38

OLG Hamburg, Urt. v. 8.9.2016, 5 U 265/11, Tz. 36 ff

Nach der ständigen Rechtsprechung des EuGH (vgl. EuGH, Urt. v. 26.10.1995, C-51/94, Tz. 34 – Kommission/Deutschland, Sauce hollandaise; EuGH, EuZW 2000, 508 Tz. 22 – „naturrein“; EuGH, GRUR 2015, 701 Tz. 37 – Verbraucherzentrale Bundesverband/Teekanne), der auch der BGH folgt, ist davon auszugehen, dass ein normal informierter und vernünftig aufmerksamer und kritischer Verbraucher, der sich in seiner Kaufentscheidung nach der Zusammensetzung des Erzeugnisses richtet, dabei zunächst das auf dessen Verpackung angebrachte Verzeichnis der Zutaten lesen wird.

Der Umstand, dass der Durchschnittsverbraucher zunächst das Zutatenverzeichnis liest, schließt jedoch für sich allein genommen nicht generell aus, dass die Etikettierung des Erzeugnisses und die Art und Weise, in der sie erfolgt, gleichwohl im Einzelfall geeignet sein können, den Verbraucher irrezuführen (vgl. EuGH, GRUR 2015, 701 Tz. 38 – Verbraucherzentrale Bundesverband/Teekanne; BGH, GRUR 2016, 738 Tz. 15 – Himbeer-Vanille-Abenteuer II).

Dabei ist eine Prüfung der Gesamtwirkung einer Verpackung notwendig, wobei die verwendeten Begriffe und Abbildungen sowie die Platzierung, Größe, Farbe, Schriftart, Sprache, Syntax und Zeichensetzung der verschiedenen Elemente auf der Verpackung zu berücksichtigen sind (vgl. EuGH, GRUR 2015, 701, Tz. 43 – Verbraucherzentrale Bundesverband/Teekanne), das heißt, es ist eine Gesamtbetrachtung anzustellen (vgl. EuGH, GRUR 2015, GRUR Jahr 2015, 701, Tz.43 – Verbraucherzentrale Bundesverband/Teekanne).

Zum Etikett siehe auch hier.

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Unternehmenssitz

OLG Celle, Urt. v. 24.11.2016, 13 U 130/16, II.1.b.bb

Grundsätzlich darf der Beklagten aus der Pflichtangabe über den Unternehmenssitz ein Nachteil nicht erwachsen. Soweit in Betracht zu ziehen ist, dass gerade der auf der Vorderseite des Honigglases abgedruckte Hinweis auf den Unternehmenssitz, der genauso auf dem rückwärtigen Etikett hätte erfolgen können, geeignet sein könnte, zumindest Verbraucher aus der Region, die wissen, dass U. in bzw. am Rand der L. H. liegt, dazu veranlassen könnte zu glauben, der Nektar für den Heidehonig stamme aus der geografischen Region, genügt dies für die Verwirklichung des Irreführungstatbestands nicht.

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Irreführung über Eigenschaften des Lebensmittels (Art. 7 Abs. 1 lit.a) LMIV)

Art. 7 Abs. 1 lit. a) LMIV nennt als Eigenschaften eines Lebensmittels Art, Identität, Eigenschaften, Zusammensetzung, Menge, Haltbarkeit, Ursprungsland oder Herkunftsort und Methode der Herstellung oder Erzeugung. Dabei handelt es sich um nicht abschließende Beispiele.

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Ursprungsland oder Herkunftsort

Dazu siehe Art. 2 lit. g und Art. 26 LMIV. Nach Art. 2 lit. g LMIV bezeichnet der Herkunftsort" den Ort, aus dem ein Lebensmittel laut Angabe kommt und der nicht sein "Ursprungsland" im Sinne der Artikel 23 bis 26 der Verordnung (EWG) Nr. 2913/92 ist; der Name, die Firma oder die Anschrift des Lebensmittelunternehmens auf dem Etikett gilt nicht als Angabe des Ursprungslands oder Herkunftsorts von Lebensmitteln im Sinne dieser Verordnung.

Die LMIV verweist zur Bestimmung des Ursprungslandes auf den Zollkodex, der nach Auffassung des EuGH vorgeht, auch wenn die Angabe des Ursprungslandes den Verbraucher irreführt. Danach ist Ursprungsland bei Obst und Gemüse das Land, wo es geerntet wurde. So haben bspw. Champignons aus den Niederlanden, die kurz vor der Ernte nach Deutschland verbracht werden, den Ursprung Deutschland. Das der Verbraucher durch die Angabe irregeführt wird, ist egal.

EuGH, Urt. v. 4.9.2019, C-686/17, Tz. 58, 73 – Deutsche Champignons

Art. 23 Abs. 1 und Abs. 2 Buchst. b des Zollkodex der Gemeinschaften und Art. 60 Abs. 1 des Zollkodex der Union in Verbindung mit Art. 31 Buchst. b der Delegierten Verordnung 2015/2446 sind dahin auszulegen, dass das Ursprungsland von Kulturchampignons ihr Ernteland im Sinne dieser Vorschriften ist, und zwar unabhängig davon, ob wesentliche Produktionsschritte in anderen Mitgliedstaaten der Union erfolgt sind und ob die Kulturchampignons erst drei oder weniger Tage vor der ersten Ernte ins Erntegebiet verbracht worden sind. ...

Das in Art. 2 Abs. 1 Buchst. a Ziff. i der Richtlinie 2000/13 und Art. 7 Abs. 1 Buchst. a der Verordnung Nr. 1169/2011 aufgestellte allgemeine Verbot, den Verbraucher über das Ursprungsland von Lebensmitteln zu täuschen, ist bei frischem Obst und Gemüse nicht auf die nach Art. 113a Abs. 1 der Verordnung Nr. 1234/2007 und Art. 76 Abs. 1 der Verordnung Nr. 1308/2013 vorgeschriebene Ursprungsangabe anzuwenden. ...

Das Unionsrecht ist dahin auszulegen, dass keine aufklärenden Zusätze als Ergänzung der nach Art. 113a Abs. 1 der Verordnung Nr. 1234/2007 und Art. 76 Abs. 1 der Verordnung Nr. 1308/2013 vorgeschriebenen Angabe des Ursprungslands vorgeschrieben werden dürfen, um einer nach Art. 2 Abs. 1 Buchst. a Ziff. i der Richtlinie 2000/13 sowie Art. 7 Abs. 1 Buchst. a der Verordnung Nr. 1169/2011 verbotenen Irreführung des Verbrauchers entgegenzuwirken.

Siehe nachfolgend: BGH, Urt. v. 16.1.2020, I ZR 74/16, Tz. 25 ff - Kulturchampignons II (dazu auch hier). Überholt: OLG Celle, Urt. v. 24.11.2016, 13 U 130/16, II.1.b.aa

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Zuschreibung von Wirkungen (Art. 7 Abs. 1 lit. b) LMIV)

OLG Celle, Hinweisbeschl. v. 24.11.2016, 13 U 91/16, II.4 (MD 2017, 151)

Art. 7 Abs. 1 lit.b, Abs. 4 lit. a LMIV verbieten irreführende Informationen und Werbung über Lebensmittel, insbesondere indem dem Lebensmittel Wirkungen oder Eigenschaften zugeschrieben werden, die es nicht besitzt. Nach der „strengeren“ bis 12.12.2014 gültigen Fassung der Vorschrift § 11 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 LFGB durften einem Lebensmittel keine Wirkungen beigelegt werden, die ihm nach den Erkenntnissen der Wissenschaft nicht zukommen oder die wissenschaftlich nicht hinreichend gesichert waren. Demgegenüber kann mit Blick auf Art. 38 Abs. 1 LMIV eine wegen Irreführung unzulässige Werbung über Wirkungen eines Lebensmittels im Sinne des § 11 Abs. 1 Nr. 1 LFGB (n.F.) nur angenommen werden, wenn das betreffende Mittel die behaupteten Wirkungen tatsächlich nicht besitzt. Das kann bei Angaben über wissenschaftlich nicht hinreichend gesicherte Wirkungen nicht ohne weiteres unterstellt werden, denn solche Angaben können sich später als richtig erweisen.

OLG Celle, Urt. v. 23.05.13, 13 U 199/12 (= MD 2013, 604)

Eine Wirkaussage wird einem Lebensmittel beigelegt, wenn ein Zusammenhang zwischen dem Produkt und dem Körper-/Gesundheitszustand behauptet wird (EuGH, Urt. v. 6.9.2012, C-544/10, Tz. 34; OLG Hamm, Urt. v. 13.12.2011, 4 U 92/11, Tz. 33).

OLG Celle, Hinweisbeschl. v. 24.11.2016, 13 U 91/16, II.4 (MD 2017, 151)

Soweit die Werbung allerdings beinhaltet, die behauptete Wirkung sei wissenschaftlich nachgewiesen, kann eine solche Wirkung angenommen werden, wenn davon auszugehen ist, dass eine solche wissenschaftliche Absicherung nicht gegeben ist. Dies ergibt sich aus Art. 36 Abs. 1, Abs. 2 LMIV.

OLG Düsseldorf, Urt. v. 9.2.2017, 20 U 10/16, Tz. 89

Die Angaben über Lebensmittel müssen nach Art. 36 Abs. 2 Buchstabe c) LMIV auf einschlägigen wissenschaftlichen Daten beruhen.

OLG München, Urt. v. 20.5.2021, 29 U 536/20, II.3.cc.2 (MD 2021, 777)

Irreführende Werbung über Wirkungen eines Lebensmittels iSd § 11 Abs. 1 Nr. 1 LFBG i.V.m. Art. 7 Abs. 1 LMIV kann mit Blick auf Art. 38 Abs. 1 LMIV nur angenommen werden, wenn das betreffende Mittel die behaupteten Eigenschaften oder Wirkungen tatsächlich nicht besitzt. Die Verantwortung für die Richtigkeit trifft im Anwendungsbereich der LMIV den Lebensmittelunternehmer (vgl. Art. 8 Abs. 2 LMIV).

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Besondere Eigenschaften (Art. 7 Abs. 1 lit. c) LMIV)

BGH, Urt. v. 13.9.2012, I ZR 230/11, Tz. 29 – Biomineralwasser

Nach § 11 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 LFGB liegt eine verbotene irreführende Bezeichnung eines Lebensmittels vor, wenn damit zu verstehen gegeben wird, dass ein Lebensmittel über besondere Eigenschaften verfügt, obwohl alle vergleichbaren Lebensmittel dieselben Eigenschaften aufweisen. Eine entsprechende Irreführung setzt voraus, dass der Verbraucher nicht weiß, dass es sich bei den betreffenden Eigenschaften lediglich um einen gesetzlich vorgeschriebenen oder zum Wesen der Ware gehörenden Umstand handelt. Für die Beurteilung der Frage, ob eine Lebensmittelbezeichnung irreführend im Sinne von § 11 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 LFGB ist, kommt es daher maßgeblich darauf an, wie der angesprochene Verkehr die Bezeichnung … versteht.

Bestätigung von OLG Nürnberg, Urt. v. 18.10.2011, 3 U 354/11 – Bio-Mineralwasser, B.I.1.b

OVG Nordrhein-Westfalen, Beschl. v. 25.5,2022, 9 A 2719/19, Tz. 12 - glutenfrei

Eine Irreführung im Sinne von Art. 7 Abs. 1 Buchst. c der Verordnung (EU) Nr. 1169/2011 ist dann anzunehmen, wenn durch die Information ein Merkmal des Lebensmittels in einer Weise hervorgehoben wird, dass der Verbraucher hierin einen besonderen Vorzug des Lebensmittels vermutet, obwohl es sich in Wahrheit um ein Merkmal handelt, das alle vergleichbaren Lebensmittel aufweisen. Die Irreführung liegt hierbei nicht in einer objektiv unrichtigen Aussage, sondern vielmehr darin, dass bei dem Verbraucher irrigerweise der Eindruck erweckt wird, das Lebensmittel sei qualitativ oder aus anderen Gründen besser als andere Lebensmittel gleicher Gattung.

OVG Nordrhein-Westfalen, Beschl. v. 25.5,2022, 9 A 2719/19, Tz. 37 - glutenfrei

Gemäß Art. 7 Abs. 1 Buchst. c der VO (EU) Nr. 1169/2011 dürfen Informationen nicht irreführend sein, indem zu verstehen gegeben wird, dass sich das Lebensmittel durch besondere Merkmale auszeichnet, obwohl alle vergleichbaren Lebensmittel dieselben Merkmale aufweisen, insbesondere durch besondere Hervorhebung des Vorhandenseins oder Nicht-Vorhandenseins bestimmter Zutaten und/oder Nährstoffe. Nach dem Wortlaut der Vorschrift ist danach erforderlich, aber auch ausreichend, dass durch die Information „zu verstehen gegeben wird“, dass das Lebensmittel im Vergleich mit Lebensmitteln derselben Lebensmittelkategorie eine Besonderheit aufweist, obwohl das in Wahrheit nicht der Fall ist. Ein solches „zu verstehen geben“ kann auch durch die bloße Angabe bzw. Erwähnung der angeblichen Besonderheit ‑ ohne zusätzliche (schrift-)bildliche oder sonstige Hervorhebung ‑ erfolgen, also auch durch das bloße zur Verfügung stellen der Information. Das von der Klägerin angesprochene Merkmal der besonderen Hervorhebung findet sich nur in dem in der Norm genannten Regelbeispiel („insbesondere…“) und ist damit nach allgemeinen systematischen Grundsätzen nicht zwingendes Tatbestandsmerkmal des Art. 7 Abs. 1 Buchst. c der VO (EU) Nr. 1169/2011.

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Widerspruch zwischen Angaben und Inhalt (Art. 7 Abs. 1 lit. d) LMIV)

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Vorbeugung, Behandlung oder Heilung von Krankheiten

Zur krankheitsbezogenen Werbung für Lebensmittel siehe auch die Kommentierung zu Art. 14 HCVO.

Das Verbot der krankheitsbezogenen Werbung fand sich bis Anfang Dezember 2014 in § 12 LFGB. Mit der Verschiebung nach § 11 Abs. 1 Nr. 2 LFGB sollen keine inhaltlichen Änderungen verbunden sein.

KG, Urt. v. 4.11.2016, 5 U 3/16 (= MD 2017, 59)

Bei der Auslegung und Umsetzung von Art. 7 Abs. 3 LMIV kann auf die diesbezügliche Rechtsprechung zu § 12 Abs. 1 Nr. 1 LFGB a.F. zurückgegriffen werden.

Es wird deshalb auf die Kommentierung zu § 12 LFGB a.F. verwiesen.

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Wissenschaftliche Absicherung einer Angabe (Darlegungs- und Beweislast)

Siehe dazu auch hier.

Art. 36 Abs. 2 lit. c LMIV

Freiwillig bereitgestellte Informationen über Lebensmittel müssen den folgenden Anforderungen entsprechen:

c) sie müssen gegebenenfalls auf einschlägigen wissenschaftlichen Daten beruhen

OLG Düsseldorf, Urt. v. 6.8.2015, 2 U 10/15, Tz. 149

Anders als die Bestimmungen der HCVO wird im Rahmen von Art. 7 LMIV nicht verlangt, dass die Informationen über das Lebensmittel wissenschaftlich abgesichert sind; da es der LMIV auch um die Harmonisierung der lebensmittelrechtlichen Informationspflichten innerhalb der Mitgliedstaaten geht, darf das Erfordernis wissenschaftlicher Absicherung der Informationen nach Art. 38 Abs. 1 Satz 1 LMIV seit dem Inkrafttreten dieser Verordnung nicht länger aufrechterhalten werden. Die Informationen müssen aber zutreffend sein, um das ebenso wesentliche Ziel der LMIV zu erreichen, dem Verbraucher die Möglichkeit zu bieten, in Bezug auf von ihm verzehrte Lebensmittel eine fundierte Wahl zu treffen und alle Praktiken, die den Verbraucher irreführen können, zu verhindern (vgl. Art. 3 Abs. 1 und Art. 4 Abs. 2 LMIV sowie die Erwägungsgründe 4, 10, 20, 24 und 37).

OLG Düsseldorf, Urt. v. 6.8.2015, 2 U 10/15, Tz. 151

Der Unterschied zur bisherigen Rechtslage besteht darin, dass es genügt, ernst zu nehmende Veröffentlichungen beizubringen, in denen die betreffende Wirkung des beworbenen Produktes belegt wird.

OLG München, Urt. v. 20.5.2021, 29 U 536/20 (MD 2021, 777)

Versteht der von der Werbung angesprochenen Durchschnittsverbraucher diese dahingehend, dass die Wirksamkeit des Mittels wissenschaftlich abgesichert sei, muss der Werbende diese wissenschaftliche Absicherung belegen, wobei sich eine solche im Anwendungsbereich der LMIV schon aus einer einzelnen Arbeit ergeben kann, sofern diese auf überzeugenden Methoden und Feststellungen beruht. Das wiederum setzt voraus, dass die vorgelegten Unterlagen das beworbene Präparat selbst betreffen. Untersuchungen, die nur einzelne Inhaltsstoffe des Präparates zum Gegenstand haben, sind nur dann ein adäquater Ersatz, wenn auch das beworbene Erzeugnis nur diesen einen Inhaltsstoff besitzt und die ihm zugeschriebene Wirkung deshalb nur hierauf zurückgehen kann. Enthält das beworbene Erzeugnis mehrere verschiedene Inhaltsstoffe, muss sich auch die Untersuchung bzw. müssen sich die als Beleg vorgelegten Unterlagen auf eben diese Wirkstoff Kombination beziehen. Dass es grundsätzlich auch deshalb erforderlich, weil die in den Präparat enthaltenen und miteinander kombinierten Wirkstoffe sich gegenseitig in ihrer Wirksamkeit beeinträchtigen können und dies auszuschließen ist.

KG, Urt. v. 11.9.2015, 5 U 50/14, B.I.2.b.cc (2) (= MD 2015, 1242)

Auch bei § 11 Abs. 1 LFGB i.V.m. Art. 7 Abs. 1 LMIV liegt die Beweislast für das Bestehen einer Wirkung bei demjenigen, der sich hierauf beruft. Dies ergibt sich insbesondere aus Art. 8 Abs. 2 der Verordnung. Dort heißt es, dass der für die Information über das Lebensmittel verantwortliche Lebensmittelunternehmer die Richtigkeit der Informationen gewährleistet.

KG, Urt. v. 11.12.2015, 5 U 63/15, B.2.c

Hinsichtlich der Frage, wer nach der neuen Rechtslage darzulegen und zu beweisen hat, ob einem Lebensmittel Wirkungen oder Eigenschaften zugeschrieben werden, die es nicht besitzt, weisen Art. 36 Abs. 2 lit. c) und Art. 8 Abs. 1 der Verordnung 1169/2011 (LMIV) darauf hin, dass dies Sache der Beklagten ist.

Freiwillig bereitgestellte Informationen über Lebensmittel müssen gemäß Art. 36 Abs. 2 lit. c) LMIV auf einschlägigen wissenschaftlichen Daten beruhen. Verantwortlich für die Information über ein Lebensmittel ist gemäß Art. 8 Abs. 1 LMIV in erster Linie der Lebensmittelunternehmer, unter dessen Namen oder Firma das Lebensmittel vermarktet wird, oder, wenn dieser Unternehmer nicht in der Union niedergelassen ist, der Importeur, der das Lebensmittel in die Union einführt. (vgl. auch BGH GRUR 2010, 359 - Vorbeugen mit Coffein!, Rn 17).

Ebenso KG, Urt. v. 11.12.2015, 5 U 64/15, B.2.c

KG, Urt. v. 11.9.2015, 5 U 50/14, B.I.2.b.cc (2) (= MD 2015, 1242)

Es kann dahinstehen, ob sich der Werbende wegen der insofern abweichenden Formulierung der vormals geltenden Vorschriften des § 11 LFGB a.F. nur auf im Zeitpunkt der Werbung bereits vorliegende und ihm bekannte Erkenntnisse stützen kann oder ob hier eine Beweisführung durch erst zu gewinnende wissenschaftliche Erkenntnisse in Betracht kommt. Gegen letzteres spricht allerdings Art. 36 Abs. 2 lit. c der Verordnung, wo es heißt, dass freiwillig bereitgestellte Informationen über Lebensmittel gegebenenfalls auf einschlägigen wissenschaftlichen Daten beruhen müssen. Dies impliziert, dass die Daten bereits zum Zeitpunkt der Herausgabe der Information vorhanden waren. Zudem dürfte ein nicht unbeträchtlicher Teil der Verbraucher, die sich für die Produkte der Beklagten interessieren, nach der Lebenserfahrung in besonderer Weise von dem Wunsch nach einem Erfolg der angepriesenen Behandlung beeinflusst werden, so dass die für den Bereich der Gesundheitswerbung entwickelten Grundsätze über die Verteilung der Darlegungs- und Beweislast hier ebenfalls Anwendung finden dürften.

Zum Zeitpunkt des Nachweises

KG Berlin, Urt. v. 11.12.2015, 5 U 63/15, B.2.d

Problematisch ist allerdings, ob die Verwendung nicht gesundheitsbezogener Angaben nur dann zulässig ist, wenn die behauptete positive Wirkung der jeweiligen Substanz bereits zu dem Zeitpunkt (anhand allgemein anerkannter wissenschaftlicher Erkenntnisse) nachgewiesen ist, zu dem die Angaben gemacht werden.

Der Wortlaut der Regelung für kosmetische Mittel in Nr. 3 Abs. 1 des Anhangs der Verordnung (EU) Nr. 655/2013 zur Festlegung gemeinsamer Kriterien zur Begründung von Werbeaussagen im Zusammenhang mit kosmetischen Mitteln („...müssen durch hinreichende und überprüfbare Nachweise belegt werden, unabhängig von der Art der für die Bestätigung der Aussagen herangezogenen Nachweise (gegebenenfalls einschließlich Sachverständigengutachten)“) könnte Anlass geben, diese Frage - im Grundsatz - zu verneinen.

Dem ist allerdings entgegen zu halten, dass die Wirkungen, die die Beklagte im vorliegenden Fall verspricht, deutlich über das hinausgehen, was kosmetische Produkte üblicherweise erreichen können. Die Beklagte suggeriert eine physiologische Wirkung des beworbenen Produkts, die altersbedingte Veränderungen insbesondere der Haarfarbe und des Haarwuchses zumindest zeitweilig rückgängig macht oder repariert. Dies kommt am deutlichsten zum Ausdruck, wenn die Beklagte herausstellt, das beworbene Produkt wirke von innen, nämlich dort, wo das Haar wachse.

Ebenso KG, Urt. v. 11.12.2015, 5 U 64/15, B.2.d

Anders verhält es sich aber jedenfalls, wenn die Werbeaussage den Eindruck erweckt, die Wirkung sei schon erwiesen.

KG Berlin, Urt. v. 11.12.2015, 5 U 63/15, B.2.d

Ein nachträglich erstelltes Gutachten kann die beanstandeten Werbeaussagen deshalb nicht tragen, weil die Beklagte jedenfalls in der hier zu beurteilenden Werbesendung die Erwartung geweckt hat, dass die behaupteten Wirkungen wissenschaftlich erwiesen sind (vgl. auch OLG Karlsruhe MD 2013, 1033; Zipfel/Rathke, Lebensmittelrecht, Art. 7 LMIV, C 113, Rn 355).

Ebenso KG, Urt. v. 11.12.2015, 5 U 64/15, B.2.d

Zu § 11 LFGB aF, der strengere Anforderungen als die LMIV vorsah:

BGH, Urt. v. 2.10.2008, Ls., I ZR 51/06 - Priorin

Eine nach allgemein anerkannten wissenschaftlichen Grundsätzen erstellte, in der Fachliteratur veröffentlichte randomisierte, placebokontrollierte Doppelblindstudie ist für den Wirksamkeitsnachweis grundsätzlich ausreichend.

Zur Darlegungs- und Beweislast siehe im Übrigen hier.

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Verantwortlichkeit

Art. 8 der Verordnung (EU) Nr. 1169/2011

Verantwortlichkeiten

(1) Verantwortlich für die Information über ein Lebensmittel ist der Lebensmittelunternehmer, unter dessen Namen oder Firma das Lebensmittel vermarktet wird, oder, wenn dieser Unternehmer nicht in der Union niedergelassen ist, der Importeur, der das Lebensmittel in die Union einführt.

(2) Der für die Information über das Lebensmittel verantwortliche Lebensmittelunternehmer gewährleistet gemäß dem anwendbaren Lebensmittelinformationsrecht und den Anforderungen der einschlägigen einzelstaatlichen Rechtsvorschriften das Vorhandensein und die Richtigkeit der Informationen über das Lebensmittel.

(3) Lebensmittelunternehmer, deren Tätigkeiten die Informationen über Lebensmittel nicht beeinflussen, dürfen keine Lebensmittel abgeben, von denen sie aufgrund der ihnen im Rahmen ihrer Berufstätigkeit vorliegenden Informationen wissen oder annehmen müssen, dass sie dem anwendbaren Lebensmittelinformationsrecht und den Anforderungen der einschlägigen einzelstaatlichen Rechtsvorschriften nicht entsprechen.

OLG Düsseldorf, Urt. v. 6.8.2015, 2 U 11/15, Tz. 138 f

Art. 8 Abs. 1 LMIV weist die Verantwortung für die Information über ein Lebensmittel demjenigen Lebensmittelunternehmer zu, unter dessen Namen oder Firma das Produkt vermarktet wird. Dabei ist nicht entscheidend, welcher Lebensmittelunternehmer das Produkt dem Endverbraucher anbietet oder zwischen welchen Parteien ein Kaufvertrag über den Erwerb des Lebensmittels zustande kommt, sondern unter wessen Namen es auf dem Endverbrauchermarkt erscheint. Damit sollen Handelsunternehmen entlastet und nicht für solche Umstände zur Verantwortung gezogen werden, die nicht in ihrem Geschäfts- bzw. Einflussbereich liegen; ihre Verantwortung soll sich auf den von ihnen kontrollierten Einflussbereich beschränken. Die in Deutschland bisher praktizierte „Kettenverantwortung“ ist im Rahmen der LMIV nicht anwendbar (vgl. Voit/Grube, LMIV, Art. 8 Rdnrn. 12 bis 16).

Das schließt allerdings nicht aus, auch im Rahmen des Art. 8 Abs. 1 LMIV Unternehmer für die Richtigkeit einer Produktinformation einstehen zu lassen, wenn diese die Produktinformation gemeinsam mit dem Vermarkter erstellt haben und auch gemeinsam mit ihm nach außen vertreten. In diesem Fall wirken sie bewusst und gewollt zusammen und haben als Mittäter auch gemeinsam für die Richtigkeit der Produktinformation einzustehen.

Siehe auch OLG Düsseldorf, Urt. v. 15.12.2015, I-20 U 24/15, Tz. 25; OLG Düsseldorf, Urt. v. 26.1.2016, I-20 U 22/15, Tz. 24; OLG Düsseldorf, Urt. v. 9.2.2017, 20 U 10/16, Tz. 92

OLG Düsseldorf, Urt. v. 6.8.2015, 2 U 10/15, Tz. 151

Die Verantwortung für die Information über ein Lebensmittel hat nach Art. 8 Abs. 1 LMIV grundsätzlich der Lebensmittelunternehmer, unter dessen Namen das Lebensmittel auf den Markt gebracht wird. Da er als Fachunternehmen die hinreichende Sachkunde besitzt und auch die Zusammensetzung des beworbenen Erzeugnisses kennt, hat er die Richtigkeit der von ihm gegebenen Produktinformation darzulegen und näher zu substantiieren, wenn diese Wirkung in Frage gestellt wird (vgl. BGH, GRUR 2010, 359, Tz. 17 – Vorbeugen mit Coffein).

OLG Düsseldorf, Urt. v. 15.12.2015, I-20 U 24/15, Tz. 26

Derjenige, der nicht selbst Adressat der dem Unlauterkeitsvorwurf nach § 4 Nr. 11 (alt) UWG zu Grunde liegenden Norm ist, kann … allenfalls als Teilnehmer (Anstifter oder Gehilfe) haften (BGH, GRUR 2015, 1025 Rnrn. 15, 16 - TV-Wartezimmer). Die Gehilfenhaftung setzt neben einer objektiven Beihilfehandlung zumindest einen bedingten Vorsatz in Bezug auf die Haupttat voraus, der das Bewusstsein der Rechtswidrigkeit einschließen muss (BGH, GRUR 2011, 152 Rn. 30 - Kinderhochstühle im Internet).

Ebenso OLG Düsseldorf, Urt. v. 26.1.2016, Tz. 25, I-20 U 25/15; OLG Düsseldorf, Urt. v. 26.1.2016, I-20 U 22/15, Tz. 25

Die Verantwortung des Händlers ergibt sich aus Art. 8 Abs. 3 LMIV und ist beschränkt auf Sachverhalte, in denen ein Händler Kenntnis oder grob fahrlässig keine Kenntnis davon hat, dass ein Lebensmittel oder seine Aufmachung der LMIV nicht genügt. Dies ist etwa nicht der Fall, wenn eine bestimmte Bezeichnungspraxis in der Branche üblich und nach einer verbreiteten Auffassung nicht irreführend ist (OLG Nürnberg, Urt. v. 7.2.2017, 3 U 1537/16, Tz. 15f - Weidemilch)

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Verhältnis zur Health-Claims-Verordnung

OLG Düsseldorf, Urt. v. 6.8.2015, 2 U 10/15, Tz. 154

Die Bestimmungen des neuen § 11 Abs. 1 LFGB und von Art. 7 Abs. 1 LMIV treten ergänzend neben die Bestimmungen der HCVO. Während die Beschränkungen der HCVO die Lenkungswirkung gesundheitsbezogener Angaben regulieren sollen (vgl. EuGH, GRUR 2012, 1161, Tz. 137 - Deutsches Weintor; BGH, GRUR 2014, 1224, Tz. 13 – ENERGY & VODKA), dient Art. 7 LMIV dem Schutz vor Irreführungen. Die speziellen Regelungen der HCVO sollen die allgemeinen Regelungen über den Täuschungsschutz nicht verdrängen, sondern lediglich ergänzen (vgl. BGH, Tz. 17 und 18 - Monsterbacke II).

OLG Hamm, Urt. v. 9.8.2012, I-4 U 22/12, Tz. 52

Nach § 11 Abs. 1 Nr. 2 LFGB ist eine Werbung irreführend, wenn einem beworbenen Produkt Wirkungen beigemessen werden, die wissenschaftlich nicht hinreichend gesichert sind. Die Vorschrift steht nicht im Widerspruch zu Art. 3 S. 2 lit a) und Art. 5 Abs. 1 lit a) HCVO, so dass die Frage, ob und inwieweit die HCVO gegenüber § 11 LFGB vorrangig ist (Art. 22 HCVO), dahingestellt bleiben kann. Nach beiden Regelungskomplexen darf weder positiv getäuscht noch mit nicht hinreichend wissenschaftlich belegten Aussagen für Lebensmittel geworben werden.

ebenso OLG Hamm, Urt. v. 13.12.2011, I-4 U 92/11, Tz. 39; OLG Hamm, Urt. v. 29.9.2011, I-4 U 71/11. Tz. 27

Hierzu ist allerdings zu berücksichtigen, dass nach der Health Claims Verordnung nur für bestimmte Nährstoffe und nur mit zugelassenen gesundheitsbezogenen Angaben geworben werden darf. Im Anwendungsbereich der HCVO ist ein Rückgriff auf Art. 36 Abs. 2 lit. c) LMIV als Beweismaßstab nicht möglich. Auch bezüglich nährstoffbezogener Angaben enthält die HCVO Sonderregelungen. Dazu heißt es im Erwägungsgrund 38 der LMIV:

Im Interesse der Stimmigkeit und Kohärenz des Unionsrechts sollten freiwillige nährwert- oder gesundheitsbezogene Angaben auf den Etiketten von Lebensmitteln der Verordnung (EG) Nr. 1924/2006 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 20. Dezember 2006 über nährwert- und gesundheitsbezogene Angaben über Lebensmittel entsprechen.

Dass die jüngere LMIV die HCVO nicht verdrängen sollte, ergibt sich auch daraus, dass die HCVO durch die LMIV geändert und an die LMIV angepasst wurde.

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Verhältnis zu § 5 UWG

OLG Koblenz, Urteil vom 21.12.2022, 9 U 591/22, Tz. 23 (WRP 2023, 1510)

§ 11 Abs. 1 Nr. 1 LFGB und Art. 7 Abs. 1 a) LMIV einerseits sowie § 5 Abs. 1, Abs. 2 Nr. 1 UWG nebeneinander anwendbar, wobei die spezialgesetzlichen Ziele der besonderen lebensmittelrechtlichen Regelungen die Auslegung des Wettbewerbsrechts beeinflussen.

BGH, Urt. v. 2.12.2015, I ZR 45/13, Tz. 23 -  Himbeer-Vanille-Abenteuer II

Aus Art. 7 der Richtlinie 2005/29/EG über unlautere Geschäftspraktiken lassen sich im Streitfall keine Informationspflichten ableiten, die über die Informationspflichten nach der Lebensmittelinformationsverordnung hinausgehen. Die Frage, ob die Beklagte den Verbraucher mit der beanstandeten Aufmachung ihres Früchtetees hinreichend über dessen Merkmale aufgeklärt hat, ist nach den einschlägigen Bestimmungen des Lebensmittelrechts, das heißt der Lebensmittelinformationsverordnung und - zeitlich vorangehend - der Richtlinie 2000/13/EG und der diese in deutsches Recht umsetzenden nationalen Bestimmungen zu beurteilen. Für eine diese - jeweils abschließenden - Regelungen ergänzende Anwendung des Art. 7 Abs. 4 Buchst. a der Richtlinie 2005/29/EG, der mit der Bestimmung des § 5a Abs. 3 Nr. 1 UWG in deutsches Recht umgesetzt worden ist, im Anwendungsbereich der Lebensmittelinformationsverordnung ist nach Erwägungsgrund 10 Satz 3 und Art. 3 Abs. 4 der Richtlinie 2005/29/EG kein Raum (vgl. Köhler, WRP 2014, 637, Tz. 8 bis 11).

OLG Düsseldorf, Urt. v. 15.12.2015, I-20 U 24/15, Tz. 28

Soweit sich die Klägerin auf das in § 5 UWG normierte Irreführungsverbot stützt, ist zu beachten, dass die europarechtlichen Vorgaben nicht unterlaufen werden dürfen. Die Norm dient, soweit Handlungen gegenüber Verbrauchern in Rede stehen, der Umsetzung der Richtlinie 2005/29EG (Unlautere Geschäftspraktiken-RL). Nach Art. 3 Abs. 4 gehen abschließende Rechtsvorschriften der Gemeinschaft der Richtlinie und darauf beruhendem nationalem Recht vor (vgl. EuGH, EuZW 2015, 707 Rnrn. 79 ff - Abcur/Apoteket Farmáci). Zu diesen Vorschriften gehört die EU-Lebensmittelinformationsverordnung. Die Verantwortlichkeit des Beklagten als Zwischenhändler wird nur für den Fall des Art. 8 Abs. 3 Lebensmittelinformationsverordnung (Voit/Grube, a.a.O., Rn. 34 ff.) begründet.

OLG Nürnberg, Urt. v. 7.2.2017, 3 U 1537/16, Tz. 18 - Weidemilch

§ 5 UWG dient, soweit Handlungen gegenüber Verbrauchern in Rede stehen, der Umsetzung der Richtlinie 2005/29/EG (unlautere Geschäftspraktiken - RL). Nach Art. 3 Abs. 4 der Richtlinie gehen abschließende Rechtsvorschriften der Gemeinschaft der Richtlinie und darauf beruhendem nationalen Recht vor. Für den Lebensmittelbereich enthält Art. 7 Abs. 1 der LMIV ein umfassendes Irreführungsverbot. Die Regelung ist abschließend und setzt nicht nur einen Mindeststandard, sondern erlaubt auch keine strengere nationale Regelung. Das in Art. 7 LMIV normierte Verbot kann zwar neben §§ 5, 5a UWG grundsätzlich anwendbar sein. Im Hinblick auf die Zielrichtung dieses besonderen Irreführungsverbots ist aber § 5 UWG in dessen Anwendungsbereich ausschließlich nach dem Maßstab des besonderen Irreführungsverbotes auszulegen. Danach richtet sich die Frage, ob die Beklagte als Händlerin gegen Art. 7 Abs. 1a LMIV verstoßen hat und auch für unrichtige Informationen auf von Dritten hergestellten Lebensmitteln verantwortlich ist, allein nach Art. 8 LMIV.

Ebenso OLG Nürnberg, Urt. v. 21.2.2017, 3 U 1830/16, B.I.2

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