1. Textilkennzeichnungsgesetz und -verordnung
2. Verhältnis zur UGP-Richtlinie
3. Verortung innerhalb des UWG
4. Angabe der Textilfaserzusammensetzung
a. Textilerzeugnisse aus einer Faser
Textilkennzeichnungsgesetz und -verordnung
TextilKennzVO
Art. 4 Allgemeine Voraussetzung für die Bereitstellung von Textilerzeugnissen auf dem Markt
Textilerzeugnisse dürfen nur dann auf dem Markt bereitgestellt werden, wenn sie etikettiert oder gekennzeichnet sind oder ihnen Handelsdokumente im Einklang mit dieser Verordnung beiliegen.
Artikel 16 - Verwendung der Bezeichnungen von Textilfasern und der Beschreibungen der Faserzusammensetzung
(1) Wird ein Textilerzeugnis auf dem Markt bereitgestellt, so werden die in den Artikeln 5, 7, 8 und 9 genannten Beschreibungen der Textilfaserzusammensetzung in Katalogen, in Prospekten, auf Verpackungen, Etiketten und Kennzeichnungen in einer Weise angegeben, dass sie leicht lesbar, sichtbar und deutlich erkennbar sind, sowie in einem Schriftbild, das in Bezug auf Schriftgröße, Stil und Schriftart einheitlich ist. Diese Informationen müssen für Verbraucher vor dem Kauf deutlich sichtbar sein; dies gilt auch für Fälle, in denen der Kauf auf elektronischem Wege erfolgt.
(2) Markenzeichen oder Firmenbezeichnungen dürfen den in den Artikeln 5, 7, 8 und 9 genannten Beschreibungen der Textilfaserzusammensetzung unmittelbar voran- oder nachgestellt werden.
Enthält jedoch ein Markenzeichen oder eine Firmenbezeichnung allein stehend oder in Wortverbindungen oder als Eigenschaftswort eine der in Anhang I aufgeführten Bezeichnungen von Textilfasern oder eine Bezeichnung, die leicht damit zu verwechseln ist, so ist solch ein Markenzeichen oder solch eine Firmenbezeichnung den in Artikel 5, 7, 8 und 9 genannten Beschreibungen der Textilfaserzusammensetzung unmittelbar voran- oder nachzustellen.
Andere Informationen werden stets getrennt davon aufgeführt.
(3) Die Etikettierung oder Kennzeichnung erfolgt in der Amtssprache oder den Amtssprachen des Mitgliedstaats, in dessen Hoheitsgebiet die Textilerzeugnisse dem Verbraucher bereitgestellt werden, es sei denn der betreffende Mitgliedstaat schreibt etwas anderes vor.
Bei Nähgarn, Stopfgarn oder Stickgarn, das auf Spulen, Fadenrollen, in Strähnen, Knäueln oder sonstigen kleinen Einheiten angeboten wird, gilt Unterabsatz 1 für die globale Etikettierung gemäß Artikel 17 Absatz 3. Werden solche Erzeugnisse einzeln verkauft, so können sie in einer beliebigen Amtssprache der Organe der Union etikettiert oder gekennzeichnet sein, sofern sie auch eine globale Etikettierung aufweisen.
§ 3 TextilKennzG - Voraussetzungen für die Bereitstellung von Textilerzeugnissen auf dem Markt
Ein Hersteller, Einführer oder Händler darf ein Textilerzeugnis nur in Verkehr bringen oder auf dem Markt bereitstellen, wenn es entsprechend § 4 und den Anforderungen der Verordnung (EU) Nr. 1007/2011 etikettiert oder gekennzeichnet ist.
EuGH, Urt. v. 5.8.2018, C-339/17, Tz. 28 - Princesport
Aus Art. 4 und aus Art. 14 Abs. 1 der Verordnung Nr. 1007/2011 in Verbindung mit deren zehntem Erwägungsgrund ergibt sich unzweifelhaft eine allgemeine Verpflichtung, Textilerzeugnisse, auch reine Textilerzeugnisse, zur Angabe ihrer Faserzusammensetzung zu etikettieren oder zu kennzeichnen.
Verhältnis zur UGP-Richtlinie
OLG Stuttgart, Urt. v. 18.10.2018, 2 U 55/18, Tz. 61
Soweit Art. 3 Abs. 4 UGP-RL regelt, dass kollidierende Bestimmungen anderer Rechtsvorschriften der EU, die besondere Aspekte unlauterer Geschäftspraktiken regeln, der UGP-RL vorgehen, steht dies der Anwendbarkeit des § 5a Abs. 2 und Abs. 4 UWG nicht entgegen. Zwar dienen § 5a Abs. 2 und Abs. 4 UWG der Umsetzung des Art. 7 Abs. 1 und 5 UGP-RL. Die TextilKennzVO regelt aber keine besonderen Aspekte unlauterer Geschäftspraktiken i.S.d. Art. 3 Abs. 4 UGP-RL. Dies folgt auch aus dem Umstand, dass Erwägungsgrund 19 der TextilKennzVO für irreführende Geschäftspraktiken auf die Regelungen der UGP-RL verweist, was wenig sinnvoll wäre, wenn diese Richtlinie neben der TextilKennzVO gar nicht anwendbar wäre.
Verortung innerhalb des UWG
Die TextikennzeichenVO enthält Marktverhaltensregelungen im Sinne des § 3a UWG. Daneben ist sie eine unionsrechtliche Vorschrift im Sinne des § 5a Abs. 4 UWG.
OLG Stuttgart, Urt. v. 18.10.2018, 2 U 55/18, Tz. 66 f
Unzulässig sind nach § 3 Abs. 1 UWG unlautere geschäftliche Handlungen. Unlauter handelt nach § 5a Abs. 2 UWG, wer im konkreten Fall unter Berücksichtigung aller Umstände dem Verbraucher eine wesentliche Information vorenthält, die der Verbraucher je nach den Umständen benötigt, um eine informierte geschäftliche Handlung zu treffen, und deren Vorenthalten geeignet ist, den Verbraucher zu einer geschäftlichen Entscheidung zu veranlassen, die er andernfalls nicht getroffen hätte. Als wesentlich in diesem Sinne gelten gem. § 5a Abs. 4 UWG Informationen, die dem Verbraucher auf Grund unionsrechtlicher Verordnungen für kommerzielle Kommunikation einschließlich Werbung und Marketing nicht vorenthalten werden dürfen.
Eine solche unionsrechtliche Verordnung für kommerzielle Kommunikation ist auch die TextilKennzVO, die - wie aus Erwägungsgrund 10 hervorgeht - eine korrekte und einheitliche Information aller Verbraucher gewährleisten will. Auch wenn die TextilKennzVO in der Kommentierung von Köhler/Bornkamm in diesem Zusammenhang nicht als Informationspflicht i.S.d. § 5a Abs. 4 UWG erwähnt wird, bestehen doch keine Zweifel daran, dass eine korrekte Information grundsätzlich jedenfalls auch der Förderung des Warenabsatzes dienen sollte und damit der kommerziellen Kommunikation unterfällt. Für die Pflichtangaben bei der Etikettierung aufgrund der VO (EU) Nr. 1169/2011 betreffend die Information der Verbraucher über Lebensmittel wird dies beispielsweise von Dreyer in Harte-Bavendamm/Henning-Bodewig, UWG, 4. Aufl. 2016, Rn. 211, ausdrücklich bejaht. Für die Etikettierung von Kleidung und Textilien kann nichts anderes gelten.
Angabe der Textilfaserzusammensetzung
BGH, Urt. v. 24.3.2016, I ZR 7/15, Tz. 14 – Textilkennzeichnung
Bestimmungen, die - wie der vorliegend in Rede stehende Art. 16 Abs. 1 TextilKennzVO - die Kennzeichnung von Textilprodukten regeln, dienen dem Schutz der Verbraucher und stellen damit Marktverhaltensregelungen im Sinne von § 3a UWG, § 4 Nr. 11 UWG aF dar . Entsprechendes gilt für die am 24. Februar 2016 in Kraft getretene Vorschrift des § 3 TextilKennzG, die nach § 1 Abs. 1 Satz 2 TextilKennzG ergänzend zu der Textilkennzeichnungsverordnung anzuwenden ist. Nach dieser Vorschrift darf ein Hersteller, Einführer oder Händler ein Textilerzeugnis nur in Verkehr bringen oder auf dem Markt bereitstellen, wenn es entsprechend § 4 TextilKennzG und den Anforderungen der Textilkennzeichnungsverordnung etikettiert oder gekennzeichnet ist.
Ebenso OLG Köln, Urt. v. 19.6.2015 , 6 U 183/14, Tz. 18; OLG München, Urt. v. 20.10.2016, 6 U 2046/16, II.A.2.a; s.a. OLG Frankfurt, Urt. v. 14.1.2021, 6 U 256/19, II.1
BGH, Urt. v. 24.3.2016, I ZR 7/15, Tz. 16 f – Textilkennzeichnung
Nach Art. 16 Abs. 1 Satz 1 TextilKennzVO sind, wenn ein Textilerzeugnis auf dem Markt bereitgestellt wird, die in Art. 5 und 7 bis 9 TextilKennzVO aufgeführten Beschreibungen der Textilfaserzusammensetzung in Katalogen, in Prospekten, auf Verpackungen, Etiketten und Kennzeichnungen in einer Weise anzugeben, dass sie leicht lesbar, sichtbar und deutlich erkennbar sind, sowie in einem Schriftbild, das in Bezug auf Schriftgröße, Stil und Schriftart einheitlich ist. Diese Verpflichtung ist auf den Zeitpunkt der Bereitstellung des Textilerzeugnisses auf dem Markt bezogen. Der Begriff der "Bereitstellung auf dem Markt" wird nach Art. 3 Abs. 2 TextilKennzVO durch Art. 2 der Verordnung (EG) Nr. 765/2008 über die Vorschriften für die Akkreditierung und Marktüberwachung im Zusammenhang mit der Vermarktung von Produkten und der Aufhebung der Verordnung (EWG) Nr. 339/93 bestimmt. Nach Art. 2 Nr. 1 der Verordnung (EG) Nr. 765/2008 ist "Bereitstellung auf dem Markt" jede entgeltliche oder unentgeltliche Abgabe eines Produkts zum Vertrieb, Verbrauch oder zur Verwendung auf dem Unionsmarkt im Rahmen einer Geschäftstätigkeit. Stellt ein Händler ein Textilerzeugnis auf dem Markt bereit, hat er nach Art. 15 Abs. 3 TextilKennzVO sicherzustellen, dass es die entsprechende Etikettierung oder Kennzeichnung gemäß dieser Verordnung trägt.
Nach Art. 16 Abs. 1 Satz 2 TextilKennzVO müssen, wenn Textilerzeugnisse Verbrauchern zum Kauf angeboten werden, die in Art. 16 Abs. 1 Satz 1 TextilkennzVO genannten Informationen dem Verbraucher schon vor dem Kauf deutlich sichtbar sein, und zwar auch dann, wenn der Kauf auf elektronischem Wege erfolgt (Art. 16 Abs. 1 Satz 2 Halbs. 2 TextilKennzVO). Diese gegenüber Art. 16 Abs. 1 Satz 1 TextilKennzVO erweiterte Verpflichtung in Art. 16 Abs. 1 Satz 2 TextilKennzVO des ein Textilerzeugnis an einen Verbraucher abgebenden Wirtschaftsakteurs soll sicherstellen, dass der Verbraucher vor dem Kauf solcher Erzeugnisse deren Fasergehalt zutreffend erkennen kann, um mit diesem Wissen eine informationsgeleitete Kaufentscheidung treffen zu können (vgl. Lange/Quednau, Kommentar zur europäischen Textilkennzeichnungsverordnung, 2014, S. 136 und 143). ... Diese besondere Verpflichtung des Händlers besteht (erst) ab dem Zeitpunkt besteht, zu dem er dem Verbraucher die Ware in einer Weise - etwa mittels Prospekten, Katalogen oder im Internet - präsentiert hat, die es dem Verbraucher ermöglicht, die Ware unmittelbar zu erwerben oder im Wege der Fernkommunikation zu bestellen.
BGH, Urt. v. 24.3.2016, I ZR 7/15, Tz. 19 – Textilkennzeichnung
Die in Art. 16 Abs. 1 Satz 1 TextilKennzVO - gleiches gilt für Art. 14 Abs. 1 Unterabs. 1 TextilKennzVO - bestimmten Pflichten bestehen nach Art. 3 Abs. 2 TextilKennzVO in Verbindung mit Art. 2 Nr. 1 der Verordnung (EG) Nr. 765/2008 nur zum jeweiligen Zeitpunkt der Bereitstellung des Erzeugnisses auf dem Markt, das heißt bei seiner (entgeltlichen oder unentgeltlichen) Abgabe zum Vertrieb, zum Verbrauch oder zur Verwendung auf dem Unionsmarkt im Rahmen einer Geschäftstätigkeit von einem Wirtschaftsakteur zum anderen. Dementsprechend bestehen die in Art. 16 Abs. 1 Satz 1 (und Art. 14 Abs. 1) TextilKennzVO geregelten Pflichten des ein Textilerzeugnis abgebenden Wirtschaftsakteurs nur im Zeitpunkt der Abgabe des Erzeugnisses. Die Stellung des Verbrauchers wird dadurch verstärkt, dass für ihn die Informationen gemäß Art. 16 Abs. 1 Satz 1 TextilKennzVO nach Art. 16 Abs. 1 Satz 2 dieser Verordnung bereits vor dem Kauf deutlich sichtbar sein müssen. Maßgeblich für die Erfüllung der Verpflichtungen aus Art. 16 Abs. 1 Satz 2 TextilKennzVO ist daher der Zeitpunkt, zu dem das Textilerzeugnis dem Verbraucher in Geschäftsräumen präsentiert und zur sofortigen Übergabe nach Kaufabschluss bereitgehalten wird. Dem steht nach Art. 16 Abs. 1 Satz 2 Halbs. 2 TextilKennzVO die Präsentation von Textilerzeugnissen zum Kauf auf elektronischem Weg gleich. Zuvor bestehen für den Händler die in Art. 16 Abs. 1 Satz 1 TextilKennzVO geregelten Informationspflichten nicht. Informationspflichten nach Art. 16 Abs. 1 Satz 2 TextilKennzVO bestehen daher bei reinen Werbeprospekten nicht, bei denen keine Bestellmöglichkeit gegeben ist, weil mit ihnen ein Textilerzeugnis nicht auf dem Markt bereitgestellt wird (Art. 16 Abs. 1 Satz 1 TextilKennzVO) und die Informationen über die Textilzusammensetzung noch vor dem Kauf im Ladenlokal erteilt werden können (Art. 16 Abs. 1 Satz 2 Halbs. 1 TextilKennzVO).
BGH, Urt. v. 24.3.2016, I ZR 7/15, Tz. 20 – Textilkennzeichnung
Nach der in Art. 16 Abs. 1 Satz 1 und 2 TextilKennzVO getroffenen speziellen Regelung entsteht die Pflicht, dem Verbraucher die dort genannten Angaben über die Faserzusammensetzung der ihm angebotenen Textilerzeugnisse zu machen, in der vorliegenden Fallkonstellation nach Art. 16 Abs. 1 Satz 2 Halbs. 1 TextilKennzVO allerdings erst zu dem Zeitpunkt, zu dem ihm diese Erzeugnisse vor dem Kauf im Ladenlokal präsentiert werden. Damit stellen die betreffenden Angaben vor diesem Zeitpunkt noch keine wesentlichen Informationen im Sinne von § 5a Abs. 2 und 3 Nr. 1 UWG dar.
OLG München, Urt. v. 20.10.2016, 6 U 2046/16, II.A.2.c
Die Antragsgegnerin ist gem. Art. 16 Abs. 1 S. 2 TextilKennzVO im Rahmen ihres Internetangebots zur Beschreibungen der Textilfaserzusammensetzung verpflichtet, wenn auf der Webseite für den Kunden eine Bestellmöglichkeit gegeben war und damit die Textilerzeugnisse auch „auf dem Markt bereitgestellt“ i. S. v. Art. 16 Abs. 1 S. 1 TextilKennzVO wurden (vgl. BGH WRP 2016, 1219 Rn. 16 ff. – Textilkennzeichnung).
OLG München, Urt. v. 20.10.2016, 6 U 2046/16, II.B.2.a
Gem. Art. 5 Abs. 1 TextilKennzVO dürfen für die Beschreibung der Faserzusammensetzungen auf Etiketten und Kennzeichnungen von Textilerzeugnissen nur die Textilfaserbezeichnungen nach Anhang I der TextilKennzVO verwendet werden.
OLG München, Urt. v. 20.10.2016, 6 U 2046/16, II.B.2.c
Durch die vorgeschriebene einheitliche Kennzeichnung der in den angebotenen Textilien enthaltenen Fasern soll der Verbraucher klar und unproblematisch Informationen über die Faserzusammensetzung bekommen, um eine geschäftliche Entscheidung – häufig vor Ort im Bekleidungsgeschäft – treffen zu können; mit diesem Schutzzweck wäre es aber unvereinbar, den Verbraucher auf (ergänzende oder alternative) Informationseinholung zur Textilfasereigenschaft aus weiteren und im Zweifel nicht unmittelbar verfügbaren sowie möglicherweise unzuverlässigen Quellen zu verweisen.
OLG Hamm, Urt. v. 2.8.2018, I-4 U 18/15, Tz. 90
Erläuternde Zusätze sind gemäß Art. 5, 16 TextilKennzVO unzulässig, und zwar unabhängig davon, ob sie irreführend sind oder nicht – und hierauf kommt es im Rahmen des § 3a UWG ohnehin nicht an. Lediglich Markenzeichen und Firmenbezeichnungen dürfen nach Satz 1 und müssen gegebenenfalls nach Satz 2 der Bezeichnung unmittelbar voran- oder nachgestellt werden. Andere Informationen sind hingegen nach Satz 3 stets getrennt davon aufzuführen.
Textilerzeugnisse aus einer Faser
EuGH, Urt. v. 5.8.2018, C-339/17, Tz. 36 f - Princesport
Die Verwendung des Begriffs „dürfen“ in Art. 7 Abs. 1 der Verordnung Nr. 1007/2011 zeigt eindeutig, dass die Verwendung der Zusätze „100 %“, „rein“ oder „ganz“ keine Verpflichtung, sondern rein fakultativ ist. Somit erlaubt diese Bestimmung die Nennung der Bezeichnung der Textilfaser, aus der das fragliche reine Textilerzeugnis besteht, ohne Angabe eines dieser drei Zusätze.
Im Übrigen ergibt sich aus einem Umkehrschluss aus Art. 7 Abs. 1 Unterabs. 2 der Verordnung Nr. 1007/2011, dass für reine Textilerzeugnisse „ähnliche“ Zusätze wie die in Abs. 1 Unterabs. 1 genannten verwendet werden dürfen. Die Begriffe „100 %“, „rein“ oder „ganz“ sind mithin lediglich Beispiele für Zusätze, die auf dem Etikett oder der Kennzeichnung erscheinen dürfen, um klarzustellen, dass das fragliche Textilerzeugnis aus einer Faser besteht.
EuGH, Urt. v. 5.8.2018, C-339/17, Tz. 40 - Princesport
Der Wortlaut von Art. 7 Abs. 1 der Verordnung Nr. 1007/2011 bildet kein Hindernis für eine kombinierte Verwendung dieser drei Zusätze. Zum anderen entspricht eine solche Auslegung dieser Bestimmung ebenfalls dem mit dieser Verordnung verfolgten, in Rn. 32 des vorliegenden Urteils erwähnten Ziel.
Textilkomponente
OLG Stuttgart, Urt. v. 18.10.2018, 2 U 55/18, Tz. 70, 72
Neben den Textilfasern ist auch die jeweilige Textilkomponente, in der die Textilfasern enthalten sind, anzugeben. ...
Nach Art. 5 und 9 TextilKennzVO erforderliche Informationen sind nicht lediglich die Angaben zu den enthaltenen Textilfasern, sondern auch die dazugehörigen Textilkomponenten, denn Art. 11 TextilKennzVO verlangt, dass der Textilfasergehalt für jede einzelne Textilkomponente gesondert angegeben wird. Dass auch Art. 11 TextilKennzVO mit zu berücksichtigen ist, obwohl Art. 16 Abs. 1 TextilKennzVO nur auf die Art. 5, 7, 8 und 9 TextilKennzVO Bezug nimmt, ergibt sich daraus, dass Art. 11 TextilKennzVO lediglich eine Ausdifferenzierung der in Art. 9 enthaltenen Regelung darstellt, wonach auf dem Etikett die Bezeichnung und der Gewichtsanteil aller im Erzeugnis enthaltenen Fasern in absteigender Reihenfolge angegeben werden müssen. Über Art. 9 nimmt Art. 16 daher auch auf Art. 11 Bezug.
Beispiele
OLG Hamm, Urt. v. 2.8.2018, I-4 U 18/15, Tz. 89
Im Anhang I der Verordnung findet sich unter Nummer 1 allein die Bezeichnung „Wolle“ und nicht die Bezeichnung "Merinowolle". Die folgende Nummer 2 führt die Namen einiger Tierarten, jedoch keiner Schafrasse auf, die als Zusatz zu „Wolle“ genannt werden können. Die Bezeichnung Merinowolle darf deshalb nach Art. 5 Abs. 1 der TextilKennzVO nicht verwendet werden.
Sprache
OLG Stuttgart, Urt. v. 18.10.2018, 2 U 55/18, Tz. 74
Nach Art. 16 Abs. 3 S. 1 TextilKennzVO hat die Kennzeichnung in der Amtssprache des Mitgliedstaats zu erfolgen, in dessen Hoheitsgebiet die Textilerzeugnisse dem Verbraucher bereitgestellt werden, es sei denn, der betreffende Mitgliedstaat schreibt etwas anderes vor. Dies hat der deutsche Gesetzgeber nicht getan (vgl. Art. 4 Abs. 1 TextilKennzG). Die Kennzeichnung hat daher in deutscher Sprache zu erfolgen.
Online-Angebot
OLG Stuttgart, Urt. v. 18.10.2018, 2 U 55/18, Tz. 71
Art. 16 Abs. 1 S. 2 TextilKennzVO verlangt, dass die in den Art. 5, 7, 8 und 9 genannten Beschreibungen der Textilfaserzusammensetzung in Fällen, in denen der Kauf auf elektronischem Wege erfolgt, für den Verbraucher schon vor dem Kauf deutlich sichtbar angegeben werden müssen, wenn ein Textilerzeugnis i.S.d. Art. 16 Abs. 1 S. 1 TextilKennzVO „auf dem Markt bereitgestellt“ wird. Dies ist bei Angeboten über eBay oder amazon der Fall, weil auf deren Webseiten für den Kunden Bestellmöglichkeiten bestehen (vgl. BGH, WRP 2016, 1219; OLG München, Urteil vom 20.10.2016, 6 U 2046/16 - juris Rn. 59).
Spürbarkeit
OLG Köln, Urt. v. 19.6.2015 , 6 U 183/14, Tz. 21
Ein Verstoß gegen Art. 16 der Textilkennzeichenverordnung überschreitet die Spürbarkeitsschwelle (s. OLG Hamm, Beschl. v. 20.2.2014, 4 W 19/14, Tz. 14). Es fehlen Informationen, die der Verbraucher nach der Wertung des Gesetzgebers für seine geschäftliche Entscheidung benötigt. Der Verstoß führt zugleich zu einer unzulässigen geschäftlichen Handlung i.S.d. § 3 Abs. 2 Satz 1 UWG.
So grundsätzlich auch das OLG München, Urt. v. 20.10.2016, 6 U 2046/16. Bei der Angabe von Cotton anstelle von Baumwolle nimmt es aber ausnahmsweise an, dass es an der Spürbarkeit eines Verstoßes fehlt.
OLG München, Urt. v. 20.10.2016, 6 U 2046/16, II.C.2
Art. 16 Abs. 3 Unterabs. 1 TextilKennzVO ordnet an, dass die (gem. Artt. 9 Abs. 1, 5 Abs. 1 TextilKennzVO notwendige) Etikettierung oder Kennzeichnung in der Amtssprache oder den Amtssprachen des Mitgliedstaats erfolgt, in dessen Hoheitsgebiet die Textilerzeugnisse dem Verbraucher bereitgestellt werden, es sei denn, der betreffende Mitgliedstaat schreibt etwas anderes vor. Maßgeblich sind daher die in Anhang I der TextilKennzVO aufgeführten deutschen Begriffe. … In der Konsequenz sind gem. Anhang I Nr. 5 die Fasern aus den Samen der Baumwollpflanze mit dem Begriff „Baumwolle“ zu kennzeichnen. ...
Versteht aber der angesprochene Verkehr (also der Durchschnittsverbraucher) den verwendeten Begriff „Cotton“ ohne Weiteres als „Baumwolle“, da dieser Begriff in den deutschen Wortschatz (ob als Umgangssprache oder als Hochsprache, ist insofern ohne Bedeutung) Eingang gefunden hat, ist der vorliegende formale Verstoß denknotwendig nicht dazu geeignet, den durchschnittlichen Verbraucher zu einer geschäftlichen Entscheidung zu veranlassen, die er andernfalls nicht getroffen hätte; der Kunde, der das Angebot der Antragstellerin wahrnimmt, versteht „Cotton“ als „Baumwolle“ und wird daher in keiner Weise durch diesen Begriff in seiner Entscheidungsfindung beeinflusst, so dass der Formalverstoß unter keinen Umständen geeignet sein kann, die Interessen von Verbrauchern spürbar zu beeinträchtigen.
Bestätigt durch BGH, Urt. v. 31.10.2018 - I ZR 73/17 - Jogginghosen; a.A. OLG München, Urt. v.18.2.2016, 29 U 2899/15
OLG Hamm, Urt. v. 2.8.2018, I-4 U 18/15, Tz. 93
Werden unter Verstoß gegen § 3a UWG – sei es durch fehlende, sei es durch unzulässige Angaben - Informationspflichten verletzt, die das Unionsrecht als wesentlich einstuft, ist das Erfordernis der Spürbarkeit ohne weiteres erfüllt.
Zur geschäftlichen Relevanz bei § 5a Abs. 2, Abs. 4 UWG:
OLG Stuttgart, Urt. v. 18.10.2018, 2 U 55/18, Tz. 81
Gegen die geschäftliche Relevanz im vorliegenden Fall spricht nicht das Argument, dass die Textilkomponenten immerhin in englischer Sprache bezeichnet sind. Dem Durchschnittsverbraucher sind die verwendeten Bezeichnungen nicht ohne Weiteres geläufig. Damit kann auch die geschäftliche Relevanz nicht verneint werden (vgl. OLG München, Urt. v. 20.10.2016, 6 U 2046/16, Tz. 68 f, das die Spürbarkeit bei der Verwendung des Begriffs „Acryl“ bejaht hat, weil der Verbraucher nicht ohne weiteres Kenntnis darüber hat, was sich hinter diesem Begriff verbirgt, für die Verwendung des Begriffs „cotton“ aber verneint hat, weil sich dieser Begriff in der deutschen Umgangssprache bereits eingebürgert habe).
Anders aber zuletzt:
OLG Frankfurt, Urt. v. 14.1.2021, 6 U 256/19, II.2 - Acryl
Die Spürbarkeit ist nicht allein deshalb zu bejahen, weil die TextilKennzVO eine europarechtlich begründete Informationspflicht begründet. ...
Der angesprochene Verkehr, zu dem auch die Mitglieder des erkennenden Senates gehören, wird keine Veranlassung zu der Annahme haben, es handele sich bei „Acryl“ um eine andere Faser als „Polyacryl“. Der Verkehr wird vielmehr umgangssprachlich den Begriff „Acryl“ als Abkürzung für Polyacryl verwenden. Dies schon deshalb, weil dem Verkehr keine andere Acrylfaser bekannt ist.
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Omsels, Online-Kommentar zum UWG: