Ihr Rechtsanwalt im Wettbewerbsrecht
Dr. Hermann-Josef Omsels*

Eine Darstellung des Gesetzes gegen den unlauteren Wettbewerb und wettbewerbsrechtlicher Nebengesetze



 


 

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Pfandpflicht

OLG Stuttgart, Urt. v. 15.6.2023, 2 U 32/22, Tz. 63, 65

Die Pfandauszahlungspflicht aus § 31 Abs. 2 S. 1 VerpackG ist eine verbraucherschützende Marktverhaltensregelung im Sinne des § 3a UWG. ...

Die Pfandrückzahlungspflicht aus § 31 Abs. 2 S. 1 VerpackG gibt dem Unternehmer ein Verhalten gegenüber dem Verbraucher vor und bezweckt, anders als die Normen über die Erhebung von Verpackungspfand, auch den Schutz des Verbrauchers, indem sie dem Unternehmer weithin losgelöst vom vorangegangenen Verkauf des Produktes auferlegt, gegen Rückgabe der restentleerten Verpackung den Pfandbetrag an den Verbraucher auszuzahlen. Die Norm begünstigt den Verbraucher nicht bloß reflexhaft aus einem abfallrechtskonformen Verhalten, sondern sie stattet den Verbraucher mit einem nach dem BGB nicht gegebenen Zahlungsanspruch aus.

OLG Stuttgart, Urt. v. 15.6.2023, 2 U 32/22, Tz. 66 ff

Der Anwendung des § 3a UWG auf diese Marktverhaltensvorgabe aus dem deutschen Recht steht keine Sperrwirkung aus der UGP-Richtlinie (Richtlinie 2005/29/EG) entgegen.

Zwar bleibt angesichts der Vorgabe zur Vollharmonisierung (vgl. Art. 4 der UGP-Richtlinie und Erwägungsgrund 12) der Anwendungsbereich des § 3a UWG grundsätzlich beschränkt auf das – hier nicht betroffene und vom Kläger als Verbraucherschutzverband nicht verteidigte – Verhältnis der Mitbewerber untereinander (Schaffert, in: MüKo-UWG, 3. Auflage, 2020, Rn. 17, m.w.N.).

Dies schließt jedoch nationale Marktverhaltensregelungen zum Schutz von Verbrauchern jedenfalls dann nicht aus, wenn diese ihre Grundlage im Unionsrecht haben (vgl. zu § 4 Nr. 11 UWG a.F. BGH, Urt. v. 7.5.2015, I ZR 158/14, Tz. 19 – Der Zauber des Nordens).

OLG Stuttgart, Urt. v. 15.6.2023, 2 U 32/22, Tz. 78

Ein Interesse des Unternehmers an einer pfleglichen Behandlung der Pfandsache besteht ... angesichts der ohnehin anstehenden Zerstörung der Einweggetränkeverpackung nicht. Berechtigte Interessen des Unternehmers sind erst tangiert, wenn er eine Verrechnung des ausgereichten Pfandbetrages aufgrund des schlechten Zustandes der Verpackung bei Rückgabe nicht vornehmen kann.


Die nachfolgende Darstellung ist veraltet. Seit dem 3. Juli 2021 gilt das Verpackungsgesetz vom 9. Juni 2021. Die Darstellung soll demnächst überarbeitet werden.

Gesetzestext (Verpackungsverordnung = VerpackV)

§ 9 Pfanderhebungs- und Rücknahmepflicht für Einweggetränkeverpackungen

(1) Vertreiber, die Getränke in Einweggetränkeverpackungen mit einem Füllvolumen von 0,1 Liter bis 3 Liter in Verkehr bringen, sind verpflichtet, von ihrem Abnehmer ein Pfand in Höhe von mindestens 0,25 Euro einschließlich Umsatzsteuer je Verpackung zu erheben. Satz 1 gilt nicht für Verpackungen, die nicht im Geltungsbereich der Verordnung an Endverbraucher abgegeben werden. Das Pfand ist von jedem weiteren Vertreiber auf allen Handelsstufen bis zur Abgabe an den Endverbraucher zu erheben. Vertreiber haben Getränke in Einweggetränkeverpackungen, die nach Satz 1 der Pfandpflicht unterliegen, vor dem Inverkehrbringen deutlich lesbar und an gut sichtbarer Stelle als pfandpflichtig zu kennzeichnen und sich an einem bundesweit tätigen Pfandsystem zu beteiligen, das Systemteilnehmern die Abwicklung von Pfanderstattungsansprüchen untereinander ermöglicht. Das Pfand ist bei Rücknahme der Verpackungen zu erstatten. Ohne eine Rücknahme der Verpackungen darf das Pfand nicht erstattet werden. Hinsichtlich der Rücknahme gilt § 6 Abs. 8 entsprechend. Bei Verpackungen, die nach Satz 1 der Pfandpflicht unterliegen, gilt an Stelle des § 6 Abs. 8 Satz 4, dass sich die Rücknahmepflicht nach § 6 Abs. 8 Satz 1 auf Verpackungen der jeweiligen Materialarten Glas, Metalle, Papier/Pappe/Karton oder Kunststoff einschließlich sämtlicher Verbundverpackungen mit diesen Hauptmaterialien beschränkt, die der Vertreiber in Verkehr bringt. Beim Verkauf aus Automaten hat der Vertreiber die Rücknahme und Pfanderstattung durch geeignete Rückgabemöglichkeiten in zumutbarer Entfernung zu den Verkaufsautomaten zu gewährleisten. Die zurückgenommenen Einweggetränkeverpackungen im Sinne von Satz 1 sind vorrangig einer stofflichen Verwertung zuzuführen.

(2) Absatz 1 findet nur Anwendung auf nicht ökologisch vorteilhafte Einweggetränkeverpackungen im Sinne von § 3 Abs. 4, die folgende Getränke enthalten:

1. Bier (einschließlich alkoholfreies Bier) und Biermischgetränke,

2. Mineral-, Quell-, Tafel- und Heilwässer und alle übrigen trinkbaren Wässer,

3. Erfrischungsgetränke mit oder ohne Kohlensäure (insbesondere Limonaden einschließlich Cola-Getränke, Brausen, Bittergetränke und Eistee). Keine Erfrischungsgetränke im Sinne von Satz 1 sind Fruchtsäfte, Fruchtnektare, Gemüsesäfte, Gemüsenektare, Getränke mit einem Mindestanteil von 50 Prozent an Milch oder an Erzeugnissen, die aus Milch gewonnen werden, und Mischungen dieser Getränke sowie diätetische Getränke im Sinne des § 1 Abs. 2 Buchstabe c der Diätverordnung, die ausschließlich für Säuglinge oder Kleinkinder angeboten werden,

4. alkoholhaltige Mischgetränke, die

a) hergestellt wurden unter Verwendung von

aa) Erzeugnissen, die nach § 130 Abs. 1 des Gesetzes über das Branntweinmonopol der Branntweinsteuer unterliegen, oder

bb) Fermentationsalkohol aus Bier, Wein oder weinähnlichen Erzeugnissen, auch in weiterverarbeiteter Form, der einer technischen Behandlung unterzogen wurde, die nicht mehr der guten Herstellungspraxis entspricht, und einen Alkoholgehalt von weniger als 15 Volumenprozent aufweisen, oder

b) weniger als 50 Prozent Wein oder weinähnliche Erzeugnisse, auch in weiterverarbeiteter Form, enthalten.

(3) Hersteller und Vertreiber von ökologisch vorteilhaften Einweggetränkeverpackungen sowie von Einweggetränkeverpackungen, die nach Absatz 2 keiner Pfandpflicht unterliegen, sind verpflichtet, sich an einem System nach § 6 Abs. 3 zu beteiligen, soweit es sich um Verpackungen handelt, die beim privaten Endverbraucher anfallen.

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Marktverhaltensregel

OLG Köln, Urt. v. 19.10.2012, 6 U 103/12, Tz. 9[/tooltip]

§ 9 Abs. 1 VerpackVO ist eine gesetzliche Vorschrift, die im Sinne von § 4 Nr. 11 UWG auch dazu bestimmt ist, im Interesse der Marktteilnehmer das Marktverhalten zu regeln. ... Die Pfanderhebungspflicht für Einweggetränkeverpackungen gemäß § 9 VerpackVO wirkt sich deutlich auf das Verhalten der Hersteller und Vertreiber auf dem Absatzmarkt aus. Soweit davon auch das Marktverhalten gegenüber Verbrauchern betroffen ist, regelt die Richtlinie 2005/29/EG über unlautere Geschäftspraktiken in ihrem Anwendungsbereich dieses Verhältnis allerdings abschließend; ein Verstoß gegen nationale Bestimmungen kann eine Unlauterkeit nach § 4 Nr. 11 UWG insoweit nur begründen, wenn diese eine Grundlage im Unionsrecht haben. Ob dies im Hinblick auf Art. 7 der (Verpackungs-) Richtlinie 94/62/EG hier der Fall ist (vgl. EuGH, NVwZ 2005, 190 - Radlberger und Spitz; BVerfG, NJW 2012, 598), kann dahin gestellt bleiben, weil bereits kein Verstoß der Beklagten gegen die gemäß allgemeinen Grundsätzen nach ihrem Wortlaut, ihrer systematischen Stellung, ihrer Entstehungsgeschichte und ihrem objektiven Zweck auszulegende deutsche Vorschrift des § 9 VerpackVO anzunehmen ist.

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Keine Erfrischungsgetränke (§ 9 Abs. 2 Nr. 3 Satz 2 VerpackV

BGH, Beschl. v. 17.7.2013, I ZR 211/12, Tz. 23

Der Gesetzgeber hat die Pfandpflicht ausdrücklich auf die Getränke beschränken wollen, in denen eine Abwägung des ökologischen Nutzens des Pflicht-pfands einerseits mit dem ökonomischen Aufwand eines Rücknahme- und Pfandsystems andererseits die Einrichtung eines solchen der Produktverantwortung dienenden Systems rechtfertigt. Als Grundlage dieser Abwägung hat er maßgeblich auf ein ausreichend großes Marktvolumen der Getränkeart abgestellt (vgl. BT-Drucks. 15/4642, Seite 13).

OLG Köln, Urt. v. 19.10.2012, 6 U 103/12

Die Freistellung der (im lebensmittelrechtlichen Sprachgebrauch nicht als Erfrischungsgetränke angesehenen) Frucht- und Gemüsesäfte von der Pfandpflichtigkeit beruhte nach der Begründung des historischen Verordnungsgebers auf einer Abwägung zwischen dem Aufwand und dem ökologischen Nutzen eines von den Vertreibern solcher Produkte einzurichtenden eigenen Pfanderhebungs- und Rücknahmesystems; wegen des gegenüber Bier, Mineralwasser und Erfrischungsgetränken vergleichsweise geringen Marktvolumens nicht ökologisch vorteilhaft verpackter Obst- und Gemüsesäfte wurde hierfür die Einrichtung eines solchen Systems als unverhältnismäßig angesehen.

Ausgehend von dieser Zielsetzung, die im Verordnungstext einen wenn auch nur unvollkommenen objektiven Ausdruck insofern gefunden hat, als dort zu den Erfrischungsgetränken „insbesondere“ Massengetränke wie Limonaden und Cola-Getränke gezählt, Fruchtsäfte und Fruchtnektare (neben Gemüsesäften und -nektaren, Milchprodukten und diätetischen Getränken für Säuglinge und Kleinkinder) dagegen ausdrücklich von der Anwendung ausgenommen und Fruchtsaftgetränke nicht besonders erwähnt werden, hält der Senat es mit dem Landgericht für angemessen, das zu 99 % aus Fruchtsaftkonzentrat bestehende Kindergetränk der Beklagten im verpackungsrechtlichen Sinn nicht als pfandpflichtiges Erfrischungsgetränk, sondern als pfandfreies fruchtsaftähnliches Getränk einzuordnen.

Unabhängig von dem genauen Anteil natürlichen Aromas an der Gesamtmenge und dessen Auswirkungen auf den Geschmack und die ernährungsphysiologische Qualität des Getränks … erscheint es nämlich sowohl im Hinblick auf die Praktikabilität der Abgrenzung als auch mit Rücksicht auf das Verhältnis von ökologischem Nutzen und Aufwand eines eigenen Rücknahmesystems zweckdienlich und angezeigt, das Fruchtsaftgetränk der Beklagten in Bezug auf die Pfandpflicht seiner sektflaschenähnlichen Verpackung nicht anders zu behandeln als den Fruchtnektar der Klägerin oder vergleichbare unter die Ausnahmekategorie der Fruchtsäfte und -nektare fallende Getränke. Auch wenn die Verkehrsbezeichnung nicht identisch sein mag, ist jedenfalls aus Verbrauchersicht kein Unterschied zwischen dem Fruchtnektar der Klägerin und dem ähnlich abgefüllten Fruchtsaftgetränk der Beklagten aus 99 % Fruchtsaftkonzentrat erkennbar, der bei jenem eine Pfandpflicht ausschließen und bei diesem begründen könnte.

Revision nicht zugelassen: BGH, Beschl. v. 17.7.2013, I ZR 211/12

BGH, Beschl. v. 17.7.2013, I ZR 211/12, Tz. 16

Der Pfandpflicht unterfallen gemäß § 9 Abs. 2 Nr. 3 Satz 1 VerpackV unterfallen „Erfrischungsgetränke“. Diese Getränkegattung ist nicht positiv abschließend definiert und lässt hinreichend Raum für eine historische, teleologische und systematische Auslegung.

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