Ihr Rechtsanwalt im Wettbewerbsrecht
Dr. Hermann-Josef Omsels*

Eine Darstellung des Gesetzes gegen den unlauteren Wettbewerb und wettbewerbsrechtlicher Nebengesetze



 


 

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4. Herabsetzen und Verunglimpfen

1. Geschäftliche Handlung gegen Mitbewerber

2. Berechtigte Kritik ist grundsätzlich erlaubt

3. Herabsetzung oder Verunglimpfung

4. Herabsetzende oder verunglimpfende Handlungen

a. Tatsachenbehauptungen

i. Unwahre Tatsachenbehauptungen

ii. Wahre Tatsachenbehauptungen

Verbreitung von nicht anonymisierten Gerichtsentscheidungen

b. Meinungsäußerungen

5. Öffentliche Hand/Kammern/Innungen

6. Umstände des Einzelfalls maßgeblich

a. Grundrechte

b. Schmähkritik; Formalbeleidigungen

c. Pauschale Abwertung

d. Form, Inhalt, Kontext

e. Angemessenheit und Erforderlichkeit

f. Umstände

g. Wissenschaftliche Auseinandersetzung

h. Humor

i. Äußerungen fingierter Dritter

j. Interessen der Verbraucher an Aufklärung

7. Beispiele

Geschäftliche Handlung gegen Mitbewerber

 

§ 4 Nr. 1 UWG findet nur auf geschäftliche Handlungen Anwendung, die sich gegen einen Mitbewerber richten.

OLG Frankfurt, 11.03.2022 - 6 W 14/22, II.1 - Schrottbuch

Bei redaktionellen Beiträgen in den Medien fehlt es wegen des Presse- und Rundfunkprivilegs gemäß Art. 5 Abs. 1 GG grundsätzlich an einer geschäftlichen Handlung (BGH GRUR 95, 270, 272 - Dubioses Geschäftsgebaren; BGH GRUR 02, 987, 993 - Wir Schuldenmacher). Kritische Äußerungen über Gewerbetreibende in Presse, Rundfunk und Fernsehen fallen daher weitgehend aus dem Anwendungsbereich des § 4 Nr. 1 UWG heraus und sind nach §§ 823 ff. BGB zu beurteilen (BGH GRUR 86, 812, 813 - Gastrokritiker; BGH GRUR 98, 167, 168 - Restaurantführer). Auch private Blogs können unter § 4 Nr. 1 UWG fallen, wenn die Äußerung auch der Förderung des Unternehmens dient, bei dem der Blogger tätig ist.

Wenn keine geschäftliche Handlung vorliegt oder kein Mitbewerber betroffen ist, muss auf die allgemeinen zivilrechtlichen Grundlagen des Ehrenschutzes (§ 823 Abs. 1 BGB, § 823 Abs. 2 BGB i.V.m. § 185 StGB, § 186 StGB oder § 187 StGB, § 824 BGB, § 826 BGB) oder gegebenenfalls auf §§ 14 Abs. 2 Nr. 3, 15 Abs. 3 MarkenG (zum Schutz bekannter Kennzeichen) zurückgegriffen werden.

Allerdings ist es nicht erforderlich, dass ein konkreter Mitbewerber erkennbar wird.

OLG Hamburg, Urt. v. 28.10.2009, 5 U 204/07, Tz. 50

Der Annahme einer Herabsetzung im Sinne des § 4 Nr. 7 (alt) UWG steht es nicht entgegen, dass konkrete Mitbewerber nicht erkennbar gemacht werden. Denn diese Vorschrift greift auch und gerade bei der kollektiven Herabsetzung oder Verunglimpfung ein.

OLG Frankfurt, 11.03.2022 - 6 W 14/22, II.2.a - Schrottbuch

Ob auch ohne Identifizierung eines konkreten Wettbewerbers eine Herabsetzung im Sinne von § 4 Nr. 1 UWG vorliegen kann, ist umstritten. So wird vertreten, dass im Rahmen von § 4 Nr. 1 UWG der betroffene Mitbewerber nicht erkennbar gemacht werden muss (OLG Saarbrücken GRUR-RR 2014, 150, 152; OLG Düsseldorf WRP 2020, 88 Rn 64), weshalb § 4 Nr. 1 UWG auch und gerade bei der kollektiven Herabsetzung oder Verunglimpfung eingreife (so auch OLG Frankfurt am Main, Urteil vom 18.2.2021 - 6 U 181/20; OLG Hamburg GRUR-RR 2010, 257; OLG Hamm WRP 2017, 609 Rn 29; OLG Düsseldorf WRP 2020, 88 Rn 64; Harte-Bavendamm/Hennig-Bodewig UWG, 5. Aufl. 2021, § 4 Nr. 1 Rn 26). Dies wird - auch unter Verweis auf den Wortlaut - teilweise abgelehnt (Ohly/Sosnitza UWG, 7. Aufl. 2016, § 4 Rn 1/10).

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Berechtigte Kritik ist grundsätzlich erlaubt

 

Mitbewerber dürfen ihre Konkurrenten oder deren Leistungsangebot kritisieren, wenn sie oder die Marktgegenseite daran ein berechtigtes Interesse haben. § 4 Nr. 1 UWG verbietet nicht die Kritik an sich, sondern nur eine Kritik,

  • die unberechtigt ist oder
  • an der niemand ein berechtigtes Interesse hat oder
  • die unsachlich ist oder
  • die in ihrer Art und Weise über das berechtigte Ziel hinausschießt

und den oder die Mitbewerber dadurch unlauter herabsetzt oder verunglimpft.

BGH, Urt. v. 6.5.2021, I ZR 167/20, Tz. 49 – Vorsicht Falle

Die öffentlich an einem Mitbewerber geäußerte Kritik muss sich nach Art und Ausmaß im Rahmen des Erforderlichen und sachlich Gebotenen halten.

OLG Frankfurt, Beschl. v. 7.11.2022, 6 W 72/22, II.2

Sachliche, begründete Kritik ist zulässig. Es müssen für einen Verstoß gegen § 4 Nr. 1 UWG besondere Umstände hinzutreten, welche die Äußerung in unangemessener Weise abfällig, abwertend oder unsachlich erscheinen lassen. Es kommt darauf an, ob die herabsetzende geschäftliche Handlung sich noch in den Grenzen einer sachlich gebotenen Erörterung wettbewerbsrelevanter Leistungsmerkmale hält oder bereits eine unsachliche Abwertung der Mitbewerber oder ihrer Waren bzw. Leistungen darstellt (Harte-Bavendamm/Henning-Bodewig/Omsels UWG, 5. Aufl. 2021, § 4 Rn 17, 18).

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Herabsetzung oder Verunglimpfung

 

BGH, Urt. v. 31.3.2016, I ZR 160/14, Tz. 38 – Im Immobiliensumpf

"Herabsetzung" im Sinne des § 4 Nr. 1 UWG (§ 4 Nr. 7 (alt) UWG ist die sachlich nicht gerechtfertigte Verringerung der Wertschätzung des Mitbewerbers durch ein abträgliches Werturteil oder eine abträgliche wahre oder unwahre Tatsachenbehauptung; "Verunglimpfung" ist eine gesteigerte Form der Herabsetzung, die darin besteht, den Mitbewerber ohne sachliche Grundlage verächtlich zu machen.

Ebenso BGH, Urt. v. 6.5.2021, I ZR 167/20, Tz. 22 – Vorsicht Falle; BGH, Urt. v. 1.3.2018, I ZR 264/16, Tz. 15 - Handwerksinnung; BGH, Urt. v. 17.12.2015, I ZR 219/13, Tz.19; OLG Karlsruhe, Urt. v. 27.5.2020, 6 U 36/20, Tz. 84 - Facebook Faktencheck; OLG Hamburg, Urt. v. 28.10.2009, 5 U 204/07, Tz. 46; OLG Karlsruhe, Urt. v. 14.7.2021, 6 W 8/21, B.II.5.a - Facebook Faktencheck II; OLG Frankfurt, 11.03.2022 - 6 W 14/22, II.2.b - Schrottbuch; OLG Frankfurt, Beschl. v. 7.11.2022, 6 W 72/22, II.2; OLG Brandenburg, Urt. v. 25.4.2023, 6 U 97/21

BGH, Urt. v. 31.3.2016, I ZR 160/14, Tz. 38 – Im Immobiliensumpf

Die Beurteilung der Frage, ob eine Werbeaussage eines Wettbewerbers einen Mitbewerber herabsetzt, erfordert eine Gesamtwürdigung, die die Umstände des Einzelfalls wie insbesondere den Inhalt und die Form der Äußerung, ihren Anlass, den Zusammenhang, in dem sie erfolgt ist, sowie die Verständnismöglichkeit des angesprochenen Verkehrs berücksichtigt. Dabei kommt es maßgeblich auf die Sicht des durchschnittlich informierten und verständigen Adressaten der Werbung an. Für die Bewertung maßgeblich ist daher der Sinngehalt der Äußerung, wie sie vom angesprochenen Verkehr verstanden wird. In die Gesamtwürdigung sind betroffene Grundrechtspositionen einzubeziehen.

Ebenso BGH, Urt. v. 6.5.2021, I ZR 167/20, Tz. 23 – Vorsicht Falle; BGH, Urt. v. 1.3.2018, I ZR 264/16, Tz. 15 - HandwerksinnungBGH, Urt. v. 17.12.2015, I ZR 219/13, Tz.19; OLG Karlsruhe, Urt. v. 27.5.2020, 6 U 36/20, Tz. 84 - Facebook Faktencheck; OLG Hamburg, Urt. v. 16.54.2020, 3 U 197/16, Tz. 56 - Produktkopie; OLG Karlsruhe, Urt. v. 14.7.2021, 6 W 8/21, B.II.5.a - Facebook Faktencheck II; OLG Frankfurt, 11.03.2022 - 6 W 14/22, II.2b - Schrottbuch; OLG Brandenburg, Urt. v. 25.4.2023, 6 U 97/21

BGH, Urt. v. 6.5.2021, I ZR 167/20, Tz. 24 – Vorsicht Falle

Bei der gebotenen Gesamtabwägung sind die Interessen der Parteien und der Allgemeinheit unter Einbeziehung der betroffenen Grundrechtspositionen und unter Beachtung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit gegeneinander abzuwägen. Die Behauptung wahrer Tatsachen fällt in den Schutzbereich von Art. 5 Abs. 1 Satz 1 GG, soweit sie Voraussetzung für die Meinungsbildung ist. In einem solchen Fall bedarf es der Abwägung mit dem durch Art. 12 Abs. 1 GG und Art. 2 Abs. 1 GG geschützten geschäftlichen Ruf des Betroffenen unter Berücksichtigung aller relevanten Umstände des Einzelfalls.

Ebenso OLG Karlsruhe, Urt. v. 14.7.2021, 6 W 8/21, B.II.5.a - Facebook Faktencheck II

Zu dem gleichlautenden § 6 Abs. 2 Nr. 5 UWG heißt es:

BGH, Urt. v. 17.1.2002, I ZR 161/99, Tz. 27 - Hormonersatztherapie

Die Gleichstellung von Herabsetzung und Verunglimpfung macht deutlich, dass eine Herabsetzung mehr voraussetzt als die einem kritischen Werbevergleich immanente Gegenüberstellung der Vorteile und Nachteile der verglichenen Produkte. Maßgeblich ist vielmehr, ob die angegriffene Werbeaussage sich noch in den Grenzen einer sachlich gebotenen Erörterung hält oder bereits eine pauschale Abwertung der fremden Erzeugnisse darstellt. Herabsetzend ist ein Vergleich daher nur, wenn zu den mit jedem Werbevergleich verbundenen (negativen) Wirkungen für die Konkurrenz besondere Umstände hinzutreten, die ihn als unangemessen abfällig, abwertend oder unsachlich erscheinen lassen.

Ebenso BGH, Urt. v. 25.4.2002, I ZR 272/99 - DIE „STEINZEIT” IST VORBEI!

OLG Frankfurt, Beschl. v. 22.4.2021, 6 W 26/21

In allen Fällen außerhalb einer Schmähkritik oder Formalbeleidigung Fällen ist eine Abwägung der Güter und Interessen der Beteiligten und der Allgemeinheit vorzunehmen, bei der einerseits dem Schutz des geschäftlichen Rufs des Betroffenen nach Art. 2 Abs. 1, 12 GG, andererseits dem Bedeutungsgehalt des Art. 5 Abs. 1 GG und dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit Rechnung zu tragen ist (BGH WRP 2018, 682 Rn 31, 35 - Verkürzter Versorgungsweg II; BGH GRUR 2012, 74 Rn 31, 33 - Coaching-Newsletter; OLG Brandenburg WRP 2017, 469 Rn 18; OLG Karlsruhe GRUR-RR 2020, 429 Rn 93 ff.). Auch das nach § 1 S. 2 UWG gleichzeitig geschützte Interesse der Allgemeinheit an einem unverfälschten Wettbewerb ist bei der Abwägung der Interessen in der Weise zu berücksichtigen, dass geschäftlichen Zwecken dienende Meinungsäußerungen strenger zu beurteilen sind als Äußerungen, die lediglich nach Deliktsrecht zu beurteilen sind (BGH WRP 2016, 843 Rn 56 - Im Immobiliensumpf; BGH WRP 2018, 682 Rn 35 - Verkürzter Versorgungsweg II). Insgesamt ist eine Gesamtwürdigung aller Umstände vorzunehmen (BGH GRUR 2012, 74 Rn 33 - Coaching-Newsletter). Dabei sind auch das Vorverhalten des durch die Kritik Verletzten, das Bestehen einer Nachahmungsgefahr, der Grad des Informationsinteresses Dritter und der Öffentlichkeit einerseits sowie das Ausmaß der Herabsetzung und die Auswirkungen der Kritik andererseits zu berücksichtigen. Eine Kritik kann umso eher zulässig sein, je nützlicher die Information für die Adressaten ist oder je mehr aus anderen Gründen ein berechtigtes Informationsinteresse oder ein hinreichender Anlass für die Kritik besteht und je sachlicher die Kritik präsentiert wird (BGH GRUR 2012, 74 Rn 33 - Coaching-Newsletter; BGH WRP 2016, 843 Rn 51 - Im Immobiliensumpf; BGH WRP 2018, 682 Rn 35 - Verkürzter Versorgungsweg II).

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Herabsetzende oder verunglimpfende Handlungen

 

Eine Herabsetzung oder Verunglimpfung eines Mitbewerbers ist auf verschiedenste Art und Weise möglich: durch das gesprochene oder geschriebene Wort, durch Bilder, Zeichen, Gesten, Gebärden, Geräusche oder auch die Manipulation eines Gegenstands oder seine Platzierung in einem negativen Umfeld. Entscheidend für eine Herabsetzung oder Verunglimpfung ist daher nicht, wie was kommuniziert wird, sondern wie es und was beim Adressaten ‚ankommt‘.

OLG Frankfurt, Beschl. v. 7.11.2022, 6 W 72/22, II.2

Die Herabsetzung oder Verunglimpfung von Mitbewerbern ist auf vielfältige Art und Weise möglich. Im Vordergrund stehen mündliche oder schriftliche Äußerungen (Meinungsäußerungen, Werturteile, Tatsachenbehauptungen einschließlich impliziter Behauptungen).

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Tatsachenbehauptungen

 

Zur Abgrenzung von Tatsachenbehauptungen und Meinungsäußerungen siehe hier.

Unwahre Tatsachenbehauptungen

 

Die Verbreitung unwahrer Tatsachenbehauptungen ist primär ein Fall des § 4 Nr. 2 UWG, der die Anwendung des § 4 Nr. 1 UWG aber nicht ausschließen soll. Außerhalb des Anwendungsbereichs des § 4 Nr. 2 UWG kann ohnehin auf § 4 Nr. 1 UWG zurückgegriffen werden. Beide Beispielstatbestände sollen nur Unterfälle des § 4 Nr. 4 UWG sein.

BGH, Urt. v. 19.5.2011, I ZR 147/09, Tz. 27 – Coaching-Newsletter

Stets nach § 4 Nr. 7 (alt) UWG unzulässig ist die Behauptung unwahrer und damit nicht mehr von der Meinungs- und Pressefreiheit des Art. 5 Abs. 1 GG erfasster Tatsachen, die einen Mitbewerber herabsetzen.

OLG Hamburg, Urt. v. 28.10.2009, 5 U 204/07, Tz. 50

Die Behauptung von unwahren Tatsachen, die einen Mitbewerber herabsetzen, ist stets nach § 4 Nr. 7 (alt) UWG unzulässig. Unwahre Tatsachenbehauptungen werden auch nicht vom Schutz der Meinungs- und Pressefreiheit (Art. 5 Abs. 1 GG) umfasst (Köhler in Köhler/Bornkamm, UWG, § 4 UWG Rz.7.15).

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Wahre Tatsachenbehauptungen

 

BGH, Urt. v. 19.5.2011, I ZR 147/09, Tz. 27 – Coaching-Newsletter

Die Behauptung wahrer Tatsachen fällt in den Schutzbereich des Art. 5 Abs. 1 GG, soweit sie Voraussetzung für die Meinungsbildung ist.

BGH, Urt. v. 6.5.2021, I ZR 167/20, Tz. 54 – Vorsicht Falle

Wahre Tatsachenbehauptungen müssen in der Regel hingenommen werden, auch wenn sie für den Betroffenen nachteilig sind. 

BGH, Urt. v. 14.5.2009, I ZR 82/07, Tz. 25 - Mecklenburger Obstbrände

Die wahrheitsgemäße Äußerung über (nachteilige) Eigenschaften von Konkurrenzprodukten in sachlicher Form stellt nur dann eine nach §§ 3, 4 Nr. 10 (alt) UWG unzulässige Mitbewerberbehinderung dar, wenn weitere Umstände hinzutreten, die die Unlauterkeit begründen.

BGH, Urt. v. 6.5.2021, I ZR 167/20, Tz. 25 – Vorsicht Falle

Eine beeinträchtigende wahre Tatsachenbehauptung kann umso eher zulässig sein, je nützlicher die Information für die Adressaten ist oder je mehr aus anderen Gründen ein berechtigtes Informationsinteresse oder hinreichender Anlass für die Kritik besteht und je sachlicher die Kritik präsentiert wird. Dabei sind wahre Tatsachenbehauptungen, bei denen das Informationsinteresse der Öffentlichkeit zugleich zu eigennützigen wettbewerblichen Zwecken eingesetzt wird, mit Blick auf das Interesse der Allgemeinheit an einem unverfälschten Wettbewerb allerdings strenger zu bewerten als Äußerungen, die nicht den lauterkeitsrechtlichen Verhaltensanforderungen, sondern lediglich dem allgemeinen Deliktsrecht unterliegen.

Ebenso OLG Karlsruhe, Urt. v. 14.7.2021, 6 W 8/21, B.II.5.a - Facebook Faktencheck II

Die vorherrschende Praxis geht davon aus, dass die Verbreitung negativer wahrer Tatsachen im Wettbewerb nur zulässig ist, wenn der Äußernde oder der Adressat der Äußerung daran ein berechtigtes Interesse haben und die Äußerung sich inhaltlich und formal im Rahmen des Erforderlichen und Angemessenen hält.

OLG Hamm, Urt. v. 7.2.2008, I-4 U 154/07, Tz. 40

Nicht allein entscheidend ist dabei, dass es sich um die Verbreitung wahrer Tatsachen handelte. Auch der Hinweis etwa auf vom Mitbewerber begangene Straftaten, Wettbewerbsverstöße oder Vertragsverletzungen kann je nach Informationsinteresse der Marktteilnehmer und den Umständen des Einzelfalls zu-/oder unzulässig sein. Maßgebend ist unter Berücksichtigung des Informationsinteresses der Verbraucher und der verfassungsrechtlich geschützten Meinungsfreiheit (Art. 5 GG) eine Abwägung dahin, ob hier in unverhältnismäßiger Weise die Interessen des Mitbewerbers beeinträchtigt werden. Dabei ist davon auszugehen, dass ein Mitbewerber regelmäßig kein schützenswertes Interesse daran hat, Dritte über wettbewerbliche oder rechtliche Probleme mit einem Konkurrenten zu unterrichten. Gerichtsurteile zu Lasten des Konkurrenten gehen die Öffentlichkeit üblicherweise nichts an (BGH GRUR 1968, 645, 647 – Pelzversand; OLG Koblenz WRP 1989, 43; OLG Karlsruhe WRP 1989, 40; Omsels, in: Harte/Henning/Omsels, § 4 Rn. 21).

OLG Brandenburg, Urt. v. 13.12.2016, 6 U 76/15, II.2.2

§ 4 Nr. 1 UWG n. F. dient dem Schutz des Mitbewerbers vor einer Beeinträchtigung seiner Wettbewerbsinteressen und des Allgemeininteresses am unverfälschten Wettbewerb (Köhler/Bornkamm a. a. O., § 4 Rn 1.2). Wahre, allerdings zugleich geschäftsschädigende Tatsachen sind deshalb nach § 4 Nr. 1 UWG n. F. (§ 4 Nr. 7 UWG a. F.) nur dann zulässig, wenn ein sachlich berechtigtes Informationsinteresse der angesprochenen Verkehrskreise besteht, der Bewerber hinreichenden Anlass hat, den eigenen Wettbewerb mit der Herabsetzung des Mitbewerbers zu verbinden und sich die Kritik nach Art und Maß im Rahmen des Erforderlichen hält (Köhler/Bornkamm, 34. Aufl. 2016, § 4 Rn. 1.16).

Ebenso OLG Brandenburg, Urt. v. 25.4.2023, 6 U 97/21

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Verbreitung von nicht anonymisierten Gerichtsentscheidungen

 

BGH, Urt. v. 6.5.2021, I ZR 167/20, Tz. 30 f – Vorsicht Falle

Die Veröffentlichung eines Urteils stellt nicht schon deshalb eine unlautere Herabsetzung der Klägerin dar, weil ein gerichtlicher Titel grundsätzlich nicht dazu bestimmt ist, die Öffentlichkeit über unlautere Geschäftspraktiken zu informieren.

Aus der Bestimmung des § 12 Abs. 2 UWG (bis zum 1. Dezember 2020 § 12 Abs. 3 UWG) folgt nicht die gesetzliche Wertung, dass grundsätzlich kein berechtigtes Interesse der Allgemeinheit an der Veröffentlichung eines von einem Unternehmer gegen einen Mitbewerber erwirkten Urteils besteht.

BGH, Urt. v. 6.5.2021, I ZR 167/20, Tz. 34 – Vorsicht Falle

Die Veröffentlichung eines in einem Wettbewerbsprozess ergangenen Urteils kann geeignet sein, ein sachliches Informationsinteresse anderer Marktteilnehmer zu befriedigen. Eine wettbewerbliche Auseinandersetzung zwischen Mitbewerbern dient zwar der Verfolgung eigener wettbewerblicher Ziele und der Durchsetzung individueller wettbewerblicher Interessen. Die angegriffene geschäftliche Handlung kann jedoch zugleich Belange anderer Marktteilnehmer betreffen, die daher ein Interesse daran haben können, von dem beanstandeten geschäftlichen Verhalten des beklagten Mitbewerbers in Kenntnis gesetzt zu werden. In einem solchen Fall kann sich der Wettbewerber berechtigterweise dazu veranlasst sehen, einen gegen einen Mitbewerber geführten Rechtsstreit in die Öffentlichkeit zu tragen. Ein hinreichender Anlass für die Veröffentlichung eines gegen einen Mitbewerber erwirkten Urteils kann bestehen, wenn die angesprochenen Verkehrskreise ein schutzwürdiges Interesse an der Information über die untersagten unlauteren Geschäftsmethoden des Mitbewerbers haben und eine Aufklärung angezeigt ist, um sonst drohende Nachteile bei geschäftlichen Entscheidungen von ihnen abzuwenden.

BGH, Urt. v. 6.5.2021, I ZR 167/20, Tz. 39 – Vorsicht Falle

Das öffentliche Informationsinteresse kann mit zunehmendem zeitlichen Abstand zu dem Ereignis abnehmen, über das berichtet wird, und deshalb im Zeitpunkt der Veröffentlichung eine Berichterstattung gegebenenfalls nicht mehr rechtfertigen. Eine zeitliche Grenze lässt sich allerdings nicht allgemein im Sinne einer nach Monaten und Jahren für alle Fälle fest umrissenen Frist fixieren. Ein Informationsinteresse der Allgemeinheit an der Veröffentlichung eines Urteils kann zu verneinen sein, wenn die der Entscheidung zugrundeliegenden Vorgänge wegen der seitdem vergangenen Zeit für die Allgemeinheit nicht mehr von Bedeutung sind.

BGH, Urt. v. 6.5.2021, I ZR 167/20, Tz. 44 – Vorsicht Falle

Die Angabe, gegen welchen Mitbewerber ein Urteil erwirkt worden ist, kann zulässig sein, wenn diese Information für die angesprochenen Verkehrskreise erforderlich oder nützlich ist, um eine sachgerechte, informierte geschäftliche Entscheidung zu treffen; andernfalls besteht die Gefahr einer unsachlichen und damit den Wettbewerb verfälschenden Beeinflussung der Kunden. In diesem Zusammenhang ist es von Bedeutung, ob einem Informationsinteresse der Allgemeinheit durch eine anonymisierte Urteilsveröffentlichung ohne namentliche Nennung des Mitbewerbers gleichermaßen Genüge getan werden kann.

Bis zur Entscheidung 'Vorsicht Falle' des BGH ging die Instanzrechtsprechung in der Regel von der Unzulässigkeit der veröffentlich nicht anonymisierter Gerichtsurteile gegen Mitbewerber aus, sofern sie nicht zum Schutze der Verbraucher dringend geboten erscheint. Das dürfte aber im Einklang mit der BGH-Entscheidung stehen.

OLG Hamm, Urt. v. 7.2.2008, I-4 U 154/07, Tz. 39

Vorliegend liegt eine Herabsetzung der Klägerin insofern vor, als ihr mit der Veröffentlichung der ungeschwärzten Urteile explizit unlauteres Verhalten in Form irreführender Bewerbungen und vorsätzliche Täuschungen vorgeworfen wurden, wobei dies über das Internet auch einer breiten Öffentlichkeit gegenüber publik gemacht wurde. Die beiden Urteile in den Verfahren LG Bielefeld 17 O 162/05 und 17 O 11/06 waren nach den ihnen innewohnenden Sachverhalten und Feststellungen, die der Klägerin entsprechend wiederholte Wettbewerbsverfehlungen attestierten, geeignet, diese insbesondere auch in den Augen der Verbraucher und ihrer Kunden mit einer betrügerischen Komponente in ein überaus negatives Licht zu rücken. Eine Rechtfertigung hierfür im wettbewerblichen Bereich bestand nicht. Die Schwelle einer unzulässigen Persönlichkeitsverletzung ist in diesem Zusammenhang nicht Maßstab gebend. Die Art und Weise der Veröffentlichung der beiden hier in Rede stehenden Urteile im Wege der von den Beklagten zu 2) und 3) hergestellten Verlinkungen war von keinem berechtigten Interesse getragen, wie es in diesem Konkurrentenverhältnis erforderlich wäre, zumal einem etwaigen Informationsinteresse der Allgemeinheit ohne weiteres auch durch eine anonymisierte Urteilsveröffentlichung ohne die mit der namentlichen Nennung der Klägerin verbundene Anprangerung hätte Genüge getan werden können.

OLG Frankfurt, Urt. v. 19.9.2013, 6 U 105/12, Tz. 22

Die Verbreitung von Gerichtsentscheidungen mit Namen und Anschrift des wegen wettbewerbswidriger Handlungen verurteilten Mitbewerbers setzt diesen in der Regel herab, es sei denn die Maßnahme erscheint zum Schutz der Verbraucher dringend geboten (Köhler in Köhler/Bornkamm, § 4 Rn. 7.16 m.w.N.).

Eine Herabsetzung soll auch darin liegen, dass bei der Verbreitung der Nachricht über eine einstweilige Verfügung nicht mitgeteilt wird, dass sie ohne mündliche Verhandlung und Anhörung des Gegners ergangen ist.

OLG Frankfurt, Urt. v. 4.12.2014, 6 U 30/14, Tz. 12

Die Presseerklärung war unlauter, weil sie den Inhalt der beim Landgericht Berlin erwirkten einstweiligen Verfügung zwar zutreffend wiedergab, aber nicht erkennen ließ, dass die Beschlussverfügung ohne mündliche Verhandlung und ohne Anhörung der Klägerin ergangen war; ohne diese zusätzliche Information überschritt die Presseerklärung in jedem Fall die durch § 4 Nr. 7 (alt) UWG gezogenen Grenzen.

Das OLG Köln hat aber nunmehr - m.E. zutreffend - ausgeführt, dass es nicht ehrenrührig ist, darüber zu berichten, dass sich zwei Mitbewerber streiten.

OLG Köln, Beschl. v. 30.11.2015, 6 W 130/15, II.2.a.aa - Wenn 1 & 1 sich streiten

Zwar können unter bestimmten Voraussetzungen auch wahre Tatsachenbehauptungen im Wettbewerb über einen Mitbewerber einen Verstoß gegen § 4 Nr. 7 (a.F.) UWG darstellen. Voraussetzung ist aber auf jeden Fall, dass die Mitteilung dieser Tatsachen geeignet ist, den Mitbewerber herabzusetzen. Eine Herabsetzung im Sinne des § 4 Nr. 7 (a.F.) UWG besteht in der sachlich nicht gerechtfertigten Verringerung der Wertschätzung des Mitbewerbers, seines Unternehmens oder seiner Leistungen in den Augen der angesprochenen oder von der Mitteilung erreichten Verkehrskreise.

... Die Mitteilung, zwei Unternehmen würden sich "streiten", ist nicht geeignet, die betreffenden Unternehmen herabzusetzen. Die Wertschätzung eines Unternehmens durch den Verbraucher könnte allenfalls beeinträchtigt werden, wenn ihm mitgeteilt wird, dass das betreffende Unternehmen in Auseinandersetzungen mit Kunden verwickelt ist. Dem Verbraucher ist bekannt, dass zahlreiche, auch namhafte Unternehmen in Auseinandersetzungen mit Mitbewerbern verwickelt sind.

ABER:

OLG Hamburg, Urt. V. 16.54.2020, 3 U 197/16, Tz. 58 - Produktkopie

Der Annahme eines hinreichenden Anlasses steht nicht entgegen, dass zum Zeitpunkt der Versendung des Schreibens lediglich eine nicht rechtskräftige Entscheidung eines Gerichts erster Instanz vorlag. Während bei der werblichen Kommunikation über erwirkte einstweilige Verfügungen Zurückhaltung geboten ist, da diese bereits eine auf Glaubhaftmachungsmitteln beruhende überwiegende Wahrscheinlichkeit ausreichen lassen, unterliegt eine Hauptsacheentscheidung dem Strengbeweis und dem Erfordernis der vollen richterlichen Überzeugung.

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Meinungsäußerungen

 

Auch Meinungsäußerungen können gegen § 4 Nr. 1 UWG verstoßen. Siehe dazu unten unter 'Umstände des Einzelfalls maßgeblich' und Meinungsfreiheit.

Wenn die Äußerung Tatsachenbehauptungen und Meinungsäußerungen enthält, ist darauf abzustellen, ob der Schwerpunkt der Aussage in den Tatsachenbehauptungen oder der Meinungsäußerung liegt. Im Zweifel ist sie  als Meinungsäußerung zu beurteilen. Zur Abgrenzung von Tatsachenbehauptungen und Meinungsäußerungen siehe hier.

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Öffentliche Hand/Kammern/Innungen

 

BGH, Urt. v. 1.3.2018, I ZR 264/16, Tz. 17 - Handwerksinnung

Mit Blick auf die Doppelstellung als mittelbare Staatsverwaltung und Interessenvertretung kann für Innungen ein strengerer Maßstab im Rahmen von § 4 Nr. 7 UWG aF gelten. Körperschaften des öffentlichen Rechts nehmen besonderes Vertrauen für sich in Anspruch.  Der Begriff der "Innung" hat aufgrund der Aufgaben, die Handwerksinnungen bei der Ausbildung und Förderung des handwerklichen Nachwuchses (vgl. § 54 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 bis 6 HwO) zukommen, eine positive Bedeutung; in die Fachkompetenz der Innungsverantwortlichen besteht ein hohes Vertrauen. Die Beklagte ist wegen des ihr in ihrer amtlichen Funktion entgegengebrachten Vertrauens deshalb gehalten, Informationen objektiv und sachgerecht zu verbreiten. Dabei ist allerdings danach zu differenzieren, ob eine Körperschaft des öffentlichen Rechts im Rahmen der ihr vom Staat übertragenen amtlichen Aufgaben tätig wird oder - was gerade bei Innungen möglich ist - gemeinsame berufsständische und wirtschaftliche Interessen der in ihr zusammengeschlossenen Berufsträgerinnen und Berufsträger wahrnimmt. Ein besonderes Vertrauen ist umso weniger gerechtfertigt, je mehr die Interessenvertretung im Vordergrund steht.

Bestätigung von OLG Hamm, Urt. v. 27.10.2016, 4 U 22/16, Tz. 78 ff

Diese Grundsätze gelten auch für die Person, die im Namen der Kammer/Innung spricht.

Zur Frage, inwieweit sich die öffentliche Hand, Kammern und Innungen auf das Grundrecht der Meinungsfreiheit berufen können, siehe hier.

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Umstände des Einzelfalls maßgeblich

 

Die Unlauterkeit einer Kritik ist außer bei einer sog. Schmähkritik und einer pauschalen Abwertung stets anhand der Umstände des Einzelfalls unter Berücksichtigung der beteiligten Grundrechte konkret festzustellen. Dabei gilt im Wettbewerbsrecht ein strengerer Maßstab als im allgemeinen Zivilrecht (§ 823 Abs. 1 BGB, § 823 Abs. 2 BGB i.V.m. § 185 StGB, § 186 StGB oder § 187 StGB, § 824 BGB, § 826 BGB). Ein Unternehmer soll am Markt mit seinen Leistungen überzeugen und nicht dadurch, dass er seine Konkurrenten unnötig schlecht macht.

BGH, Urt. v. 3.2.2009, VI ZR 36/07, Tz. 17

Um die Zulässigkeit der angegriffenen Äußerungen zu beurteilen, sind grundsätzlich die betroffenen Interessen gegeneinander abzuwägen, wobei alle wesentlichen Umstände und die betroffenen Grundrechte interpretationsleitend zu berücksichtigen sind.

BGH, Urt. v. 19.5.2011, I ZR 147/09, Tz. 22 – Coaching-Newsletter

Die Beurteilung der Frage, ob eine Werbeaussage eines Wettbewerbers einen Mitbewerber herabsetzt, erfordert eine Gesamtwürdigung, die die Umstände des Einzelfalls wie insbesondere den Inhalt und die Form der Äußerung, ihren Anlass, den Zusammenhang, in dem sie erfolgt ist, sowie die Verständnismöglichkeit des angesprochenen Verkehrs berücksichtigt. Dabei kommt es maßgeblich auf die Sicht des durchschnittlich informierten und verständigen Adressaten der Werbung an. Für die Bewertung maßgeblich ist daher der Sinngehalt der Äußerung, wie sie vom angesprochenen Verkehr verstanden wird.

Ebenso BGH, Urt. v. 25.4.2002, I ZR 272/99 - DIE „STEINZEIT” IST VORBEI!, BGH, Urt. v. 22.2.2005, KZR 2/04 - Sparberaterin II; OLG Hamm, Urt. v. 25.3.2014, 4 U 160/13, Tz. 54 fOLG Köln, Urt. v. 1.4.2016, 6 U 182/15, Tz. 21; OLG Hamburg, Urt. v. 8.10.2015, 3 U 143/13, II.B.6; OLG Frankfurt, 11.03.2022 - 6 W 14/22, II.2.b - Schrottbuch; OLG Frankfurt, Beschl. v. 7.11.2022, 6 W 72/22, II.2

OLG Karlsruhe, Urt. v. 27.5.2020, 6 U 36/20, Tz. 84 - Facebook Faktencheck

Die Unzulässigkeit einer Äußerung darf nicht aus den gewählten Formulierungen allein gefolgert werden; vielmehr sind sie im Gesamtzusammenhang zu betrachten und es ist eine Gesamtabwägung unter Berücksichtigung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit vorzunehmen.

OLG Karlsruhe, Urt. v. 27.5.2020, 6 U 36/20, Tz. 84 - Facebook Faktencheck

Bei der Würdigung sind nicht nur die unmittelbaren Äußerungen, sondern auch Links auf andere Äußerungen einzubeziehen, soweit sie erkennbar als Beleg und Ergänzung dienen sollen.

Ebenso OLG Frankfurt, 11.03.2022 - 6 W 14/22, II.2b - Schrottbuch

OLG Karlsruhe, Urt. v. 27.5.2020, 6 U 36/20, Tz. 84 - Facebook Faktencheck

Unerheblich sind regelmäßig die Vorstellungen und Absichten des Handelnden. Es kommt daher nicht darauf an, ob er um die Bedeutung oder Wirkung seines Handelns wusste, geschweige denn die Absicht hatte, den Mitbewerber herabzusetzen. Der subjektive Tatbestand spielt nur beim Schadensersatzanspruch eine Rolle.

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Grundrechte

 

Von elementarer Bedeutung bei der Anwendung von § 4 Nr. 1 UWG auf einen Sachverhalt sind die beteiligten Grundrechte. Das sind auf Seiten des Äußernden die Meinungsfreiheit, im Einzelfall auch die Presse-, Kunst- und Wissenschaftsfreiheit, und auf Seiten des betroffenen Mitbewerbers Berufsfreiheit (Art. 12 GG), Würde und Persönlichkeitsrecht (Art. 1, 2 Abs. 1 GG).

BGH, Urt. v. 19.5.2011, I ZR 147/09, Tz. 33 – Coaching-Newsletter

Ist eine Schmähkritik zu verneinen, kann sich die lauterkeitsrechtliche Unzulässigkeit einer Äußerung über einen Mitbewerber aufgrund einer umfassenden Interessenabwägung ergeben. Erforderlich ist insofern eine Gesamtwürdigung, bei der alle Umstände des Einzelfalls zu berücksichtigen und die Interessen der Parteien und der Allgemeinheit im Licht der Bedeutung des Grundrechts unter Beachtung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit gegeneinander abzuwägen sind. Ein beeinträchtigendes Werturteil kann daher umso eher zulässig sein, je nützlicher die Information für die Adressaten ist oder je mehr aus anderen Gründen ein berechtigtes Informationsinteresse oder hinreichender Anlass für die Kritik besteht und je sachlicher die Kritik präsentiert wird. Weiterhin von Bedeutung ist das Maß an Herabsetzung, das mit der Äußerung einhergeht. Bei der Gewichtung der Meinungsäußerungsfreiheit gegenüber anderen Grundrechtspositionen ist zudem zu berücksichtigen, ob vom Grundrecht der Meinungsäußerungsfreiheit im Rahmen einer privaten Auseinandersetzung zur Verfolgung von Eigeninteressen oder im Zusammenhang mit einer die Öffentlichkeit wesentlich berührenden Frage Gebrauch gemacht wird. Je mehr das Interesse des sich Äußernden auf politische, wirtschaftliche, soziale oder kulturelle Belange der Allgemeinheit gerichtet ist, desto eher ist seine Äußerung in Abwägung mit anderen Belangen gerechtfertigt. Aus diesem Grund sind Meinungsäußerungen, die zugleich wettbewerblichen Zwecken dienen, strenger zu bewerten als Äußerungen, die nicht den lauterkeitsrechtlichen Verhaltensanforderungen, sondern lediglich dem allgemeinen Deliktsrecht unterliegen.

Ebenso OLG Frankfurt, Urt. v.  28.3.2019, 6 U 203/18, II; s.a. OLG Frankfurt, 11.03.2022 - 6 W 14/22, II.2b - Schrottbuch

BGH, Urt. v. 1.3.2018, I ZR 264/16, Tz. 35 - Handwerksinnung

Bei der Gewichtung der Meinungsäußerungsfreiheit gegenüber anderen Grundrechtspositionen ist zudem zu berücksichtigen, ob von diesem Grundrecht im Rahmen einer privaten Auseinandersetzung zur Verfolgung von Eigeninteressen oder im Zusammenhang mit einer die Öffentlichkeit wesentlich berührenden Frage Gebrauch gemacht wird. Je mehr das Interesse der sich Äußernden auf politische, wirtschaftliche, soziale oder kulturelle Belange der Allgemeinheit gerichtet ist, desto eher ist ihre Äußerung in Abwägung mit anderen Belangen gerechtfertigt.

OLG Frankfurt, Beschl. v. 7.11.2022, 6 W 72/22, II.2.b

Die Meinungsfreiheit tritt gegenüber dem Schutz der Funktionsfähigkeit des Leistungswettbewerbs durch die Abwehr von Behinderungen der Mitbewerber mit nicht leistungsgerechten Mitteln zurück. Er findet eine tragende Stütze in der aus Art. 2 Abs. 1 GG hergeleiteten Privatautonomie als einem Strukturelement der freiheitlichen Gesellschaftsordnung, die sich als Grundlage des Verhaltens am Markt zu Gunsten aller Marktteilnehmer auswirkt (BVerfG, GRUR 2001, 1058, 1060 - Therapeutische Äquivalenz). Anders als in Fällen der Bezug nehmenden oder gefühlsbetonten Werbung (BVerfG GRUR 2001, 170 - Benetton-Werbung I; BVerfG GRUR 2002, 455 - Tier- und Artenschutz) wird bei der unsachlichen Herabwürdigung eines Mitbewerbers der Leistungswettbewerb unmittelbar und augenfällig gefährdet. Denn die Beeinträchtigung der Wettbewerbsmöglichkeiten eines Mitbewerbers durch unsachliche Anwürfe widerspricht dem Grundgedanken des Leistungswettbewerbs, demzufolge jeder Wettbewerber durch seine eigene Leistung auf dem Markt und eben nicht durch derartige Angriffe auf Mitbewerber Kunden gewinnen soll. Wenn die Abwägung im Übrigen keinen Vorrang der Meinungsfreiheit ergibt, ist die unsachliche Herabwürdigung eines Mitbewerbers deshalb auch von einem Gewicht, das ausreicht, den Eingriff in die Meinungsfreiheit zu rechtfertigen.

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Schmähkritik, Formalbeleidigungen

 

Eine Schmähkritik ist eine Äußerung, die es an jeder sachlichen Auseinandersetzung fehlen lässt und ‚unter die Gürtellinie zielt‘. Bei ihr steht die Beleidigung und Bloßstellung des Betroffenen im Vordergrund.

BVerfG, Beschl. v. 7.12.2011, 1 BvR 2678/10, Tz. 40

Verfassungsrechtlich ist die Schmähung eng definiert. Sie liegt bei einer die Öffentlichkeit wesentlich berührenden Frage nur ausnahmsweise vor und ist eher auf die Privatfehde beschränkt. Eine Schmähkritik ist dadurch gekennzeichnet, dass nicht mehr die Auseinandersetzung in der Sache, sondern die Diffamierung der Person im Vordergrund steht.

BVerfG, Beschl v 12.7.2007, 1 BvR 2041/02, IV.1.c.bb - Pharmakartell

Eine Schmähkritik liegt nur dann vor, wenn bei einer Äußerung nicht mehr die Auseinandersetzung in der Sache, sondern die Diffamierung der Person im Vordergrund steht (vgl. BVerfGE 82, 272; BVerfG NJW-RR 2004, 1710). Der Begriff ist im Interesse der Meinungsfreiheit eng zu fassen (vgl. BVerfGE 82, 272). Die bloße Überspitztheit oder teilweise Unsachlichkeit einer Äußerung führt nicht dazu, dass sie ohne weitere Abwägung der wechselseitig betroffenen Belange als unzulässig angesehen werden könnte. Privatpersonen unterliegen anders als der Staat (vgl. BVerfGE 105, 272 f) nicht generell einem Sachlichkeitsgebot. Eine Äußerung ist nicht allein deshalb unzulässig, weil sie weniger scharf oder sachlicher hätte formuliert werden können. Das gilt auch dann, wenn nicht individuelle Personen, sondern Unternehmen angegriffen werden.

BGH, Urt. v. 31.3.2016, I ZR 160/14, Tz. 48 – Im Immobiliensumpf

Der Begriff der Schmähkritik ist wegen seines die Meinungsfreiheit verdrängenden Effekts eng auszulegen. Selbst eine überzogene oder gar ausfällige Kritik ist erst dann eine Schmähung, wenn bei der Äußerung nicht mehr die Auseinandersetzung in der Sache, sondern die persönliche Diffamierung der Person im Vordergrund steht. Bezieht sich die Äußerung auf eine die Öffentlichkeit wesentlich berührende Frage, so liegt eine Schmähkritik nur ausnahmsweise vor.

Ebenso BGH, Urt. v. 1.3.2018, I ZR 264/16, Tz. 32 - Handwerksinnung

Schmähkritik ist generell verboten, ohne dass es auf die Umstände des Einzelfalls noch ankommt. Schmähkritik ist auch auf keinen Fall durch das Grundrecht der Meinungsfreiheit gerechtfertigt. Im Interesse der Meinungsfreiheit ist bei der Annahme einer Schmähkritik aber Zurückhaltung geboten.

BGH, Urt. v. 3.2.2009, VI ZR 36/07, Tz. 17

An die Bewertung einer Äußerung als Schmähkritik sind strenge Maßstäbe anzulegen, weil andernfalls eine umstrittene Äußerung ohne Abwägung dem Schutz der Meinungsfreiheit entzogen und diese damit in unzulässiger Weise verkürzt würde. Erst wenn bei einer Äußerung nicht mehr die Auseinandersetzung in der Sache, sondern die Herabsetzung der Person im Vordergrund steht, die jenseits polemischer und überspitzter Kritik herabgesetzt und gleichsam an den Pranger gestellt werden soll, nimmt die Äußerung den Charakter einer unzulässigen Schmähung an.

OLG Köln, Urt. v. 4.9.2015, 6 U 7/15, 67

Schmähkritik liegt vor, wenn eine kritische Äußerung keine Auseinandersetzung in der Sache enthält, sondern nur den angegriffenen Mitbewerber herabsetzen oder verunglimpfen, in gleichsam an den Pranger stellen will, wobei aber strenge Maßstäbe anzulegen sind, weil andernfalls eine umstrittene Äußerung ohne Abwägung dem Schutz der Meinungsfreiheit entzogen würde (BGH, NJW 2009, 1872 Tz. 18 – Fraport-Manila-Skandal).

Etwas weniger als eine Schmähkritik sind Formalbeleidigungen, bei denen ebenfalls die Beleidigung und nicht die sachliche Kritik im Vordergrund steht.

OLG Frankfurt, Urt. v.  28.3.2019, 6 U 203/18, II.

Formalbeleidigungen und formale Herabwürdigungen sind regelmäßig per se unzulässig.

OLG Frankfurt, Beschl. v. 22.4.2021, 6 W 26/21

Darunter fällt auch die sog. pauschale Herabsetzung der Konkurrenz bzw. der Konkurrenzerzeugnisse, die mangels Mitteilung der konkreten Umstände, auf die sich die herabsetzende Äußerung bezieht, keinen erkennbaren sachlichen Bezug aufweist (BGH GRUR 2012, 74 Rn 37 - Coaching-Newsletter; BGH WRP 2014, 548 Rn 24 - englischsprachige Pressemitteilung; OLG Frankfurt am Main WRP 2014, 1098 Rn 27).

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Pauschale Abwertung

 

BGH, Urt. v. 12.12.2013, I ZR 131/12, Tz. 42 – englischsprachige Pressemitteilung

Die pauschale Abwertung der Leistungen eines Mitbewerbers ist jedenfalls dann nach § 4 Nr. 7 (alt) UWG unlauter, wenn die konkreten Umstände, auf die sich die abwertende Äußerung bezieht, nicht mitgeteilt werden (BGH, Urt. v. 19.4.2011, I ZR 147/09, Tz. 37 - Coaching-Newsletter).

Ebenso OLG Hamburg, Urt. v. 8.10.2015, 3 U 143/13, II.B.6

BGH, Urt. v. 17.1.2002, I ZR 161/99, Tz. 27 - Hormonersatztherapie

Maßgeblich ist , ob die angegriffene Werbeaussage sich noch in den Grenzen einer sachlich gebotenen Erörterung hält oder bereits eine pauschale Abwertung der fremden Erzeugnisse darstellt.

Ebenso BGH, Urt. v. 25.4.2002, I ZR 272/99 - DIE „STEINZEIT” IST VORBEI!

OLG Köln, Urt. v. 8.10.2010, 6 U 88/10

Unzulässig sind nicht nur unwahre Tatsachenbehauptungen über einen Wettbewerber, sondern auch solche Meinungsäußerungen, die einen Wettbewerber ohne sachlichen Grund pauschal abwerten.

OLG Köln, Urt. v. 6.2.2013, 6 U 127/12, Tz. 32

Im Rahmen der gebotenen Interessenabwägung ist besonders zu berücksichtigen, wenn es sich bei der beanstandeten Äußerung um eine pauschal abwertende Darstellung der Tätigkeit eines Wettbewerbers handelt, ohne dass konkrete Umstände genannt werden, die die Vorwürfe belegen könnten. Ein etwaiges Interesse der Adressaten der Äußerung, über konkrete Missstände unterrichtet zu werden, mag zwar im Einzelfall dazu führen, dass auf Missstände hingewiesen werden darf. Die herabsetzende Äußerung muss sich aber nach Art und Maß im Rahmen des Erforderlichen oder sachlich Gebotenen halten. Eine pauschale, hinsichtlich konkreter Missstände ganz im Vagen bleibende Herabsetzung vermag die Beeinträchtigung nicht zu rechtfertigen.

Ebenso OLG Frankfurt, Beschl. v. 7.11.2022, 6 W 72/22, II.2.b

OLG Frankfurt, Beschl. v. 7.11.2022, 6 W 72/22, II.2.b

Eine Rechtfertigung einer herabsetzenden Darstellung eines Wettbewerbers setzt danach stets voraus, dass die Verbraucher konkret über einzelne Umstände aufgeklärt werden, ohne deren Kenntnis sie Schaden zu nehmen drohen. Eine pauschale, hinsichtlich konkreter Missstände ganz im Vagen bleibende Herabsetzung, wie sie im Streitfall in Rede steht, vermag die Beeinträchtigung, die mit der Äußerung des Antragsgegners verbunden ist, dagegen nicht zu rechtfertigen (BGH GRUR 2012, 74 Rn 37 - Coaching-Newsletter).

OLG Hamm, Urt. v. 25.3.2014, 4 U 160/13, Tz. 61

Die herabsetzende Äußerung, also der von ihr in der streitgegenständlichen Darstellung geäußerte Verdacht, ist – ungeachtet der Frage, ob die Äußerung als Tatsachenbehauptung oder als Werturteil anzusehen ist – lauterkeitsrechtlich schon allein deshalb unzulässig, weil es keine Anhaltspunkte gibt, die geeignet wären, eine Grundlage für den geäußerten Verdacht darzustellen. Es handelt sich letztlich um eine „ins Blaue hinein“ ausgesprochene Verdächtigung.

OLG Frankfurt, Beschl. v. 22.4.2021, 6 W 26/21

Nicht mehr vom Grundrecht des Art. 5 Abs. 1 S. 1 GG gedeckt - und damit regelmäßig nach § 4 Nr. 1 UWG unzulässig - sind kritische Äußerungen über einen Mitbewerber, die eine Formalbeleidigung enthalten oder die Menschenwürde verletzen oder eine reine Schmähkritik darstellen (BGH GRUR 2012, 74 Rn 32 - Coaching-Newsletter). ... Darunter fällt auch die sog. pauschale Herabsetzung der Konkurrenz bzw. der Konkurrenzerzeugnisse, die mangels Mitteilung der konkreten Umstände, auf die sich die herabsetzende Äußerung bezieht, keinen erkennbaren sachlichen Bezug aufweist (BGH GRUR 2012, 74 Rn 37 - Coaching-Newsletter; BGH WRP 2014, 548 Rn 24 - englischsprachige Pressemitteilung; OLG Frankfurt am Main WRP 2014, 1098 Rn 27).

OLG Frankfurt, Urt. v. 27.3.2014, 6 U 75/12, Tz. 35

Der Vorwurf des Prozessbetrugs ist massiv, ohne dass in dem o. g. Newsletter oder in dem o. g. Schriftsatz auch nur ansatzweise der Versuch unternommen wird, ihn durch entsprechende Tatsachen zu untermauern. Dies ist im Rahmen der bei § 4 Nr. 7 (alt) UWG vorzunehmenden Interessenabwägung regelmäßig unlauter (vgl. BGH GRUR 2012, 74, Tz. 37 – Coaching-Newsletter).

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Form, Inhalt, Kontext

 

BGH, Urt. v. 1.3.2018, I ZR 264/16, Tz. 35 - Handwerksinnung

Insbesondere der Inhalt und die Form der Äußerung, ihr Anlass, der Zusammenhang, in dem sie erfolgt ist, sowie die Verständnismöglichkeit des angesprochenen Verkehrs sind zu berücksichtigen. Dabei kommt es maßgeblich auf die Sicht des durchschnittlich informierten und verständigen Adressaten der Äußerung an (vgl. BGH, GRUR 2016, 710 Rn. 38 - Im Immobiliensumpf). Ein beeinträchtigendes Werturteil kann danach umso eher zulässig sein, je nützlicher die Information für den Adressatenkreis ist oder je mehr aus anderen Gründen ein berechtigtes Informationsinteresse oder hinreichender Anlass für die Kritik besteht und je sachlicher die Kritik präsentiert wird.

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Angemessenheit und Erforderlichkeit

 

BGH, Urt. v. 1.3.2018, I ZR 264/16, Tz. 35 - Handwerksinnung

Von Bedeutung ist das Maß an Herabsetzung, das mit der Äußerung einhergeht.

BGH, Urt. v. 17.12.2015, I ZR 219/13, Tz. 26

Öffentlich an einem Wettbewerber geäußerte Kritik muss sich nach Art und Ausmaß im Rahmen des Erforderlichen oder sachlich gebotenen halten (vgl. BGH, GRUR 2012, 74 Tz. 37 - Coaching-Newsletter).

Ebenso OLG Frankfurt, Urt. v.  28.3.2019, 6 U 203/18, II.

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Umstände

 

BGH, Urt. v. 1.3.2018, I ZR 264/16, Tz. 37 - Handwerksinnung

Um dem situativen Kontext hinreichend Rechnung zu tragen, sind bei der Abwägung die Umstände zu berücksichtigen, die zu den Äußerungen geführt haben.

BGH, Urt. v. 1.3.2018, I ZR 264/16, Tz. 38 - Handwerksinnung

Äußerungen dürfen insbesondere mit Blick auf Art. 5 Abs. 1 Satz 1 GG nicht isoliert betrachtet werden dürfen; Anlass und Zusammenhang, in dem sie erfolgt sind, müssen berücksichtigt werden.

OLG Frankfurt, Urt. v.  28.3.2019, 6 U 203/18, II.

Bei der Gesamtwürdigung der Umstände vorzunehmen sind auch das (ggf. rechtswidrige) Vorverhalten des durch die Kritik Verletzten, das Bestehen einer Nachahmungsgefahr, der Grad des Informationsinteresses Dritter und der Öffentlichkeit einerseits sowie das Ausmaß der Herabsetzung und die Auswirkungen der Kritik.

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Wissenschaftliche Auseinandersetzung

 

Ein Wettbewerber darf sich kritisch mit der wissenschaftlichen Arbeit eines Mitbewerbers auseinandersetzen. Er darf in diesem Zusammenhang aber nicht persönlich werden. Sachliche Kritik muss aber hingenommen werden, auch wenn sie geeignet ist, sich nachteilig auf die Wertschätzung des Mitbewerbers auszuwirken. Das gilt auch, wenn die wissenschaftliche Arbeit eine gewisse Nähe zur den Waren und Leistungen hat, die vom Mitbewerber angeboten werden.

BGH, Urt. v. 17.12.2015, I ZR 219/13, Tz. 64

Wird eine wissenschaftliche Leistung zu Wettbewerbszwecken eingesetzt, muss es einem Wettbewerber erlaubt sein, auf aus seiner Sicht bestehende Mängel einer solchen Arbeit hinzuweisen.

BGH, Urt. v. 17.12.2015, I ZR 219/13, Tz. 72

Der Umstand, dass der Beklagte in der Äußerung die Verwendung jeglicher wissenschaftlichen Methode in Abrede stellt, lässt die Einordnung der Kritik als im Wesentlichen noch sachlich unberührt. Der Kläger muss sie sich gefallen lassen, wenn er sich mit einer Dissertation an der wissenschaftlichen Diskussion beteiligt und sie für seine wettbewerblichen Zwecke einsetzt. Es ist daher auch hier nicht gerechtfertigt, die Meinungsäußerungsfreiheit (Art. 5 Abs. 1 GG) des Beklagten gegenüber dem Grundrecht des Klägers auf Schutz seines geschäftlichen Rufs (Art. 2 Abs. 1, 12 Abs.1 GG) zurücktreten zu lassen.

BGH, Urt. v. 17.12.2015, I ZR 219/13, Tz. 50

Aufgrund des Umstands, dass die Dissertation des Klägers geeignet ist, den Vertrieb seines in der Arbeit namentlich genannten Produkts mit wissenschaftlichen Argumenten zu untermauern und somit eine gewisse Vertriebsnähe aufweist, muss der Kläger es sich gefallen lassen, wenn seine Arbeit im Wettbewerb kritisch gewürdigt wird. Soweit die Kritik geeignet ist, Unklarheiten aufzuzeigen, hat die angesprochene Fachöffentlichkeit ein Interesse, hierauf deutlich hingewiesen zu werden. Der leicht überschießende, unsachlich missbilligende Ton der Äußerung rechtfertigt es noch nicht, die Meinungsäußerungsfreiheit des Beklagten (Art. 5 Abs. 1 GG) hinter dem Grundrecht des Klägers auf Schutz seines geschäftlichen Rufs (Art. 2 Abs. 1, 12 Abs.1 GG) zurücktreten zu lassen.

Aber

BGH, Urt. v. 17.12.2015, I ZR 219/13, Tz. 78

Die angegriffene Äußerung ist geeignet, sich nachteilig auf die Wertschätzung des Klägers auszuwirken, weil ihm eine wissenschaftliche Motivation abgesprochen und die Dissertation ausschließlich als Mittel der Selbstdarstellung bewertet wird. Hiermit verlässt der Beklagte den Bereich der sachlichen Auseinandersetzung mit der wissenschaftlichen Arbeit des Klägers, weil der Beklagte die Veröffentlichung nicht unter fachlichen Aspekten erörtert, sondern dem Kläger in persönlich abwertender Weise unterstellt, seiner Dissertation liege allein subjektiver Geltungsdrang zugrunde. Dem sachlichen Interesse der Fachöffentlichkeit am wissenschaftlichen oder auch nur anwendungsorientierten Diskurs über die Qualität der Arbeit des Klägers dient eine solche Aussage nicht.

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Humor

 

Mit Humor ist die Rechtsprechung großzügig. Den Marktteilnehmern ist bekannt, dass Äußerungen im geschäftlichen Verkehr dich verschiedener Stilmittel bedienen, um Aufmerksamkeit zu gewinnen. Humor, Ironie und Satire gehören dazu und werden begrüßt. Solange es lustig bleibt, liegt keine Herabsetzung oder Verunglimpfung des Mitbewerbers vor. Die Grenze dazu wird aber überschritten, wenn der Mitbewerber ins Lächerliche gezogen wird.

BGH, Urt. v. 17.1.2002, I ZR 215/99, II.2.b - Lottoschein

Solange der Werbende mit ironischen Anklängen nur Aufmerksamkeit und Schmunzeln erzielt, mit ihnen aber - weil der Verkehr die Aussage nicht wörtlich und damit ernst nimmt - keine Abwertung des konkurrierenden Angebots verbunden ist, liegt darin noch keine unzulässige Herabsetzung oder Verunglimpfung

BGH, Urt. v. 25.4.2002, I ZR 272/99 - DIE „STEINZEIT" IST VORBEI! (Ls)

Mit dem von einem Hersteller von Häusern in Holzrahmen-Bauweise verwendeten Werbeslogan DIE "STEINZEIT" IST VORBEI! wird die Herstellung von Bauwerken in "Steinbauweise" nicht als "antiquiert", unüblich und unzeitgemäß pauschal herabgewürdigt. Der verständige Durchschnittsverbraucher wird den Werbesatz vor allem aufgrund des humorvollen Wortspiels und des darin enthaltenen Sprachwitzes nicht im Sinne einer Sachaussage ernst nehmen.

Zum § 4 Nr. 1 UWG entsprechenden § 6 Abs. 2 Nr. 5 UWG für eine Fall vergleichender Werbung:

BGH, Urt.v.1.10.2009, I ZR 134/07, Tz. 20 – Gib mal Zeitung

Der Durchschnittsverbraucher ist zunehmend an pointierte Aussagen in der Werbung gewöhnt und empfindet sie als Ausdruck lebhaften Wettbewerbs. Ein humorvoller oder ironischer Werbevergleich kann daher auch dann zulässig sein, wenn er sich nicht auf feinen Humor und leise Ironie beschränkt. Eine humorvolle oder ironische Anspielung auf einen Mitbewerber oder dessen Produkte in einem Werbevergleich stellt vielmehr erst dann eine unzulässige Herabsetzung dar, wenn sie den Mitbewerber dem Spott oder der Lächerlichkeit preisgibt oder von den Adressaten der Werbung wörtlich und damit ernst genommen und daher als Abwertung verstanden wird.

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Äußerungen fingierter Dritter

 

Nach einem Urteil des OLG Koblenz soll es eine rechtswidrige Herabwürdigung darstellen, wenn eine Zeitung einen fingierten Leserbrief veröffentlicht, in dem eine andere Zeitung heftig kritisiert wird. Wieso das Gericht den Anspruch auf § 823 BGB in Verbindung mit dem Unternehmenspersönlichkeitsrecht stützt lässt sich der Entscheidung nicht entnehmen.

OLG Koblenz, Urt. v. 23.7.2013, 4 U 95/13, II.1.b

Neben dem Grundsatz "Im Zweifel für die freie Rede" sind auch andere Gesichtspunkte heranzuziehen, die für die Abwägung zwischen dem Persönlichkeitsrecht und der Meinungsfreiheit im konkreten Fall von Bedeutung sind. Als entscheidender Umstand ist hierbei in Betracht zu ziehen, ob der Leserbrief die Auffassung eines von der Beklagten unabhängigen Dritten, des Lesers nämlich, wiedergibt, oder aber ob sich die Beklagte für ihre Angriffe auf die Klägerin eines "fingierten" Leserbriefes bedient hat. Damit wären die hierin enthaltenen Äußerungen der Beklagten nicht nur voll zurechenbar. Eine solche Verfahrensweise verstößt darüber hinaus gegen den im Wege der Selbstverpflichtung zu beachtenden Pressekodex des Deutschen Presserats; sie stellt sich als eigenständiger Angriff auf das Persönlichkeitsrecht des von einem solchen "Leserbrief" Betroffenen dar, wobei das gewählte Mittel bereits die Rechtswidrigkeit indiziert. Der in dieser Weise "Angegriffene" braucht es nämlich unter keinem Gesichtspunkt hinzunehmen, dass er in der öffentlichen Auseinandersetzung einer Kritik ausgesetzt wird, die tatsächlich von einem anderen herrührt, als sie herzurühren vorgibt.

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Interessen Dritter an Aufklärung

 

BGH, Urt. v. 19.5.2011, I ZR 147/09, Tz. 37 – Coaching-Newsletter

Das Interesse der Verbraucher, über konkrete Missstände unterrichtet zu werden, mag zwar im Einzelfall dazu führen, dass ein Anbieter auf die unseriösen Machenschaften eines Wettbewerbers hinweisen darf. Hierfür kann ein hinreichender Anlass bestehen, der sich in der Regel aus dem schutzwürdigen Aufklärungsinteresse der angesprochenen Verkehrskreise ergibt. Die aufklärende, den Mitbewerber herabsetzende Äußerung muss sich darüber hinaus nach Art und Maß im Rahmen des Erforderlichen oder sachlich Gebotenen halten (Köhler in Köhler/Bornkamm aaO § 4 Rdn. 7.21 mwN). Eine Rechtfertigung einer herabsetzenden Darstellung eines Wettbewerbers setzt danach stets voraus, dass die Verbraucher konkret über einzelne Umstände aufgeklärt werden, ohne deren Kenntnis sie Schaden zu nehmen drohen. Eine pauschale, hinsichtlich konkreter Missstände ganz im Vagen bleibende Herabsetzung vermag die massive Beeinträchtigung, die mit der Äußerung der Beklagten verbunden ist, dagegen nicht zu rechtfertigen.

S.a. OLG Frankfurt, Urt. v.  28.3.2019, 6 U 203/18, II.

OLG Karlsruhe, Urt. v. 27.5.2020, 6 U 36/20, Tz. 84 - Facebook Faktencheck

Im Rahmen der Gesamtwürdigung sind auch die widerstreitenden Interessen und die betroffenen Grundrechte der Beteiligten, nämlich die Meinungsfreiheit des Äußernden (Art. 5 Abs. 1 GG) und der Schutz des geschäftlichen Rufs des Mitbewerbers nach Art. 2 Abs. 1 GG, Art. 12 Abs. 1 GG, zu berücksichtigen. Ein beeinträchtigendes Werturteil kann danach umso eher zulässig sein, je nützlicher die Information für den Adressatenkreis ist oder je mehr aus anderen Gründen ein berechtigtes Informationsinteresse oder hinreichender Anlass für die Kritik besteht und je sachlicher die Kritik präsentiert bzw. in welchem Maß der Mitbewerber beeinträchtigt wird.

OLG Hamburg, Urt. V. 16.54.2020, 3 U 197/16, Tz. 59 - Produktkopie

Ebenso wie im Rahmen der Vorschrift des § 6 UWG ist es für die vorzunehmenden Gesamtabwägung von Bedeutung, ob die Äußerung für den legitimen Zweck der Information der Abnehmer erforderlich oder doch nützlich ist. Es kommt mithin darauf an, ob und inwieweit der angesprochene Verkehr die betreffende Information für eine sachgerechte, informierte Nachfrageentscheidung benötigt. Maßgeblich für eine informierte Nachfrageentscheidung ist nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs in der Regel auch die eigene Leistungsfähigkeit und -berechtigung des Anbieters. So wird es für den durchschnittlichen Abnehmer regelmäßig von Interesse sein, ob der Anbieter seine Marktstellung durch eigene Leistung bei der Entwicklung eines bestimmten Produkts erreicht hat oder aber lediglich durch die Verletzung von Betriebsgeheimnissen eines Mitbewerbers.

Eine sachliche gehaltene Beschwerde eine Mitbewerbers bei einem Plattformbetreiber, dass das dort eingestellte Angebot eines Konkurrenten nicht den gesetzlichen Anforderungen genüge, ist keine Herabsetzung, insbesondere wenn sie berechtigt ist (OLG Hamm, Urt. v. 8.10.2020, 4 U 7/20).

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Beispiele

 

OLG Saarbrücken, Urt. v. 18.12.2013, 1 U 36/13, II.2 - "Wir haben die bessere Energie!"

Die Werbung ist nach ihrer Gesamtaufmachung, insbesondere weil in dem Auszug aus dem Abrechnungsschreiben die darin mitgeteilten Preiserhöhungen rot markiert sind und in dem darunter stehenden Satz die Frage aufgeworfen wird: „Hat Ihr Energieversorger in ihrer aktuellen Jahresrechnung eine Preiserhöhung versteckt?“, wobei die letzten beiden Wörter ebenfalls rot geschrieben sind und das daneben befindliche Kästchen mit einem roten Haken versehen ist, geeignet, einen durchschnittlich informierten und verständigen Verbraucher zu der Fehlvorstellung zu verleiten, der durch das verwendete Abrechnungsschreiben in Bezug genommene Bewerber handele unredlich und verstecke in seinem Abrechnungsschreiben eine Preiserhöhung bzw. er informiere Verbraucher nicht ordnungsgemäß über eine bevorstehende Preiserhöhung, auch wenn vordergründig nur die neutrale Frage gestellt wird, ob in der aktuellen Jahresrechnung eine Preiserhöhung versteckt ist, und der Verbraucher aufgefordert wird, seine Abrechnung hierauf zu überprüfen. Dies ist geeignet, die Konkurrenz - die Verfügungsklägerin und die Mitbewerber - herabzusetzen i. S. d. § 4 Nr. 7 (alt) UWG, weil ihr unlautere Informationsmethoden unterstellt werden. Dass aus dem abgedruckten anonymisierten Abrechnungsschreiben nicht eindeutig hervorgeht, wer dessen Urheber ist, steht dieser Beurteilung nicht entgegen, denn der betroffene Mitbewerber muss nicht erkennbar gemacht werden (Köhler in Köhler/Bornkamm, UWG, § 4 Rn. 7.11; OLG Hamburg, Urt. v. 28.10.2009, 5 U 204/07).

OLG Brandenburg, Beschl. v. 17.4.2020, 6 W 31/2, Tz. 15

Mit der Darstellung eines Flugzeugs, dessen äußeres Erscheinungsbild in Farbauswahl und Schriftzug dem Design der Corporate Identity der Antragstellerin nachempfunden ist unter Verwendung eines erfundenen Namens, der - der Firma der Antragstellerin lautmalerisch angelehnt - die englische Bezeichnung für „Lügner“ enthält, suggeriert die von der Antragsgegnerin aufgestellte Aussage, dass die Antragstellerin im Geschäftsverkehr nicht die Wahrheit sagt und stellt ihre Seriosität in Zweifel. Fehlt es an jeglichem sachlichen Anknüpfungspunkt für die Behauptung, ein anderer sage die Unwahrheit, stellt die Bezeichnung als „Lügner“ ein pauschales Werturteil dar, dem es an inhaltlicher Substanz fehlt und bei dem der tatsächliche Gehalt gegenüber der Wertung zurücktritt.

OLG Hamm, Urt. v. 25.3.2014, 4 U 160/13, Tz. 56, 60 f - Versicherungszweitmarkt

Das Schreiben enthält ausschließlich negative Informationen über die am Zweitmarkt für Lebensversicherungen tätigen Unternehmen. Es werden lediglich unseriöse und für den Versicherungsnehmer risikobehaftete Geschäftsmodelle beschrieben. Ob es auch seriöse Zweitmarktanbieter und seriöse Geschäftsmodelle gibt, wird in dem Schreiben nicht erörtert. Die Formulierung im zweiten Absatz des Schreibens, „nach Erkenntnissen der BaFin seien verstärkt Unternehmen am Markt tätig, die Verbrauchern anböten, ihnen ihre Versicherungen abzukaufen“, suggeriert durch ihre Anlehnung an Formulierungen aus Berichten z.B. über strafrechtliche Ermittlungen („nach Erkenntnissen der Polizei/der Staatsanwaltschaft“), dass es sich bei dem Zweitmarkt für Lebensversicherungen um einen Markt handelt, der sich prinzipiell in einer Art „rechtlicher Grauzone“ bewegt. ...

Die herabsetzende Wirkung … wird nicht dadurch neutralisiert, dass der Empfänger durch einen Blick in die ihm … zur Verfügung gestellten Vertragsunterlagen feststellen kann, dass die Antragstellerin jedenfalls nach ihren Geschäftsbedingungen nicht zu den kritisierten Unternehmen gehört.

Die herabsetzende Äußerung, also der von ihr in der streitgegenständlichen Darstellung geäußerte Verdacht, ist – ungeachtet der Frage, ob die Äußerung als Tatsachenbehauptung oder als Werturteil anzusehen ist – lauterkeitsrechtlich schon allein deshalb unzulässig, weil es keine Anhaltspunkte gibt, die geeignet wären, eine Grundlage für den geäußerten Verdacht darzustellen. Es handelt sich letztlich um eine „ins Blaue hinein“ ausgesprochene Verdächtigung.

OLG Karlsruhe, Urt. v. 28.1.2016, 4 U 134/15

"Bei Heilpraktikern für Psychotherapie ist nicht sichergestellt, dass sie ausreichend qualifiziert sind, um psychische Krankheiten mit wissenschaftlich anerkannten Methoden zu behandeln" ...

Der streitgegenständliche Hinweis der Beklagten auf eine staatlich nicht sichergestellte ausreichende fachliche Qualifikation von Heilpraktikern für Psychotherapie greift nur die bestehende Gesetzeslage und die dieser zu Grunde liegende generalisierende Einschätzung des Gesetzgebers auf. Insoweit scheidet dann auch eine Irreführung aus. Ebenso wenig besteht dann eine unlautere Herabsetzung im Sinne des § 4 Nr. 7 UWG. Die Beklagte bewegt sich im Rahmen der grundgesetzlich in Art. 5 Abs. 1 GG geschützten Meinungsfreiheit. Sie kann insoweit ein Aufklärungsinteresse der Verbraucher annehmen, das im Bereich behandlungsbedürftiger Erkrankungen besonders bedeutsam ist und den Schutz des Geschäftsrufs der Heilpraktiker für Psychotherapie aus Art. 2 Abs. 1, Art. 12 GG überwiegt. Die streitgegenständliche Äußerung der Beklagten ist pointiert, hält sich aber - auch in dem gegebenen Gesamtzusammenhang - nach Art und Maß noch im Rahmen des Erforderlichen (vergleiche Köhler in: Köhler/Bornkamm, UWG, 33. Auflage, § 4 Rn. 7.16 mwN).

Zu den Zulassungsvoraussetzungen für Heilpraktiker siehe hier.

OLG Düsseldorf, Urt. v. 12.7.2016, 20 U 117/15, Tz. 52 ff

Die Behauptung eines mit dem Kauf bestimmter Produkte (hier Softwarelizenzen) verbundenen rechtlichen Risikos führt zu einer Verringerung der Wertschätzung der von der Klägerin vertriebenen Waren.

Die Herabsetzung ist aber nicht unlauter. ... Es ist eine umfassende Interessenabwägung unter Gesamtwürdigung aller Umstände vorzunehmen (BGH GRUR 2012, 74, Rn. 31 – Coaching Newsletter), deren Gegenstand insbesondere auch das Grundrecht der Beklagten auf Meinungsäußerung aus Art. 5 Abs. 1 GG ist. Werturteile sind umso eher zulässig, je breiter ihre tatsächliche Grundlage ist, je sachlicher sie präsentiert werden und je eher sie geeignet sind, Verbraucher und andere Marktteilnehmer zu informieren (Ohly/Sosnitza-Ohly, a.a.O. § 4 Rn. 7/20).

Die Interessenabwägung muss vorliegend zugunsten der Beklagten ausfallen. … Die Beklagte hat auf eine öffentliche Berichterstattung reagiert und dieser ihre eigene Rechtsansicht entgegengesetzt. Dies ist zulässig, da sich die Beklagte in sachlicher Art und Weise mit den von ihr zitierten Entscheidungen auseinandersetzt und diese ausdrücklich in Bezug nimmt, teilweise sogar unmittelbar verlinkt.

OLG Köln, Urt. v. 13.4.2018, 6 U 145/17

Der Begriff "clever" in 'clevere Alternative' ist nicht herabsetzend oder anschwärzend (§ 4 Nr. 1 oder Nr. 2 UWG). An einer Anschwärzung fehlt es bereits, weil "clever" ein Werturteil, nicht aber eine unwahre Tatsachenbehauptung darstellt. Als Werturteil wäre der Begriff nur unzulässig, wenn er pauschal herabsetzend wäre. "Clever" ist allerdings eine übliche Anpreisung der eigentlichen Leistungsfähigkeit, "clevere Alternative" würde jeder Unternehmer sein Angebot nennen. Diese Art von Sympathiewerbung um Kunden ist nicht unzulässig.

OLG Karlsruhe, Urt. v. 27.5.2020, 6 U 36/20, Tz. 91 ff - Facebook Faktencheck

Eine Herabsetzung der Äußerung der Klägerin liegt in der Darstellung der Faktenprüfung auf Facebook. Insbesondere wird der Hinweis auf die Faktenprüfung durch die Beklagte aufgrund seiner Verknüpfung mit dem Anreißer der Klägerin von einem maßgeblichen Teil der angesprochenen und erreichten Facebook-Nutzer dahingehend missverstanden werden, dass sich die Überprüfung auf den Artikel der Klägerin bezogen habe. Im Zusammenspiel mit weiteren Umständen, die die Wertschätzung des Artikels der Klägerin beeinträchtigen, stellt dies eine in der Abwägung der beteiligten Interessen nicht mehr hinzunehmende Herabsetzung der journalistischen Leistung der Klägerin dar.

Die Verknüpfung zwischen dem angegriffenen Hinweis der Beklagten und dem Anreißer der Beklagten erweckt … den Anschein, als sei die Klägerin die Urheberin der überprüften und als falsch kritisierten Aussagen. Tatsächlich wird der Artikel der Klägerin  aber nur in der Einleitung des Beitrags der Beklagten als eine von mehreren Veröffentlichungen genannt, in denen über den offenen Brief berichtet wurde. Nicht diese Berichterstattungen, sondern der offene Brief selbst wird an die Einleitung anschließend dann einer Faktenprüfung unterzogen. Gegenstand dieser Prüfung sind zum einen die in dem offenen Brief geäußerten Behauptungen, zum anderen die Fachgebiete der Verfasser und die im offenen Brief enthaltenen Angaben zu ihrer Biographie. ...

... … Ob dies nach den Umständen des vorliegenden Falles schon für sich genommen schwer genug wiegt, um den beanstandeten Bericht der Beklagten als Herabsetzung nach § 4 Nr. 1 UWG zu qualifizieren, kann dahinstehen. Denn es kommen mehrere erschwerende Umstände hinzu.

So erweckt die Kennzeichnung als „Fact Check“ und die Bewertung „Behauptungen teilweise falsch“ den Eindruck, dass ausschließlich oder zumindest vorrangig Tatsachenbehauptungen („Facts“) in Frage stünden. Auch dies ist missverständlich, denn tatsächlich handelt es sich bei dem Bericht der Beklagten insgesamt um eine wertende Stellungnahme.

Die – missverständliche – Betonung des Tatsachenbezugs wird verstärkt durch die Bezeichnung der Beklagten als Faktenprüferin. Diese erweckt nach außen zugleich den Eindruck erhöhter Kompetenz und Neutralität. …

OLG Karlsruhe, Urt. v. 14.7.2021, 6 W 8/21

Eine Herabsetzung der Berichterstattung der Klägerin liegt in der Darstellung der Faktenprüfung auf Facebook. Insbesondere wird der Hinweis als Ergebnis einer so bezeichneten „Faktenprüfung“ in Verbindung mit der Einordnung als (möglicherweise) „irreführend“ aufgrund seiner Verknüpfung mit dem Anreißer der Klägerin von einem maßgeblichen Teil der angesprochenen und erreichten Facebook-Nutzer dahingehend missverstanden werden, dass sich die Überprüfung auf eine in dem Artikel der Klägerin behauptete Tatsache bezogen habe, deren Unwahrheit die Faktenprüfung ergeben habe. ...

Allerdings hat das Landgericht zutreffend zu Gunsten der Beklagten herausgestellt, dass die Medienkritik – auch durch Mitbewerber – zur Aufgabe der öffentlichen Medien gehört. Sie ist grundsätzlich von demjenigen hinzunehmen, der sich selbst in die öffentliche Debatte begeben hat (vgl. Senat, Urteil vom 27. Mai 2020 - 6 U 36/20, AfP 2020, 347 [juris Rn. 90]). Insbesondere kann ein Presseunternehmen, das einen Beitrag in einem sozialen Netzwerk veröffentlicht hat, grundsätzlich nicht untersagen, dass dort ein Posting dieses Beitrags mit der Kennzeichnung als „Falsche Informationen – Von unabhängigen Faktenprüfern geprüft“ verknüpft wird, wenn dieser Faktenprüfungs-Hinweis und ein damit verknüpfter Artikel des vom Netzwerkbetreiber beauftragten Faktenprüfers sachlich gehalten und weder unwahr noch missverständlich sind, nämlich der angesprochene Verkehr ihnen die Behauptung der Tatsache entnimmt, dass der geprüfte Beitrag falsche Informationen gebe, die auf zentrale tatsächliche Elemente des geprüften Beitrags zutrifft

Indes ist der vorliegende Hinweis missverständlich. Dabei ist zu beachten, dass schon die Kennzeichnung als „Faktenprüfung“ geeignet ist, den Eindruck zu erwecken, dass ausschließlich oder zumindest vorrangig Tatsachenbehauptungen („Fakten“) der so gekennzeichneten Berichterstattung in Frage stünden. Dies gilt zumindest in Verbindung mit der Einordnung als (möglicherweise) irreführend. Dies ist seinerseits missverständlich, wenn der zum Gegenstand der Faktenprüfung gemachte Umstand nicht eine Behauptung der so gekennzeichneten Berichterstattung ist oder es sich bei dem Faktenprüfungsbericht insgesamt um eine wertende Stellungnahme handelt . Die – missverständliche – Betonung des Tatsachenbezugs wird verstärkt durch die Bezeichnung des durch die Beklagte herangezogenen Unternehmens „C“ als Faktenprüfer.

OLG Karlsruhe, Urt. v. 14.7.2021, 6 W 8/21

Bei der Bewertung des angegriffenen Faktencheck-Hinweises ist ferner zu beachten, dass die Beklagte ihn aus ihrer Stellung als Plattformbetreiber heraus erteilt, was von erheblicher Bedeutung für die Wahrnehmung durch deren Benutzer ist. Dabei will die Beklagte sich gerade das Bild eines neutralen und objektiv informierten Informationsvermittlers geben. Die Bezeichnung von „C“ als mit der Beklagten kooperierender unabhängiger Faktenprüfer erhöht nach außen den Eindruck erhöhter Kompetenz und Neutralität…

Dadurch werden die Äußerungen der Faktenprüfung und die Einträge einfacher Nutzer in ein Hierarchieverhältnis gestellt, das der besonderen Rechtfertigung bedarf, wenn es sich um Meinungen handelt.

Andererseits aber

OLG Karlsruhe, Beschl. v. 28.4.2021, 6 W 42/20

Dass die Wahrnehmbarkeit des – den Geltungsanspruch der Antragstellerin berührenden und die Verbreitung deren Beitrags hemmenden – Faktencheck-Hinweises und des Artikels der Antragsgegnerin gerade durch eine Verknüpfung mit dem durch die Antragstellerin veröffentlichten Inhalt gesteigert wird, ist bei der gebotenen Interessenabwägung von der Antragstellerin hinzunehmen. Unter Abwägung der auf allen Seiten betroffenen Interessen überwiegt das von der Antraggegnerin gleichsam als Erfüllungsgehilfin des Portalbetreibers wahrgenommene Interesse, eine zum Zeitpunkt des Faktenchecks erwiesenermaßen und unstreitig (zumindest im Kern) falsche Tatsachen enthaltende (Meinungs-) Äußerung unter Facebook mit dem vorliegenden Hinweis auf das Ergebnis einer Faktenprüfung zu verknüpfen. …

Der Plattformbetreiber verfolgt mit der Veranlassung von Faktencheck-Hinweisen … nicht zuletzt legitime wirtschaftliche und zudem von seinem Unternehmenspersönlichkeitsrecht gedeckte Interessen, nicht als Verbreitungsplattform für Falschinformationen in Verruf zu geraten. Dabei ist zu Gunsten des Plattformbetreibers und der Antragsgegnerin zu berücksichtigen, dass die sachlich gehaltenen und als solche nicht zu beanstanden Äußerungen im mit der angegriffenen Handlung verlinkten Artikel der Antragsgegnerin und bereits im Hinweis auf Facebook nicht nur ein Thema von großem allgemeinem Interesse betreffen und den Schutz der Meinungsfreiheit genießen. Bei der Prüfung, ob das „Anhängen“ an den Beitrag der Antragstellerin gerechtfertigt ist, ist auch zu beachten, dass die Antragsgegnerin das Ziel verfolgt, „Echokammern“ und „Filterblasen“ zu vermeiden, das dem allgemeinen Interesse an einem möglichst freien und umfassenden Meinungsaustausch und -wettbewerb dient. Dies ist ein sachlicher Grund für die Einrichtung und Durchführung einer Faktenprüfung (Senat, AfP 2020, 347 [juris Rn. 102 f]). An dieser Einschätzung hält der Senat auch gegenüber der durch die Beschwerde unter Hinweis auf Literatur geäußerte Kritik fest. Dieses Interesse hat selbst dann erhebliches Gewicht, wenn die Antragsgegnerin mit der Verbreitung ihrer Beiträge auch (Spenden-) Einnahmen zu ihren eigenen Gunsten fördern sollte. Ebenfalls unschädlich ist, dass der Betreiber des sozialen Netzwerks, der den Rahmen für die hier inmitten stehende Betätigung der Antragsgegnerin als Faktenprüferin schafft, solche der Allgemeinheit dienenden Ziele letztlich aus der Motivation heraus verfolgt, eine Beeinträchtigung der Attraktivität seines wirtschaftlich erfolgreichen Geschäftsmodells bei den Nutzern zu vermeiden.

Zum Vorwurf 'Produktkopie'

OLG Hamburg, Urt. V. 16.54.2020, 3 U 197/16, Tz. 57 f - Produktkopie

Zwar mag die Verwendung der Formulierung "Produktkopie" durchaus eine gewisse Schärfe aufweisen. Einen Warenhersteller mit dem Vorwurf der Herstellung von Produktkopien zu belegen, ist im Zweifel für die Abnehmerkreise negativ konnotiert. Ein solcher Vorwurf ist daher durchaus geeignet, eine für das geschäftliche Ansehen der Klägerin abträgliche Tatsachenbehauptung darzustellen. Allerdings ist unter diesem Blickwinkel zu berücksichtigen, dass sich aus dem textlichen Zusammenhang im Streitfall nicht das Verständnis ableiten lässt, die Klägerin sei Herstellerin oder Vertreiberin von Piraterieware. Vielmehr wird der Verkehr über den Gegenstand des Patents der Beklagten informiert und darüber aufgeklärt, dass die Klägerin eine technische Lösung, für die die Beklagte Patentschutz genießt, übernommen habe.

Die Beklagte hatte einen hinreichenden Anlass für die streitgegenständliche Mitteilung, nämlich das zuvor erwirkte Urteil des Landgerichts Düsseldorf. Für die Beklagte bestand als von der Patentverletzung unmittelbar in ihrer wettbewerblichen Stellung Betroffene ein besonderes Interesse an der Information potentieller Nachfrager darüber, dass ein staatliches Gericht eine Verletzung ihres Europäischen Patents durch das Produkt FA. der Klägerin festgestellt hatte.

Sternchen-Bewertung

OLG Köln, Urt. v. 23.12.2022, 6 U 83/22, II.2.c

Eine Bewertung durch Vergabe eines von möglichen fünf Sternen in einem Internetdienst ist ein herabsetzendes Werturteil im Sinne des § 4 Nr. 1 UWG. ...

Sterne-Bewertungen unternehmerischer Leistungen auf Google-Profilen werden vom angesprochenen Verkehr nicht als reine Meinungsäußerung verstanden, sondern als persönliche Bewertung einer tatsächlich in Anspruch genommenen Dienstleistung (vgl. BGH GRUR 2016, 855 Rn. 29 — jameda.de). Insoweit enthalten solche Bewertungen einen Tatsachenkem, an den die subjektive Bewertung anknüpft. Eine pauschale Herabsetzung, die mangels Mitteilung der konkreten Umstände, auf die sich die herabsetzende Äußerung bezieht, diesen sachlichen Bezug nicht erkennen lässt, erschöpft sich in der Herabsetzung und ist daher unzulässige unternehmerische Schmähkritik.

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