Ihr Rechtsanwalt im Wettbewerbsrecht
Dr. Hermann-Josef Omsels*

Eine Darstellung des Gesetzes gegen den unlauteren Wettbewerb und wettbewerbsrechtlicher Nebengesetze



 


 

Der Newsletter zum UWG
Registrieren Sie sich hier !


 

 

R. Vertragsrecht/Vertragsstrafe

1. Vertragsstrafeanspruch

2. Unterlassungsanspruch aus einem Unterlassungsvertrag

3. Auswirkungen von Wettbewerbsverstößen auf Verträge

4. Nichtigkeit von wettbewerbswidrigen vertraglichen Regelungen

5. Vertraglich vereinbarte Wettbewerbsverbote

6. Vertraglich vereinbarte Abwerbeverbote

7. Rückforderung einer gezahlten Vertragsstrafe

Vertragsstrafeanspruch

Zu Ansprüchen auf Zahlung einer Vertragsstrafe wegen eines Verstoßes gegen eine Unterlassungserklärung siehe hier.

zurück nach oben

Unterlassungsanspruch aus einem Unterlassungsvertrag

Wenn ein Unterlassungsvertrag durch die Abgabe und Annahme einer Unterlassungserklärung geschlossen wurde, steht dem Gläubiger daraus ein Unterlassungsanspruch zu. Es kommt dann im Streitfall nicht mehr darauf an, ob das Verhalten wettbewerbswidrig ist und dementsprechend auch ein Anspruch auf gesetzlicher Grundlage, d.h. aus dem UWG besteht. Es macht auch keinen Unterschied, ob die Unterlassungserklärung mit einer Vertragsstrafe verknüpft ist oder nicht.

BGH, Urt. v. 8.5.2014, I ZR 210/12, Tz. 51 – fishtailparka

Durch den Unterlassungsvertrag erwirbt der Gläubiger einen eigenständigen Anspruch auf Unterlassung, der grundsätzlich unabhängig vom Bestehen eines gesetzlichen Unterlassungsanspruchs ist. Mit dem Unterlassungsvertrag soll gerade der Streit darüber ausgeräumt werden, ob tatsächlich eine Schutzrechtsverletzung vorliegt. Der sich unterwerfende Schuldner verzichtet auf eine gerichtliche Klärung dieser Frage.

OLG Brandenburg, Urt. v. 29.4.2014, 6 U 10/13, Tz. 38

Da sich die Beklagte vertraglich durch die Abgabe der Unterlassungserklärung vom 11.06.2010 dazu verpflichtet hat, in Zukunft diese Klauseln nicht mehr zu verwenden, kann sie dem vertraglichen Unterlassungsbegehren des Klägers nicht mit Erfolg entgegenhalten, die Verwendung dieser Klauseln sei nicht wettbewerbswidrig. Dieser Einwand ist durch den Unterwerfungsvertrag ausgeschlossen (vgl. Köhler/Bornkamm, UWG, § 12 Rn. 1. 158).

OLG Nürnberg, Hinweisbeschl. v. 16.6.2021, 3 U 458/21, Tz. 9

Bei Verstößen gegen die vereinbarte Unterlassungspflicht kann der Gläubiger der Unterwerfung neben der Forderung der Vertragsstrafe i.S.v. § 339 BGB (vgl. dazu BGH, GRUR 2014, 909, Rn. 11 - Ordnungsmittelandrohung nach Prozessvergleich) den Verletzer auf Unterlassung in Anspruch nehmen (BGH, GRUR 1995, 678, juris-Rn. 22 - Kurze Verjährungsfrist). Die Geltendmachung des vertraglichen Unterlassungsanspruchs setzt dabei keine Erstbegehungs- oder Wiederholungsgefahr - und damit keine Wettbewerbswidrigkeit - voraus (BGH, GRUR 1999, 522, juris-Rn. 41 - Datenbankabgleich).

Die Verpflichtung aus dem Unterlassungsvertrag kann weiter gehen als der gesetzliche Unterlassungsanspruch, der dem Abschluss des Unterlassungsvertrag zugrunde lag. Der Schuldner kann sich auch zur Unterlassung eines Verhaltens verpflichten, dass eigentlich erlaubt ist.

OLG Hamm, Urt. v. 1.6.2023, 4 U 225/22, Tz. 71

Die Parteien haben unstreitig eine wirksame Vertragsstrafevereinbarung getroffen, die zur Überzeugung des Senats dahingehend auszulegen ist, dass die Beklagte sich ungeachtet einer entsprechenden gesetzlichen Verpflichtung zum damaligen Zeitpunkt bereits (überobligatorisch) dazu verpflichten wollte, ...

zurück nach oben

Auswirkungen von Wettbewerbsverstößen auf Verträge

Wenn dem Abschluss eines Vertrages ein Wettbewerbsverstoß vorausging oder der Vertrag selber einen Wettbewerbsverstoß, bspw. in Form rechtswidriger allgemeiner Geschäftsbedingungen enthält, stellt sich die Frage, welche Auswirkungen, dies auf die Wirksamkeit oder Anfechtbarkeit des Vertrages hat. Diese Frage beurteilt sich in der Regel nicht nach dem Wettbewerbsrecht.

EuGH, Urt. v. 15.3.2012, C-453/10, Tz. 46 – Pereničová u.a. ./. SOS financ spol. s r. o.

Die Feststellung des unlauteren Charakters einer Geschäftspraxis hat keine unmittelbaren Auswirkungen auf die Frage, ob der Vertrag wirksam ist.

OLG Düsseldorf, Urt. v. 15.7.2014, I-15 U 43/14, Tz. 57

Die Wettbewerbswidrigkeit einer Handlung sagt noch nichts über die zivilrechtliche Wirksamkeit des in der Folge geschlossenen Vertrages aus (Köhler in: Köhler/Bornkamm, UWG, Einl Rn. 7.8). Denn § 3 UWG dient nicht ausschließlich dem Schutz einzelner Abnehmer, sondern zielt auf die Wahrung des lauteren Wettbewerbs im weiteren Sinne ab und dabei insbesondere auch auf den Schutz der Mitbewerber vor Handlungsweisen, die aus dem Blickwinkel verständiger beteiligter Verkehrskreise und unter Umständen auch der Allgemeinheit zu missbilligen sind und deshalb oder aus anderen denkbaren Gründen der Schutzfunktion des Wettbewerbsrecht zuwiderlaufen (BGH, GRUR 1994, 126, 127 – Folgeverträge).

Allerdings kann der Umstand, dass ein Wettbewerbsverstoß in den Vertrag eingeflossen ist, bei der Beurteilung, ob der Vertrag, nichtig, anfechtbar oder kündbar ist bzw. ob ein Rücktrittsrecht besteht, von Bedeutung sein. Nationale Gesetzgeber sind auch berechtigt, Kündigungs- oder Rücktrittsmöglichkeiten vorzusehen.

EuGH, Urt. v. 2.2.2023, C-208/21, Tz. 82 - Towarzystwo Ubezpieczeń

Aus einer wörtlichen, systematischen und teleologischen Auslegung von Art. 3 Abs. 2 der Richtlinie 2005/29 ergibt sich, dass diese Bestimmung dem nicht entgegensteht, dass die Mitgliedstaaten dem Verbraucher, der einen Vertrag aufgrund einer unlauteren Geschäftspraxis geschlossen hat, das Recht einräumen, die Ungültigerklärung dieses Vertrags zu fordern, sofern eine solche Sanktion wirksam, verhältnismäßig und abschreckend im Sinne von Art. 13 dieser Richtlinie ist.

Außerdem ist es ausnahmsweise möglich, dass sich ein wettbewerbswidriges Verhalten in der Durchführung eines Vertrages fortsetzt (siehe unten).

Zur Frage, inwieweit die Beitreibung einer Vertragsforderung wettbewerbswidrig ist, wenn der Vertrag unter einem Verstoß gegen das Wettbewerbsrecht begründet wurde, siehe hier.

zurück nach oben

Nichtigkeit von wettbewerbswidrigen vertraglichen Regelungen

BGH, Urt. v. 23.2.2012, I ZR 231/10, Tz. 20 ff -  Dentallaborleistungen

Nach der Rechtsprechung des Senats können Verträge, die zur Begehung unlauteren Wettbewerbs verpflichten, gemäß § 134 BGB nichtig sein, wenn der rechtsgeschäftlichen Verpflichtung selbst das wettbewerbswidrige Verhalten innewohnt (BGH, Urt. v. 26.2.2009 - I ZR 106/06, GRUR 2009, 606 Tz. 13 = WRP 2009, 611 - Buchgeschenk vom Standesamt).

Für die Frage, ob der zwischen den Parteien abgeschlossene Vertrag gegen ein gesetzliches Verbot verstieß, ist auf die Gesetzeslage zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses abzustellen (vgl. BGH, GRUR 2009, 606 Tz. 10 - Buchgeschenk vom Standesamt).

Richtet sich das Verbot gegen beide Vertragsparteien, ist in der Regel anzunehmen, dass das Rechtsgeschäft nichtig ist.

OLG Hamm, Beschl. v. 3.5.2023, 18 U 154/23, Tz. 35

Gemäß § 134 BGB können Verträge nichtig sein, die zur Begehung unlauteren Wettbewerbs verpflichten. Voraussetzung hierfür ist, dass der rechtsgeschäftlichen Verpflichtung selbst das wettbewerbswidrige Verhalten innewohnt (vgl. BGH, Urteil vom 14.05.1998 - I ZR 10/96, GRUR 1998, 945, beck-online; Senatsbeschluss vom 25.10.2021- 18 U 110/21, Rn. 46, juris; OLG; Frankfurt/M., Urteil vom 24.01.2018 - 13 U 165/16, NJW-RR 2018, 887, Rn. 43). Dies ist hier der Fall, weil die Akquise-Vereinbarung darauf gerichtet ist, unzulässige geschäftliche Handlungen nach § 7 Abs. 2 Nr. 3 UWG a.F. durchzuführen und damit zu einem wettbewerbswidrigen Handeln verpflichtet.

Das OLG Hamm hat in der Entscheidung die Nichtigkeit eines Vertrages angenommen, der darauf gerichtet ist, systematisch gegen § 7 Abs. 2 Nr. 2 UWG zu verstoßen, um Telefonnummern von Personen zu gewinnen, die zu Werbezwecken angerufen werden können (so zuvor auch schon LG Düsseldorf, Urt. v, 20.12.2013, 33 O 95/13 U.).

zurück nach oben

Vertraglich vereinbarte Wettbewerbsverbote

Vertraglich vereinbarte Wettbewerbsverbote fallen in der Regel nicht in den Anwendungsbereich des UWG, soweit sie nicht im Einzelfall eine gezielte Behinderung im Sinne des § 4 Nr. 4 UWG darstellen. Sie können - zwischen Unternehmen - auch gegen das Gesetz gegen Wettbewerbsbeschränkungen (GWB) verstoßen. Im übrigen richtet sich ihre Wirksamkeit nach bestimmten gesetzlichen Sonderregeln und § 138 BGB.

Siehe dazu bspw.: BGH, Urt. v. 25.10.2012, VII ZR 56/11

OLG München, Urt. v. 17.3.2016, 23 U 2134/15, 1.1.1

Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs sind nachvertragliche Wettbewerbsverbote mit Rücksicht auf die grundgesetzlich geschützte Berufsausübungsfreiheit nur dann gerechtfertigt und nicht nach § 138 BGB sittenwidrig, wenn und soweit sie notwendig sind, um einen Vertragspartner vor einer illoyalen Verwertung der Erfolge seiner Arbeit durch den anderen Vertragspartner zu schützen. Sie sind nur wirksam, wenn sie in räumlicher, gegenständlicher und zeitlicher Hinsicht das notwendige Maß nicht überschreiten (BGH, Urt. v. 20.1.2015, II ZR 369/13, Tz. 8 m.w.N.).

Siehe auch bspw.: BGH, Urt. v. 25.10.2012, VII ZR 56/11

OLG München, Urt. v. 17.3.2016, 23 U 2134/15, 2.5.2

Eine finanzielle Unterstützung eines Wettbewerbs stellt grundsätzlich einen Verstoß gegen ein Wettbewerbsverbot dar.

OLG München, Urt. v. 17.3.2016, 23 U 2134/15, 1.1.2

Der Klägerin können bei Verletzung des Wettbewerbsverbots auch Schadensersatzansprüche zustehen. … Bei einem Wettbewerbsverstoß hat die Gesellschaft grundsätzlich wahlweise einen Anspruch auf Schadensersatz oder auf Herausgabe der erzielten Vergütung (Schneider in Scholz, GmbHG, 11. Aufl., § 43 Rn. 168; BFH, Urt. v. 26.4.1989, I R 172/87, Tz. 12).

Zu Wettbewerbsverboten in Handelsvertreterverträgen § 90a HGB:

OLG Frankfurt, Beschl. v. 7.1.2019, 8 U 168/17, I.1.c.cc

§ 90a Abs. 3 HGB ermöglicht das Lossagen von der "Wettbewerbsabrede" im Fall der Kündigung eines Handelsvertretervertrages aus wichtigem Grund. Der Begriff der "Wettbewerbsabrede" ist in § 90a Abs. 1 HGB definiert als eine Vereinbarung, die den Handelsvertreter nach Beendigung des Vertragsverhältnisses in seiner gewerblichen Tätigkeit beschränkt. Um eine solche Vereinbarung handelt es sich … nicht, wenn die Bestimmung allein den Hersteller, nicht aber den Handelsvertreter in seiner gewerblichen Tätigkeit beschränkt. Eine analoge Anwendung des § 90a Abs. 3 HGB auf eine Wettbewerbsabrede zulasten des Herstellers verbietet sich, da weder eine planwidrige Regelungslücke noch eine Vergleichbarkeit der Interessenlage besteht. Sinn und Zweck des § 90a Abs. 3 HGB ist nämlich der Schutz des Handelsvertreters. Er soll durch inhaltliche und zeitliche Beschränkungen der Wettbewerbsabreden vor einer übermäßigen Beschränkung seiner wettbewerblichen Bewegungsfreiheit bewahrt werden.

zurück nach oben

Vertraglich vereinbarte Abwerbeverbote

§ 75f HGB

Im Falle einer Vereinbarung, durch die sich ein Prinzipal einem anderen Prinzipal gegenüber verpflichtet, einen Handlungsgehilfen, der bei diesem im Dienst ist oder gewesen ist, nicht oder nur unter bestimmten Voraussetzungen anzustellen, steht beiden Teilen der Rücktritt frei. Aus der Vereinbarung findet weder Klage noch Einrede statt.

BGH, Urt. v. 30.4.2014, I ZR 245/12, Tz. 14 – Abwerbeverbot

Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs und des Bundesarbeitsgerichts unterfallen dem Anwendungsbereich des § 75f HGB alle Arbeitnehmer (vgl. BGH, NJW 1974, 1282, 1283; BAGE 22, 125, 134).

Ebenso OLG Köln, Urt. v. 3.9.2021, 6 U 81/21, Tz. 57

BGH, Urt. v. 30.4.2014, I ZR 245/12, Tz. 25 – Abwerbeverbot

Durch die §§ 74 ff. HGB soll den Interessen des Arbeitnehmers an seinem beruflichen Fortkommen nach dem Ende des Anstellungsverhältnisses gegenüber dem Interesse des Unternehmers, sich durch Wettbewerbsverbote vor einer Abwanderung seines Personals zu Konkurrenzunternehmen zu schützen, grundsätzlich der Vorrang eingeräumt werden (BGH, NJW 1974, 1282). Der Arbeitgeber, der ein Abwandern seiner Mitarbeiter verhindern will, soll mit ihnen ein Wettbewerbsverbot vereinbaren und dafür eine Karenzentschädigung zahlen. Eine Behinderung der Abwanderung der Mitarbeiter ohne Entschädigungszahlungen an die Betroffenen durch Arbeitgeberabsprachen soll demgegenüber verhindert werden. Der Arbeitnehmer soll seinen Arbeitsplatz grundsätzlich frei wählen dürfen. In diesem Zusammenhang kommt § 75f HGB die Funktion zu, eine Umgehung dieser Zielsetzung zu verhindern. Die gesetzlich normierte Unverbindlichkeit einer Sperrabrede dient damit der Verwirklichung des durch Art. 12 Abs. 1 GG geschützten Rechts des Einzelnen auf berufliche Selbstbestimmung (BGH, NJW 1974, 1282, 1283; BGH, Urt. v. 27.9.1983, VI ZR 294/81, BGHZ 88, 260, 265).

Ebenso OLG Köln, Urt. v. 3.9.2021, 6 U 81/21, Tz. 59

BGH, Urt. v. 30.4.2014, I ZR 245/12, Tz. 20 – Abwerbeverbot

Nach dem Wortlaut, der Entstehungsgeschichte und dem Sinn und Zweck der Norm fallen zwischen Unternehmen vereinbarte Abwerbeverbote im Grundsatz in den Anwendungsbereich des § 75f HGB.

BGH, Urt. v. 30.4.2014, I ZR 245/12, Tz. 13 – Abwerbeverbot

Die fehlende gerichtliche Durchsetzbarkeit erfasst auch ... Vertragsstrafeversprechen, die der Sicherung einer unter § 75f HGB fallenden Vereinbarung dienen (vgl. BGH, Urt. v. 13.10.1972, I ZR 88/71; Urt. v. 30.4.1974, VI ZR 153/72, NJW 1974, 1282). Anwendbar ist die Vorschrift nicht nur auf Verbandsabsprachen, sondern auch auf eine Vereinbarung zwischen einzelnen Arbeitgebern (vgl. BGH, BB 1973, 427).

ABER es gibt Ausnahmen:

BGH, Urt. v. 30.4.2014, I ZR 245/12, Tz. 30 – Abwerbeverbot

Es gibt besondere Fallkonstellationen, in denen ein die Belange der betroffenen Arbeitnehmer überwiegendes Interesse der Arbeitgeberseite an einer gerichtlichen Durchsetzbarkeit des Abwerbeverbots besteht. Auch der Unternehmer als Arbeitgeber hat ein durch Art. 2 Abs. 1, Art. 12 Abs. 1 GG geschütztes Recht auf wirtschaftliche Betätigungsfreiheit. Das schließt das Recht des Unternehmers ein, in seinem Markterfolg nicht unverhältnismäßig eingeschränkt oder behindert zu werden (vgl. BVerfGE 97, 228, 253; BVerfG, NJW-RR 2004, 1710, 1711). Insofern ist § 75f HGB verfassungskonform einschränkend auszulegen. In bestimmten Fällen sind Abwerbeverbote von dem nach dem Wortlaut weiten Anwendungsbereich des § 75f HGB daher auszunehmen und als einklagbar zu behandeln.

Ebenso OLG Köln, Urt. v. 3.9.2021, 6 U 81/21, Tz. 61

1. Ausnahme: Unlautere Abwerbungen

BGH, Urt. v. 30.4.2014, I ZR 245/12, Tz. 31 – Abwerbeverbot

Dies gilt zunächst für alle die Fälle, in denen das Verhalten des abwerbenden Arbeitgebers eine unlautere geschäftliche Handlung darstellt, deren Verbot nach den Vorschriften des UWG beansprucht werden kann. Gibt in einem derartigen Fall der Verpflichtete eine strafbewehrte Unterlassungserklärung ab, würde es zu widersprüchlichen Ergebnissen führen, wenn der aus einem derartigen Vertragsstrafeversprechen Berechtigte Ansprüche hieraus wegen § 75f Satz 2 HGB gerichtlich nicht durchsetzen könnte.

Ebenso OLG Köln, Urt. v. 3.9.2021, 6 U 81/21, Tz. 62

2. Ausnahme: Besonderes Vertrauensverhältnis der Parteien oder besondere Schutzbedürftigkeit einer Partei

BGH, Urt. v. 30.4.2014, I ZR 245/12, Tz. 32f – Abwerbeverbot

Nicht in den Anwendungsbereich des § 75f HGB fallen außerdem solche Vereinbarungen, bei denen das Abwerbeverbot nicht Hauptzweck ist, sondern bei denen es nur eine Nebenbestimmung darstellt, die einem besonderen Vertrauensverhältnis der Parteien oder einer besonderen Schutzbedürftigkeit einer der beiden vertragschließenden Seiten Rechnung trägt. Dient ein Abwerbeverbot dem Schutz vor illoyaler Ausnutzung von Erkenntnissen, die im Rahmen solcher Vertragsverhältnisse und ihrer Abwicklung gewonnen worden sind, besteht kein Grund, die gerichtliche Durchsetzbarkeit zu versagen.

Zu dieser Fallgruppe gehören etwa Abwerbeverbote, die bei Risikoprüfungen vor dem Kauf von Unternehmen oder Unternehmensbeteiligungen vereinbart werden (sog. Due-Diligence-Prüfungen) und die vom Anwendungsbereich des § 75f HGB auszunehmen sind. Eine vergleichbare Situation kann bei einer Abspaltung von Unternehmensteilen oder Konzerngesellschaften oder bei Vertriebsvereinbarungen zwischen selbständigen Unternehmen bestehen. Auch in diesen Fallkonstellationen kann die gerichtliche Durchsetzbarkeit von Abwerbeverboten für eine reibungslose Vertragsabwicklung notwendig und eine einschränkende Auslegung des § 75f HGB geboten sein.

Ebenso OLG Köln, Urt. v. 3.9.2021, 6 U 81/21, Tz. 63 f

Die Ausnahmen sind nur zeitlich bis auf zwei Jahre begrenzt zulässig.

BGH, Urt. v. 30.4.2014, I ZR 245/12, Tz. 36f, 40 – Abwerbeverbot

Ein trotz der Regelung des § 75f HGB gerichtlich durchsetzbares Abwerbeverbot kann die Mitarbeiter in ihrem beruflichen Fortkommen behindern. Eine solche Abrede findet ihre Rechtfertigung in dem besonderen Interesse der Vertragspartner, sich vor einer vertragswidrigen Ausnutzung der den Geschäftsbetrieb der anderen Partei betreffenden, aus der Vertragsbeziehung resultierenden Kenntnisse zu schützen. Dieses Interesse besteht auch über das Ende der Vertragsbeziehung hinaus, wird jedoch typischerweise mit zunehmendem Zeitablauf schwächer.

In der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs ist … anerkannt, dass ein Wettbewerbsverbot nicht länger als zwei Jahre nach Vertragsende wirksam sein kann. ...

Ob in Ausnahmefällen ein schutzwürdiges Interesse eines Unternehmers an einem länger als zwei Jahre andauernden Abwerbeverbot bestehen kann, braucht nicht entschieden zu werden.

zurück nach oben

Rückforderung einer gezahlten Vertragsstrafe

Wenn sich nach der Abschluss eines strafbewehrten Unterlassungsvertrags und nach der Zahlung einer Vertragsstrafe wegen eines Verstoßes dagegen herausstellen sollte, dass die vorausgegangene Abmahnung rechtsmissbräuchlich war, stellt sich die Frage, wie der Unterlassungsvertrag beendet werden kann (dazu hier) und ob die Vertragsstrafe zurückgefordert werden kann.  Das OLG Köln hat sich mit den einzelnen Anspruchsgrundlagen beschäftigt.

OLG Köln, Urt. v. 9.12.2022, 6 U 46/22, II.2.a.bb

Ein Anspruch des Klägers aus § 8 Abs. 4 S. 2 UWG a.F. (inhaltsgleich mit § 8c Abs. 3 S. 1 UWG n.F.) ist nicht gegeben. Schon vom Wortlaut und von der Ausgangslage her passt die Norm nicht. Der Anspruchsgegner kann danach Ersatz der für seine Rechtsverteidigung erforderlichen Aufwendungen verlangen, wenn die Geltendmachung der wettbewerblichen Ansprüche aufgrund von Missbräuchlichkeit unzulässig war. Das betrifft insbesondere die Anwaltskosten für die Verteidigung gegenüber einer missbräuchlichen Abmahnung (Feddersen in Köhler/Bornkamm/Feddersen, UWG, 40. Aufl., § 8c Rn. 6). Solche Kosten macht der Kläger indes nicht geltend. Er verlangt vielmehr die Rückzahlung einer Vertragsstrafe.

OLG Köln, Urt. v. 9.12.2022, 6 U 46/22, II.2.c

Ein Anspruch des Klägers auf Rückzahlung der geleisteten Vertragsstrafe aus § 678 BGB scheitert daran, dass die Voraussetzungen einer Geschäftsführung ohne Auftrag nach § 677 BGB nicht vorliegen. Der Beklagte hat kein Geschäft für den Kläger geführt. Er hat lediglich die Zahlung einer gemäß dem Unterlassungsverpflichtungsvertrag verwirkten Vertragsstrafe gefordert und ist dabei ausschließlich im eigenen Interesse tätig geworden. Aus diesem Grunde scheidet auch eine sog. angemaßte Eigengeschäftsführung aus, § 687 Abs. 2 BGB.

Soweit teilweise in der unberechtigten Abmahnung eine Geschäftsführung ohne Auftrag gegen den Willen des Geschäftsherren gesehen wird, die bei Erkennbarkeit des entgegenstehenden Willens nach § 678 BGB einen Schadensersatzanspruch auslöst, ist dies auf den vorliegenden Sachverhalt nicht übertragbar. Eine Abmahnung kann dem abgemahnten Schuldner objektiv nützlich sein und seinem wirklichen und mutmaßlichen Willen entsprechen, so dass dieser als Geschäftsherr anzusehen sein kann, nämlich dann, wenn die Abmahnung berechtigt ist. Insoweit erscheint es konsequent, einem unberechtigt Abgemahnten einen Gegenanspruch aus § 678 BGB zuzubilligen (s. Bornkamm/Feddersen in Kiihler/Bornkamm/Feddersen aaO, § 13 Rn. 89). Für den Fall der Rückforderung einer Vertragsstrafe greift diese Argumentation nicht.

OLG Köln, Urt. v. 9.12.2022, 6 U 46/22, II.2.d.aa

In einer unbegründeten wettbewerbsrechtlichen Abmahnung wird keine Verletzung am eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb gesehen. Die Begründungen hierfür (s. Bornkamm/Feddersen in Köhler/Bornkamm/Feddersen aaO, 40. Aufl., § 13 Rn. 87 mwN) gelten auch für die Aufforderung zur Zahlung einer Vertragsstrafe auf der Grundlage eines zwischen den Parteien nach unbegründeter Abmahnung geschlossenen Unterlassungsvertrages. Gegen eine solche (unberechtigte) Forderung kann und muss sich der Gewerbetreibende — wie gegen jede andere unberechtigte Forderung auch - ggf. vor Gericht verteidigen. Sie ist für ihn viel weniger belastend als z.B. eine den Anspruch aus § 823 Abs. 2 BGB auslösende unberechtigte Schutzrechtsverwarnung.

OLG Köln, Urt. v. 9.12.2022, 6 U 46/22, II.2.d.bb

Ein Anspruch des Klägers aus § 823 Abs. 2 BGB in Verbindung mit § 3 UWG, § 7 UWG und/oder § 8 Abs. 4 UWG a.F. kommt nicht in Betracht, weil diese UWG-Vorschriften keine Schutzgesetze im Sinne des § 823 Abs. 2 BGB sind (s. Köhler in Kiihler/Bornkamm/Feddersen aaO, Einl. Rn. 7.5, mwN). Das Schadensersatzanspruchssystem der §§ 8 ff. UWG ist abschließend und darf nicht unterlaufen werden (vgl. Spindler in BeckOGK BGB aaO, § 823 Rn. 332, mwN).

OLG Köln, Urt. v. 9.12.2022, 6 U 46/22, II.2.d.cc

Ein Anspruch aus § 823 Abs. 2 BGB in Verbindung mit § 263 StGB besteht ebenfalls nicht. Es kann nicht festgestellt werden, dass der Beklagte (bzw. die für ihn verantwortlich handelnde Person) in der Absicht, sich die Vertragsstrafe als Vermögensvorteil zu verschaffen, durch Vorspiegelung falscher oder durch die Entstellung oder Unterdrückung wahrer Tatsachen bei dem Klâger einen Irrtum erregt hat.

Für die Erfüllung des Betrugstatbestandes fehlt es bereits in objektiver Hinsicht an der Erregung eines Irrtums über Tatsachen. Der Beklagte hat bei Abschluss des Unterlassungsvertrages gegenüber dem Kläger letztlich nur die — keine Tatsachenbehauptung beinhaltende — Rechtsansicht vertreten, zur Geltendmachung von Vertragsstrafe berechtigt zu sein. ...

Eine Täuschung durch Unterlassen ist mangels einer Garantenstellung des Beklagten gegenüber dem Kläger nicht feststellbar. Eine Garantenpflicht aus Gesetz besteht nicht. Sie kann auch nicht aus Vertrag und/oder Treu und Glauben hergeleitet werden (vgl. hierzu Salinger in Esser/Rübenstahl/Salinger/Tsambikakis, Wirtschaftsstrafrecht, § 263 StGB Rn. 75 ff., 83 if.). Zwischen den Parteien bestand weder vor noch nach dem Abschluss des Unterlassungsvertrages ein besonderes Vertrauensverhältnis, das es rechtfertigen könnte, das grundsätzlich jedem Vertragspartner selbst obliegende Informationsrisiko auf den anderen zu verlagern. Eine Garantenpflicht aus Ingerenz (s. hierzu Salinger in Esser/Rübenstahl/Salinger/Tsambikakis aaO, § 263 StGB Rn. 80 if.) scheidet aus, weil die Gründung des Beklagten nicht als ein vermögengefährdendes Vorverhalten gewertet werden kann. ...

Außerdem ist der Betrugstatbestand auch in subjektiver Hinsicht nicht erfüllt. Eine vorsâtziiche Täuschung durch Unterlassen setzt Kenntnis des Täters von Existenz und Umfang seiner Aufklärungspflicht voraus, so dass der Vorsatz fehlt, wenn der Täter nicht weiß, dass seine Angaben unvollständig sind. Ohne Vorsatz in Bezug auf das Irrtumsmerkmal handelt, wer annimmt, dass sich der Getäuschte überhaupt keine Gedanken über die täuschungsrelevante Tatsache macht. Des Weiteren muss ein Betrüger in dem Bewusstsein agieren, durch seine Täuschung und Irrtumserregung eine Vermögensverfügung des Getäuschten herbeizuführen und dadurch einen anderen unmittelbar in seinem Vermögen zu schädigen (Salinger in Esser/Rübenstahl/Salinger/Tsambikakis aaO, § 263 StGB Rn. 325).

OLG Köln, Urt. v. 9.12.2022, 6 U 46/22, II.2.d.dd

Ein Anspruch aus § 826 BGB ist nicht gegeben. Nach § 826 BGB ist zum Ersatz des Schadens verpflichtet, wer einem anderen in einer gegen die guten Sitten verstoßenden Weise vorsätzlich Schaden zufügt. Dieser Anspruch umfasst auch die Aufhebung eines sittenwidrig herbeigeführten Vertrages, einschließlich des Anspruchs auf Rückzahlung einer sittenwidrig erlangten Zahlung. Hiervon ist eine bewusste Täuschung bei Vertragsschluss mit umfasst (vgl. BGH, Urteil vom 30.05.2000 — IX ZR 121/99, BGHZ 144, 343; Spindler in BeckOGK BGB aaO, § 826 Rn. 32).

Aufgrund der Fristenregelung bei der Anfechtung wegen arglistiger Täuschung (§ 124 BGB), die nicht umgangen werden darf, genügt nicht jede arglistige Täuschung, um eine Sittenwidrigkeit zu begründen. Zu der arglistigen Täuschung muss jedenfalls ein bedingter Schädigungsvorsatz hinzukommen, um einen Anspruch aus § 826 BGB begründen zu können (vgl. Wagner in MünchKomm/BGB aaO, § 826 Rn. 70).

OLG Köln, Urt. v. 9.12.2022, 6 U 46/22, II.2.e.cc

Wird eine wirksame Kündigung erklärt, kann die Forderung von noch nicht gezahlten Vertragsstrafen gegen die Grundsätze von Treu und Glauben (§ 242 BGB) verstollen.

Hier hat der Kläger die Vertragsstrafe allerdings bereits gezahlt und fordert diese nunmehr zurück. Dies ist nicht möglich, weil die Kündigung nur ex nunc wirkt (vgl. BGH, GRUR 2019, 638 — Kündigung der Unterlassungsvereinbarung; Feddersen in Peifer aaO, § 13 UWG Rn. 167, mwN). Daher können bereits geleistete Vertragsstrafen auch im Grundsatz nicht zurückgefordert werden (vgl. Feddersen in Peifer aaO, § 13 UWG Rn. 167; Achilles in Ahrens aaO, Kap. 8 Rn. 61, jeweils mwN). Ein Beendigungsgrund führt nicht zur Rückabwicklung bereits erbrachter Leistungen (vgl. BGH, Urteil vom 21.04.1983 — I ZR 201/80, GRUR 1983, 602 — Vertragsstrafenrückzahlung; Achilles in Ahrens aaO, Kap. 4 Rn. 61, mwN).

zurück nach oben